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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.10.2004
Aktenzeichen: II ZR 395/02
Rechtsgebiete: HaustürWG, VerbrKrG, BGB


Vorschriften:

HaustürWG § 1 Abs. 1 Nr. 1
HaustürWG § 2 Abs. 1
HaustürWG § 2 Abs. 1 Satz 3
HaustürWG § 2 Abs. 1 Satz 4
HaustürWG § 3
HaustürWG § 3 Abs. 1 Satz 1
HaustürWG § 5 Abs. 2
VerbrKrG § 7 Abs. 2 Satz 3 letzter Halbsatz
VerbrKrG § 7 Abs. 3
VerbrKrG § 9
VerbrKrG § 9 Abs. 4
VerbrKrG § 9 Abs. 1
VerbrKrG § 9 Abs. 2
VerbrKrG § 9 Abs. 3
BGB § 123 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 395/02

Verkündet am: 25. Oktober 2004

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 25. Juli 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Darlehensvertrages.

Die Kläger wurden 1992 durch den Mitarbeiter K. des F. in ihrer Wohnung für den Beitritt zur G.-GbR, Gru.straße 172, D., Fonds Nr. 15 (im folgenden: Fonds, Fondsgesellschaft) sowie zur Finanzierung des Beitritts durch ein Darlehen der Beklagten geworben. Am 2. November 1992 unterzeichneten sie in ihrer Wohnung eine ihnen vom Vermittler vorgelegte "Beitrittserklärung" zu dem Fonds, an dem sie sich mit einer Einlage von 60.000,00 DM beteiligten, sowie einen ihnen ebenfalls von dem Vermittler vorgelegten, an die Beklagte gerichteten Darlehensvertrag über 70.787,00 DM. Die Beklagte gewährte das Darlehen und zahlte die Valuta, wie der Kreditvertrag es vorsah, an den Treuhänder der Fondsgesellschaft aus.

Die Kläger ließen den Darlehensvertrag durch Anwaltsschreiben vom 17. Juli 1996 nach dem Haustürwiderrufsgesetz widerrufen. Die Darlehenszinsen von monatlich 438,32 DM waren zunächst aus den Erträgnissen des Fonds an die Beklagte gezahlt worden. Ab August 1994 bis zum Widerruf des Darlehensvertrages brachten die Kläger die Zinszahlungen auf, insgesamt 12.131,98 DM.

Mit ihrer am 21. November 1996 zugestellten Klage verlangen die Kläger von der Beklagten Rückzahlung der geleisteten Zinsen von 12.131,98 DM und begehren die Feststellung, daß der Beklagten keine Ansprüche aus dem Darlehensvertrag vom 2. November/4. Dezember 1992 gegen sie zustehen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht ihr auf die Berufung der Kläger stattgegeben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

I. Die Kläger haben gemäß § 3 HaustürWG (in der hier anzuwendenden bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung des Gesetzes) gegen die Beklagte Anspruch auf Rückgewähr der erbrachten Zinszahlungen und brauchen ihr das Darlehen nicht zurückzuzahlen.

1. Die Kläger haben den Darlehensvertrag am 17. Juli 1996 nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG wirksam widerrufen.

a) Der Darlehensvertrag der Parteien unterfällt dem Haustürwiderrufsgesetz. Dessen Vorschriften sind durch die Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 HaustürWG hier nicht ausgeschlossen.

§ 5 Abs. 2 HaustürWG ist richtlinienkonform dahin auszulegen, daß die Bestimmungen des Haustürwiderrufsgesetzes auch dann anzuwenden sind, wenn das Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz ausgeschlossen oder erloschen ist (BGHZ 150, 248, 256; 152, 331, 334 f.; Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1403). Letzteres ist hier der Fall. Das Widerrufsrecht ist nach § 7 Abs. 2 Satz 3 letzter Halbsatz VerbrKrG infolge Fristablaufs erloschen.

b) Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG liegen vor. Die Kläger sind zum Abschluß des Darlehensvertrages durch mündliche Verhandlungen in ihrer Privatwohnung bestimmt worden. Das hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision rechtsfehlerfrei festgestellt.

Die Beklagte hat das Vorliegen einer Haustürsituation nicht in prozessual wirksamer Weise bestritten. Mit der Klageerwiderung hat sie das Haustürwiderrufsgesetz ohne nähere Begründung als hier nicht anwendbar bezeichnet, nachdem sie vorher in anderem Zusammenhang allerdings bereits auf die Vorschrift des § 5 Abs. 2 HaustürWG hingewiesen hatte. Ein solches Vorbringen ist kein Bestreiten der Behauptungen der Kläger, sie seien von dem Vermittler K. mehrfach in ihrer Wohnung aufgesucht und für die Fondsbeteiligung und deren Finanzierung durch einen Kredit der Beklagten geworben worden. Später - mit Schriftsatz vom 3. März 1997 - hat die Beklagte lediglich noch mit Nichtwissen bestritten, daß der Kläger zu 1 an seiner Arbeitsstelle von einem J. L. angesprochen worden sei. Darin ist ein Bestreiten der behaupteten Haustürsituation ebenfalls nicht zu sehen. Der zweimalige Hinweis der Beklagten im Berufungsverfahren, daß sich aus der erstinstanzlichen Vernehmung des Vermittlers K. als Zeuge keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haustürsituation ergeben hätten, kann ebenfalls nicht als Bestreiten verstanden werden. Das Beweisthema lautete "Vermittlungstätigkeit (zu ergänzen: des Zeugen) für die Beklagte". Die Vernehmung berührte auch tatsächlich die Frage der Haustürsituation nicht.

c) Die Haustürsituation ist der Beklagten zuzurechnen. Insoweit gelten die für die Zurechnung einer arglistigen Täuschung nach § 123 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 12. November 2002 - XI ZR 3/01, ZIP 2003, 22, 24 f.; v. 15. Juli 2003 - XI ZR 162/00, ZIP 2003, 1741, 1743; v. 20. Januar 2004 - XI ZR 460/02, DB 2004, 647, 648). Ist danach - wie hier - der Verhandlungsführer als Dritter anzusehen, so ist sein Handeln dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, wenn dieser es kannte oder kennen mußte. Für eine fahrlässige Unkenntnis in diesem Sinne genügt, daß die Umstände des Falles den Erklärungsempfänger veranlassen mußten, sich zu erkundigen, auf welchen Umständen die ihm übermittelte Willenserklärung beruht (BGH, Urt. v. 9. April 1992 - IX ZR 145/91, ZIP 1992, 755, 756).

Auch wenn die Beklagte nicht schon gewußt haben sollte, daß die Fondsbeteiligungen und die zugehörigen Finanzierungen in Haustürsituationen vertrieben wurden, war sie nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen jedenfalls verpflichtet, sich bei der Fondsgesellschaft oder dem Vermittlungsunternehmen über die Umstände der Vertragsverhandlungen zu erkundigen, weil sie in das Vertriebssystem des Fonds eingebunden war. Sie hatte dem Vermittler, der in T. wohnte, ihre Vertragsformulare überlassen. Die Kläger wohnten damals wie heute in Gei.. Ausweislich des Inhalts der Darlehensanträge haben sie die Schriftstücke auch in Gei. unterschrieben.

Damit war aus der Sicht der Beklagten von einer Haustürsituation auszugehen, mußte sich ihr dieser Eindruck jedenfalls aufdrängen.

d) Das Widerrufsrecht der Kläger ist nicht durch Fristablauf erloschen. Die einwöchige Frist des § 1 Abs. 1 HaustürWG hat mangels ordnungsgemäßer Belehrung nach § 2 Abs. 1 HaustürWG nicht zu laufen begonnen.

Die Belehrung hinsichtlich des Darlehensvertrages enthält den Hinweis, daß der Widerruf nach Empfang des Darlehens als nicht erfolgt gelte, wenn das Darlehen nicht binnen zwei Wochen nach der Erklärung des Widerrufs zurückgezahlt werde. Eine derartige - dem § 7 Abs. 3 VerbrKrG entsprechende - Widerrufsbelehrung genügt entgegen der Ansicht der Revision schon deshalb nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 HaustürWG, weil sie eine "andere" - zudem unrichtige - Erklärung enthält (vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404 m.w.N.). Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 4 HaustürWG liegen ersichtlich nicht vor.

2. Als Rechtsfolge des Widerrufs haben die Vertragspartner einander die jeweils empfangenen Leistungen zurückzugewähren, § 3 Abs. 1 Satz 1 HaustürWG.

Danach muß die Beklagte den Klägern die von ihnen gezahlten Zinsen, soweit sie aus ihrem eigenen Vermögen und nicht aus Erträgnissen des Fonds geleistet worden sind, zurückzahlen und ihnen auch etwaige Sicherheiten zurückübertragen.

Die Kläger brauchen der Beklagten das Darlehen nicht zurückzuzahlen, sondern ihr lediglich ihren Fondsanteil abzutreten. Die von dem Darlehensnehmer empfangene Leistung ist im Falle der Auszahlung der Valuta an einen Dritten bei einem Verbundgeschäft i.S. von § 9 VerbrKrG der finanzierte Gesellschaftsanteil (vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404 f.).

Auf einen Kredit zur Finanzierung einer Beteiligung an einer Anlagegesellschaft finden entgegen der Auffassung der Revision gemäß § 9 Abs. 4 VerbrKrG die Vorschriften des § 9 Abs. 1-3 VerbrKrG Anwendung, weil der Beitritt nach seinem wirtschaftlichen Zweck und wegen der Schutzbedürftigkeit des Anlegers einem Vertrag über eine entgeltliche Leistung gleichzustellen ist (Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1593 f.; ebenso Urteile v. 14. Juni 2004 - II ZR 374/02, ZIP 2004, 1407, 1408 und II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1396 sowie BGH, Urt. v. 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233 f.). Der Fondsbeitritt der Kläger und der Kreditvertrag der Parteien sind ein Verbundgeschäft i.S. von § 9 Abs. 1 VerbrKrG. Dessen Voraussetzungen liegen vor, wenn sich die Fondsgesellschaft und das Kreditinstitut derselben Vertriebsorganisation bedienen (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1594; ebenso Entscheidungen v. 14. Juni 2004 in den Sachen II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1396, 1398 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1405). Das war hier der Fall. Die Beklagte hat ihre Vertragsformulare dem von den Fondsinitiatoren eingeschalteten Vermittlungsunternehmen zur Verfügung gestellt.

II. Das Berufungsgericht hat danach den Klageanträgen zu Recht entsprochen. Die Kläger haben die zurückverlangten Zinsen unstreitig aus eigenem Vermögen aufgebracht. Da sie der Beklagten die Darlehensvaluta nicht schulden, ist auch ihr Feststellungsantrag begründet. Die Revision der Beklagten unterliegt damit der Zurückweisung als unbegründet.

Ende der Entscheidung

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