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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.10.2004
Aktenzeichen: II ZR 397/02
Rechtsgebiete: VerbrKrG, BGB


Vorschriften:

VerbrKrG § 9 Abs. 1
VerbrKrG § 9 Abs. 2 Satz 4
VerbrKrG § 9 Abs. 3
BGB § 255
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 397/02

Verkündet am: 25. Oktober 2004

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 18. Juli 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die wechselseitigen Ansprüche aus einem Darlehen, mit dem die Beklagten ihren Beitritt zur G.-GbR, Gru.straße 172 in D., Fonds Nr. 15 (im folgenden: Fonds, Fondsgesellschaft) finanzierten.

Die Fondsgesellschaft war von der Do. GmbH und deren Geschäftsführer W. Gr. gegründet worden. Gesellschaftszweck war der Erwerb, die Bebauung, wirtschaftliche Ausnutzung und Verwaltung des Grundstücks Gru.straße 172 in D..

Die Beklagten unterzeichneten eine "Beitrittserklärung" zu dem Fonds, mit der sie sich zum Beitritt mit einer Einlage von 50.000,00 DM verpflichteten und einem Rechtsanwalt M. F. den notariellen Abschluß eines auf die Verwendung der einzuzahlenden Gelder bezogenen Treuhandvertrages nebst Vollmacht anboten. Ihre Einlage wurde in vollem Umfang durch einen von der Klägerin gewährten Festkredit finanziert, der durch eine - der Klägerin als Sicherheit abgetretene - Lebensversicherung des Beklagten zu 1 getilgt werden sollte.

Die Do. GmbH stellte 1996 ihre Zahlungen ein. Ein Konkursantrag wurde mangels Masse abgelehnt. Der Initiator des Fonds, W. Gr., wurde 1999 wegen Kreditanlagebetrugs in vier Fällen, u.a. hinsichtlich des Fonds 15, rechtskräftig verurteilt. Er hatte sich oder der Do. GmbH ohne Wissen der Anleger von den Grundstücksverkäufern und Bauträgern einen Teil der in dem Fondsprospekt für den Erwerb und die Bebauung des Grundstücks veranschlagten 17.102.276,00 DM, nämlich etwa 6,3 Mio. DM, zurückzahlen lassen, so daß von dem insgesamt aufgebrachten Kapital des Fonds in Höhe von 24,88 Mio. DM nur 10.707.097,00 DM, also weniger als die Hälfte, in das Bauvorhaben geflossen waren.

Die Beklagten leisteten bis einschließlich Dezember 1996 die monatlichen Zinsraten an die Klägerin. Mit Anwaltsschreiben vom 27. März 1997 ließen sie den Darlehensvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Am 10. November 2000 erklärten sie "wegen der falschen Beitrittswerbung" die fristlose Kündigung ihrer Mitgliedschaft in der Fondsgesellschaft.

Mit der Klage verlangt die Klägerin Rückzahlung der Darlehensvaluta einschließlich eines Disagios und einer Bearbeitungsgebühr, insgesamt 60.514,76 DM. Die Beklagten berufen sich darauf, daß ihnen Einwendungen gegen die Fondsgesellschaft und deren Initiatoren zustünden, die sich die Klägerin entgegenhalten lassen müsse. Sie fordern widerklagend Rückzahlung an die Klägerin geleisteter Zinsen von 10.834,40 DM sowie Rückabtretung der Lebensversicherung an den Beklagten zu 1.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wollen die Beklagten die Abweisung der Klage sowie die Verurteilung der Klägerin nach ihren Widerklageanträgen erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Die Beklagten brauchen der Klägerin keine weiteren Zahlungen zu leisten und haben ihrerseits Anspruch auf Rückgewähr ihrer bereits erbrachten Leistungen. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 3, Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG (in der bis 30. September 2000 geltenden Fassung).

1. Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, daß der Beitritt zu einem Immobilienfonds und dessen Finanzierung durch ein Kreditgeschäft grundsätzlich ein verbundenes Geschäft i.S. von § 9 Abs. 1, Abs. 3 VerbrKrG sein können. Nach der Rechtsprechung des Senats erfüllen der Beitritt zu einer Anlagegesellschaft und das ihn finanzierende Kreditgeschäft die Voraussetzungen eines Verbundgeschäfts, wenn sich die Fondsgesellschaft und die Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1594; ebenso Entscheidungen vom 14. Juni 2004 in den Sachen II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1396, 1398 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1405). Das war hier der Fall. Die Klägerin hat ihre Vertragsformulare dem von den Fondsinitiatoren eingeschalteten Vermittlungsunternehmen zur Verfügung gestellt.

2. Von Rechtsfehlern beeinflußt ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Einwendungsdurchgriff nach § 9 Abs. 3 VerbrKrG scheitere daran, daß den Beklagten gegen die Fondsgesellschaft bzw. deren Initiatoren keine Ansprüche zustünden, die sie der Klägerin entgegensetzen könnten.

Die Beklagten können, ohne daß es auf die Kündigung ihrer Fondsmitgliedschaft und deren vom Berufungsgericht - zu Unrecht - angenommene Verspätung (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1594 f.; wegen des Verwirkungseinwands vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 374/02, ZIP 2004, 1407, 1408 f.) ankäme, sich der Klägerin gegenüber nach § 9 Abs. 3 VerbrKrG darauf berufen, daß ihnen gegen die Gründungsgesellschafter des Fonds, die Do. GmbH und W. Gr., Schadensersatzansprüche u.a. aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß zustehen (vgl. Sen.Urt. v. 10. Oktober 1994 - II ZR 95/93, ZIP 1994, 1851, 1852).

a) Wie der Senat in seinen Urteilen vom 14. Juni 2004 (II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1406) entschieden hat, kann der bei seinem Eintritt in eine Fondsgesellschaft getäuschte Anleger bei Vorliegen eines Verbundgeschäfts nicht nur seine Beteiligung kündigen und die daraus folgenden Ansprüche auch der Bank entgegenhalten, sondern darüber hinaus dem Kreditinstitut alle Ansprüche entgegensetzen, die er gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter des Fonds hat, weil diese in dem Dreiecksverhältnis des Verbundgeschäfts Kunde - Verkäufer - Bank wie ein Verkäufer zu behandeln sind. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist W. Gr. wegen Kapitalanlagebetrugs, u.a. im Zusammenhang mit dem hier betroffenen Fonds 15, rechtskräftig verurteilt worden. Anhaltspunkte dafür, daß die Verurteilung zu Unrecht erfolgt sein könnte oder gerade die Beklagten nicht zu den Betrugsopfern gehört haben könnten, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.

b) Die gegenüber den Gründungsgesellschaftern des Fonds bestehenden Schadensersatzansprüche sind darauf gerichtet, den Anleger so zu stellen, als wäre er der Fondsgesellschaft nicht beigetreten und hätte mit dem den Beitritt finanzierenden Institut keinen Darlehensvertrag geschlossen (Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1406).

Danach haben die Beklagten der Klägerin nur die Fondsbeteiligung, die sie ihr sicherungshalber abgetreten haben, und in entsprechender Anwendung von § 255 BGB ihre Schadensersatzansprüche gegen die Do. GmbH und W. Gr. zu überlassen. Die Darlehensvaluta, die nicht an sie, sondern an den Treuhänder geflossen ist, brauchen sie der Klägerin nicht zurückzuzahlen. Sie können im Wege des Rückforderungsdurchgriffs entsprechend § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1595) Rückgewähr der von ihnen auf Grund des Darlehensvertrages an die Klägerin erbrachten Leistungen verlangen, soweit sie aus eigenem Vermögen und nicht aus Erträgnissen des Fonds stammten. Der Beklagte zu 1 hat außerdem Anspruch auf Rückabtretung der Rechte aus seiner Lebensversicherung.

II. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, sondern muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverweisen. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht festgestellt, ob und in welchem Umfang sich die Beklagten auf ihren Rückzahlungsanspruch Steuervorteile, die sie nach dem Vortrag der Klägerin auf Grund der Fondsbeteiligung erlangt haben, im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen müssen, weil ihnen keine Nachzahlungsansprüche des Finanzamts gegenüberstehen (vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1407). Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht außerdem Gelegenheit, dem Vortrag der Klägerin nachzugehen, daß an die Beklagten Zwischenfinanzierungszinsen und Mehrwertsteuerrückerstattungen zurückgeflossen seien und sie Erträgnisse des Fonds vereinnahmt hätten.

Ende der Entscheidung

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