Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.10.2004
Aktenzeichen: XII ZR 7/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt.
BGB § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt.
BGB § 816 Abs. 1
BGB § 816 Abs. 1 Satz 2
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 861
BGB § 862
BGB § 883 Abs. 1
BGB § 883 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 7/01

Verkündet am: 13. Oktober 2004

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke, die Richter Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 24. November 2000 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 3. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Erledigung eines von dem Kläger auf Räumung einer Gaststätte gerichteten Rechtsstreits.

Am 4. Dezember 1993 schloß der Kläger mit der H. gesellschaft mbH (im folgenden nach mehrfacher Änderung des Firmennamens: HD V. ) einen notariellen Kauf- und Werklieferungsvertrag über ein schlüsselfertig zu errichtendes Gebäude mit Tiefgarage und Außenstellplätzen im "H. park" in M. . Gemäß Ziffer 8 des Vertrages sollten Besitz, Nutzungen, Lasten, Gefahr und die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten mit dem Tag der Übergabe auf den Kläger übergehen. Der Kaufgegenstand sollte miet- und pachtfrei übergeben werden, es sei denn, der Kläger hätte zuvor einen Miet- und Pachtvertrag abgeschlossen. Die Übergabe sollte gemäß Ziffer 9 des Vertrages mit der Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls als erfolgt gelten. Dies geschah am 12. Juni 1996.

Die HD V. hatte die Räume schon zuvor im November 1995 der Beklagten zum Betrieb einer Gaststätte überlassen. Der Kläger, der noch nicht als Eigentümer des von ihm gekauften Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen ist, verlangte von der Beklagten Räumung der Gaststätte.

Über das Vermögen der HD V. wurde am 9. Dezember 1998 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet.

Das Landgericht hat die Räumungsklage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht, nachdem der Kläger den Rechtsstreit nach Auszug der Beklagten einseitig für erledigt erklärt hatte, festgestellt, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, und hat die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Rechtsstreit habe sich durch den Auszug der Beklagten am 29. März 2000 erledigt. Der Kläger habe gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 2. Alt. BGB einen Anspruch auf Räumung der Gaststätte gehabt. Er habe der Beklagten unstreitig den Besitz an den Räumen überlassen. Der mit dieser Leistung allein verfolgte Zweck, nämlich der Abschluß eines Mietvertrages mit der Beklagten, der von der HD V. unterschriftsreif habe vorbereitet werden sollen, sei nicht erreicht worden.

2. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Räumungsklage war von Anfang an unbegründet. Das hat zur Folge, daß das auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichtete Klagebegehren abzuweisen ist.

a) Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Räume durch Leistung des Klägers erlangt, der Kläger könne deshalb von der Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 2. Alt. BGB Räumung verlangen, wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu sind widersprüchlich.

Das Berufungsgericht führt im unstreitigen Teil des Tatbestands aus, die HD V. habe die Gewerberäume vor der vereinbarten Abnahme durch den Kläger an die Beklagte übergeben, die spätestens seit dem 17. November 1995 in diesen Räumen die Gaststätte betreibe. Im streitigen Parteivortrag führt das Berufungsgericht aus, der Kläger habe vorgetragen, die Nutzung der Beklagten sei ohne seine Zustimmung erfolgt. Diese Ausführungen stehen im Widerspruch zu der in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils getroffenen Feststellung, unstreitig habe der Kläger der Beklagten den Besitz an den Gaststättenräumen überlassen und die Nutzung durch die Beklagte gebilligt.

b) Das Revisionsgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, soweit sie widersprüchlich sind, nicht gebunden (BGHZ 80, 64, 67; BGH, Urteile vom 9. März 1995 - III ZR 44/94 - NJW-RR 1995, 1058, 1060; vom 17. Mai 2000 - VIII ZR 216/99 - MDR 2000, 1026). Eine abschließende Entscheidung ist aber trotz der aufgezeigten Widersprüche möglich. Denn die tatsächlichen Grundlagen ergeben sich hier zweifelsfrei aus dem Tatbestand des Berufungsurteils und den in Bezug genommenen Schriftsätzen der Parteien.

Danach sind die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen, daß die Beklagte den Besitz nicht von dem Kläger, sondern von der HD V. erhalten hat und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kaufgegenstand an den Kläger noch nicht übergeben worden war. Die HD V. hat die Räume der Beklagten auch nicht auf Weisung des Klägers übergeben. Dieser war vielmehr nach eigenem Vortrag mit einer Übergabe der Räume an die Beklagte gerade nicht einverstanden. Damit liegen die Voraussetzungen für den vom Berufungsgericht angenommenen Räumungsanspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. oder aus § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BGB (Leistungskondiktion) schon mangels Leistung des Klägers nicht vor. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB (Eingriffskondiktion) scheidet aus, weil die Beklagte die Räume von der HD V. , der Eigentümerin und damaligen Besitzerin, aufgrund der mit dieser abgeschlossenen Betriebsführungs- und Managementvereinbarung vom 10. Oktober 1995 und damit durch Leistung der HD V. erhalten hat. Denn eine Bereicherung in sonstiger Weise (also aufgrund sog. Eingriffskondiktion) kommt nur dann in Betracht, wenn der Bereicherungsgegenstand dem Empfänger überhaupt nicht, also von niemandem geleistet worden ist (vgl. BGHZ 40, 272, 278). Der Kläger hat zwar bestritten, daß ein solcher Vertrag zwischen der HD V. und der Beklagten abgeschlossen worden ist. Dieses Bestreiten ist aber angesichts der Vorlage des schriftlichen, von den Vertragspartnern unterzeichneten Vertrages nicht hinreichend substantiiert.

3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO a.F.). Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Räumung ergibt sich aus keinem anderen rechtlichen Grund.

a) Vertragliche und vorvertragliche Ansprüche scheiden aus. Zwischen den Parteien bestand keine vertragliche Beziehung. Sie haben auch keine Vertragsverhandlungen geführt.

b) Der Kläger kann auch aus dem Übergang der Nutzungen am 12. Juni 1996 gemäß dem zwischen ihm und der HD V. abgeschlossenen Kauf- und Werklieferungsvertrag keinen Räumungsanspruch gegen die Beklagte herleiten. Diese Bestimmung im Kaufvertrag regelt nur im Innenverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, wem welche Ansprüche zustehen. Ein direkter Anspruch des Käufers gegen den Nutzenden ergibt sich hieraus nicht. Mit der Übergabe des Gebäudes am 12. Juni 1996 hat die HD V. auch keinen Herausgabeanspruch gegen die Beklagte an den Kläger abgetreten. Ein solcher Herausgabeanspruch ist von dem Kläger schon nicht substantiiert dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Die HD V. war vielmehr aus der mit der Beklagten abgeschlossenen Betriebsführungs- und Managementvereinbarung vom 10. Oktober 1995 verpflichtet, ihr die Räume zu überlassen.

c) Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Räumung gemäß §§ 861, 862 BGB. Diese Ansprüche sollen den Besitzstand sichern. Sie zielen darauf ab, den früheren Besitz wieder herzustellen, der durch verbotene Eigenmacht entzogen worden ist. Hier fehlt es schon an einer widerrechtlichen Besitzbeeinträchtigung des Klägers. Denn er hatte zum Zeitpunkt der Besitzerlangung durch die Beklagte im November 1995 unstreitig keinen Besitz an den Räumen. Die Beklagte hat vielmehr den Besitz mit Willen der damals berechtigt besitzenden HD V. und somit nicht durch verbotene Eigenmacht erlangt.

d) Aus diesem Grund ist auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Zwar ist der Besitz als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Es fehlt hier aber - wie oben ausgeführt - an einer Entziehung des klägerischen Besitzes durch die Beklagte.

e) Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus der zu seinen Gunsten am 21. Dezember 1993 im Grundbuch eingetragenen Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums nach § 883 Abs. 1 und 2 BGB, da die Überlassung der Räume keine Verfügung im Sinne des Absatz 2 der Vorschrift darstellt (RGZ 106, 109, 111, 112; BGHZ 13, 1, 3).

f) Ein Räumungsanspruch des Klägers ist auch nicht gemäß § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet. Denn die HD V. hat mit der Besitzüberlassung an die Beklagte keine Verfügung im Sinne des § 816 Abs. 1 BGB, also im Sinne einer Übertragung, Belastung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtes am Grundstück, getroffen (RGZ aaO; BGHZ 13, aaO; BGHZ 131, 297, 305, 306; Staudinger/Bund 2000, BGB Vorbem. zu §§ 854 ff. Rdn. 36 m.w.N.).

4. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da es weiterer Sachaufklärung nicht bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.). Danach war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 3. Februar 2000 zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

Zurück