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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 17.10.2001
Aktenzeichen: Ss 203/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 261
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht 1. Strafsenat Beschluss

Ss 203/01 (I 94) 102 Js 7121/99 Staatsanwaltschaft Oldenburg

In dem Strafverfahren

wegen besonders schwerer Brandstiftung,

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg

am 17. Oktober 2001

durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 14. Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 30. März 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen, die auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden hat.

Gründe:

Das Amtsgericht - Schöffengericht - hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit versuchtem Betrug zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Anklage war ursprünglich auch darauf gerichtet, der Angeklagte und seine Ehefrau hätten gemeinschaftlich betrügerisch versucht, von der Versicherung Ersatz für verbrannte Hausratsgegenstände zu erhalten. Insoweit ist das Verfahren in der Hauptverhandlung vom 13. Dezember 1999 vor dem Schöffengericht gegen die Ehefrau des Angeklagten nach § 153 Abs. 2 StPO und gegen den Angeklagten nach § 154 a Abs. 2 StPO eingestellt worden.

Das Landgericht hat den Angeklagten auf dessen Berufung freigesprochen. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat das landgerichtliche Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgericht zurückverwiesen.

Nunmehr hat das Landgericht die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte einer besonders schweren Brandstiftung schuldig ist.

Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge (§ 261 StPO) Erfolg, das Landgericht habe beweiserhebliche, in der Hauptverhandlung gewonnene Feststellungen bei seiner Beweiswürdigung in den Urteilsgründen unberücksichtigt gelassen.

Die Rüge nicht erschöpfender Beweiswürdigung ist nicht auf die Sachrüge beschränkt. Ob die Beweiswürdigung lückenhaft und unvollständig ist, kann auch anhand einer Verfahrensrüge festgestellt werden, wenn diese - wie im vorliegenden Fall - zulässig ist, HK StPO-Temming, 3. Auflage, § 337 Rn. 18.

Nach BGH StV 1988, 138 f. wird in Umkehrung der bisherigen Rechtsprechung, wonach die tatrichterliche Überzeugungsbildung fehlerhaft ist, wenn sie sich auf etwas stützt, was nicht zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehörte, auch eine solche Überzeugungsbildung als fehlerhaft bezeichnet, der vorzuwerfen ist, dass die in der Hauptverhandlung getroffenen beweiserheblichen Feststellungen nicht vollständig im Rahmen der Beweiswürdigung verwertet worden sind.

Die Revision bezieht sich vorliegend auf die nach § 325 StPO in die Hauptverhandlung eingeführten erstinstanzlichen Aussagen der Zeugen A... und E... K... , E... und I... K... sowie M... und D... F... . Soweit die Zeugen Angaben zum Verhalten und zur Reaktion des Angeklagten und seiner Frau auf den Brand in der Brandnacht gemacht haben, handelt es sich um äußerlich wahrnehmbare Umstände, die Rückschlüsse auf die tatsächliche innere Einstellung des Angeklagten zulassen. Zwar ist es weder vorgeschrieben noch überhaupt möglich, in den Gründen des Urteils alles zu erörtern, was Gegenstand der Verhandlung war. Bleibt ein Beweismittel unerwähnt, muss dies deshalb nicht bedeuten, dass es übersehen oder nicht verwertet worden ist. Rechtsfehlerhaft ist es jedoch, wenn sich das Tatgericht nicht mit festgestellten Umständen auseinandersetzt, die zu einer Würdigung drängen, weil sie für oder gegen den Angeklagten sprechen und für die Entscheidung bedeutsam sein können.

Das Landgericht erörtert zwar das eigentliche Tatgeschehen, setzt sich aber mit dem Verhalten des Angeklagten nach der Tat und seiner Beziehung zu seinem Eigentum nicht auseinander (vgl. dazu BGH StV 1982, 210). Gerade darauf beziehen sich jedoch die erwähnten verlesenen Zeugenaussagen. Insbesondere angesichts des Umstandes, dass die Verurteilung des Angeklagten auf Indizien beruht, hätte das Landgericht sich damit auseinandersetzen müssen, ob die von den Zeugen geschilderten Wahrnehmungen hinsichtlich des Verhaltens des Angeklagten als vorgetäuscht oder authentisch zu bewerten sind. Zudem haben die Zeugen zum Engagement des Angeklagten und seiner Familie hinsichtlich der Renovierung und des Ausbaus des Hauses gemacht. Die Bekundungen können als Indiz gegen eine Täterschaft des Angeklagten angesehen werden. Die Urteilsgründe enthalten keine Auseinandersetzung mit den Zeugenaussagen. Somit kann, zumal die Aussagen der Zeugen nicht als schlechthin bedeutungslos anzusehen sind, nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht die von den Zeugen geschilderten Umstände bei seiner Beweiswürdigung nicht oder jedenfalls nicht ausreichend gewürdigt hat und dass das Urteil hierauf beruht.

Die weitere Verfahrensrüge, das Landgericht habe nicht die zugesagte Wahrunterstellung gehalten, ist unbegründet. Das Landgericht hat lediglich nicht die von dem Angeklagten daraus erwartete Schlussfolgerung gezogen. Das ist auch unter den vorliegenden Voraussetzungen nicht rechtsfehlerhaft.

Auch die im Übrigen gegen die Beweiswürdigung gerichteten Angriffe der Revision sind nicht begründet.

Bei der neuen Verhandlung wird das Landgericht auch zu bedenken haben, ob eine Verurteilung wegen besonders schwerer Brandstiftung (§§ 306 a Abs. 1 Nr. 1, 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) in Betracht kommt. Ob vorliegend der Wohnzweck des Gebäudes als Familienwohnung infolge der Brandstiftung konkludent mit der Folge aufgehoben worden ist, dass der Straftatbestand des § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB (und damit auch des § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) entfällt, ist davon abhängig, ob die Ehefrau des Angeklagten Kenntnis von der beabsichtigten Tat hatte und ihr zustimmte oder zumindest den Dingen ihren Lauf ließ (zu Letzterem vgl. BGH NStZ 1999, 32/34).

Ende der Entscheidung

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