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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 1 CS 06.3006
Rechtsgebiete: VwGO, BayBO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146
BayBO Art. 82 Satz 1
BayBO Art. 82 Satz 2
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 4
BauGB § 35 Abs. 2
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5
Zur Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Beseitigungsanordnung für eine Wildfütterungsanlage wegen einer erheblichen Gefährdung von Bergschutzwald durch Wildverbiss.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 CS 06.3006

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anfechtung einer Beseitigungsanordnung für der Wildfütterung dienende bauliche Anlagen (Fl.Nr. **** Gemarkung **********); Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Langer

ohne mündliche Verhandlung am 28. März 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen eine Beseitigungsanordnung für vier der Wildfütterung dienende bauliche Anlagen.

1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des circa 367 ha großen, im Außenbereich gelegenen Grundstücks Fl.Nr. **** Gemarkung E*********, auf dem sich eine Schutzwaldfläche befindet. Auf einer Freifläche in unmittelbarer Nähe des Schutzwaldes wurde in den Sechzigerjahren als Ersatz für eine abgebrannte, weiter talwärts gelegene Futterstelle eine Rotwildfütterungseinrichtung, bestehend aus einem Futterstadel (Grundfläche 5 m x 5,50 m, Wandhöhe 3 m), einem überdachten Hochsilo (Höhe circa 4 m, Durchmesser circa 3 m), einem als Erdsilo ausgebildeten Rübenbunker (Länge circa 5 m, Durchmesser circa 2 m) sowie einer überdachten Futterraufe (Länge 3 m, Höhe circa 2 m) errichtet. Das Grundstück gehört zu dem eine Jagdfläche von insgesamt circa 895 ha umfassenden Eigenjagdrevier "S*********-K*****" der Antragstellerin, das seit 1986 an Herrn B***** T*****, K********, verpachtet ist.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 1995 gab das Landratsamt G*******-P************ (untere Jagdbehörde) dem Pächter auf, die Fütterung des Rotwildes im Eigenjagdrevier ab 1. September 1996 zu unterlassen (Nr. 1 des Bescheids), die bestehenden Vorratslager für Wildfutter ab dem 1. Mai 1996 nicht mehr zu befüllen (Nr. 2 des Bescheids) und mit Beginn der Notzeit, spätestens ab 1. November jedes Jahres bis zum Ende der Jagdzeit das Rotwild nicht mehr anzukirren (Nr. 3 des Bescheids). Die Antragstellerin wurde verpflichtet, diese Anordnungen zu dulden (Nr. 4 des Bescheids). Die Widersprüche des Pächters und der Antragstellerin blieben erfolglos. Im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht München stellte das Landratsamt klar, dass sich das Kirrungsverbot auf den Bereich der Wildfütterungseinrichtung beschränke. Nachdem das Verwaltungsgericht München der Klage des Pächters stattgegeben hatte (Az. M 7 K 96.4233), wies der Verwaltungsgerichtshof die Klage mit Urteil vom 7. April 2005 (Az. 19 B 99.2193) im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Fütterung die Schutzfunktion des Waldes beeinträchtige oder zumindest gefährde und daher missbräuchlich im Sinn von § 23 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes - AVBayJG - sei. Mit Beschluss vom 7. März 2006 (Az. 3 B 89.05) wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurück. Die Klage der Antragstellerin gegen die Duldungsanordnung wurde vom Verwaltungsgericht München statistisch erledigt.

Mit sofort vollziehbaren Bescheid vom 7. Juni 2006 gab das Landratsamt (untere Jagdbehörde) dem Pächter auf, während der Notzeit, spätestens aber ab 1. November eines jeden Jahres, bis zum 1. Juni des jeweiligen Folgejahres die Kirrjagd im gesamten Revier einzustellen. Außerdem wurde ihm für das gesamte Revier untersagt, Futtermittel jeglicher Art und Menge einzulagern, eingelagert zu halten oder auszubringen. Die Antragstellerin wurde verpflichtet, diese Anordnungen zu dulden. Über den hiergegen (nur) vom Pächter erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden.

Mit der Antragstellerin und dem Pächter zugestelltem Bescheid vom 27. Juni 2006 verpflichtete das Landratsamt (Bauamt) die Antragstellerin, die auf dem Grundstück Fl.Nr. **** errichteten Anlagen bis spätestens 15. August 2006 vollständig zu beseitigen (Nr. 1 des Bescheids). Der Pächter wurde verpflichtet, diese Anordnungen zu dulden (Nr. 2 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 3 des Bescheids). Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Anlagen stünden in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Eine bestimmungsgemäße Nutzung der Anlagen sei nicht nachgewiesen. Nach dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 7. April 2005 seien die Wildfütterung und die Bevorratung von Futter jagdrechtlich unzulässig. Eine anderweitige Nutzung, etwa als Heulager, scheide aufgrund der Lage der Anlagen aus. Da die Anlagen ihre Funktion verloren hätten, bestünde kein Bestandsschutz. Eine nachträgliche Genehmigung der im Außenbereich gelegenen Anlagen sei nicht möglich. Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB liege nicht vor. Als sonstiges Vorhaben im Sinn von § 35 Abs. 2 BauGB seien die Anlagen unzulässig, weil sie öffentliche Belange beeinträchtigten. Sie widersprächen den Darstellungen des Flächennutzungsplans, der für dieses Gebiet eine Waldfläche vorsehe, und beeinträchtigten die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert. Die sofortige Beseitigung sei zum Schutz des bereits angegriffenen Berg- und Schutzwaldes geboten. Es drohten weitere Verbissschäden im nahe gelegenen Schutzwald, weil auch eine nicht mehr beschickte Fütterungsanlage ein Abwandern des Wildes zu anderen Futterstellen verhindere.

Gegen diesen Bescheid legte (nur) die Antragstellerin Widerspruch ein. Sie beantragte beim Verwaltungsgericht München die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 16. Oktober 2006 ab. Zur Begründung nahm es im Wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids Bezug. Ergänzend führte es aus, dass die sofortige Vollziehung des Bescheids im öffentlichen Interesse geboten sei, weil ein jahrelanger Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung drohe und ein Belassen der Anlagen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens eine weitere Schädigung des Schutz- und Bergwaldes durch Wildverbiss zur Folge haben werde. Das Bereithalten von Futter zum Zweck der Kirrung laufe dem Waldschutz zuwider. Ein bei unterstellter ursprünglicher Privilegierung der Anlagen möglicher Bestandsschutz wäre jedenfalls mit dem Wegfall der privilegierten Funktion entfallen.

2. Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin geltend: Die Voraussetzungen für die Anordnung des Sofortvollzugs der Beseitigungsanordnung seien nicht erfüllt. Die Gefahr eines jahrelangen Rechtsstreits über die jagdrechtlichen Anordnungen im Bescheid vom 7. Juni 2006 rechtfertige den Sofortvollzug nicht. Solange diese Anordnungen nicht bestandskräftig seien, seien die Beseitigungsanordnung und die Anordnung des Sofortvollzugs rechtswidrig. Auch komme als milderes Mittel eine Nutzungsuntersagung infrage. Im Übrigen seien die Anlagen für die Versorgung der Tiere im Winter und zu Notzeiten erforderlich. Ein Verbot sei insoweit nicht angeordnet worden. Dass das Wild nach der Beseitigung der Anlagen trotz jahrzehntelanger Gewöhnung an die Futterstelle auf eine andere Futterstelle ausweichen werde, sei unzutreffend. Dies belege der Tod zahlreicher Wildtiere in der Vergangenheit. Für den Stadel bestehe außerdem eine weitere sinnvolle Verwendungsmöglichkeit. Der Alm- und Weideverein E********* wolle den Stadel als Unterstand für verletzte oder erkrankte Tiere und zur Lagerung von Zaunmaterial und sonstigen Almweideeinrichtungen nutzen. Schließlich habe es das Verwaltungsgericht fehlerhaft unterlassen, den Jagdpächter beizuladen. Hierdurch seien dem Pächter Anhörungsrechte genommen worden.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2006 zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts G*******-P************ vom 27. Juni 2006 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beiladung könne im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden. Das Pachtangebot des Alm- und Weidevereins könne die Anlagen nicht legalisieren. Eine Nutzung des Stadels für kranke Weidetiere sei nicht möglich, weil der Stadel von der "K*****" zu weit entfernt sei. Kranke Tiere müssten in ummittelbarer Nähe zur bewirtschafteten Almhütte versorgt werden und dürften von den Hirten nicht alleingelassen werden. Die Lagerung von Zaun- und Almmaterial sei an der bisherigen Futterstelle inmitten des Schutzwaldes nicht nötig. Zur Kirrjagd seien die Fütterungsanlagen ebenfalls nicht notwendig, weil die hierfür benötigten Futtermengen problemlos mit Fahrzeugen transportiert werden könnten. Die Fütterung selbst sei rechtskräftig untersagt. Die sofortige Beseitigung der Anlagen sei zum Schutz des Waldes erforderlich und auch geeignet.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Der Senat kann über die Beschwerde entscheiden, ohne den Pächter des Jagdreviers zum Verfahren beizuladen. Es liegen weder die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) noch die einer einfachen Beiladung (§ 65 Abs. 1 VwGO) vor. Der Pächter ist aufgrund des Pachtverhältnisses an dem Rechtsstreit über die sofortige Vollziehung der gegenüber der Antragstellerin ergangenen Beseitigungsanordnung für die Wildfütterungsanlagen nicht derart beteiligt, dass die gerichtliche Entscheidung ihm und der Antragstellerin gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Durch die Entscheidung über den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO werden rechtliche Interessen des Pächters auch nicht in einer Weise berührt, die eine (einfache) Beiladung erforderlich macht. Eine Beseitigungsanordnung ergeht - wie andere baurechtliche Entscheidungen (zur Baugenehmigung vgl. Art. 72 Abs. 4 BayBO) - unbeschadet der privaten Rechte Dritter (vgl. BayVGH vom 14.2.2007 - 1 C 07.23; VGH BW vom 21.3.2006 - 8 S 1056/05 - Juris). Dementsprechend lässt die gerichtliche Entscheidung das Pachtverhältnis unberührt. Zur Wahrung seiner öffentlich-rechtlichen Interessen muss der Pächter nicht beiladen werden, weil er die Möglichkeit hatte, gegen die an ihn gerichtete Duldungsanordnung in Nr. 2 des Bescheids vorzugehen.

2. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu Recht abgelehnt. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsanordnung überwiegt das gegenläufige Interesse der Antragstellerin, weil ihr Widerspruch aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird (a) und die Beseitigung der Anlagen im öffentlichen Interesse dringend geboten ist (b). Das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu berücksichtigende Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

a) Nach summarischer Prüfung wird der Widerspruch erfolglos bleiben. Die Beseitigungsanordnung ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen des Art. 82 Satz 1 BayBO sind mit großer Wahrscheinlichkeit erfüllt. Die Wildfütterungsanlagen stehen in einem nicht durch nachträgliche Genehmigung ausräumbaren Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften (aa). Die Beseitigungsanordnung ist nicht deswegen unverhältnismäßig, weil rechtmäßige Zustände durch einen geringeren Eingriff als durch die Beseitigung, nämlich durch eine Nutzungsuntersagung, hergestellt werden könnten (bb). Es liegen auch keine Ermessensfehler vor (cc).

aa) Der nicht genehmigte Futterstadel und die übrigen Wildfütterungsanlagen (Hochsilo, Rübenbunker, Futterraufe), für die gleichfalls keine Baugenehmigung vorliegt, widersprechen materiellem Baurecht, weil sie planungsrechtlich unzulässig sind.

Die Anlagen sind nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert zulässig. Es handelt sich nicht um Vorhaben im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, die wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen. Zwar zählen zu den nach dieser Vorschrift privilegierten Vorhaben auch für die Jagdausübung (Art. 28 ff. BayJG) und den Jagdschutz (Art. 40 ff. BayJG) erforderliche bauliche Anlagen (Roeser in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 3. Aufl., § 35 RdNr. 45; zu Hochsitzen vgl. NdsOVG vom 17.10.1988 NuR 1989, 229; zur Jagdhütte vgl. ThürOVG vom 24.9.2003 NuR 2005, 58). Die Fütterungsanlagen dienen aber nicht (mehr) der Jagd, weil sie für diesen Zweck aus jagdrechtlichen Gründen nicht mehr genutzt werden dürfen. Das Landratsamt hat mit - aufgrund des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 2006 (Az. 3 B 89.05) - bestandskräftigem Bescheid vom 12. Dezember 1995 gegenüber dem Pächter der Antragstellerin die Fütterung des Rotwildes und die Wiederbefüllung der Vorratslager als missbräuchlich im Sinn von § 23 a AVBayJG untersagt. Ebenso wurde dem Pächter - beschränkt auf den Bereich der Wildfütterungseinrichtungen (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 7.4.2005, Seite 23, sowie Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.3.2006, Seite 4) - die Kirrjagd untersagt. Damit steht gemäß § 121 Nr. 1 VwGO auch gegenüber der an dem früheren Verfahren als Beigeladene (§ 65 Abs. 1 VwGO) beteiligten Antragstellerin fest, dass die Fütterungsanlagen nicht mehr zur Jagdausübung und zum Jagdschutz benutzt werden dürfen. Dies gilt entgegen der Annahme der Antragstellerin auch für die Winter- und Notzeiten. Das Fütterungsverbot erfasst auch diese Zeiten. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Winter- und Notzeiten in den Nrn. 1 und 2 des Tenors des Bescheids vom 12. Dezember 1995 nicht ausgenommen sind. Die Begründung der Anordnung, durch ein (umfassendes) Fütterungsverbot solle auch verhindern werden, dass das Rotwild im Winter in den Höhenlagen verbleibt und dadurch in eine Notsituation gerät (vgl. Seiten 7, 9 ff. des Bescheidsabdrucks), bestätigt diese Auslegung.

Der Einwand der Antragstellerin, die Zulässigkeit der Nutzung der Anlagen für Jagdzwecke und damit die Frage der bauplanungsrechtlichen Privilegierung hänge davon ab, ob auch der jagdrechtliche Bescheid vom 7. Juni 2006 bestandskräftig wird, ist nicht begründet. Dieser Bescheid ist für die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung ohne Bedeutung, weil seine Regelungen nicht die Zulässigkeit einer weiteren Nutzung der Anlagen auf dem Grundstück Fl.Nr. **** zu Fütterungs- und Einlagerungszwecken betreffen. Vielmehr wurden durch den Bescheid vom 7. Juni 2006 lediglich die im Bescheid vom 12. Dezember 1995 ausgesprochenen Verbote der Einlagerung von Futter und der Kirrjagd auf das gesamte Jagdrevier erstreckt. Die Wildfütterung und die Beschickung der Fütterungsanlagen auf dem Grundstück Fl.Nr. **** wurde bereits mit dem bestandskräftigem Bescheid vom 12. Dezember 1995 untersagt.

Gegen die - offensichtlich zutreffende - Feststellung in der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Begründung des angefochtenen Bescheids, dass die Anlagen als nicht privilegierte ("sonstige") Außenbereichsvorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB) unzulässig sind, weil sie den Darstellungen des Flächennutzungsplans widersprechen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), der für dieses Gebiet eine Waldfläche ausweist, und weil sie die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB), wendet sich die Antragstellerin nicht. Davon abgesehen beeinträchtigen die Fütterungsanlagen auch Belange des Naturschutzes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) und des Waldschutzes (als ungeschriebene öffentliche Belange im Sinn von § 35 Abs. 3 BauGB); hierauf ist im Folgenden unter bb) näher einzugehen.

Ob die Anlagen bis zu dem Erlass des Fütterungsverbotes zulässig waren, kann dahinstehen; denn die Antragstellerin hat auch keine Einwände gegen die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts erhoben, dass ein möglicher Bestandsschutz entfallen wäre, weil die Anlagen infolge Fütterungsverbots ihre Funktion verloren haben (vgl. BVerwG vom 21.11.2000 NVwZ 2001, 557; vom 9.12.2002 BRS 65 Nr. 92). Davon abgesehen genossen die wohl als ein Gesamtvorhaben anzusehenden Anlagen nach summarischer Prüfung keinen Bestandsschutz, weil Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) auch durch die gesetzlichen Vorschriften über die Genehmigungspflicht bestimmt werden und weil die Anlagen ohne die Baugenehmigung errichtet wurden, die zumindest für den Futterstadel aufgrund der Größe des umbauten Raums von 82,5 m³ (5 m x 5,50 m x 3 m) gemäß Art. 82, Art. 83 Nr. 1 Buchstabe a, Art. 84 Nr. 1 Buchstabe a BayBO in der Fassung vom 1. August 1962 (GVBl S. 179, ber. S. 250) erforderlich war und noch erforderlich wäre (vgl. Art. 62, Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a BayBO 1998).

bb) Die Beseitigungsanordnung ist nicht deswegen unverhältnismäßig, weil rechtmäßige Zustände auch durch eine Nutzungsuntersagung (Art. 82 Satz 2 BayBO) hergestellt werden könnten.

Abgesehen davon, dass die Nutzung der Anlagen zu Fütterungs- und Jagdzwecken durch die jagdrechtlichen Anordnungen im Bescheid vom 12. Dezember 1995 bereits (faktisch) untersagt ist, würde durch eine baurechtliche Nutzungsuntersagung die Beeinträchtigung der öffentlichen Belange nicht ausgeräumt. Das gilt nicht nur für den Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans und die Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft, sondern vor allem auch für die Belange des Natur- und Waldschutzes. Nach der - ohne weiteres nachvollziehbaren - Stellungnahme des Amts für Landwirtschaft und Forsten Weilheim i. OB vom 29. Dezember 2006 (Blatt 37 ff. der Akten des Verwaltungsgerichtshofs) erschweren die Anlagen wegen des verbleibenden Futtergeruchs das zum Schutz des bereits akut gefährdeten Waldgebiets vor weiteren Verbissschäden erwünschte Abwandern des Wildes an tiefer gelegene Futterstellen auch dann, wenn sie nicht mehr "beschickt" werden. Die Behauptung der Antragstellerin, dass das Wild wegen der langjährigen Gewöhnung an die Futterstelle auch nach der Beseitigung der Anlagen nicht an andere Futterstellen ausweichen werde, ist nicht belegt. Der angebliche "Tod von zahlreichen Wildtieren in der Vergangenheit" widerlegt die Annahme der Fachbehörde, dass das Belassen der Fütterungsanlagen die gewünschte Umorientierung des Wildes erschwert, schon deswegen nicht, weil die Anlagen "in der Vergangenheit" noch standen.

Eine Nutzungsuntersagung musste auch nicht deswegen in Betracht gezogen werden, weil der Stadel vom Alm- und Weideverein E********* als Unterstand für verletzte oder erkrankte Tiere oder als Lager für Zaunmaterial oder sonstige Almweideeinrichtungen genutzt werden könnte. Auch diese Nutzung wäre nämlich bauplanungsrechtlich unzulässig. Einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dürfte bereits entgegenstehen, dass der Alm- und Weideverein nach den von der Antragstellerin insoweit nicht in Frage gestellten Ausführungen des Amts für Landwirtschaft und Forsten in der Stellungnahme vom 29. Dezember 2006 im Almgebiet über ausreichende Lager- und Unterstandsmöglichkeiten verfügt. Ein weiteres für diesen Zweck bestimmtes Gebäude dürfte dem landwirtschaftlichen Betrieb des Vereins somit schon mangels Erforderlichkeit nicht "dienen" (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG vom 3.11.1972 BVerwGE 41, 138; vom 16.5.1991 NVwZ-RR 1992, 400; vom 21.6.1996 Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 322). Angesichts einer Entfernung von circa 5 km würde außerdem der erforderliche räumlich-funktionale Zusammenhang mit der wohl als Hofstelle anzusehenden "K*****" fehlen.

cc) Rechtliche Bedenken hinsichtlich der Ermessensausübung (Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO) sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

b) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Beseitigung der Anlagen im öffentlichen Interesse dringend geboten.

Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist für die Anordnung des Sofortvollzugs ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich. Die Vollziehung des Verwaltungsakts muss wegen öffentlicher oder überwiegender privater Interessen besonders dringlich sein und keinen Aufschub bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsschutzverfahrens in der Hauptsache dulden. Bei Beseitigungsanordnungen ist ein strenger Maßstab anzulegen, weil die Anlage durch die Beseitigung vielfach irreparabel zerstört wird. Ist die Beseitigung jedoch zur Abwendung konkreter Gefahren für gewichtige Rechtsgüter erforderlich, kann die sofortige Vollziehung auch dann gerechtfertigt sein, wenn der mit ihr verbundene Eingriff in die Bausubstanz nicht oder nur schwer rückgängig zu machen ist (OVG NW vom 12.1.1998 NVwZ 1998, 997; OVG MV vom 2.11.1993 NVwZ 1995, 608; BayVGH vom 23.11.1984 BRS 42 Nr. 221; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 RdNr. 150; Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 12. Aufl., § 80 RdNr. 35).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Anordnung des Sofortvollzugs der Beseitigungsanordnung ist zur Abwehr einer erheblichen Gefährdung des Schutzwaldes durch das Rotwild dringend geboten. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der Stellungnahme des Amts für Landwirtschaft und Forsten vom 29. Dezember 2006, in der dargelegt wird, dass der betroffene Schutzwald am Westhang des S********** wegen seines Alters und der zunehmenden "Auflösungstendenzen" dringend standortgerecht verjüngt werden muss, weil die Verbissschäden bei Tanne, Buche und Bergahorn im Umfeld der Fütterungsanlage eine natürliche Verjüngung verhindert und eine "Entmischung des Bergwaldes" verursacht haben, und dass infolge dieser Schäden die Schutzfunktion des Waldes im gesamten Gebiet gefährdet und in Teilbereichen nicht mehr gewährleistet sei. Aus den oben unter 2. a) bb) dargelegten Gründen musste die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit auch nicht auf die Nutzung der Anlagen beschränkt werden. Der Senat folgt der Stellungnahme vom 29. Dezember 2006 auch insoweit, als dort ausgeführt wird, dass die zum Waldschutz dringend erforderliche Umorientierung des Wildes nicht erreicht wird, wenn die Fütterungsanlagen stehen bleiben können, bis rechtskräftig über die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung entschieden ist.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nrn. 1.5 und 9.5 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327).

Ende der Entscheidung

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