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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 04.10.2006
Aktenzeichen: 1 N 05.915
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, BauNVO, BayBO


Vorschriften:

VwGO § 47
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 2
BauNVO § 22
BauNVO § 23 Abs. 1
BauNVO § 23 Abs. 3
BayBO Art. 6 Abs. 1
BayBO Art. 6 Abs. 2
BayBO Art. 6 Abs. 4
BayBO Art. 7 Abs. 1
BayBO Art. 7 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

1 N 05.915

In der Normenkontrollsache

wegen Unwirksamkeit der Änderung des Bebauungsplans Nr. 1 Nord im Bereich der Fl.Nrn. ***** und *****;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Langer

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. September 2006

am 4. Oktober 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Satzung der Gemeinde E******** zur Änderung des Bebauungsplans Nr. 1 Nord im Bereich der Fl.Nrn. ***** und *****, bekannt gemacht am 13. Januar 2005, ist unwirksam.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antraggegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsteller zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich gegen eine Änderung des Bebauungsplans Nr. 1 Nord der Antragsgegnerin, mit der ein Baurecht für ein Nebengebäude auf dem von dem Grundstück Fl.Nr. ***** Gemarkung E******** abgeteilten Flurstück Nr. ***** geschaffen werden soll.

1. Die Antragsteller sind Eigentümer des zwischen H****straße und K*****weg gelegenen Grundstücks Fl.Nr. ***, das in der östlichen Hälfte mit einem Einfamilienhaus und einer Garage bebaut ist. An die südöstliche Seite des Grundstücks grenzen die Grundstücke Fl.Nrn. ***** und *****. Die Beigeladenen sind Miteigentümer (zu je einem Drittel) des Grundstücks Fl.Nr. *****, auf dem sich ein Wohnhaus und eine (auf einer Länge von ca. 6 m) an die Grenze zum Grundstück der Antragsteller gebaute Doppelgarage befinden. Auch das Grundstück Fl.Nr. ***** ist mit einem Wohnhaus und einem (auf einer Länge von ca. 10 m) an das Grundstück der Antragsteller grenzenden Nebengebäude bebaut.

Alle Grundstücke liegen im Geltungsbereich des großräumigen - am 14. November 1970 als Satzung beschlossenen und am 2. Februar 1971 bekannt gemachten - Bebauungsplans Nr. 1 Nord der Antragsgegnerin. Der Bebauungsplan setzt das gesamte Baugebiet als allgemeines Wohngebiet fest. Die Bauweise ist als offene Bauweise festgesetzt. Außerhalb der mit Baulinien und Baugrenzen bezeichneten Grundstücksflächen dürfen Nebenanlagen im Sinne von § 14 BauNVO nicht errichtet werden.

Zum Bebauungsplan Nr. 1 Nord sind zahlreiche Änderungssatzungen ergangen. Mit einer am 14. November 2003 bekannt gemachten Änderungssatzung wurde - unter anderem - in der westlichen Hälfte des Grundstücks der Antragsteller ein Bauraum für ein weiteres Wohnhaus und eine weitere, an der nordwestlichen Grundstücksgrenze zu errichtende Garage geschaffen. Von diesem Baurecht haben die Antragsteller bislang keinen Gebrauch gemacht.

2. Unter dem 11. November 2002 beantragten die Beigeladenen beim Vermessungsamt B*********, eine ca. 40 qm große Fläche in der nordöstlichen Ecke des Grundstücks Fl.Nr. ***** von diesem Grundstück abzuteilen. Mit Schreiben vom 5. Februar 2003 teilte die Antragsgegnerin dem Vermessungsamt mit, dass die Teilung gemäß § 19 BauGB als genehmigt gelte. Nach dem Fortführungsnachweis **** des Vermessungsamts ist die Fläche vermessen und wird im Kataster unter der Fl.Nr. ***** geführt. Ein grundbuchmäßiger Vollzug der Grundstücksteilung ist bisher nicht erfolgt.

Im Frühjahr 2004 begannen die Beigeladenen mit Arbeiten zur Errichtung eines Nebengebäudes (Gerätehaus) auf dem mit Fl.Nr. ***** bezeichneten Grundstücksteil. Hierzu wurde - anschließend an das vorhandene Nebengebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. ***** und entlang der Grenze zum Grundstück der Antragsteller - eine Stahlbeton-Bodenplatte hergestellt. Mit Bescheid vom 30. Juni 2004 stellte das Landratsamt A******** die Bauarbeiten (unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgelds) ein, weil die erforderliche Baugenehmigung nicht vorliege; eine Beseitigung der Bodenplatte wurde nicht verlangt. Auf Antrag der Antragsteller erließ ferner das Amtsgericht A******** am 12. August 2004 eine einstweilige Verfügung, mit der den Eigentümern des Grundstücks Fl.Nr. ***** verboten wurde, an der Grenze zum Grundstück Fl.Nr. *** ein Gebäude zu errichten. Die Bauarbeiten wurden seither nicht fortgeführt.

3. Im Oktober 2004 wandten sich die Beigeladenen (unter Beifügung einer Haftungsausschlusserklärung zugunsten der Antragsgegnerin) mit dem Ersuchen an die Antragsgegnerin, zur Ausweisung eines Baurechts für das geplante Nebengebäude eine Änderung des Bebauungsplans Nr. 1 Nord vorzunehmen.

Der Gemeinderat der Antragsgegnerin beschloss am 2. November 2004 die Aufstellung eines entsprechenden Änderungsbebauungsplans im vereinfachten Verfahren. Mit Schreiben vom 18. November 2004 nahm das Landratsamt A******** zu rechtstechnischen Mängeln des Planentwurfs Stellung und wies darauf hin, dass nach seiner Auffassung durch die Ausweisung von Baurecht für ein Nebengebäude in Verbindung mit der bereits vorhandenen Bebauung eine städtebaulich bedenkliche Grenzbebauung entstehe. Am 4. Januar 2005 wurde die Änderung des Bebauungsplans als Satzung beschlossen; der Gemeinderat übernahm die rechtstechnischen Anregungen, hielt jedoch - entgegen den Bedenken des Landratsamts - die Errichtung eines weiteren Grenzgebäudes für städtebaulich noch vertretbar. Der Beschluss des Bebauungsplans wurde am 13. Januar 2005 durch Aushang an der Amtstafel bekannt gemacht.

Nach dem Satzungsbeschluss des Gemeinderats und den bei den Akten befindlichen Planzeichnungen vom 29. Dezember 2004 und vom 10. Januar 2005 ist auf dem Flurstück Nr. ***** durch Baugrenzen eine überbaubare Grundstücksfläche von ca. 6 m x 5 m festgesetzt. Ferner ist bestimmt, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 1 Nord weiterhin im vollen Umfang Gültigkeit haben.

4. Die Antragsteller machen mit ihrem am 8. April 2005 gestellten Normenkontrollantrag die Unwirksamkeit der Änderung des Bebauungsplans Nr. 1 Nord geltend.

Sie seien antragsbefugt, weil die Änderungssatzung sie in ihren subjektiven Rechten auf fehlerfreie Abwägung ihrer nachbarlichen Belange und auf Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften verletze. Die Änderung des Bebauungsplans sei nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB, weil sie nicht der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung, sondern ausschließlich der Ausweisung eines Baurechts für einen einzelnen Bauwerber diene; die Ausnahmeregelung ermögliche zum Grundstück der Antragsteller hin eine städtebaulich nicht zu rechtfertigende, fast durchgehende Grenzwand von 25 m Länge. Die übermäßige bauliche Verdichtung auf dem Grundstück Fl.Nr. ***** (einschließlich Flurstück Nr. *****) verstoße ferner gegen das Recht der Antragsteller auf Beibehaltung und Einhaltung der Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 1 Nord zum Nutzungsmaß. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung verletze außerdem das Rücksichtnahmegebot; insbesondere sei die Tatsache, dass die zusätzliche Grenzbebauung mit Art. 7 Abs. 4 BayBO unvereinbar sei, nicht berücksichtigt worden. Schließlich sei dem Änderungsbebauungsplan auch keine Begründung beigefügt.

Die Antragsteller beantragen,

die Satzung der Gemeinde E******** zur Änderung des Bebauungsplans Nr. 1 Nord im Bereich der Fl.Nrn. ***** und *****, bekannt gemacht am 13. Januar 2005, für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin hält den Normenkontrollantrag für unzulässig, weil die Antragsteller während des vereinfachen Änderungsverfahrens keine Einwendungen vorgebracht und sich die von ihnen geltend gemachten Belange auch sonst nicht aufgedrängt hätten. Im Übrigen erscheine der Antrag rechtsmissbräuchlich, weil bereits früher eine vergleichbare Möglichkeit der Grenzbebauung zugunsten der Antragsteller geschaffen worden sei. Der Normenkontrollantrag sei jedenfalls unbegründet. Die Änderung sei - wie zahlreiche frühere Änderungen - erforderlich, um einen seit über 30 Jahren geltenden Bebauungsplan an einen geänderten Nutzungsbedarf anzupassen. Sie verstoße auch nicht gegen das Abwägungs- und das Rücksichtnahmegebot; die festgesetzte Grenzbebauung betreffe die Antragsteller nur geringfügig und stelle keine unzumutbare Beeinträchtigung dar. Schließlich sei auch eine Begründung der Bebauungsplanänderung erfolgt, da auf städtebauliche Gründe verwiesen worden sei; wegen der unwesentlichen Änderung seien nur geringe Anforderungen an die Begründung zu stellen.

Die Beigeladenen haben in der mündlichen Verhandlung ihr Bauvorhaben erläutert und den angegriffenen Bebauungsplan verteidigt.

Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag hat Erfolg. Die Satzung zur Änderung des Bebauungsplans Nr. 1 Nord im Bereich der Grundstücke Fl.Nrn. ***** und ***** ist unwirksam.

1. Der Antrag ist zulässig. Die Antragsteller sind antragsbefugt.

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss Tatsachen vortragen, die es möglich erscheinen lassen, dass die angegriffene Rechtsvorschrift seine Rechte verletzt. Die Antragsbefugnis ist regelmäßig zu bejahen, wenn sich der Eigentümer eines im Plangebiets gelegenen Grundstücks gegen eine bauplanerische Festsetzung wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft und damit Inhalt und Schranken seines Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) bestimmt (vgl. BVerwG vom 22.8.2000 NVwZ 2000, 1413). Auch der Eigentümer eines Grundstücks, das zwar im Plangebiet gelegen, aber von der angegriffenen Festsetzung nicht unmittelbar betroffen ist, oder der Eigentümer eines Grundstücks außerhalb des Plangebiets können antragsbefugt sein. Wer sich als nicht unmittelbar betroffener Grundeigentümer gegen einen Bebauungsplan wendet, muss jedoch aufzeigen, dass sein aus dem - drittschützenden - Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) folgendes Recht verletzt sein kann (vgl. BVerwG vom 26.2.1999 NVwZ 2000, 197).

Diesen Anforderungen genügt der Antrag. Das Grundstück der Antragsteller liegt zwar außerhalb des Plangebiets. Die Antragsteller haben jedoch substantiiert dargelegt, dass ihre nachbarlichen Belange durch die Änderung des Bebauungsplans berührt und in der Abwägung möglicherweise zu kurz gekommen sind, weil das auf dem Flurstück Nr. ***** geschaffene Baurecht eine von den Abstandsflächenvorschriften abweichende Grenzbebauung zu ihren Lasten ermöglicht. Der Antragsbefugnis steht nicht entgegen, dass die Antragsteller im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung während des Planaufstellungsverfahrens keine Stellungnahme abgegeben haben. Eine solche Stellungnahme wäre im Hinblick auf die Antragsbefugnis nur dann erforderlich gewesen, wenn die bei der Abwägung zu beachtenden Belange für die Antragsgegnerin sonst nicht erkennbar gewesen wären (vgl. BVerwG vom 9.11.1979 BVerwGE 59, 87/103 f. = BayVBl. 1980, 88; Urteil des Senats vom 29.9.2001 Az. 1 N 98.3647 - juris). Die Belange der Antragsteller lagen für die Antragsgegnerin jedoch auf der Hand; im Mittelpunkt der Änderungsplanung stand nichts anderes als die Abwägung zwischen dem Bauwunsch der Beigeladenen und den nachbarlichen Interessen der Antragsteller. Im Übrigen war der Antragsgegnerin die Haltung der Antragsteller aus dem vorangegangenen Schriftwechsel bekannt.

Der Antrag ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die den Antragstellern durch die Satzung vom 11. November 2003 eingeräumte Möglichkeit einer (weiteren) nordseitigen Grenzbebauung auf ihrem Grundstück Fl.Nr. *** steht in keinem Zusammenhang mit dem hier strittigen Änderungsbebauungsplan.

2. Der Antrag ist begründet. Die Änderung des Bebauungsplans Nr. 1 Nord ist sowohl in formeller (dazu a) als auch in materiellrechtlicher Hinsicht (dazu b) fehlerhaft.

a) Die Satzung zur Änderung des Bebauungsplans verstößt gegen Verfahrens- und Formvorschriften, weil sie nicht ausgefertigt wurde.

Ein Bebauungsplan ist - wie jede gemeindliche Satzung (siehe Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 GO) - vor seiner Bekanntmachung durch den ersten Bürgermeister oder seinen Vertreter auszufertigen. Dies gebietet das verfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip. Die Ausfertigung stellt sicher und bestätigt, dass der Inhalt des als Satzung beschlossenen Bebauungsplans mit dem Willen des Gemeinderats übereinstimmt (vgl. BVerwG vom 27.1.1998 NVwZ 1998, 1067 = BayVBl. 1998, 503 mit weiteren Nachweisen). Das Erfordernis der Ausfertigung gilt auch für die satzungsmäßige Änderung eines Bebauungsplans und unabhängig vom Umfang der dabei vorgenommenen Änderungen.

Die angefochtene Änderungssatzung ist nicht ausgefertigt worden. Die in den Akten befindlichen Planzeichnungen, zuletzt vom 10. Januar 2005, sind nicht vom ersten Bürgermeister (oder seinem Vertreter), sondern von dem Bautechniker der Gemeinde unterzeichnet. Auch in Verbindung mit der Niederschrift der Beschlussfassung über die Änderungssatzung sowie einer Auflistung des Verfahrensablaufs ("Verfahrensleiste"), die jeweils von dem ersten Bürgermeister unterzeichnet sind, ergibt sich nach der Rechtsprechung des Senats keine wirksame Ausfertigung des Änderungsbebauungsplans, weil auf diese Weise einer der Zwecke der Ausfertigung, nämlich die Originalurkunde der Satzung herzustellen, nicht erreicht wird (BayVGH vom 4.4.2003 NVwZ-RR 2003669 = BayVBl. 2004, 22). Aber auch nach der Auffassung, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Unterschrift auf einem anderen Schriftstück in den Bebauungsplanakten genügen lässt (BayVGH vom 3.9.2004 - Az. 25 ZB 01.3116), liegt keine wirksame Ausfertigung vor, weil die Satzung in den in Betracht kommenden Schriftstücken nicht genau (mit dem maßgeblichen Datum der Planfassung) bezeichnet ist.

Der Mangel der Ausfertigung stellt einen Verfahrens- und Formfehler dar, der die Unwirksamkeit des Änderungsbebauungsplans zur Folge hat.

b) Die Änderungssatzung weist darüber hinaus einen materiellrechtlichen Mangel auf. Die Festsetzung einer durch Baugrenzen bestimmten, fast das ganze Flurstück Nr. ***** erfassenden überbaubaren Fläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 BauGB) verstößt gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz (§ 1 Abs. 3 BauGB), weil die Regelung das mit ihr verfolgte Ziel, eine weitere Bebauung an der Grenze zum Grundstück Fl.Nr. *** zu ermöglichen, nicht erreichen kann.

aa) Das Nebengebäude, das unmittelbar an der Grenze zu dem Grundstück der Antragsteller errichtet werden soll, verstößt gegen das Gebot, dass vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen einzuhalten sind, die - da die Antragsteller einer Erstreckung auf ihr Grundstück nicht zugestimmt haben (Art. 7 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 Alternative 1 BayBO) - auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 BayBO).

Das mit einer Nutzfläche von 20 qm geplante Nebengebäude ist nicht nach Art. 7 Abs. 4 BayBO zulässig, weil es zusammen mit der bereits vorhandenen Grenzgarage die höchstzulässige Gesamtnutzfläche von 50 qm sowie die höchstzulässige Gesamtlänge der Außenwände von 8 m an der Grenze zum Grundstück der Antragsteller überschreiten würde (Art. 7 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO).

Auch die in die Wege geleitete Teilung des Grundstücks Fl.Nr. *****, für die noch die Grundbucheintragung des bislang nur vermessenen Flurstücks Nr. ***** erforderlich ist, verhilft den Beigeladenen nicht zu einem weiteren "Grenzbebauungsrecht". Art. 7 Abs. 4 BayBO ist nur auf solche Garagen und Nebengebäude anwendbar, die sich zusammen mit dem zugehörigen Hauptgebäude auf demselben (Buch-) Grundstück befinden (BayVGH vom 7.3.1983 BayVBl. 1983, 404). Diese Einschränkung ergibt sich aus Sinn und Zweck der genannten Begrenzung der Gesamtnutzfläche und Gesamtlänge (Art. 7 Abs. 4 Satz 2 BayBO), die den Nachbarn vor einer in ihrer Gesamtwirkung übermäßigen Häufung von Grenzgebäuden bewahren soll; der Schutz könnte unterlaufen werden, wenn sich durch beliebige Stückelungen eines Grundstücks ohne weiteres die Zulässigkeit zusätzlicher Grenzgebäude herbeiführen ließe. Eine Ausnahme kommt deshalb nur dort in Betracht, wo im Einzelfall die Gefahr einer Umgehung der "Summenbegrenzungen" des Art. 7 Abs. 4 Satz 2 BayBO nicht besteht. Dies scheidet hier offensichtlich aus, weil die beabsichtigte Abschreibung des Grundstücks Fl.Nr. *****, auf dem das Nebengebäude errichtet werden soll, von dem Grundstück Fl.Nr. *****, auf dem sich das zugehörige Hauptgebäude befindet, keinen anderen Zweck hat, als eben jene Umgehung zu ermöglichen.

bb) Der Widerspruch der geplanten weiteren Grenzbebauung zu den Abstandsflächenvorschriften lässt sich auch nicht durch die Festsetzung von Baugrenzen ausräumen, die eine - mit der Grundfläche des geplanten Nebengebäudes im Wesentlichen deckungsgleiche - überbaubare Fläche bestimmen. Weder wird durch die Festsetzung dieses Bauraums erreicht, dass das Nebengebäude nach Bauplanungsrecht an die Grenze gebaut werden darf und deshalb gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO keine Abstandsflächen einzuhalten hat, noch ermächtigt Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayBO, der städtebaulichen Satzungen einen teilweisen Vorrang gegenüber den Abstandsflächenrecht einräumt, zu einer solchen Festsetzung.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO sind Abstandsflächen nicht erforderlich vor einer an der Grundstücksgrenze errichteten Außenwand, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften das Gebäude an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Solche planungsrechtlichen Vorschriften sind in Bezug auf die (von der öffentlichen Verkehrsfläche aus gesehen) seitlichen Grundstücksgrenzen, um die es hier geht, nur die Vorschriften über die geschlossene und eine abweichende Bauweise (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 3. Aufl., Art. 6 RdNr. 8; Dhom in Simon/Busse, BayBO, Art. 6 RdNrn. 30 ff.). In der geschlossenen Bauweise müssen Gebäude grundsätzlich ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden (§ 22 Abs. 3 BauNVO); bei Festsetzung einer abweichenden Bauweise kann, je nach Ausgestaltung, bestimmt werden, dass an die seitliche Grundstücksgrenze herangebaut werden darf oder muss (§ 22 Abs. 4 BauNVO). Die Antragsgegnerin hat keine derartigen Festsetzungen getroffen. Der Bebauungsplan Nr. 1 Nord setzt vielmehr allgemein eine offene Bauweise fest, bei der die Gebäude mit seitlichen Grenzabständen errichtet werden (§ 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO); diese Festsetzung hat nach der ausdrücklichen Regelung des Änderungsbebauungsplans weiterhin Gültigkeit.

Das von der Antragsgegnerin gewählte Mittel der Festsetzung einer Baugrenze (§ 23 Abs. 1 und 3 BauNVO) stellt dagegen keine Regelung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO dar. Die Festsetzung einer Baugrenze bestimmt die überbaubare Grundstücksfläche ohne (unmittelbare) Beziehung zu den Grundstücksgrenzen; das Kriterium der Baugrenze sagt für sich genommen nichts darüber aus, ob ein Grenzanbau geboten oder erlaubt ist. Es verbleibt damit insoweit bei der Geltung der bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Abstandsflächen (vgl. Urteil des Senats vom 7.4.1987 BayVBl. 1988, 274).

Die in dem Änderungsbebauungsplan getroffene Festsetzung einer Baugrenze kann schließlich auch nicht gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayBO Vorrang vor den Abstandsflächenvorschriften beanspruchen. Nach dieser Regelung können durch die Festsetzungen (u.a.) eines Bebauungsplans Außenwände zugelassen oder vorgeschrieben werden, vor denen Abstandsflächen mit einer größeren oder geringeren Tiefe, als sie sonst gesetzlich bestimmt ist, einzuhalten sind. Den Gemeinden sollen hierdurch die erforderliche planerische Gestaltungsfreiheit erhalten, um - unter Beachtung der Zielsetzungen des Abstandsflächenrechts (siehe Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayBO) - besonderen örtlichen oder städtebaulichen Situationen Rechnung tragen zu können. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayBO gestattet nach seinem ausdrücklichen Wortlaut allerdings von vorneherein nur Abweichungen hinsichtlich der in Art. 6 Abs. 4 und 5 BayBO geregelten Abstandsflächentiefe, nicht jedoch - wie das hier bei der unmittelbar auf der Grundstücksgrenze verlaufenden Baugrenze der Fall ist - den gänzlichen Verzicht auf die nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO gebotene Einhaltung von Abstandsflächen (vgl. BayVGH vom 26.10.1998 Az. 14 N 96.2360 - juris; Lechner in Simon/Busse, BayBO, Art. 7 RdNr. 23; Koch/Molodovsky/Famers, BayBO, Art. 7 Erl. 3.2; Dirnberger in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Art. 7 RdNr. 31).

c) Die fehlende Ausfertigung und die materiellrechtliche Fehlerhaftigkeit der Festsetzung der Baugrenze machen den Änderungsbebauungsplan insgesamt ungültig und damit unwirksam (§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO).

Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Entscheidung in Nr. I der Urteilsformel nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils ebenso veröffentlichen wie der Bebauungsplan bekannt zu machen wäre (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB).

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt haben und somit kein Kostenrisiko eingegangen sind (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 7 GKG und orientiert sich an Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004.

Ende der Entscheidung

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