Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 19.06.2008
Aktenzeichen: 1 N 06.2548
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, BauGB 1998


Vorschriften:

VwGO § 47
BauGB § 1 Abs. 3 Satz 1
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 16
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 21
BauGB 1998 § 1 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

1 N 06.2548

In der Normenkontrollsache

wegen Unwirksamkeit des Bebauungsplans ***** Nr. 14 ("****** **********");

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Häberlein

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Juni 2008

am 19. Juni 2008

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 14 "****** **********".

1. Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. 593 und 960 Gemarkung ****. Auf dem Grundstück Fl.Nr. 593 befindet sich die Hofstelle des landwirtschaftlichen Betriebs des Antragsstellers. Die südliche, an die ****** ********** grenzende Hälfte dieses Grundstücks ist mit einer Doppelhaushälfte, einer Maschinenhalle und einem Geräteschuppen bebaut. Die nördliche Hälfte des Grundstücks ist - ebenso wie das sich westlich anschließende Grundstück Fl.Nr. 960 - unbebaut.

Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 14 "****** **********". Der kleinere südliche Teil des rund 44.000 m² großen Plangebiets, der neben dem bebauten Teil des Grundstücks Fl.Nr. 593 die gleichfalls mit einer landwirtschaftlichen Hofstelle bzw. mit Wohnhäusern bebauten Grundstücke Fl.Nrn. 591 und 592 sowie die unbebauten Grundstücke Fl.Nrn. 592/3 und 592/4 umfasst, ist als Dorfgebiet festgesetzt. Die durch Baugrenzen bestimmten überbaubaren Grundstücksflächen entsprechen auf den bebauten Grundstücken weitgehend dem vorhandenen Gebäudebestand. Für die Grundstücke Fl.Nrn. 592/3 und 592/4 sieht der Bebauungsplan eine Neubebauung mit jeweils einem Wohnhaus vor. Der nördliche Teil des Plangebiets, zu dem auch der unbebaute Teil des Grundstücks Fl.Nr. 593 sowie das Grundstück Fl.Nr. 960 gehören, ist als Fläche für die Landwirtschaft festgesetzt. Durch beide Teile des Plangebiets zieht sich - von der Unteren Dorfstraße im Süden bis zu dem "****see" im Nordwesten - eine "Fläche für die Regelung des Wasserabflusses". In dem Dorfgebietsteil liegt die Wasserabflussfläche etwa zu gleichen Teilen auf dem Grundstück Fl.Nr. 593 sowie den Grundstücken Fl.Nrn. 592/3 und 592/4. Im weiteren Verlauf werden die Grundstücke des Antragstellers nicht mehr berührt. Auf dem im Dorfgebiet liegenden Teil des Grundstücks Fl.Nr. 593 ist zudem entlang der Wasserabflussfläche eine 3 m breite, mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu belastende Fläche festgesetzt.

Den Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans fasste der Gemeinderat der Antragsgegnerin in der Sitzung vom 22. Juli 2003. Anlass war, dass "Starkregenereignisse" u. a. im Bereich ****** ********** immer häufiger zu Überschwemmungen geführt hatten. Das Regenwasser wird in Aying bisher über den Dorfgraben sowie einen auch über das Grundstück Fl.Nr. 593 verlaufenden Kanal in den "****see" geleitet. Im Bereich der Unteren Dorfstraße bildet das Gelände auf Höhe des Grundstücks Fl.Nr. 592/3 eine Senke, in der sich das Wasser bei den "Starkregenereignissen" sammelt. Im Hinblick auf Bauanträge für die in diesem Fall (teilweise) überschwemmten Grundstücke Fl.Nrn. 592, 592/3 und 592/4 beschloss der Gemeinderat ein Gutachten zur Regenabwasserableitung in Auftrag zu geben und in einem Bebauungsplan die für ein "100jähriges Regenereignis" erforderlichen Festsetzungen zu treffen.

Das von dem Ingenieurbüro Infra ausgearbeitete Gutachten untersucht drei Varianten zur Regenwasserableitung. In der Sitzung vom 15. Februar 2005 entschied sich der Gemeinderat für die Variante eines von der Unteren Dorfstraße bis zum "****see" verlaufenden offenen Grabens. Mit einem dieser Variante entsprechenden Entwurf wurde das Bebauungsplanverfahren weitergeführt. Den Satzungsbeschluss fasste der Gemeinderat in der Sitzung vom 30. Mai 2006. Die Ausfertigung des Bebauungsplans erfolgte am 31. Mai 2006, die öffentliche Bekanntmachung am 3. Juli 2006.

Parallel zu dem Bebauungsplanverfahren beantragte die Antragsgegnerin eine wasserrechtliche Planfeststellung für den Ausbau des Entwässerungsgrabens. Das Landratsamt München entsprach dem Antrag mit Planfeststellungsbeschluss vom 11. April 2006. Der Antragsteller erhob hiergegen Anfechtungsklage. Auf Anregung des Verwaltungsgerichts München nahm das Landratsamt den Planfeststellungsbeschluss mit Bescheid vom 14. März 2008 zurück. Das Klageverfahren wurde daraufhin eingestellt. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, erneut die Planfeststellung zu beantragen.

2. Zur Begründung des am 13. September 2006 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Normenkontrollantrags macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend: Der Bebauungsplan sei nicht erforderlich. Die Ausweisung des Dorfgebiets sei nur erfolgt, um die Schutzwürdigkeit der Wohnbebauung gegenüber der landwirtschaftlichen Nutzung zu verringern. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin neben der Wohnbebauung auch die Landwirtschaft als weitere Hauptnutzungsart eines Dorfgebiets fördern wolle. Zudem sei der Bebauungsplan infolge der Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses funktionslos geworden. Es lägen auch Abwägungsfehler vor. Infolge der Zulassung der Wohnbebauung auf den Grundstücken Fl.Nrn. 592/3 und 592/4 könne das Anwesen des Antragstellers nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden. Auch im Hinblick hierauf sei das Interesse des Antragstellers, dass sein Grundstück Fl.Nr. 960 in das Dorfgebiet einbezogen werde, abwägungserheblich. Dies gelte umso mehr, als eine gedachte Linie von der Bebauung auf dem Grundstück Fl.Nr. 589 im Osten bis zu dem Grundstück Fl.Nr. 1242/2 im Westen zeige, dass das Grundstück Fl.Nr. 960 noch zum im Zusammenhang bebauten Ortsteil gehören könnte. Ferner leide der Bebauungsplan an denselben Abwägungsfehlern wie der Planfeststellungsbeschluss. Es sei nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass von dem Grundstück des Antragstellers Fl.Nr. 593 eine Fläche von 162 m² in Anspruch genommen werden solle, ohne dass der Antragsteller hiervon einen Nutzen habe. Schließlich sei nicht ersichtlich, wie das abfließende Niederschlagswasser von dem tiefsten Punkt des Geländes, der sich im Bereich des Grundstücks Fl.Nr. 591 befinde, in den geplanten Graben gelangen solle.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass der Bebauungsplan Nr. 14 "****** **********" unwirksam ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Entscheidung, mit der Festsetzung eines Dorfgebietes im überwiegend bebauten südlichen Teil des Bebauungsplangebiets eine weitere Bebauung zuzulassen und im bisher von Bebauung freien nördlichen Teil Flächen für die Landwirtschaft auszuweisen, sei nicht abwägungsfehlerhaft. Die landwirtschaftliche Nutzung des Anwesens des Antragstellers werde durch die Festsetzung eines Dorfgebietes nicht erschwert. Das Grundstück Fl.Nr. 960 sei als Fläche für die Landwirtschaft ausgewiesen und könne auch weiterhin als solche landwirtschaftlich genutzt werden. Ein zwingendes Erfordernis für die Einbeziehung dieses Grundstücks in das Dorfgebiet sei nicht erkennbar. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ende der im Zusammenhang bebaute Ortsteil nördlich der im Bebauungsplan mit den Nummern 8, 5 und 3 bezeichneten Bauräume. Der Plan sei auch erforderlich. Der als Dorfgebiet festgesetzte südliche Teil des Geltungsbereichs sei sowohl durch landwirtschaftliche Betriebe als auch durch Wohnbebauung von einigem Gewicht geprägt. Die Festsetzung als Dorfgebiet schaffe einen Ausgleich zwischen den Schutz- bzw. Erweiterungsinteressen der landwirtschaftlichen Betriebe auf der einen und den Schutzbedürfnissen der Wohnbebauung auf der anderen Seite. Gegen die Annahme, es gehe nur um eine Verringerung der Schutzwürdigkeit der Wohnbebauung, spreche zudem, dass für diesen Zweck kein Dorfgebiet hätte ausgewiesen werden müssen. Eine Bebauung der Grundstücke Fl.Nrn. 592/3 bzw. 592/4 mit Wohnhäusern wäre auch nach § 34 BauGB zulässig gewesen. Die Antragsgegnerin habe sich mit den Einwendungen auseinandergesetzt. Die Belastung des Antragstellers sei unvermeidlich. Die geplante Wasserbaumaßnahme sei zum Schutz von Leib, Leben und Gesundheit sowie von bedeutenden Sachwerten erforderlich; zudem werde diese Variante den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege mehr gerecht als die beiden anderen. Auch der Antragsteller profitiere von dem Vorhaben.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses legt eine Stellungnahme des Landratsamtes vor; er stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die Bebauungsplanakten und die Akten zu dem Planfeststellungsverfahren Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, weil er sich als Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks substantiiert gegen Festsetzungen wendet, die unmittelbar sein Grundstück betreffen und damit Inhalt und Schranken seines Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) bestimmen (vgl. BVerwG vom 22.8.2000 NVwZ 2000, 1413).

2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Die strittigen Festsetzungen des Bebauungsplans sind von der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 BauGB gedeckt (a). Die Planung entspricht auch dem Erforderlichkeitsgrundsatz (b) und dem Abwägungsgebot (c).

a) Die Festsetzung von Flächen für die Regelung des Wasserabflusses findet ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB. Nach dieser Vorschrift können im Bebauungsplan unter anderem Flächen für die Regelung des Wasserabflusses festgesetzt werden. Voraussetzung einer solchen Festsetzung ist schon seit längerem nicht mehr, dass sie nicht nach anderen Vorschriften getroffen werden kann. Die entsprechende Einschränkung in § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1986 (BGBl I S. 2253) wurde bei der Neufassung der Vorschrift durch Art. 1 Nr. 11 Buchst. a) ee) des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 (BauROG) vom 18. August 1997 (BGBl I S. 2081) gestrichen. Die Rechtsgrundlage für die Festsetzung einer zugunsten der Antragsgegnerin mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu belastenden Fläche findet sich § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB.

b) Die Festsetzungen des Bebauungsplans sind städtebaulich gerechtfertigt und damit erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Weder der Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB noch der Festsetzung überbaubarer Grundstücksflächen im Bereich der Grundstücke Fl.Nrn. 592/3 und 592/4 stehen nicht ausräumbare Hindernisse entgegen. Bei der Festsetzung eines Dorfgebiets handelt es sich nicht um einen "Etikettenschwindel".

(1) Die städtebauliche Erforderlichkeit der Festsetzung der Flächen für die Regelung des Wasserabflusses wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Regenwassergrabens aufgehoben wurde. Zwar verstößt ein Bebauungsplan, der aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht "vollzogen" werden kann, gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB (BVerwG vom 30.8.2001 BVerwGE 115, 77 = NVwZ 2002, 202). Ein solcher Mangel liegt aber nicht vor. Die Antragsgegnerin durfte zum auch insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses annehmen, dass die wasserrechtliche Fachplanung, die für den "Vollzug" der Festsetzungen durchgeführt werden muss, auf keine unüberwindbaren Hindernisse stoßen wird. Die Festsetzung der Flächen für die Regelung des Wasserabflusses ist durch die Zurücknahme des Planfeststellungsbeschlusses auch nicht funktionslos geworden. Mit dem geplanten Ausbau eines Grabens für die Ableitung des Niederschlagswassers erfüllt die Antragsgegnerin eine ihr obliegende Verpflichtung (vgl. Art. 41 b Abs. 1 in Verbindung mit Art. 41 a Abs. 1 BayWG). Anhaltspunkte dafür, dass ein von der Antragsgegnerin beabsichtigtes neues Planfeststellungsverfahren für den dem Wohl der Allgemeinheit dienenden Ausbau nicht - nach Abwägung aller betroffenen Belange (vgl. Art. 58 Abs. 3 BayWG) - zum Erfolg führen kann, liegen nicht vor. Eine Verwirklichung der Festsetzung der Flächen für die Regelung des Wasserabflusses ist somit nicht auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen (vgl. BVerwG vom 29.4.1977 BVerwGE 54, 5 = NJW 1977, 2325).

(2) Die städtebauliche Erforderlichkeit bei beiden im Bereich der Grundstücke Fl.Nrn. 592/3 und 592/4 festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen fehlt nicht deswegen, weil die beiden Grundstücke derzeit bei einem 100jährigen Regenereignis zum größten Teil überschwemmt werden. Zwar ist ein Grundstück in einem Überschwemmungsgebiet (§ 31 b WHG) aufgrund dieser Lage in aller Regel nicht für eine Bebauung geeignet (Art. 4 Nr. 1 BayBO). Es handelt sich aber nicht um ein Überschwemmungsgebiet. Die Überschwemmung der beiden Grundstücke beruht nicht auf Hochwasserereignissen, sondern auf einer unzureichenden Ableitung des Niederschlagswassers. Die Gründe, aus denen die beiden Grundstücke derzeit nur mit Einschränkungen für eine Bebauung geeignet sind, lassen sich durch eine ordnungsgemäße Beseitigung des Niederschlagswassers ausräumen. (3) Auch die Festsetzung des südlichen Teils des Plangebietes als Dorfgebiet ist städtebaulich gerechtfertigt. Eine Bebauungsplanfestsetzung ist nicht erforderlich, wenn die Regelung nicht dem entspricht, was wirklich gewollt ist, sondern nur vorgeschoben ist, um das eigentliche (unzulässige) Planungsziel zu verdecken ("Etikettenschwindel"). Die Festsetzung eines Dorfgebietes widerspricht in diesem Sinn § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wenn die diesen Gebietstyp kennzeichnende Mischung von Landwirtschaft, Wohnen und Gewerbe bzw. Handwerk (§ 5 Abs. 1 BauNVO) nicht beabsichtigt ist, sondern die Ausweisung nur erfolgt, um die Schutzwürdigkeit einer in Wirklichkeit allein geplanten Wohnbebauung zu verringern (BayVGH vom 10.7.1995 BayVBl 1996, 48 = NVwZ-RR 1996, 430; vom 5.3.2001 BayVBl 2002, 465), oder wenn von vorneherein feststeht, dass die durch § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO vorgegebene Mischung der Nutzungsarten nicht erreicht werden kann ("anfängliche Funktionslosigkeit", vgl. HessVGH vom 15.2.2005 ZfBR 2005, 386 = BRS 69 Nr. 36).

Solche Mängel liegen bei der strittigen Dorfgebietsfestsetzung nicht vor. Zwar steht nach der Entstehungsgeschichte des Bebauungsplanes außer Frage, dass die Antragsgegnerin das Baugebiet vorrangig ausgewiesen hat, um Wohnbedürfnisse der Bevölkerung (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB) zu erfüllen. Dieses Planungsziel schließt aber die Festsetzung eines Dorfgebietes nicht aus. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO in der Fassung der Vierten Verordnung der Änderung der Baunutzungsverordnung vom 23. Januar 1990 (BGBl I S. 127) ist nämlich die Unterbringung von Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Betriebe nicht mehr, wie nach den früheren Fassungen der Vorschrift "vorwiegender" Zweck eines Dorfgebietes. Dieser Zweck steht vielmehr gleichrangig neben den Zwecken, Wohngebäude sowie nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe und der Versorgung des Gebietes dienende Handwerksbetriebe aufzunehmen.

Nach diesem Maßstab ist die Festsetzung nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat so geplant, dass der als Dorfgebiet festgesetzte Teil des Baugebietes die Zweckbestimmung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO erfüllen kann. Die erforderliche landwirtschaftliche Prägung erhält das Dorfgebiet durch den Betrieb des Antragstellers und den Betrieb auf dem Grundstück Fl.Nr. 591.

c) Der Bebauungsplan genügt auch den Anforderungen des Abwägungsgebotes.

Nach der gemäß § 233 Abs. 1 Satz 1, § 244 Abs. 2 Satz 1 BauGB noch anzuwendenden Vorschrift des § 1 Abs. 6 BauGB 1998 sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass eine Abwägung stattfindet, dass in sie die Belange eingestellt werden, die nach Lage der Dinge eingestellt werden müssen, dass die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange zutreffend eingeschätzt wird und dass der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange in einer Weise vorgenommen wird, die in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem objektiven Gewicht steht (BVerwG vom 12.12.1969 BVerwGE 34, 301; vom 14.2.1975 BVerwGE 48, 56). Maßgebend sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB 1998). Mängel im Abwägungsvorgang sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich sind und Einfluss auf das Abwägungsergebnis hatten (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB 1998). Zu den von der Aufstellung eines Bebauungsplans regelmäßig betroffenen, in "hervorgehobener Weise abwägungserheblichen" privaten Belangen gehört das durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Grundeigentum (BVerwG vom 1.11.1997 BVerwGE 47, 144 = NJW 1975, 148 = BayVBl 1975, 538; vom 25.8.1997 NVwZ 1998, 953). Die Gemeinde muss die schutzwürdigen Eigentümerinteressen auf der einen und die mit den neuen Festsetzungen verfolgten Belange auf der anderen Seite unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes im Rahmen der Abwägung in ein ausgewogenes Verhältnis bringen (BVerfG vom 19.12.2002 NVwZ 2003, 727). Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen dafür entscheidet, den einen zu bevorzugen und damit notwendigerweise den anderen zurückzustellen (BVerwG vom 12.12.1969 BVerwGE 34, 301; vom 5.7.1974 BVerwGE 45, 309).

Nach diesem Maßstab ist die dem Bebauungsplan zugrundeliegende Abwägung nicht zu beanstanden.

(1) Die Antragsgegnerin hat die Belange des landwirtschaftlichen Betriebs des Antragstellers nicht verkannt. Dessen Einwand, er könne seine Flächen infolge der Wohnbebauung, die nach dem Bebauungsplan auf den Grundstücken Fl.Nrn. 592/2 und 592/3 zulässig ist, nicht mehr landwirtschaftlich nutzen, ist nicht berechtigt. Da als Nutzungsart Dorfgebiet festgesetzt ist, müssen die beiden neuen Wohnhäuser landwirtschaftliche Immissionen in dem in einem solchen Gebiet zulässigen Umfang hinnehmen. Es gibt keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, dass die Planung unter dem Gesichtspunkt einer "heranrückenden Wohnbebauung" zusätzliche unzumutbare Einschränkungen für den Betrieb des Antragstellers zur Folge hat. Damit erledigt sich auch der Einwand des Antragstellers, dass die Antragsgegnerin zumindest einen Teil seiner im Plangebiet liegenden, als Fläche für die Landwirtschaft festgesetzten unbebauten Flächen in das Dorfgebiet hätte einbeziehen müssen, um eine Bebauung zu ermöglichen. Dieses "Einbeziehungsinteresse" könnte allenfalls dann abwägungserheblich sein, wenn die Planung die behaupteten nachteiligen Auswirkungen auf die landwirtschaftlich genutzten Flächen hätte. Städtebauliche Gründe, die eine Baurechtsausweisung auch über den bestehenden, durch die vorhandenen Gebäude gebildeten Ortsrand hinaus nahelegen würden, sind nicht ersichtlich.

(2) Durch die Festsetzung der Flächen für die Regelung des Wasserabflusses und die Festsetzung einer zugunsten der Antragsgegnerin mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu belastenden Fläche wird der Antragsteller nicht unverhältnismäßig und gleichheitswidrig belastet.

Die Planung dient dem gewichtigen, im Interesse der Allgemeinheit, der betroffenen Grundstückseigentümer sowie der Bewohner der betroffenen Anwesen liegenden Zweck, durch eine ordnungsgemäße Beseitigung des Niederschlagswassers die derzeit bei Starkregenereignissen bestehenden Gefahren für Leib und Leben sowie Eigentum auszuschließen. Dass das der Planung dienende Gelände zur Aufnahme des Niederschlagswassers modelliert werden muss, stellt die Eignung der Planung nicht in Frage. Die hierfür erforderlichen Maßnahmen sind Gegenstand der Ausführungsplanung nach erfolgter Planfeststellung. Es ist nicht zu beanstanden, dass sich die Antragsgegnerin von den drei in dem Gutachten vom Dezember 2003 vorgeschlagenen Varianten für die Errichtung eines Grabens auf der geplanten Trasse (= Variante 3) entschieden hat. Ein offener Graben stellt nicht nur - unbestritten - die sicherste und wirkungsvollste Lösung für das Problem dar; diese Variante ist auch im Hinblick auf die Belange des Orts- und Landschaftsbildes sowie des Naturschutzes vorzugswürdig. Diese Vorteile rechtfertigen die Entscheidung nicht nur gegen die Variante 1 (= Erneuerung des bestehenden, auch im Privatgrund verlegten Regenwasserkanals mit - jenseits des ******wegs - anschließendem offenen Graben), sondern auch gegen die Varianten 2 und 2 a (Errichtung eines Regenwasserkanals in der Unteren Dorfstraße, dem *************** Weg und dem ******weg mit anschließendem offen Graben), obwohl für die letztere (mit höheren Baukosten verbundene) Variante kein privates Eigentum in Anspruch genommen werden müsste. Den für die Planung sprechenden öffentlichen Belangen stehen bei der Variante 3 zwar gewichtige private Belange gegenüber, weil für die Errichtung des Grabens privates Grundeigentum in Anspruch genommen werden muss. Diese Belastung ist aber auch bei dem Grundstück des Antragstellers noch vertretbar.

Die Antragsgegnerin hat nicht verkannt, dass das Grundstück Fl.Nr. 594 aufgrund der derzeit bestehenden Geländeverhältnisse von dem ungeordneten Wasserabfluss bei einem 100jährigen Regenereignis in deutlich geringerem Maß betroffen ist als die östlich angrenzenden Grundstücke Fl.Nrn. 952/3 und 952/4 und dass der Antragsteller somit in deutlich geringerem Maße von der Planung profitiert als die Eigentümer der Grundstücke. Im Hinblick hierauf wurde die Trasse des geplanten Bachlaufs im Laufe des Verfahrens so weit nach Osten verlegt, dass das Grundstück des Antragstellers Fl.Nr. 594 auf der einen und die Grundstücke Fl.Nrn. 952/3 und 952/4 auf der anderen Seite etwa in demselben Umfang betroffen sind. Wenn man sich nur an den bestehenden Überschwemmungsverhältnissen orientieren würde, die in dem Gutachten (Plan "natürlicher Wasserlauf") anschaulich dargestellt sind, hätte es zwar nahegelegen, die Trasse noch weiter nach Osten, nämlich in den Bereich der bei einem 100jährigen Regenereignis nahezu vollständig überschwemmten Grundstücke Fl.Nrn. 952/3 und 952/4, zu verlegen. Die Antragsgegnerin musste im Rahmen der Abwägung aber auch die Eigentumsbelange dieser Grundstücke berücksichtigen. Da auch diese Grundstücke innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen und somit nach Maßgabe von § 34 BauGB bebaubar sind, haben auch diese Belange Gewicht. Die derzeit im Hinblick auf die Überschwemmungsgefahr bestehenden Einschränkungen schmälern dieses Gewicht nicht ausschlaggebend, weil sie auf einem Missstand beruhen, dessen Behebung der Antragsgegnerin obliegt.

Hiervon ausgehend liegt die Entscheidung der Antragsgegnerin, eine rund 160 m² große Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. 593 als Fläche für den Wasserabfluss vorzusehen und zusätzlich einen daran angrenzenden, 3 m breiten Streifen als mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu belastende Fläche festzusetzen, noch im Rahmen des Spielraums, den das Abwägungsgebot der Gemeinde lässt. Während eine Verlagerung des Grabens noch weiter nach Osten die Bebaubarkeit der Grundstücke Fl.Nrn. 594/3 und 594/4 erheblich eingeschränkt, wenn nicht gar ausgeschlossen hätte, hält sich die Beeinträchtigung des Grundstücks Fl.Nr. 593 durch die festgesetzte Trasse in Grenzen. Die Festsetzung der Wasserabflussfläche, die in das Eigentum der Antragsgegnerin übergehen soll, stellt zwar eine spürbare Belastung dar. Das Grundstück kann aber weiterhin für den landwirtschaftlichen Betrieb genutzt werden. Die betroffenen Flächen liegen am Rand des Grundstücks; sie werden derzeit im vorderen straßennahen Bereich als Garten und im rückwärtigen Bereich als Zufahrt genutzt. Wenn der Garten an das Wohnhaus gerückt und die Zufahrt an die Grenze zu der Wasserabflussfläche verlegt wird, können beide Funktionen beibehalten werden. Wenn der östliche Teil des Grundstücks in dieser Weise umgestaltet wird, liegt die Fläche, die zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Unterhaltung des Grabens mit einem Geh-, Fahrrecht belastet werden soll, insgesamt im Bereich der Zufahrt. Angesichts der geplanten Unterhaltungsintervalle (ein- bis zweimal pro Jahr) wird diese Funktion durch die Ausübung des Geh- und Fahrtrechts nicht nennenswert beeinträchtigt werden. Berücksichtigt man schließlich noch, dass der von der Festsetzung der Wasserabflussfläche erfasste Randbereich derzeit bei einem 100jährigen Regenereignis etwa zur Hälfte überschwemmt wird und dass die Belastung des Grundstücks durch den in ihm verlegten Regenwasserkanal wegfallen wird, dann handelt es sich insgesamt um eine noch verhältnismäßige, durch Belange der Allgemeinheit und die genannten privaten Belange ausreichend gerechtfertigte Einschränkung des Eigentumsrechts des Antragstellers.

Ob sich aus der Feststellung der Antragsgegnerin, das Grundstück des Antragstellers werde durch die Planung flächenmäßig "nicht wesentlich stärker belastet" als derzeit bei einem 100jährigen Regenwasserereignis (Niederschrift über die Gemeinderatssitzung vom 13.12.2005), ergibt, dass die Antragsgegnerin den genauen flächenmäßigen Umfang der Betroffenheit verkannt hat, kann dahinstehen. Ein hierin liegender Fehler bei der Ermittlung der Auswirkungen der Planung bliebe jedenfalls ohne Folgen für das Abwägungsergebnis; denn - auch in Anbetracht der Gesamtgröße des Grundstücks Fl.Nr. 593 - ist anzunehmen, dass die Antragsgegnerin auch dann nicht von der Entscheidung, die Wasserabflussfläche im Interesse der Erhaltung der Bebaubarkeit der Grundstück Fl.Nrn. 529/3 und 592/4 gleichmäßig zwischen diesen Grundstücken und dem Grundstück des Antragstellers zu verteilen, abgerückt wäre, wenn die Zahlen genannt worden wären und der Unterschied zwischen rund 160 m² und rund 80 m² als erheblich bezeichnet worden wäre (§ 233 Abs. 2, § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB).

3. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und 7 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück