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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 26.05.2009
Aktenzeichen: 1 N 08.2636
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, GO


Vorschriften:

VwGO § 47
BauGB § 10 Abs. 3 Satz 4
BauGB § 14 Abs. 1
BauGB § 16 Abs. 2
BauGB § 214 Abs. 4
GO Art. 36 Satz 1
GO Art. 45 Abs. 2
GO Art. 46 Abs. 2 Satz 2
GO Art. 47 Abs. 2
Die (nur deklaratorische) Inkrafttretensregelung in einer zunächst fehlerhaft vor Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses bekannt gemachten Veränderungssperre, der zufolge die Veränderungssperre mit der Bekanntmachung in Kraft tritt, muss nicht geändert werden, um eine erneute Bekanntmachung der Veränderungssperre mit einem auf den Tag nach Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses rückwirkenden Inkrafttreten zu ermöglichen (im Anschluss an BVerwG vom 10.8.2000 NVwZ 2001, 203 = BRS 63 Nr. 42 und BayVGH vom 28.9.2000 VGH n.F. 2001, 3 = NVwZ-RR 2001, 117 = BayVBl 2001, 210).
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

1 N 08.2636

In der Normenkontrollsache

wegen Unwirksamkeit einer Veränderungssperre für den Bereich "**********";

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Priegl

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19. Mai 2009 am 26. Mai 2009

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich gegen eine außer Kraft getretene Veränderungssperre des Antragsgegners.

1. Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. 82 und 370 Gemarkung *********. Die Grundstücke liegen am Südhang des "H**********" unterhalb des historischen Ortskerns mit dem Marktplatz und dem noch höher gelegenen Schloss. Die Grundstücke waren mit einem zum Wohnen und als Gaststätte genutzten älteren Gebäude bebaut.

Der Antragsteller erhielt mit Bescheid des Landratsamts ********* vom 18. September 2006 die Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses (Einfamilienhaus) auf seinen Grundstücken. Bei der Ausführung des Bauvorhabens hielt sich der Antragsteller nicht an die genehmigten Pläne. Im März 2008 reichte er einen Tekturantrag ein. Der Antragsgegner verweigerte mit Beschluss des Marktgemeinderats vom 15. April 2008 das Einvernehmen, weil sich der "bezüglich der Höhenlage und der Kubatur erheblich von den genehmigten Plänen" abweichende "Baukörper" nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Das Landratsamt stellte in einem Aktenvermerk vom 5. Mai 2008 fest, dass das neue Vorhaben hinsichtlich des Nutzungsmaßes (Gebäudehöhe und überbaute Fläche) nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauBG zulässig sei, und teilte dem Antragsgegner mit Schreiben vom 7. Mai 2008 mit, dass das Einvernehmen zu dem Tekturantrag ersetzt werden solle. In der Sitzung vom 3. Juni 2008, in der alle Mitglieder anwesend waren, beschloss der Marktgemeinderat einstimmig, bei der Ablehnung des Vorhabens zu bleiben und die Aufstellung eines Bebauungsplans (Nr. 10) für den betroffenen Bereich sowie den Erlass einer Veränderungssperre auf die Tagesordnung zu setzen. Unter dem neuen Tagesordnungspunkt wurden der Aufstellungsbeschluss und der Beschluss über eine Veränderungssperre gefasst. In der Niederschrift zu dem Aufstellungsbeschluss ist Folgendes vermerkt:

"Nach einer Diskussion bezüglich der H*********fläche sieht der Gemeinderat eine[r] Überplanung des Gebiets H********* für notwendig, um eine geordnete Bebauung in dem topografischen schwierigen Gebiet, sowie aus Gründen der markanten Ortsansicht zum denkmalgeschützten Bereich hin zu ermöglichen bzw. zu gestalten.

Die exponierte Lage macht es erforderlich, hier ortsplanerische Vorgaben aufzustellen um das historische Ortsbild, insbesondere den denkmalgeschützten Bereich, soweit wie möglich zu erhalten."

Die Bekanntmachung der am 4. Juni 2008 ausgefertigten Veränderungssperre erfolgte am 5. Juni 2008. Der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan wurde am 16. Juni 2008 bekannt gemacht.

Am 27. Januar 2009 machte der Antragsgegner die Veränderungssperre vom 4. Juni 2008 erneut bekannt. Nach dieser Bekanntmachung tritt die Veränderungssperre rückwirkend zum 17. Juni 2008 in Kraft. § 4 Abs. 1 der Satzung über die Veränderungssperre hat folgenden Wortlaut: "Die Veränderungssperre tritt mit ihrer Bekanntmachung in Kraft."

In der Sitzung vom 3. Februar 2009 beschloss der Marktgemeinderat erneut eine Veränderungssperre für den Bereich des Bebauungsplans. Diese Satzung wurde am 11. Februar 2009 ausgefertigt und noch am selben Tag bekannt gemacht.

2. Bereits mit Bescheid vom 31. Oktober 2008 hatte das Landratsamt den Tekturantrag des Antragstellers im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass die (ursprüngliche) Veränderungssperre dem Vorhaben entgegenstehe. Der Antragsteller erhob im November 2008 Klage zuletzt mit dem Hauptantrag, den Beklagten zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung zu verpflichten; hilfsweise beantragte der Antragsteller festzustellen, dass der Beklagte bis zum Inkrafttreten der (neuen) Veränderungssperre am 11. Februar 2009 verpflichtet war, die Baugenehmigung zu erteilen. Mit Urteil vom 17. Februar 2009 wies das Verwaltungsgericht die Klage im Hauptantrag ab, weil dem Vorhaben die am 11. Februar 2009 in Kraft getretene Veränderungssperre entgegenstehe. An der Wirksamkeit dieser Satzung bestünden keine Zweifel.

Dem Hilfsantrag gab das Verwaltungsgericht statt. Die Veränderungssperre vom 4. Juni 2008 sei nicht wirksam gewesen, weil sie vor dem Aufstellungsbeschluss bekannt gemacht worden sei. Dieser Mangel sei durch die erneute Bekanntmachung der Veränderungssperre nicht geheilt worden. Auch wenn man unterstelle, dass es grundsätzlich möglich sei, eine Veränderungssperre mit Rückwirkung in Kraft zu setzen, ohne den Bebauungsplanaufstellungsbeschluss erneut bekannt zu machen, liege ein Fehler vor, weil die erneute Bekanntmachung erfolgt sei, ohne § 4 Abs. 1 der Satzung über die Veränderungssperre zu ändern. Nach dieser Vorschrift trete die Satzung mit der Bekanntmachung in Kraft. Diese Regelung hätte - durch Beschluss des Marktgemeinderats - geändert werden müssen, um ein rückwirkendes Inkrafttreten zu ermöglichen. Abgesehen davon sei die Veränderungssperre auch unwirksam, weil die zu sichernde Planung nicht ausreichend bestimmt sei. Die vom Antragsgegner am 3. Juni 2008 angestellten Überlegungen ließen nicht einmal ansatzweise erkennen, was Inhalt des künftigen Bebauungsplans sein solle.

Der an dem Klageverfahren als Beigeladener beteiligte Antragsgegner hat beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen. Über den Zulassungsantrag wurde noch nicht entschieden (1 ZB 09.868).

3. Zur Begründung des am 26. September 2008 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Normenkontrollantrags macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, dass die Veränderungssperre aus den formellen und materiellen Gründen unwirksam sei, auf die das Verwaltungsgericht das Urteil vom 17. Februar 2009 gestützt hat.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass die am 27. Januar 2009 mit Rückwirkung zum 17. Juni 2008 bekannt gemachte Satzung des Marktes ********* über eine Veränderungssperre für den Bereich "H*********" unwirksam war.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er macht geltend: Die Veränderungssperre sei wirksam, weil der Mangel, der in der Bekanntmachung der Satzung vor Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses gelegen habe, geheilt worden sei und weil die Satzung auch den materiellen Anforderungen an eine Veränderungssperre entspreche.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10.8.2000 - BVerwG 4 CN 2.99) sei es - entgegen der Auffassung des Antragstellers und des Verwaltungsgerichts - unschädlich, wenn ein Bebauungsplan gemäß seinem Satzungstext mit dem Tage der Bekanntmachung in Kraft tritt, während in der Bekanntmachung ein rückwirkendes Inkrafttreten angeordnet wird. Entsprechendes gelte für eine Veränderungssperre. Somit sei für die erneute Bekanntmachung mit dem auf den 17. Juni 2008 rückwirkenden Inkrafttreten keine Änderung der Veränderungssperre und damit auch kein Beschluss des Marktgemeinderats erforderlich gewesen. Die rückwirkende Bekanntmachung auf Veranlassung des ersten Bürgermeisters habe ausgereicht.

Die Veränderungssperre sei auch nicht deswegen unwirksam, weil die Planungsabsichten nicht ausreichend konkretisiert gewesen wären. Dem Beschluss vom 3. Juni 2008 lasse sich entnehmen, dass es sich bei dem Plangebiet um einen Bereich mit schwierigen Geländeverhältnissen handele, dass eine sensible Ortsansicht betroffen sei und dass das Gebiet in der Nachbarschaft des als Ensemble denkmalrechtlich geschützten Ortskerns liege. Als Planungsziele seien die Erhaltung des historischen Ortsbildes sowie des als Denkmal geschützten Bereichs formuliert worden. Diesen Zielen lasse sich entnehmen, dass der Bebauungsplan insbesondere Festsetzungen zum Nutzungsmaß und bauordnungsrechtliche Regelungen über die Gestaltung enthalten solle. Ausführungen zur beabsichtigten Art der baulichen Nutzung seien entbehrlich gewesen, weil eine Änderung der zulässigen Nutzungsart nicht geplant sei. Eine weitere Konkretisierung der Planungsabsichten sei damals nicht ohne weiteres möglich gewesen, weil vor allem für die Regelungen zum Nutzungsmaß umfangreiche Vorarbeiten des Planfertigers erforderlich gewesen seien. Im Hinblick auf die drohende Ersetzung des Einvernehmens habe der Antragsgegner damals keine Zeit für eingehendere Überlegungen gehabt.

Es handele sich auch nicht um eine gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstoßende Negativplanung.

4. Der Senat hat die Akten des Verfahrens 1 ZB 09.868 beigezogen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die von dem Antragsgegner vorgelegten Akten zu der Veränderungssperre Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die in der Sitzung des Marktgemeinderats vom 3. Juni 2008 als Satzung beschlossene, am 4. Juni 2008 ausgefertigte und am 27. Januar 2009 mit Rückwirkung auf den 17. Juni 2008 in Kraft gesetzte Veränderungssperre. Die Veränderungssperre vom 4. Juni 2008 beansprucht nur noch gemäß dieser Bekanntmachung, hingegen nicht mehr gemäß der Bekanntmachung am 5. Juni 2008 Geltung.

2. Der gegen diese Satzung gerichtete Antrag ist zulässig, obwohl die Veränderungssperre zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht mehr in Kraft ist. Nach dem Grundsatz, dass das spätere Gesetz das frühere verdrängt, ist die Veränderungssperre vom 4. Juni 2008 mit dem Inkrafttreten der am 3. Februar 2009 beschlossenen und am 11. Februar 2009 bekannt gemachten Veränderungssperre außer Kraft getreten. Die Wirksamkeit der neuen Veränderungssperre ist nicht fraglich.

Ein bei seiner Einreichung zulässiger Normenkontrollantrag bleibt in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO trotz Außerkrafttretens der Norm während des Normenkontrollverfahrens zulässig, wenn der Antragsteller noch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit hat (BVerwG vom 2.9.1983 ZfBR 1983, 288; BayVGH vom 10.5.2005 - 1 N 03.845 - juris; vom 1.10.2008 - 1 N 08.2271 - juris; NdsOVG vom 24.4.2007 BauR 2007, 2024; OVG MV vom 30.1.2008 - 3 K 32/03 - juris). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Der Normenkontrollantrag war zum Zeitpunkt seines Eingangs bei Gericht (26.9.2008) zulässig. Der Antragsteller war gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, weil sein Grundstück im Geltungsbereich der Veränderungssperre lag und er deren Wirksamkeit mit nicht von vorneherein von der Hand zu weisenden Gründen in Frage gestellt hat.

Der Antragsteller hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der außer Kraft getretenen Veränderungssperre. Ein solches Interesse ist unter anderem dann gegeben, wenn die Weiterführung des Verfahrens dazu dienen soll, einen - nicht offensichtlich aussichtslosen - Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess vor den Zivilgerichten vorzubereiten (vgl. BVerwG vom 2.9.1983 BVerwGE 68, 12 = NJW 1984, 881 = BayVBl 1984, 154; NdsOVG vom 5.12.2001 BauR 2002, 594). Ein hierauf gestütztes Feststellungsinteresse kann dem Antragsteller nicht abgesprochen werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Verwaltungsgericht in dem parallel laufenden Verwaltungsstreitverfahren dem gleichfalls der Vorbereitung von Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen dienenden Hilfsantrag, festzustellen, dass bis zum Inkrafttreten der neuen Veränderungssperre am 11. Februar 2009 ein Anspruch auf Erteilung einer (Tektur-)Baugenehmigung für das abweichend von der ursprünglichen Baugenehmigung ausgeführte Bauvorhaben bestand, stattgegeben hat.

3. Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. Die Satzung über die Veränderungssperre weist keine Mängel auf, die zu ihrer Unwirksamkeit führen.

a) Es verstößt nicht gegen kommunalrechtliche Vorschriften, dass der Marktgemeinderat am 3. Juni 2008 die Aufstellung eines Bebauungsplans für den Bereich "H*********" und zur Sicherung dieser Planung eine Veränderungssperre beschlossen hat, obwohl diese Angelegenheiten nicht auf der Tagesordnung der Sitzung standen. Der Marktgemeinderat war auch insoweit beschlussfähig.

Nach Art. 47 Abs. 2 GO ist der Gemeinderat beschlussfähig, wenn sämtliche Mitglieder ordnungsgemäß geladen worden sind und die Mehrheit der Mitglieder anwesend und stimmberechtigt ist. Nach Art. 46 Abs. 2 Satz 2 GO ist der Gemeinderat vom ersten Bürgermeister unter Angabe der Tagesordnung mit angemessener Frist einzuberufen. Diese Vorschriften werden nach Art. 45 Abs. 2 GO hinsichtlich Inhalt und Form der Ladung zu den Sitzungen durch die Geschäftsordnung konkretisiert (BayVGH vom 18.6.2008 BayVBl 2009, 90; vom 3.4.2009 - 15 N 08.1521 - juris). Die "Geschäftsordnung für den Marktgemeinderat" des Antragsgegners sieht in § 23 Abs. 1 vor, dass die Mitglieder schriftlich sowie unter Beifügung der Tagesordnung und weiterer Sitzungsunterlagen zu den Sitzungen geladen werden.

Zwar waren diese Voraussetzungen bei dem Aufstellungsbeschluss und dem Erlass der Veränderungssperre nicht vollständig gegeben, weil diese Tagesordnungspunkte erst während der Sitzung in die Tagesordnung aufgenommen wurden. Nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 der Geschäftsordnung dürfen jedoch während der Sitzung gestellte Anträge in die Tagesordnung aufgenommen werden, wenn sämtliche Mitglieder des Gemeinderats anwesend sind und kein Mitglied der Behandlung widerspricht. Die Voraussetzungen dieser - zulässigen (vgl. Wachsmuth in Schulz/Wachsmuth/Zwick/ u. a., Kommunalverfassungsrecht in Bayern, Art. 45 GO Anm. 4.2) - Geschäftsordnungsregelung waren nach der Niederschrift über die Sitzung vom 3. Juni 2008 erfüllt. Anhaltspunkte dafür, dass die maßgeblichen Tatsachen in der Niederschrift unrichtig protokolliert worden sein könnten, liegen nicht vor. Weshalb das Verwaltungsgericht meinte, in dieser Hinsicht eine relativierende Bemerkung machen zu müssen (Seite 9 des Abdrucks des Urteils vom 17.2.2009: "Wenn man dem Inhalt der Niederschrift vertrauen darf,..."), ist nicht ersichtlich.

b) Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Veränderungssperre vom 4. Juni 2008 am 27. Januar 2009 ohne nochmalige Behandlung im Gemeinderat mit Rückwirkung auf den 17. Juni 2008 erneut bekannt gemacht hat, nachdem der Fehler, der in der zunächst erfolgten Bekanntmachung der Veränderungssperre vor Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses lag, bemerkt worden war (zur durch § 14 Abs. 1 BauGB vorgegebenen Reihenfolge der beiden Bekanntmachungen vgl. BVerwG vom 9.2.1989 NVwZ 1989, 661).

(1) Um den in der Bekanntmachung der Veränderungssperre vor Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses liegenden Rechtsverstoß gegen § 14 Abs. 1 BauGB zu beheben, mussten weder der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan noch der Satzungsbeschluss für die Veränderungssperre neu gefasst werden (BVerwG vom 6.8.1992 NVwZ 1993, 471 = ZfBR 1992, 292 [juris RdNr. 21]).

(2) Die (im Tatbestand im Wortlaut zitierte) Inkrafttretensregelung des § 4 Abs. 1 der Satzung über die Veränderungssperre musste nicht - durch Beschluss des Marktgemeinderats - geändert werden, um in der erneuten Bekanntmachung den 17. Juni 2008 als neuen Zeitpunkt des Inkrafttretens bestimmen zu können. § 4 Abs. 1 der Satzung hat nämlich neben den - maßgeblichen - gesetzlichen Inkrafttretensregelungen nur deklaratorische Bedeutung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG vom 10.8.2000 NVwZ 2001, 203 = BRS 63 Nr. 42), der der Senat folgt, muss ein Bebauungsplan den Zeitpunkt seines Inkrafttretens nicht regeln, weil sich dieser unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 und 4 BauGB tritt der Bebauungsplan mit der Bekanntmachung seiner Genehmigung oder, soweit eine Genehmigung nicht erforderlich ist, mit der Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses in Kraft. Diese Inkrafttretensregelung gilt nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB für die Veränderungssperre unabhängig davon entsprechend, ob die Gemeinde die Satzung (§ 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB) oder den Satzungsbeschluss (§ 16 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1, Halbsatz 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB) ortsüblich bekannt macht. Die jeweils maßgebliche Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB wird - auch bei einer Veränderungssperre - durch § 214 Abs. 4 BauGB ergänzt. Nach dieser Vorschrift darf eine städtebauliche Satzung nach Behebung eines Fehlers im ergänzenden Verfahren mit Rückwirkung in Kraft gesetzt werden. Macht die Gemeinde von dieser Möglichkeit Gebrauch, so tritt die Satzung nicht mit ihrer Bekanntmachung bzw. der des Satzungsbeschlusses, sondern zu dem in der Bekanntmachung genannten (in der Vergangenheit liegenden) Zeitpunkt in Kraft.

(3) Bei der erneuten Bekanntmachung und der Anordnung des rückwirkenden Inkrafttretens hat mit dem ersten Bürgermeister das zuständige Gemeindeorgan gehandelt.

Bei einer erneuten Bekanntmachung und einer Anordnung des rückwirkenden Inkrafttretens einer Veränderungssperre handelt es sich um Maßnahmen im Vollzug des Satzungsbeschlusses, für die der erste Bürgermeister gemäß Art. 36 Satz 1 GO zuständig ist. Diese Maßnahmen sind nicht Bestandteil des in die Zuständigkeit des Gemeinderats oder eines beschließenden Ausschusses fallenden Satzungsbeschlusses, sondern Teil des Bekanntmachungsverfahrens. Unterläuft dem Bürgermeister, wie hier, bei der Bekanntmachung ein Fehler, dann ist er nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, diesen Fehler sobald und so umfassend wie möglich zu beheben. Kommt für die Behebung des Fehlers ein ergänzendes Verfahren und ein rückwirkendes Inkraftsetzen der Satzung gemäß § 214 Abs. 4 BauGB in Betracht, dann ist der erste Bürgermeister in der Regel gehalten, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen (BayVGH vom 28.9.2000 VGH n.F. 2001, 3 = NVwZ-RR 2001, 117 = BayVBl 2001, 210). Der Gemeinderat muss nicht befasst werden. Der von ihm gefasste Satzungsbeschluss ist regelmäßig - und bei einer Veränderungssperre in besonderem Maße - mit der Erwartung verbunden, dass die Satzung sobald wie möglich in der gesetzlich vorgesehenen Form bekannt gemacht wird. Dies schließt die Behebung eines Bekanntmachungsfehlers mit rückwirkendem Inkraftsetzen ein.

(4) Gründe des Vertrauensschutzes standen dem rückwirkenden Inkraftsetzen nicht entgegen. Der in der Bekanntmachung einer Veränderungssperre vor Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses liegende Rechtsverstoß ist in dieser Hinsicht nicht anders zu gewichten als Form- und Verfahrensfehler. Bei solchen Fehlern müssen die Betroffenen jederzeit mit einer - auch rückwirkenden - Fehlerbehebung rechnen (BVerwG vom 10.8.2000 a. a. O.).

(5) Ein das Bestimmtheitsgebot verletzender Widerspruch zwischen der Regelung des Inkrafttretens der Veränderungssperre durch die genannten gesetzlichen Vorschriften (in Verbindung mit der Bekanntmachung vom 27.1.2009) und § 4 Abs. 1 der Satzung über die Veränderungssperre besteht schon deswegen nicht, weil die Satzung, wie bereits festgestellt wurde, die für den Regelfall maßgebliche gesetzliche Vorschrift, dass die Veränderungssperre mit der Bekanntmachung in Kraft tritt, nur deklaratorisch wiederholt. Ein rückwirkendes Inkraftsetzen wird hierdurch nicht ausgeschlossen (BVerwG vom 10.8.2000 a. a. O.). Abgesehen davon, steht die Aussage in § 4 Abs. 1 der Satzung auch nicht in einem unauflösbaren Widerspruch zu der Rechtsfolge, die sich aus der hier für das Inkrafttreten maßgeblichen Vorschrift des § 214 Abs. 4 BauGB (in Verbindung mit der Bekanntmachung vom 27.1.2009) ergibt. Denn § 4 Abs. 1 der Satzung verweist auf die Bekanntmachung der Satzung. In dieser ist das vom Regelfall abweichende Datum des Inkrafttretens (17.6.2008) eindeutig bestimmt. Hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Juli 2006 (25 N 01.410 - juris) zugrunde liegt. In jenem Fall hatte der Gemeinderat einen Bebauungsplan nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens erneut als Satzung beschlossen und im Satzungsbeschluss auch das Datum des rückwirkenden Inkrafttretens festgelegt. In der Bekanntmachung des neuen Satzungsbeschlusses war dann ein hiervon abweichendes Datum genannt worden.

c) Jedenfalls hinsichtlich der Grundstücke des Antragstellers war die durch die Veränderungssperre vom 4. Juni 2008 gesicherte Planung auch ausreichend konkretisiert.

(1) Die gesetzliche Anforderung, dass die Veränderungssperre "zur Sicherung der Planung" erlassen wird, ist nur erfüllt, wenn die mit dem Aufstellungsbeschluss eingeleitete Planung bei Inkrafttreten der Veränderungssperre ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (BVerwG vom 19.2.2004 NVwZ 2004, 984 mit weiteren Nachweisen) und wenn diese Planung nicht an schon in diesem frühen Stadium des Verfahrens erkennbaren, nicht behebbaren Mängeln leidet (BVerwG vom 21.12.1993, NVwZ 1994, 685). Die mit dem Inkrafttreten der Veränderungssperrensatzung wirksam werdenden Verbote (vgl. § 14 Abs. 1 BauGB) sind dem Grundstückseigentümer - auch im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG - nicht zuzumuten, wenn die Sperre eine Planung sichern soll, deren Inhalt noch in keiner Weise abzusehen ist (BVerwG vom 10.6.1976 BVerwGE 51, 121/128), oder wenn sie auf nicht ausräumbare rechtliche Hindernisse stößt. Diese Anforderung ergibt sich mittelbar auch aus § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegen stehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann nicht beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde noch völlig offen oder von vorneherein nicht tragfähig sind (BVerwG vom 19.2.2004 a.a.O.).

Nach diesem Maßstab war die Veränderungssperre jedenfalls hinsichtlich der Grundstücke des Antragstellers nicht zu beanstanden.

Die ihr zugrunde liegende Planung war ausreichend konkretisiert. Der gegenteiligen Auffassung des Verwaltungsgerichts im parallel laufenden Verwaltungsstreitverfahren wäre allerdings wohl zu folgen, wenn ausschließlich die Äußerungen zu berücksichtigen wären, die in der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung vom 3. Juni 2008 zum Tagesordnungspunkt "Aufstellungsbeschluss" enthalten sind. Für sich betrachtet lassen diese im Tatbestand dieses Urteils im Wortlaut wiedergegebenen Äußerungen in der Tat wohl nicht das von der Rechtsprechung geforderte Mindestmaß an konkretisierter Planungsabsicht erkennen. Maßgeblich ist indes nicht allein das in der Sitzungsniederschrift über den Aufstellungsbeschluss Dokumentierte; die Planungsabsicht kann sich auch aus anderen Unterlagen ergeben (Jäde in Jäde/ Dirnberger/Weiß, BauGB/BauNVO, 5. Aufl., § 14 RdNr. 9; Lemmel in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 14 RdNr. 9; jeweils mit weiteren Nachweisen). In diesem Fall ist vor allem die aus den beigezogenen Bauakten zu ersehende Vorgeschichte des Aufstellungs- und Satzungsbeschlusses vom 3. Juni 2008 von Bedeutung. Wie die Vertreter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung noch einmal betont haben, waren bereits der mit Bescheid vom 18. September 2006 erteilten Baugenehmigung längere Vorgespräche und eine mehrmalige Behandlung der Angelegenheit im Marktgemeinderat vorangegangen. Unterlagen in dem zu den beigezogenen Akten des Verwaltungsstreitverfahrens gehörenden Aktenordner "Chronologischer Ablauf mit Nachweisen" bestätigen dies. Aus der ortsplanerischen Sicht des Antragsgegners stellte diese Genehmigung einen in der exponierten Lage des Baugrundstücks unterhalb des Schlosses und des historischen Ortskerns noch vertretbaren Kompromiss dar. Die vor allem die Höhenlage des Gebäudes, die Gebäudehöhe und die Grundfläche betreffenden, in den vorliegenden Akten detailliert dokumentierten Abweichungen hält der Antragsgegner hingegen für nicht mehr vertretbar. Das Landratsamt hat sich jedoch der Auffassung, dass die Abweichungen von der ursprünglichen Baugenehmigung schon nach dem Maßstab des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht zulässig seien, nicht angeschlossen. Der Antragsgegner möchte deshalb für den von dem Bauvorhaben betroffenen Bereich des "H**********" in einem Bebauungsplan die aus seiner Sicht erforderlichen, seinen ortsplanerischen und ortsgestalterischen Vorstellungen entsprechenden Festsetzungen treffen. Diese Vorgehensweise ist legitim. In Anbetracht dieser Vorgeschichte kann für alle von der Satzung Betroffenen (insbesondere auch für den Antragsteller) vernünftigerweise auch kein Zweifel daran bestehen, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans für das Grundstück des Antragstellers bei den Punkten ansetzen sollen, in denen sich das Vorhaben, das Gegenstand des Tekturbauantrags ist, von dem zunächst genehmigten Vorhaben unterscheidet, dass also der Bebauungsplan vorrangig Regelungen zum Nutzungsmaß (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, §§ 16 ff. BauNVO), zur überbaubaren Grundstücksfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB, § 23 BauNVO), zur Höhenlage (§ 9 Abs. 3 BauGB) sowie baugestalterische Festsetzungen (Art. 81 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BayBO, § 9 Abs. 4 BauGB) enthalten soll.

Der Annahme, dass bei Inkrafttreten der Veränderungssperre Mitte Juni 2008 ausreichend konkretisierte Planungsvorstellungen vorlagen, steht nicht entgegen, dass, wie der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung noch einmal betont hat, es noch einige Zeit - nach den vorliegenden Akten bis Oktober 2008 - gedauert hat, bis der Planfertiger des Antragsgegners einen ersten Entwurf für den Bebauungsplan erarbeitet hatte und dass bei einer Besprechung im August 2008 offenbar noch kein Konzept für den Bebauungsplan vorlag. Hierdurch wird das Bestehen des erforderlichen Mindestmaßes an konkretisierter Planungsabsicht zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Veränderungssperre nicht in Frage gestellt. Zwar darf eine Veränderungssperre noch nicht erlassen werden, wenn die Gemeinde erst dabei ist, Planungsvorstellungen zu entwickeln. Um einen solchen Fall geht es hier jedoch nicht. Denn angesichts der Vorgeschichte war die Zielrichtung des beabsichtigten Bebauungsplans für alle Betroffenen erkennbar. Was nach dem Aufstellungsbeschluss noch eine gewisse Zeit in Anspruch nahm, war nicht eine Vorüberlegungsphase, sondern eine Phase von Vorarbeiten, die geleistet werden mussten, um einen ersten, der Zielrichtung entsprechenden Entwurf erarbeiten zu können. Die Notwendigkeit dieser Vorarbeiten hat der Antragsgegner plausibel damit erklärt, dass wegen vom Antragsteller vorgenommener, in der ursprünglichen Baugenehmigung nicht vorgesehener Geländeveränderungen zuerst Bestandaufnahmen erforderlich waren, um die notwendigen Bezugspunkte für die beabsichtigten Festsetzungen zu gewinnen.

(2) Anhaltspunkte dafür, dass die durch die Veränderungssperre gesicherte Planung aus der Sicht des hier maßgeblichen Zeitpunktes des rückwirkenden Inkrafttretens Mitte Juni 2008 von vorneherein zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, liegen nicht vor. Auch das Verwaltungsgericht hat in dieser Hinsicht keine durchgreifenden Bedenken geäußert.

(3) Ob die gesetzlichen Voraussetzungen einer Veränderungssperre auch bei allen weiteren von der Satzung erfassten Grundstücken erfüllt waren, kann dahinstehen. Wenn insoweit Bedenken bestünden, hätte dies nicht die Gesamtunwirksamkeit der Satzung zur Folge. Wie dargelegt wurde, waren die Voraussetzungen jedenfalls bei den Grundstücken des Antragstellers erfüllt. Es ist auch anzunehmen, dass der Antragsgegner den räumlichen Geltungsbereich der Veränderungssperre auf diese Grundstücke beschränkt hätte, wenn ihm (hier unterstellte) durchgreifende Bedenken hinsichtlich der übrigen Grundstücke bekannt gewesen wäre. Somit würden Mängel bei diesen Grundstücken nur zur Feststellung einer Teilunwirksamkeit in räumlicher Hinsicht führen. Für diese Feststellung würde dem Antragsteller jedoch das rechtliche Interesse fehlen, weil er von einer seine Grundstücke nicht erfassenden Feststellung keinen Vorteil für den im Verwaltungsstreitverfahren hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag hätte.

4. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Gründe, derentwegen die Revision zuzulassen wäre, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und 7 GKG).

Ende der Entscheidung

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