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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.10.2008
Aktenzeichen: 10 CS 08.2339
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 54 Nr. 5
AufenthG § 54 a
In den Fällen des § 54 Nrn. 5 und 5 a AufenthG ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Ausweisungsverfügung grundsätzlich zu dem Zweck zulässig, die Folgen nach § 54 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG eintreten zu lassen.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

10 CS 08.2339

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Aufenthaltserlaubnis und Ausweisung (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. Juli 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Eich

ohne mündliche Verhandlung am 24. Oktober 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 30. Juli 2008 wird in Nummern I. und II. aufgehoben.

II. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Mai 2008 wird wiederhergestellt, soweit er die Ausweisung betrifft. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt und die Beschwerde zurückgewiesen.

III. Die Antragsgegnerin und der Antragsteller tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.

IV. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der am 24. August 1978 geborene Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger. Er kam im Jahre 2000 ins Bundesgebiet und betrieb ein Asylverfahren. Mit Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 16. Oktober 2000 wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorliegen. Daraufhin erhielt der Antragsteller eine zuletzt bis zum 7. Dezember 2006 verlängerte Aufenthaltserlaubnis. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 4. Oktober 2006 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Bescheid vom 16. Oktober 2000 und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.

Am 4. Dezember 2006 bzw. 19. Juli 2007 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, hilfsweise einer Aufenthaltserlaubnis nach § 27 AufenthG und weiter hilfsweise einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 und 5 AufenthG.

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 5. Februar 2007 wurde der Antragsteller wegen Beihilfe zur Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt. Der Antragsteller hatte als Vermittler daran mitgewirkt, dass der des Terrorismus verdächtigte H****** ********** ****** mit einem gefälschten Pass ins Bundesgebiet einzureisen versuchte.

Mit Bescheid vom 29. Mai 2008 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller aus der Bundesrepublik aus, untersagte die Wiedereinreise, lehnte die Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sowie Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab und drohte die Abschiebung an. Außerdem wurde festgestellt, dass der Aufenthalt des Antragstellers auf das Stadtgebiet München beschränkt ist und er verpflichtet ist, sich einmal wöchentlich bei der für ihn zuständigen Polizeiinspektion zu melden. Die sofortige Vollziehung der Ausweisung wurde angeordnet.

Die Ausweisung wurde auf § 54 Nrn. 5, 5 a und § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG gestützt. Die vorliegenden Tatsachen rechtfertigten die Schlussfolgerung, dass der Antragsteller die Terrororganisation Ansar al-Islam unterstütze. Er gefährde damit auch die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Dies werde bestätigt durch die Aussagen bei der Beschuldigtenvernehmung am 10. Mai 2006 und die strafrechtliche Verurteilung. Der Antragsteller habe mit verschiedenen, teilweise hochrangigen Mitgliedern der Ansar al-Islam persönliche Kontakte gehabt. Es sei undenkbar, dass eine Person, die sich derart im privaten Umfeld eines hochrangigen Mitglieds der Ansar al-Islam bewege, keine Kenntnis über dessen Mitgliedschaft und Einbindung in einer terroristischen Organisation habe. Er habe einen Passverkauf vermittelt, wobei mit diesem Pass ein hochrangiges Mitglied der Ansar al-Islam eingeschleust werden sollte. Der Antragsteller sei auch über die Inhaftierung des H****** ********** ****** im Irak informiert gewesen. Der Umstand, dass den Sicherheitsbehörden keine neuen Erkenntnisse vorlägen, belege nicht seine Abkehr von sicherheitsgefährdenden Aktivitäten. Die Ausweisung sei aus Ermessensgründen nach § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 2 AufenthG gerechtfertigt.

Die Anordnung des Sofortvollzugs wurde general- und spezialpräventiv und damit begründet, dass zwar der Aufenthalt des Antragstellers im Hinblick auf die Situation im Irak derzeit nicht zwangsweise beendet werden könne, dass aber ein Interesse daran bestehe, den Antragsteller den Überwachungsmöglichkeiten des § 54 a AufenthG zu unterwerfen.

Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller Klage erheben mit dem Antrag, den Bescheid aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern bzw. eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

Außerdem ließ der Antragsteller beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Der dem Strafbefehl vom 5. Februar 2007 zugrundeliegende Vorwurf der Beihilfe zur Urkundenfälschung treffe zu. Es sei dem Antragsteller aber nicht vorgeworfen worden, er habe gewusst, dass es sich bei H****** ********** ****** um einen Terroristen handle. Er habe mit der Passvermittlung lediglich einer Bekannten seiner Frau helfen wollen und habe keine Kenntnis davon, dass damit angeblich Terroristen unterstützt würden. Der Antragsteller habe aus beruflichen Gründen ein Interesse daran, das Stadtgebiet München verlassen zu dürfen.

Mit Beschluss vom 30. Juli 2008 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisung genüge dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die sofortige Vollziehbarkeit einer Ausweisung sei nur dann gerechtfertigt, wenn hinreichende Anhaltspunkte für die begründete Besorgnis bestünden, die mit der Ausweisung bekämpfte Gefahr werde sich bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren. Obwohl der Antragsteller aufgrund der Situation im Irak nicht abgeschoben werden könne, stelle die Antragsgegnerin zu Recht auf die aus § 54 a AufenthG folgenden Pflichten einer vollziehbaren Ausweisungsverfügung nach § 54 Nrn. 5 und 5 a AufenthG ab. Der Gesetzgeber gehe im Rahmen des § 54 a AufenthG davon aus, dass eine die Einschränkung der persönlichen Freiheit rechtfertigende Gefährdung der Sicherheit bereits aufgrund des genannten Ausweisungstatbestandes indiziert sei. Daraus folge, dass in den Fällen, in denen eine Ausweisung auf § 54 Nrn. 5 oder 5 a AufenthG gestützt werden könne, auch die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung gerechtfertigt sei. Soweit die Ausweisung auch auf § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG gestützt sei, sei die Anordnung des Sofortvollzuges dagegen nicht gerechtfertigt. Die auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützte Ausweisung sei voraussichtlich rechtmäßig. Der Schluss sei gerechtfertigt, dass der Antragsteller eine terroristische Organisation unterstützt habe. Bei der Organisation Ansar al-Islam handle es sich um eine terroristische Vereinigung. Gegen Hussein Abdulwahid Rashid, für dessen Einreise der vom Antragsteller vermittelte Pass dienen sollte, sei mit Verfügung der Generalbundesanwaltschaft vom 22. November 2005 ein Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland eingeleitet worden. Der Antragsteller habe damit maßgeblich dazu beigetragen, dass ein Mitglied von Ansar al-Islam in den Besitz eines gefälschten Passes habe gelangen können. Die Passvermittlung durch den Antragsteller sei daher als Unterstützungshandlung im genannten Sinne anzusehen. Obwohl nicht erforderlich sei, dass diese Unterstützungshandlung auch primär in Absicht getroffen worden sei, gehe das Gericht davon aus, dass sich der Antragsteller dessen zumindest in irgendeiner Weise bewusst gewesen sei. Der Antragsteller habe eingeräumt, dass ihm bekannt gewesen sei, dass H****** ********** ****** bereits im Irak inhaftiert gewesen sei. Gleichwohl sei er ohne weiteres bereit gewesen, zur Einschleusung von H****** ********** ****** nach Deutschland beizutragen. Das Gericht sehe auch für die Zukunft in der Person des Antragstellers eine Gefahr für Unterstützungshandlungen. Es seien Tatsachen gegeben, die die Annahme zuließen, dass der Antragsteller erneut bereit wäre, für H****** ********** ****** unterstützend tätig zu werden. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass der Antragsteller in seiner Beschuldigtenvernehmung am 10. Mai 2006 eingeräumt habe, den Schwiegervater von H****** ********** ****** öfter getroffen zu haben, so dass von einer näheren Bekanntschaft zwischen den beiden ausgegangen werden könne. Es komme hinzu, dass der Antragsteller angegeben habe, seine Ehefrau sei mit der Frau von H****** ********** ****** gut befreundet. Schließlich habe der Antragsteller auch noch eingeräumt, dass er bereits früher bereit gewesen sei, über Freunde in der Türkei für H****** ********** ****** ein Visum für die Türkei zu besorgen. H****** ********** ****** habe dem Antragsteller früher mit deutschen Formularen und Anträgen geholfen. Aufgrund der engen persönlichen Beziehung der Familie des Antragstellers und der von H****** ********** ****** sei davon auszugehen, dass der Antragsteller auch in Zukunft Bitten um Unterstützung für H****** ********** ****** erfüllen werde. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Regelausweisung seien damit verwirklicht. Es könne offen bleiben, ob auch der Regelausweisungstatbestand von § 54 Nr. 5 a AufenthG verwirklicht worden sei. Die Ausweisung sei nicht zu einer Ermessensausweisung herabgestuft, da der Antragsteller nicht über einen besonderen Ausweisungsschutz verfüge. Er lebe nicht mit einer der in § 56 genannten Personen in familiärer Lebensgemeinschaft. Zwar halte sich der Antragsteller seit nunmehr acht Jahren im Bundesgebiet auf. Er habe aber den weit überwiegenden Teil seines Lebens im Irak verbracht. Zwei seiner Schwestern und zwei Brüder lebten mit ihren Familien im Irak. Im Bundesgebiet sei der Antragsteller nur kurzfristig oder geringfügig beschäftigt gewesen. Die Familie des Antragstellers erhalte seit dem 1. Januar 2005 mit Unterbrechungen Leistungen nach dem SGB II. Zwar hielten sich die beiden minderjährigen Töchter des Antragstellers und auch deren Mutter derzeit rechtmäßig im Bundesgebiet auf, sie seien allerdings nur im Besitz von befristeten Aufenthaltserlaubnissen. Es sei vorläufig auch nicht damit zu rechnen, dass der Antragsteller durch aufenthaltsbeendende Maßnahmen von seinen minderjährigen Töchtern vor Ablauf von deren Aufenthaltserlaubnissen getrennt werde. Auch aus Art. 8 EMRK folge nicht die Annahme eines Ausnahmefalles. Die vollziehbare Ausweisungsverfügung habe gemäß § 54 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zur Folge, dass der Antragsteller der Verpflichtung unterliege, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Außerdem sei sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt. Die Antragsgegnerin habe von der Möglichkeit einer abweichenden Festlegung nicht Gebrauch gemacht.

Wegen der Sperrwirkung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG könne dem Antragsteller kein Aufenthaltstitel erteilt werden.

Gegen diesen Beschluss ließ der Antragsteller Beschwerde erheben mit dem Antrag,

den Beschluss vom 30. Juli 2008 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Mai 2008 anzuordnen.

Im rechtskräftigen Strafbefehl vom 5. Februar 2007 werde nicht einmal behauptet, dass der Antragsteller gewusst habe, dass es sich bei der Person, der er geholfen habe, um einen Terroristen gehandelt habe. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Folgerungen gezogen, dass der Antragsteller eine Gefahr für entsprechende Unterstützungshandlungen auch in Zukunft darstelle. Was vom Verwaltungsgericht als Begründung hierzu angeführt werde, beziehe sich auf Handlungen vor der strafrechtlichen Verurteilung des Antragstellers. Der Antragsteller habe mit erheblichen Kosten einen Lkw-Führerschein erworben, so dass damit das früher bestehende Problem bei der Arbeitssuche behoben sein dürfte. Die beiden Töchter des Antragstellers und deren Mutter hätten die Möglichkeit, durch Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse eine Niederlassungserlaubnis zu erwerben.

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen. Die Unterstützungshandlungen des Antragstellers seien im Kontext zu sehen. Das Nichtwissen jeglicher Zusammenhänge überzeuge nicht. Jedoch selbst ein Nichtwissen würde die Tatbestandserfüllung einer Unterstützungshandlung nicht beeinflussen. Der Antragsteller sei trotz seiner Kenntnisse und Verbindungen bereit gewesen, zur Einschleusung des H****** ********** ****** nach Deutschland beizutragen. Diese strafbare Handlung sei nicht getrennt von seiner Verbindung zur Ansar al-Islam zu sehen.

Die Landesanwaltschaft beteiligte sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren und hielt die Beschwerde für unbegründet. Die Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG setze keine strafrechtliche Verurteilung wegen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung voraus. Vielmehr müssten lediglich Tatsachen vorliegen, die die Schlussfolgerung einer entsprechenden Unterstützung rechtfertigten. Der Gesetzgeber habe die Nachweisanforderungen im Hinblick auf die Gefahr für die durch eine solche Unterstützungshandlung bedrohten Schutzgüter und deren hohen Rang bewusst niedriger angesetzt. Bei der Ausweisung handle es sich um eine präventive Maßnahme. Die für eine strafrechtliche Verurteilung erforderlichen hohen Nachweisanforderungen gelten damit nicht. Von dem gegen den Antragsteller ergangenen Strafbefehl vom 5. Februar 2007 gehe auch keine negative Bindungswirkung insoweit aus, als der Antragsteller nicht wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, sondern "nur" wegen Beihilfe zur Urkundenfälschung verurteilt worden sei. Entscheidend sei der Hintergrund der Verurteilung, nämlich die Vermittlung eines Passverkaufs zur Einschleusung eines hochrangigen Mitglieds der Ansar al-Islam. Die Einlassung des Antragstellers, diesen Hintergrund nicht gekannt zu haben, sei nicht glaubhaft. Dagegen sprächen nicht zuletzt auch die persönlichen Beziehungen zwischen dem Antragsteller und dem Mitglied der Ansar al-Islam, deren Ehefrauen eng befreundet seien. Der Ausweisung stehe die derzeitige Situation im Irak nicht entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogene Behördenakte, auf die im Beschwerdeverfahren beigezogene Strafakte 111 Js 12097/06 und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nur teilweise begründet. Soweit sie die sofortige Vollziehung der Ausweisung betrifft, hat sie Erfolg, weil Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisung bestehen, soweit sie die Versagung eines Aufenthaltstitels betrifft, bleibt sie erfolglos.

Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisungsverfügung, um die Folgen des § 54 a Abs. 1 und 2 AufenthG auszulösen, bestehen dagegen keine grundsätzlichen Bedenken. Zwar ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Ausweisungsverfügung zur Durchsetzung der Verlassenspflicht nicht zulässig, wenn eine Abschiebung - wie hier - nicht möglich ist (s. dazu BayVGH vom 11.2.2004 InfAuslR 2004, 244). Im vorliegenden Fall kann jedoch aus den folgenden Gründen der Sofortvollzug der Ausweisung in Betracht kommen.

Die Ausweisung ist ein statusbestimmender Verwaltungsakt, der den Aufenthaltsstatus eines Ausländers für im Bundesgebiet "unerwünscht" erklärt (BayVGH vom 20.2.2008 KommunalPraxis BY 2008, 185). Obwohl die Ausweisung selbst keinen vollziehbaren Inhalt hat, die Folgen einer Ausweisung ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 11 Abs. 1, § 50 Abs. 1, § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), und ihre Wirksamkeit gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG durch einen Rechtsbehelf nicht berührt wird, kann auch bei einer Ausweisungsverfügung die Klage gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufschiebende Wirkung haben, wie sich auch aus § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG schließen lässt. Die aufschiebende Wirkung der Klage betrifft in diesem Fall die Hemmung von Vollstreckungsmaßnahmen, die die Statusänderung zur Folge hat, insbesondere zur Durchsetzung der Ausreisepflicht, des Aufenthalts- und Einreiseverbots (das Erlöschen und das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels haben dagegen keinen vollziehbaren Inhalt, sondern wirken unmittelbar ohne Vollzugsakt). Zu der vollstreckbaren Folge einer Ausweisung gehört auch die Überwachung nach § 54 a AufenthG.

Mit § 54 a AufenthaltG sind mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Gesetz vom 30.7.2004, neugefasst durch Bek. vom 25.2.2008 BGBl I S. 162) in bestimmten Fällen die Meldepflicht, die Aufenthalts- und Wohnsitzbeschränkung und das eingeschränkte Kommunikationsverbot als weitere Folgen einer Ausweisungsverfügung ins Gesetz aufgenommen worden. Diese Folgen einer Ausweisungsverfügung haben einen vollstreckbaren Inhalt und können somit auch begrifflich für sofort vollziehbar erklärt werden. Wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Abschiebung nicht möglich ist, kann die sofortige Vollziehung der Ausweisung deshalb zwar nicht zur Vollstreckung der Ausreisepflicht, wohl aber wegen der Folgen nach § 54 a Abs. 1 und 2 AufenthG angeordnet werden. In den Fällen des § 54 Nrn. 5 und 5 a AufenthG ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Ausweisung daher grundsätzlich auch allein zu dem Zweck zulässig, die Folgen nach § 54 a Abs. 1 und 2 AufenthG eintreten zu lassen.

Die sofortige Vollziehbarkeit der Folgen nach § 54 a AufenthG ist differenziert geregelt. Die von der Behörde getroffenen Maßnahmen nach § 54 a Abs. 3 und 4 AufenthG sind kraft Gesetzes (§ 54 a Abs. 5 Satz 2 AufenthG) sofort vollziehbar. § 54 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG trifft für die Fälle der Ausweisung nach § 54 Nrn. 5 und 5 a AufenthG dagegen die Regelung, dass die Meldepflicht und die Aufenthaltsbeschränkung zwar ebenfalls unmittelbar kraft Gesetzes gelten, aber nur dann, wenn die Ausweisungsverfügung selbst vollziehbar ist. Der Gesetzgeber hat - wie die Formulierung nahelegt - nicht nur bestandskräftige Ausweisungsverfügungen gemeint, sondern auch noch nicht bestandskräftige. Eine nicht bestandskräftige Ausweisungsverfügung ist vollziehbar, wenn die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO angeordnet ist. Da es sinnlos erscheint, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisungsverfügung im Hinblick auf die - nicht mögliche - Abschiebung zu beurteilen, wenn es ausschließlich um die Maßnahmen nach § 54 a Abs. 1 und 2 AufenthG geht, ist die Regelung des § 54 a Abs. 1 und 2 AufenthG so zu verstehen, dass die Ausweisungsverfügung allein wegen der Melde- und Aufenthaltsgebote für sofort vollziehbar erklärt werden kann. Denn ein Ausländer, der wegen eines Ausweisungstatbestands nach § 54 Nr. 5 oder 5 a AufenthG ausgewiesen wird, aber wegen eines Abschiebungsverbots nicht abgeschoben werden kann, muss aus dringenden Sicherheitsgründen ebenfalls den Maßnahmen des § 54 a Abs. 1 und 2 AufenthG unterworfen werden können. Andernfalls könnte der Zweck des Gesetzes, die Bewegungsfreiheit besonders gefährlicher Ausländer von Anfang an zu beschränken und sie zu überwachen, nicht effektiv genug erreicht werden.

Das besondere Vollzugsinteresse muss von der Ausländerbehörde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich begründet werden. Darauf wird hier aber nicht weiter eingegangen, weil es darauf nicht entscheidungserheblich ankommt.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist im vorliegenden Fall wiederherzustellen, weil durchgreifende Zweifel bestehen, ob der Antragsteller die Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 oder 5a AufenthG erfüllt hat.

Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 HS 1 AufenthG liegen vor. Denn es steht fest, dass der Antragsteller durch seine Beihilfe zur Fälschung des Passes für einen Ausländer, der des Terrorismus verdächtigt wird, dazu beigetragen hat, eine terroristische Organisation zu unterstützen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob dem Betreffenden bewusst war, dass er den Terrorismus oder eine den Terror unterstützende Vereinigung unterstützte.

Nach § 54 Nr. 5 HS 2 AufenthG muss aber auch die weitere Voraussetzung erfüllt sein, dass die Unterstützungshandlung eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründet. Insoweit bestehen durchgreifende Zweifel, weil die weiter bestehende Gefährlichkeit des Antragstellers nicht auf tragfähigen Schlussfolgerungen beruht. Der Antragsteller bestreitet, in terroristische Aktivitäten verwickelt gewesen und davon gewusst zu haben. Im Eilverfahren sind keine hinreichend überzeugenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die diese Aussage widerlegen. Im angefochtenen Bescheid wird ausdrücklich hervorgehoben, dass den Sicherheitsbehörden über den Antragsteller keine neuen Erkenntnisse vorliegen und der Antragsteller nicht durch weitere einschlägige Aktivitäten aufgefallen ist.

Die vom Antragsteller ausgehende Gefahr wird vom Verwaltungsgericht ebenso wie von der Ausländerbehörde darin gesehen, dass der Antragsteller mit der Ehefrau des H****** ********** ****** näher bekannt ist und daher davon auszugehen sei, dass er über die terroristischen Aktivitäten dieser Person unterrichtet war. Der Senat hat bereits in dem Beschluss vom 1. Oktober 2008 im Verfahren 10 C 08.2340 Bedenken gegen diese Schlussfolgerung geäußert, da ebenso gut die gegenteilige Annahme berechtigt sein kann, dass nämlich Terroristen und deren Helfer sich gerade ein unverdächtiges Umfeld suchen, um ihre Aktivitäten geheim zu halten. Es gibt auch sonst keine überzeugenden Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller von den terroristischen Aktivitäten seiner Bekannten gewusst hat und weiterhin bereit ist, eine terroristische Vereinigung zu unterstützen. Dabei fällt in erster Linie auf, dass gegen den Antragsteller in dem Strafverfahren nicht wegen der Unterstützung des Terrorismus oder einer terroristischen Vereinigung ermittelt wurde, obwohl das Strafverfahren im Zusammenhang mit dem gegen andere Personen erhobenen Vorwurf geführt wurde, den Terrorismus oder eine diesen unterstützende Vereinigung zu unterstützen. Weitere Verdachtsmomente sahen die Strafverfolgungsbehörden danach - wie sich aus der vom Senat beigezogenen Strafakte des Antragstellers ergibt - insoweit offenbar nicht. In dem Strafbefehl wird auf den Verdacht einer Verwicklung des Antragstellers in terroristische Aktivitäten nicht eingegangen. Die Antragsgegnerin zieht aus demselben festgestellten Sachverhalt somit weitergehende Schlüsse als die Strafverfolgungsbehörden, ohne diese anhand von nachprüfbaren Tatsachen belegen zu können. Auch von anderen Sicherheitsbehörden erhielt die Antragsgegnerin keine Informationen, die den Verdacht erhärtet hätten, der Antragsteller stelle auch gegenwärtig noch eine Gefahr dar.

Es muss daher dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, ob sich der gegen den Antragsteller gerichtete Verdacht, den die Ausländerbehörde noch hat, doch noch bestätigen wird.

Soweit die Ausweisung auf § 54 Nr. 5 a AufenthG gestützt wird, gilt das oben Gesagte auch hier.

Bei dieser Sachlage überwiegt das Interesse des Antragstellers, sich vorläufig nicht bei der Polizei melden zu müssen und sich außerhalb des Bezirk der Ausländerbehörde bewegen zu dürfen, das öffentliche Interesse an der Durchsetzung dieser in § 54 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG aufgeführten Maßnahmen.

Hinsichtlich der Versagung des beantragten Aufenthaltstitels kann der Antragsteller die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG im Eilverfahren nicht überwinden, da die Ausweisung, soweit sie auf § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG gestützt ist, nicht angegriffen wird (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3, § 39 GKG.

Ende der Entscheidung

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