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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 22.02.2005
Aktenzeichen: 12 B 00.1896
Rechtsgebiete: BSHG, SGB I, Nds.AG BSHG, Nds. Heranziehungsverordnung AG BSGH


Vorschriften:

BSHG § 108
SGB I § 30 Abs. 3 Satz 2
Nds.AG BSHG § 4 Abs. 2
Nds.AG BSHG § 5 a Abs. 1 Satz 1
Nds. Heranziehungsverordnung AG BSGH § 1 Abs. 1,
Nds. Heranziehungsverordnung AG BSGH § 1 Abs. 2 Nr. 6 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 B 00.1896

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sozialhilfe;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 5. Mai 2000,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Werner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau

ohne weitere mündliche Verhandlung

am 22. Februar 2005 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 5. Mai 2000 erhält in Nummer I seines Tenors folgende Fassung:

"I. Der Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger 37.886,26 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit 3. März 1999 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Beklagte.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1. Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung der Kosten von Sozialhilfeleistungen (Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt und Leistungen der Eingliederungshilfe), die er für den Hilfeempfänger G. M. (HE) aufgewendet hat. Er ist der Auffassung, der Beklagte sei zur Kostenerstattung nach § 108 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG - ("Kostenerstattung bei Übertritt aus dem Ausland") verpflichtet.

2. Der am 9. Februar 1973 geborene HE reiste zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder als Spätaussiedler am 25. August 1994 aus Russland in das Bundesgebiet ein. Seit dem 7. Februar 1995 lebte er zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder in der Gemeinde S. im Zuständigkeitsbereich des Klägers. Dieser gewährte ihm und seinen Familienangehörigen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt.

Am 8. April 1995 fuhr der HE nach Russland, um dort während etwa zweier Monate seine Großmutter zu besuchen, die einen Herzinfarkt erlitten hatte. Er musste dort wegen einer Erkrankung der Bauchspeicheldrüse Mitte Juli 1995 in ein Krankenhaus eingeliefert und operiert werden. Er blieb etwa vier Monate im Krankenhaus und wurde anschließend in Russland ambulant weiter behandelt. Als er sich bei Verwandten Geld für die Rückreise leihen konnte, fuhr er am 29. April 1996 zurück nach Deutschland zu seiner Mutter und seinem Bruder.

Nach der Abreise des HE nach Russland zogen seine Mutter und sein Bruder am 1. Juli 1995 von S. nach W. im Landkreis E. Dabei meldete die Mutter den HE ordnungsbehördlich ebenfalls nach W. um. Die Mutter und der Bruder zogen jedoch am 15. September 1995 wieder zurück in die Gemeinde S., allerdings in eine andere Wohnung als die von ihnen von Februar bis Ende Juni 1995 gemietete Wohnung. Nachdem der HE zu seiner Familie zurückgekehrt war, meldete ihn seine Mutter ordnungsbehördlich am 17. Juni 1996 wieder in S. an.

3. Der Kläger gewährte dem HE ab 29. April 1996 erneut laufende Hilfe zum Lebensunterhalt und später auch Eingliederungshilfe. Er machte bei dem für die Gemeinde W. zuständigen Sozialhilfeträger die Erstattung der Kosten der Sozialhilfeleistungen gemäß § 107 BSHG - "Kostenerstattung bei Umzug" - geltend. Dieser lehnte die Kostenerstattung mit der Begründung ab, der HE habe in W. keinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt und sei nicht von W. nach S. umgezogen.

4. Daraufhin machte der Kläger am 30. Juli 1997 die Erstattung der Kosten bei dem vom Bundesverwaltungsamt am 24. Juli 1997 zur Kostenerstattung nach § 108 BSHG bestimmten Beklagten geltend. Auch der Beklagte lehnte es ab, die Kosten der vom Kläger für den HE gewährten Sozialhilfeleistungen zu erstatten. Ein "Übertritt aus dem Ausland" nach § 108 BSHG liege nicht vor, weil der HE seinen vor der Rückreise nach Russland in S. begründeten gewöhnlichen Aufenthalt nicht aufgegeben und damit im Zeitpunkt seiner Wiedereinreise am 29. April 1996 einen die Kostenerstattung ausschließenden gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt habe.

5. Der Kläger erhob daraufhin am 3. März 1999 Klage mit dem Ziel, den Beklagten zur Kostenerstattung zu verpflichten. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 5. Mai 2000 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 108 BSHG lägen nicht vor, weil der HE bei seiner Wiedereinreise im Bundesgebiet in S. einen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe.

6. Der Kläger beantragt mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung,

den Beklagten zur Zahlung von 37.886,26 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Der HE habe bei seiner Wiedereinreise keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt, weil er bei seiner Reise nach Russland am 8. April 1995 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in S. verloren habe. In der Zeit vom 1. Juli 1996 bis einschließlich Januar 1999, also bis zur Beendigung des Hilfefalles, habe er für den HE Kosten in Höhe von 37.886,26 Euro (Hilfe zum Lebensunterhalt: 23.848,49 Euro, Eingliederungshilfe: 14.037,77 Euro) aufgewendet.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der HE habe bei seinem Übertritt aus Russland in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland am 26. April 1996 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in S. gehabt, den er dort bereits im Februar 1995 begründet und nicht verloren habe. Sollte jedoch der HE bei seiner Rückreise keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt haben, sei der Kläger nicht aktivlegitimiert für die Kosten der Eingliederungshilfeleistungen. Zwar sei die Erfüllung der Aufgabe "Gewährung von Eingliederungshilfe" vom originär zuständigen überörtlichen Sozialhilfeträger, hier auf den Kläger, übertragen, jedoch erfasse diese Aufgabenübertragung nicht die Kostenerstattungsansprüche; diese blieben bei dem originär zuständigen überörtlichen Sozialhilfeträger. Außerdem sei die Kostenerstattung nach § 108 BSHG ausdrücklich von der Übertragung ausgenommen.

7. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorgelegten Unterlagen und der Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung, über die der Verwaltungsgerichtshof nach § 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist zum ganz überwiegenden Teil begründet. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG ist für die Klage auch nach dem 31. Dezember 2004 der Verwaltungsgerichtsrechtsweg weiterhin gegeben trotz der Übertragung der Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe durch Art. 38 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3022) auf die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (vgl. dazu BayVGH vom 3.1.2005 Az. 12 CE 04.2989). Die Kostenerstattungsvorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), das durch Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 mit Ablauf des 31. Dezember 2004 (siehe Art. 70 des Gesetzes vom 27.12.2003) aufgehoben wurde, sind mangels entgegenstehender Übergangsregelungen auf das Klagebegehren anzuwenden, weil die zur Erstattung geltend gemachten Kosten vor dem 1. Januar 2005 aufgewendet wurden und - bei Vorliegen der Voraussetzungen - ein Kostenerstattungsanspruch bereits vor diesem Zeitpunkt entstanden und nicht erloschen ist. Dem Kläger steht ein Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten nach § 108 Abs. 1 Satz 1 BSHG - Kostenerstattung bei Übertritt aus dem Ausland - zu, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, insbesondere der Hilfeempfänger bei Übertritt aus dem Ausland keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hatte (nachstehend Nr. 1) und der Kläger auch hinsichtlich der Erstattung der Kosten der Eingliederungshilfe aktivlegitimiert ist (nachstehend Nr. 2). Die Kosten der Sozialhilfeleistungen in Höhe von 37.886,26 Euro sind zu verzinsen mit einem Zinssatz - nur - von 4 v.H. seit 3. März 1999 (nachstehend Nr. 3). Weil der Kläger einen höheren Zinssatz beansprucht, war die Berufung im Übrigen abzuweisen.

1. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 BSHG sind die Kosten der Sozialhilfe von dem von der Schiedsstelle bestimmten überörtlichen Träger der Sozialhilfe zu erstatten, wenn jemand, der weder im Ausland noch im Geltungsbereich des Gesetzes einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, aus dem Ausland in den Geltungsbereich des Gesetzes übertritt und innerhalb eines Monats nach seinem Übertritt der Sozialhilfe bedarf.

a) Der HE hatte bei seinem Übertritt aus dem Ausland am 29. April 1996 im Ausland keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Dabei kann offen bleiben, ob der HE während seines Aufenthaltes in Russland in der Zeit vom 8. April 1995 bis 29. April 1996 dort einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat. Diesen hat er jedenfalls wieder aufgegeben, als es ihm möglich wurde, wieder in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und zu seiner Familie zurückzufahren. Der HE bedurfte auch innerhalb eines Monats nach seinem Übertritt aus dem Ausland der Sozialhilfe. Ihm wurde sowohl die Hilfe zum Lebensunterhalt als auch die Eingliederungshilfe rechtmäßig nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes gewährt. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

b) Der HE hatte bei seinem Übertritt aus dem Ausland am 29. April 1996 keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet.

Für den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts gilt gemäß § 37 Satz 1 SGB I die Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I mit der Maßgabe, dass er unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck sowie Regelungszusammenhang der jeweiligen Norm auszulegen ist (BVerwGE 99, 158/162, 164). Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Dabei ist zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich; es genügt vielmehr, dass der Betreffende sich an dem Ort oder in dem Gebiet "bis auf weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat (BVerwG vom 18.3.1999 FEVS 49, 434 = NDV-RD 1999, 73). Der gewöhnliche Aufenthalt wird von den objektiven Lebensumständen sowie einem zeitlichen Element (nicht nur vorübergehend) geprägt. Die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts bestimmt sich nicht nach einem den objektiven Gegebenheiten möglicherweise entgegenstehenden inneren Willen des Betroffenen, sondern setzt eine aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse zu treffende Prognose voraus (BVerwG vom 4.6.1997 NVwZ-RR 1997, 751). Dabei hat eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einer politischen Gemeinde und nicht in einer bestimmten Straße oder einer Wohnung bzw. einem Wohnhaus.

Der HE hatte zwar vor seiner Reise nach Russland Ende April 1995 einen gewöhnlichen Aufenthalt in S. im Zuständigkeitsbereich des Klägers. Diesen gewöhnlichen Aufenthalt verlor er, als seine Mutter und sein Bruder am 1. Juli 1995 nach W. umzogen. Der gewöhnliche Aufenthalt des HE in S. als Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen war dadurch geprägt, dass der HE zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder im engsten Familienkreis gemeinsam in einer Wohnung lebte. Er lebte dort mit seinen Familienangehörigen als Spätaussiedler. Diese objektiven und den gewöhnlichen Aufenthalt prägenden Umstände gingen verloren, als seine Mutter und sein Bruder nach W. umzogen und dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründeten. Dass der familiengeprägte gewöhnliche Aufenthalt des HE in S. mit dem Umzug der Mutter und des Bruders nach W. verloren ging, zeigt auch der Umstand, dass seine Mutter ihn ordnungsbehördlich in W. anmeldete, und dass der HE nach seiner Rückreise aus Russland unmittelbar zu seinen Familienangehörigen, seiner Mutter und seinem Bruder, zurückkehrte, obwohl diese längst in einer anderen Wohnung in S. wohnten. Wäre der HE nicht nach Russland zurückgereist und mit nach W. umgezogen, hätte auch er in W. seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Weil er sich zu dieser Zeit jedoch noch in Russland aufhielt, konnte er nicht zusammen mit seinen Familienangehörigen seinen gewöhnlichen Aufenthalt von S. nach W. verlegen und dort einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründen. Denn die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts setzt eine tatsächliche Aufenthaltsnahme voraus (vgl. BVerwG vom 26.9.2002 NVwZ 2003, 616). Erst nach dem Übertritt aus dem Ausland begründete der HE in S. erneut seinen gewöhnlichen Aufenthalt, als er sich dort tatsächlich nach seiner Rückkehr wieder bei seiner Familie aufhielt.

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Kläger auch hinsichtlich der Kosten der Eingliederungshilfe legitimiert für die Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs nach § 108 BSHG. Nach § 4 Abs. 2 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes (Nds. AG BSHG) i.d. Fassung vom 20. März 1997 (Nds. GVBl Nr. 6/1997 S. 86) ist das für die Sozialhilfe zuständige Ministerium berechtigt, durch Verordnung die örtlichen Träger der Sozialhilfe sowie diesen zugehörigen Gemeinden und Samtgemeinden zur Durchführung der dem Land als überörtlichen Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben heranzuziehen. Von dieser Möglichkeit wurde Gebrauch gemacht mit der Verordnung über die Heranziehung örtlicher Träger der Sozialhilfe und kreisangehöriger Gemeinden zur Durchführung von Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (Heranziehungsverordnung - AG BSHG) vom 14. April 1994 (Nds. GVBl Nr. 10/1994 S. 205). Nach § 1 Abs. 1 dieser Verordnung werden zur Durchführung aller in der sachlichen Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe liegenden Aufgaben, wie hier der Gewährung von Eingliederungshilfe in Heimen (§ 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG, § 3 Abs. 1 Nds. AG BSHG), u.a. die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe herangezogen. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 a der Heranziehungsverordnung - AG BSHG umfasst diese Heranziehung nicht die Geltendmachung und Verfolgung von Erstattungsansprüchen des überörtlichen Trägers gegenüber niedersächsischen örtlichen Trägern der Sozialhilfe und der Jugendhilfe bei vorläufigen Leistungen nach § 43 des Ersten Buches - Allgemeiner Teil - sowie vorläufiger Hilfeleistung nach § 44 BSHG und § 8 Nds. AG BSHG. § 1 Abs. 2 der Heranziehungsverordnung - AG BSHG zählt enumerativ die Fälle auf, die von der Heranziehung nach § 1 Abs. 1 der Vorschrift nicht erfasst werden. Diese Aufzählung einzelner, besonderer Kostenerstattungsansprüche bedeutet, dass der vorliegende nicht angeführte Kostenerstattungsanspruch von der Heranziehung bzw. Aufgabenübertragung nach § 1 Abs. 1 der Verordnung erfasst und somit der Kläger aktivlegitimiert ist. Der Beklagte stützt sich zu Unrecht auf § 1 Abs. 2 Nr. 7 Heranziehungsverordnung - AG BSHG. Danach umfasst die Heranziehung nach Abs. 1 nicht "die allgemeinen Aufgaben nach § 101 BSHG, die Kostenerstattung nach § 103 Abs. 1 Satz 2 und § 108 BSHG." Es geht hier aber nicht um die Aufgabe, Kosten nach § 108 BSHG zu erstatten, sondern um die Aufgabe, Kostenerstattung aktiv zu verlangen und durchzusetzen. Sowohl § 103 Abs. 1 Satz 2 BSHG als auch § 108 BSHG regeln Fälle, in denen der überörtliche Sozialhilfeträger kostenerstattungspflichtig ist. Nur seine Aufgaben, als überörtlicher Träger nach § 103 Abs. 1 Satz 2 BSHG oder § 108 BSHG Kosten zu erstatten, wurden nicht auf den örtlichen Träger übertragen. Dass es dabei nicht um die Kostenerstattungsberechtigung geht, zeigt schon der Umstand, dass nur der örtliche, aber nicht der überörtliche Sozialhilfeträger kostenerstattungsberechtigt nach § 103 Abs. 1 Satz 2 BSHG ist. Der in den Heranziehungs- bzw. Aufgabenübertragungsfällen dem örtlichen Sozialhilfeträger nach § 5 a Abs. 1 Satz 1 Nds. AG BSHG eingeräumte Kostenerstattungsanspruch gegen den überörtlichen Träger der Sozialhilfe, der ohne die Aufgabenübertragung zuständig wäre, lässt auch entgegen der Auffassung des Beklagten, die Erstattungsvorschriften des Bundessozialhilfegesetzes, wie § 108 BSHG, unberührt. Allerdings entfällt der Kostenerstattungsanspruch nach § 5 a Abs. 1 Satz 1 Nds. AG BSHG gegen den überörtlichen Träger, hier das Land Niedersachsen, mangels "Kosten" dann, wenn dem örtlichen Träger die Kosten der Sozialhilfe nach den Erstattungsvorschriften des Bundessozialhilfegesetzes, hier § 108 BSHG, erstattet werden. Der Beklagte wird dadurch nicht sachwidrig benachteiligt, weil er gemäß § 108 BSHG die aufgewendeten Kosten erstatten muss, soweit die Hilfe dem Bundessozialhilfegesetz entspricht (§ 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG), und es für diese Verpflichtung unerheblich ist, ob sie gegenüber einem zuständigen überörtlichen Träger oder im Falle der Aufgabenübertragung gegenüber einem zuständigen örtlichen Träger zu erfüllen ist.

3. Die Entscheidung zu den Zinsen stützt sich auf § 288 Abs. 1 Satz 1, § 291 BGB in der bis zum 30. April 2000 geltenden Fassung. Nach Art. 229 Abs. 1 Satz 3 EGBGB i.d. Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl I S. 330) sind erst die ab 1. Mai 2000 in Fällen vorliegender Art fällig gewordenen Zahlungsansprüche mit dem höheren Zinssatz von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. zu verzinsen. Solche Forderungen sind hier nicht im Streit.

B. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 155 Abs. 1 Satz 3, § 188 Satz 2 VwGO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 10 ZPO.

C. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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