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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: 12 B 05.3317
Rechtsgebiete: BAföG, SGB X


Vorschriften:

BAföG § 27 Abs. 1 Nr. 2
BAföG § 28 Abs. 2
BAföG § 28 Abs. 3
BAföG § 28 Abs. 4
BAföG § 29 Abs. 3
SGB X § 45
SGB X § 50
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 B 05.3317

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Rücknahme von Ausbildungsförderung;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. November 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau

ohne weitere mündliche Verhandlung

am 17. November 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. November 2005 erhält in Ziffern I und II folgende Fassung:

1. Der Bescheid des Beklagten vom 4. August 2004 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2004 wird insoweit aufgehoben, als die dem Kläger bewilligte Ausbildungsförderung auch hinsichtlich eines über 5.371,80 Euro hinausgehenden Betrages zurückgenommen und von ihm zurückgefordert wurde.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt 19/20, der Beklagte 1/20 der Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Der Kläger trägt 19/20, der Beklagte 1/20 der Kosten des Berufungsverfahrens. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 4. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2004, mit dem die ihm für den Zeitraum August 2001 bis September 2002 bewilligte Ausbildungsförderung in Höhe von 5.554,64 Euro zurückgenommen und zurückgefordert wird.

1. Der Kläger studierte seit dem Wintersemester 1997/98 Medizin an der Universität Regensburg. Für sein Studium beantragte er zum 20. Juli 1998, 23. Juli 1999, 20. August 2001 sowie 26. Juni 2002 Ausbildungsförderung. In den jeweiligen Antragsformblättern versah er die Frage nach eigenem Vermögen und Schulden jeweils mit einem Strich. Im Rahmen des durchgeführten Datenabgleichs wurde festgestellt, dass der Kläger im Jahre 2001 einen Kapitalertrag von 500 DM erhalten hatte. Er wurde deshalb aufgefordert, seine Vermögensverhältnisse für die Zeitpunkte der Antragstellung offen zu legen. Aus den vorgelegten Bankbestätigungen ergab sich, dass er zum 20. August 2001 über ein Vermögen in Höhe von 12.193,39 Euro verfügte. Dabei handelte es sich um Aktien der Infineon AG sowie der Siemens AG, die sich auf dem Depot Nr. 70140007279839 des Klägers befanden.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2003 legte der Kläger hierzu dar, dass es sich bei den Wertpapieren zum größten Teil nicht um seine eigenen Wertpapiere handele und er lediglich Treuhänder sei. Im Jahre 2000 habe er 294 Aktien erworben, von denen nur 45 Aktien ihm selbst gehörten, die er im Jahr 2001 bereits wieder verkauft habe. Die restlichen 249 Aktien habe er zwar in eigenem Namen, aber im Auftrag für drei Freunde erworben: Für Niko W. habe er 70 Aktien gekauft, die er auf dessen Anweisung im Jahre 2002 wieder verkauft und den Erlös an ihn zurücküberwiesen habe. Zum Beweis dafür wurde die Kopie eines Kontoauszugs vorgelegt, auf der sich eine Überweisung an Niko W. in Höhe von 1.659 Euro für Aktienanteile befindet. Weiterhin habe er 70 Aktien für Udo A. und 109 Aktien für Florian W. erworben.

Der Kläger und die genannten drei Freunde bestätigten mit eidesstattlicher Erklärung vom 5. Januar 2004 die Aktienaufteilung und den auftragsgemäßen Erwerb durch den Kläger. Ein schriftlicher Treuhandvertrag sei nicht geschlossen worden.

Am 4. August 2004 erließ der Beklagte für den Bewilligungszeitraum August 2001 bis September 2002 einen Rücknahme- und Rückforderungsbescheid, mit dem die geleistete Ausbildungsförderung zurückgenommen und in Höhe von 5.554,64 Euro zurückgefordert wurde. Den hiergegen vom Kläger eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2004 zurück. Der Kläger habe zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt über ein Vermögen in Höhe von 12.193,39 Euro verfügt. Der vorgebrachte Treuhandvertrag könne im Rahmen der Ausbildungsförderung nicht anerkannt werden. Da es an der Offenkundigkeit des Treuhandverhältnisses gefehlt habe, müsse sich der Kläger das Vermögen als eigenes zurechnen lassen. Es entspreche der Rechtssystematik ebenso wie billiger Interessenabwägung, das wirtschaftliche Risiko der Durchsetzbarkeit des Rückforderungsanspruchs dem Treugeber aufzubürden, der das verdeckte Treuhandverhältnis ermöglicht und auch Vorteile daraus gezogen habe.

2. Am 27. Januar 2005 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg mit dem Antrag, den Bescheid des Beklagten vom 4. August 2004 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2004 aufzuheben. Es habe sich vorliegend um eine sogenannte Ermächtigungstreuhand gehandelt, bei der der Treugeber Vollrechtsinhaber bleibe. Insoweit habe er zu keinem Zeitpunkt über eigenes Vermögen verfügt. Darüber hinaus würde die Verwertung des zur treuweisen Verwaltung überlassenen Vermögens eine unbillige Härte im Sinn des § 88 Abs. 3 BSHG darstellen.

Mit Urteil vom 8. November 2005 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 4. August 2004 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2004 auf. Der Kläger habe im streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Ausbildungsförderung ohne Anrechnung von Vermögen, weil er zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung am 20. August 2001 kein über dem Freibetrag liegendes Vermögen besessen habe. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme und Rückforderung der Ausbildungsförderung hätten deshalb nicht vorgelegen. Zwar müsse sich der Kläger das auf seinem Depot befindliche Aktienvermögen zunächst als sein Vermögen zurechnen lassen. Er allein sei Inhaber des Depots und somit auch allein gegenüber der Bank verfügungsberechtigt. Da er das Handeln für seine Freunde nicht offenkundig gemacht habe, könne es sich nur um eine verdeckte Treuhand gehandelt haben. Bei dieser müsse sich derjenige, der als verdeckter Treuhänder den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeuge, hieran auch im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung durch Sozialleistungsträger festhalten lassen.

Allerdings sei das Vermögen des Klägers um die Rückzahlungsverpflichtung gegenüber seinen drei Freunden in Höhe von 9.462 € zu mindern, so dass sich ein anrechenbares Vermögen ergebe, das unterhalb des Freibetrags liege. Demnach liege auch kein monatlicher Anrechnungsbetrag gemäß § 30 BAföG vor. Zu Schulden im Sinne von § 28 Abs. 3 BAföG gehörten nicht nur Forderungen, die zum maßgeblichen Zeitpunkt nach Bestand, Umfang und Fälligkeit rechtlich konkretisiert seien, sondern auch noch nicht konkretisierte Forderungen, wenn der Schuldner ernstlich mit der Geltendmachung rechnen müsse. Eine solche Forderung gegenüber dem Kläger könne sich aus einem unentgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag bzw. Auftrag ergeben, bei dem für den Auftragnehmer nach § 667 BGB die Pflicht bestehe, den Auftraggebern alles herauszugeben, was er zur Ausführung erhalten und durch die Geschäftsbesorgung erlangt habe. Dieser Herausgabeanspruch sei als Schuld des Klägers gegenüber seinen Freunden vom Vermögen in Abzug zu bringen. Nach der mündlichen Verhandlung und der Einvernahme des Zeugen W. sei davon auszugehen, dass ein solches Schuldverhältnis auch tatsächlich bestanden habe. Gegen die Glaubhaftmachung spreche zwar zunächst, dass zwischen dem Kläger und seinen Bekannten trotz der hohen Summen keine schriftliche Vereinbarung getroffen worden sei und darüber hinaus die Zahlungen an den Kläger ausschließlich in bar erfolgt seien. Jedoch hätten sowohl die Zeugeneinvernahme als auch die eidesstattliche Versicherung der Beteiligten und die schriftliche Einlassung des Zeugen W. ergeben, dass man dem Kläger die Gelder tatsächlich in bar gegeben habe und er damit die genannten Aktien habe kaufen sollen. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb diese eidesstattliche Versicherung nicht der Wahrheit entsprechen sollte. Auch der zunächst als Zeuge geladene Bekannte Wi. habe gegenüber dem Gericht nochmals schriftlich bestätigt, dass der Kläger in seinem und im Auftrag der anderen Aktien gekauft habe. Für diesen Sachverhalt spreche weiter der Verkauf der Aktienanteile des Zeugen W. (im Frühjahr 2002) und die unmittelbare Überweisung des Verkaufserlöses an ihn. Dieser Vorgang werde durch Verkaufsbeleg, Kontoauszug und die Aussage des Zeugen glaubhaft gemacht. Der Geschäftsvorgang habe auch zeitlich weit vor dem Datenabgleich und den behördlichen Ermittlungen gegen den Kläger stattgefunden, so dass von einer nachträglichen Manipulation nicht ausgegangen werden könne.

3. Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung des Beklagten. Er trägt vor, dass dem Kläger sämtliche sich in dem Depot befindlichen Aktien unabhängig davon, ob das behauptete Treuhandverhältnis tatsächlich bestanden habe, als eigenes Vermögen zuzurechnen seien. Gleichzeitig könnten die für die drei Freunde gezeichneten Aktien nicht als Schulden gemäß § 28 Abs. 3 BAföG auf das Vermögen des Klägers angerechnet werden. Der Kläger sei alleiniger Inhaber des Depots und auch nur allein gegenüber der Bank verfügungsberechtigt gewesen. Darüber hinaus habe er sein behauptetes Handeln für seine Freunde gegenüber der Bank nicht offenkundig gemacht. Demzufolge seien die vorhandenen Vermögenswerte gemäß §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 und 2 BAföG als eigenes Vermögen zuzurechnen gewesen. Wer als verdeckter Treuhänder den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeuge, müsse sich daran auch im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung im Ausbildungsförderungsrecht festhalten lassen.

Das anzurechnende Vermögen sei nicht gleichzeitig um die Rückzahlungsverpflichtung gegenüber den drei Freunden in Höhe von 9.462 Euro gemäß § 28 Abs. 3 BAföG zu mindern. Insoweit wurde auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. Juni 2006, Az. RO 6 K 04.1086 und den Beschluss des Senats vom 8. Juli 2006, Az. 12 C 04.468 verwiesen. Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bei den Treugebern habe es sich nicht um Verwandte, sondern um Freunde des Klägers gehandelt, die lediglich von einer günstigen Geldanlage mitprofitieren wollten. So ließen sich auch die Rückzahlungsströme an die Treugeber belegen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt habe. In der Rechtsprechung der Sozialgerichte und des Bundesfinanzhofs würden die verdeckten Treuhandverhältnisse dann anerkannt, wenn - wie im vorliegenden Fall - objektive Beweisanzeichen für die tatsächliche Durchführung vorlägen. Insofern sei die vorliegende Problematik anders gelagert als in dem vom Beklagten zitierten Beschluss des Senats vom 8. Juli 2006, da dort gerade ein verdecktes Treuhandverhältnis mit dem Bruder behauptet worden sei, also mit einem Verwandten, das zudem nicht durch objektive Beweisanzeichen zweifelsfrei habe bestätigt werden können.

Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses hält die Berufung für begründet.

In der mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2006 hat der Verwaltungsgerichtshof den Kläger über die näheren Umstände des Erwerbs und Verbleibs der streitgegenständlichen Aktien befragt.

Mit Aufklärungsbeschluss vom 20. Oktober 2006 hat der Verwaltungsgerichtshof den Beklagten aufgefordert mitzuteilen, auf welchen Betrag sich die gegenüber dem Kläger geltend gemachte Rückforderung belaufen würde, wenn der am 7. Februar 2002 erfolgte Verkauf von 70 Infineonaktien mit einem Kurswert von 1.708,70 Euro entsprechend § 29 Abs. 3 BAföG als das Vermögen des Klägers mindernd berücksichtigt würde.

Nach Auskunft des Beklagten vom 26. Oktober 2006 würde sich der Rückforderungsbetrag in diesem Fall auf 5.371,80 Euro vermindern.

Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten verwiesen (§ 125 Abs. 1, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe:

1. Über die Berufung konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, nachdem sich die Beteiligten hiermit schriftsätzlich einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

2. Die zulässige Berufung ist zum größten Teil begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, soweit es den Bescheid des Beklagten vom 4. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2004 auch insoweit aufgehoben hat, als mit ihm die dem Kläger bewilligte Ausbildungsförderung in Höhe eines Betrages von 5.371,80 Euro zurückgenommen und dieser Betrag von ihm zurückgefordert wurde. Hinsichtlich des über 5.371,80 Euro hinausgehenden Betrages ist dagegen die Berufung nicht begründet.

2.1 Der Verwaltungsgerichtshof geht zunächst mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass sich der Kläger das im Zeitpunkt der Antragstellung am 20. August 2001 auf seinem Bankdepot befindliche Aktienvermögen in Höhe von 12.193,39 Euro nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 BAföG als eigenes Vermögen zurechnen lassen muss. Da der Kläger den von ihm geltend gemachten treuhänderischen Erwerb von 249 der insgesamt 294 von ihm gekauften Infineonaktien weder gegenüber der depotführenden Bank noch gegenüber dem Beklagten bei Antragstellung am 20. August 2001 offen gelegt hat, liegt ein sogenanntes verdecktes Treuhandverhältnis vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist Vermögen aus einem verdeckten Treuhandverhältnis, das bei der Beantragung von Ausbildungsförderung nicht offen gelegt wird, dem Vermögen des Treuhänders zuzurechnen (z.B. Beschluss vom 6.7.2006 Az. 12 C 06.468). Der Verwaltungsgerichtshof hat hierzu in seinem Beschluss vom 6. Juli 2005 (a.a.O.) Folgendes ausgeführt:

"Zwar finden im Zivilrecht bei entsprechendem Nachweis auch verdeckte Treuhandverhältnisse Anerkennung, weil der Schuldner nicht gezwungen ist, seine Vermögensverhältnisse offen zu legen (vgl. BGH vom 1.7.1993 NJW 1993, 2622 und vom 8.2.1996 NJW 1996, 1543). Das gilt jedoch nicht bei der Gewährung von Ausbildungsförderung, weil hier wegen des Grundsatzes, dass darauf nach § 1 BAföG nur ein Anspruch besteht, wenn dem Auszubildenden die für den Lebensunterhalt und die Ausbildung erforderlichen Mittel nicht anderweitig zur Verfügung stehen, der Antragsteller gesetzlich zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenlegung seiner Vermögens- und Einkommensverhältnisse verpflichtet ist (§ 46 Abs. 3 BAföG, § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I; vgl. Kreutz in Rothe/Blanke, BAföG 5. Aufl., § 46 RdNr. 18) und er bei sich aufdrängenden Unklarheiten über den Umfang der Auskunftspflicht dies durch Nachfragen bei der Behörde klären zu lassen hat (BVerwG vom 6.6.1990 Buchholz 435.11 § 60 SGB I Nr. 1). Da angesichts der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung auch vertragliche Bindungen und Beschränkungen, die rechtlich gesehen eine objektive Zugriffsmöglichkeit unberührt lassen, die Herausnahme aus der Vermögensanrechnung nicht rechtfertigen (vgl. BVerwG vom 16.2.2000 Az. 5 B 182/99 <juris>, ist es daher Pflicht des Antragstellers, durch Offenlegung und Nachweis der behaupteten verdeckten Treuhand die dann rechtlich gesehen nicht gegebene objektive Zugriffsmöglichkeit auf formal ihm zugerechnetes Vermögen klarzustellen. Deckt ein Auszubildender bei der Antragstellung verdeckte Treuhandverhältnisse nicht auf, so muss er sich - entsprechend der Rechtsprechung der Sozialgerichte zur verdeckten Treuhand bei der Arbeitslosenhilfe (vgl. LSG RhPf vom 24.2.2005 NZS 2006, 49 m.w.N.; LSG SH vom 24.2.2006 Az. L 3 AL 113/05 juris) - an dem von ihm erzeugten Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft festhalten lassen".

An dieser Rechtsauffassung hält der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich fest.

Das dem Kläger somit zuzurechnende Aktienvermögen in Höhe von 12.193,39 Euro ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht um die Rückzahlungsverpflichtung gegenüber seinen drei Freunden in Höhe von insgesamt 9.462 Euro zu mindern, sondern nur um den Wert der von ihm am 7. Februar 2002 für Niko W. verkauften 70 Aktien in Höhe von 1.708,70 Euro. Nach § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG sind zwar von dem nach Absätzen 1 und 2 ermittelten Betrag die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Schulden und Lasten abzuziehen. Im vorliegenden Fall musste jedoch berücksichtigt werden, dass zwischen dem Kläger und seinen drei Freunden bezüglich der für sie erworbenen Infineonaktien ein verdecktes Treuhandverhältnis bestand. Der bei einem Treuhandverhältnis bestehende Herausgabeanspruch nach § 667 BGB kann bei wertender Betrachtung nicht als Schuld nach § 28 Abs. 3 BAföG bei der Wertbestimmung des Vermögens in Betracht kommen. Dafür ist zum einen von Bedeutung, dass der Kläger den nunmehr geltend gemachten Herausgabeanspruch im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung nicht als Schuld angegeben hat. Der Beklagte durfte daher davon ausgehen, dass keine Schulden vorliegen. Zum anderen liefe die Anerkennung eines Herausgabeanspruchs als Schuld im Sinne des § 28 Abs. 3 BAföG darauf hinaus, dass verdeckte Treuhandkonten bei der Vermögensanrechnung stets außer Betracht zu bleiben hätten, weil der Herausgabeanspruch des Treugebers das wesentliche Merkmal einer verdeckten Treuhand darstellt. Ist das Treugut dem Vermögen des verdeckten Treuhänders aber zuzurechnen, weil der Vermögenswert seinem Vermögen zugeflossen ist und er den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft hervorgerufen hat, muss der mit der Vereinbarung einer verdeckten Treuhand entstehende Herausgabeanspruch förderungsrechtlich außer Betracht bleiben (vgl. VG Karlsruhe vom 23.2.2005 Az. 10 K 1069/04 juris).

Zwar wird der Treuhänder hierdurch gezwungen, das ihm zur Verfügung stehende Treugut für seinen Lebensunterhalt zu verwerten, weshalb er möglicherweise wirtschaftlich außerstande gesetzt wird, den Anspruch des Treugebers nach § 667 BGB zu befriedigen. Im Rahmen der Vermögensanrechnung bei der Bedürftigkeitsprüfung entspricht es jedoch der Rechtssystematik ebenso wie billiger Interessenabwägung, das wirtschaftliche Risiko der Durchsetzbarkeit des Herausgabeanspruchs nach § 667 BGB dem Treugeber aufzubürden, der das verdeckte Treuhandverhältnis ermöglicht und hieraus die ihm - ansonsten möglicherweise gar nicht zustehenden - Vorteile zieht (LSG SH vom 24.2.2006, a.a.O. m.w.N.).

Die weiteren Voraussetzungen des § 45 Abs. 1, 2 und 4, § 50 SGB für eine Zurücknahme und eine Zurückforderung der dem Kläger in einer Höhe von 5.371,80 Euro bewilligten Ausbildungsförderung lagen vor. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2004 Bezug genommen werden.

2.2 Im Übrigen ist die Berufung jedoch nicht begründet. Bei der Vermögensanrechnung als vermögensmindernd ist der während des streitgegenständlichen Bewilligungszeitraums am 7. Februar 2002 erfolgte Verkauf von 70 Infineonaktien zum Kurswert von 1.708,70 Euro für Niko W. zu berücksichtigen. Denn dieser Betrag ist nachweisbar aus dem Vermögen des Klägers abgeflossen. Dem steht die Vorschrift des § 28 Abs. 4 BAföG nicht entgegen, nach der Veränderungen zwischen Antragstellung und Ende des Bewilligungszeitraums unberücksichtigt bleiben. Denn wesentliche Veränderungen des Vermögens zu Lasten des Auszubildenden können nicht mit dem Hinweis auf § 28 Abs. 4 BAföG unbeachtet bleiben, weil dies mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar wäre (Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., § 28 RdNr. 12). Eine wesentliche Änderung des Vermögens liegt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht nur in dem Fall vor, dass der Auszubildende während des Bewilligungszeitraums sein gesamtes Vermögen verloren hat, sondern auch dann, wenn er durch einen teilweisen Vermögensverlust die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Ausbildungsförderung erstmals erfüllt. Dies war beim Kläger der Fall, wie die vom Beklagten im Schreiben vom 26. Oktober 2006 vorgenommene Vermögensberechnung zeigt. In einem solchen Fall muss die Härtefallregelung des § 29 Abs. 3 BAföG zu seinen Gunsten eingreifen, indem ein weiterer Teil des seinerzeitigen Vermögens anrechnungsfrei bleibt, so dass sein (ehemaliges) Vermögen seiner Förderung nicht mehr entgegensteht (Rothe/Blanke, a.a.O.).

Die Berufung des Beklagten war deshalb insoweit zurückzuweisen, als das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide hinsichtlich eines über 5.371,80 Euro hinausgehenden Rücknahme- und Rückforderungsbetrages aufgehoben hat.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 ZPO.

4. Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, weil die mit der Vermögensanrechnung bei Vorliegen einer verdeckten Treuhand zusammenhängenden Fragen, soweit ersichtlich, bisher nicht höchstrichterlich geklärt sind.

Ende der Entscheidung

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