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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 11.05.2006
Aktenzeichen: 12 BV 04.3563
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 19
SGB VIII § 86 b Abs. 3
SGB VIII § 86 Abs. 6
SGB VIII § 89 a Abs. 1 S. 2
Der Schutz der "Pflegestellenorte" verlangt eine analoge Anwendung des § 89 a Abs. 1 S. 2 SGB VIII für den Fall, dass der für den gewöhnlichen Aufenthalt der Pflegeperson zuständige örtliche Träger nach § 86 b Abs. 3 S. 1 SGB VIII für eine gemeinsame Betreuung von Mutter und Kind in einer geeigneten Wohnform zuständig wird.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

12 BV 04.3563

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Kinder- und Jugendhilferechts;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 25. Oktober 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Albrecht, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Mai 2006 am 11. Mai 2006 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Kostenerstattung für die der Hilfeempfängerin (HE) S.K. und ihrer Tochter in der Zeit vom 8. Oktober 2002 bis zum 3. Februar 2004 geleistete Betreuung nach § 19 SGB VIII.

1. Die HE war im Rahmen der Hilfe zur Erziehung vom 19. April 1986 bis zum 3. April 1987 in einem Heim und anschließend in Vollzeitpflege bei Familie R. im Zuständigkeitsbereich des Klägers untergebracht. Ihre Eltern hatten nach den Feststellungen der Zentralen Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten (Beschluss vom 9.6.1999, Az. B 29/98) zu Beginn der Maßnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, bis die Mutter der HE am 12. Dezember 1987 in einen benachbarten Landkreis verzog. Durch Urteil des Amtsgerichts B. vom 20. Mai 1988 wurde die Ehe der Eltern der HE geschieden und die elterliche Sorge für die HE der Beklagten als Vormund übertragen.

Nachdem durch ein ärztliches Gutachten vom 25. Juli 2000, das im Rahmen eines Betreuungsverfahrens eingeholt wurde, bei der HE eine intellektuelle Minderbegabung und Defizite im sozialen Bereich festgestellt worden waren, gewährte der Kläger ihr ab dem 18. August 2000 Hilfe für junge Volljährige in Form der Unterbringung bei ihrer bisherigen Pflegefamilie, bis sie am 8. Januar 2001 mit einer Ausbildung im Berufsbildungswerk A. begann. Da die HE während der 14-tägigen Wochenend-Heimfahrten weiterhin eine Betreuung benötigte und die frühere Pflegefamilie nicht mehr zur Verfügung stand, wurde ihr auf Kosten des Klägers ab 9. März 2001 in der Pflegefamilie von Frau L. im Zuständigkeitsbereich des Klägers wieder Hilfe für junge Volljährige gewährt. Im Hilfeplan vom 27. November 2001 wurde festgestellt, dass die HE weiterhin die Unterstützung durch die Ausbildungsstätte und die neue Bezugsperson benötige. Sie sei nicht in der Lage, ein eigenständiges Leben zu führen. Ziel der Maßnahme sei es, der HE eine Ausbildung zu ermöglichen, sie an ein selbständiges Leben heranzuführen und die vorhandenen Defizite im emotionalen und sozialen Bereich auszugleichen.

Nachdem die HE schwanger geworden war, beantragte ihre Betreuerin beim Kläger im Juli 2002 im Rahmen der Hilfe gemäß § 19 SGB VIII die dauernde Unterbringung bei Frau L., weil die HE eine Mutter-Kind-Einrichtung ablehne. Sie bedürfe dringend der Unterstützung bei der Versorgung und Erziehung ihres Kindes; ihr fehle der nötige Weitblick und das erforderliche Verantwortungsbewusstsein für ein selbständiges Leben in einer eigenen Wohnung. Ab dem 2. August 2002, als die HE auf Dauer bei Frau L. wohnte, gewährte der Kläger im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige dieser ein monatliches Pflegegeld. Mit insoweit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 25. Oktober 2004 wurde die Beklagte nach § 89 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 86 a Abs. 4 Satz 1 und § 86 Abs. 6 SGB VIII verpflichtet, dem Kläger die Kosten für die Hilfe für junge Volljährige zu erstatten. Auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 7. April 2006 (Az. 12 ZB 04.3554) wird Bezug genommen.

Nach Geburt ihres Kindes gewährte der Kläger der HE und ihrer Tochter vom 8. Oktober 2002 bis zum 3. Februar 2004 mit Bescheid vom 4. Dezember 2002 Hilfe nach § 19 SGB VIII durch Unterbringung bei Frau L. Für die HE sind in dieser Zeit ab Oktober 2002 Kosten von monatlich 729 € und ab Juli 2003 von 748 € und für ihre Tochter ab Oktober 2002 monatlich 581 € und ab Juli 2003 598 € angefallen. Mit Übersendung des Bewilligungsbescheids bat der Kläger die Beklagte, ihre Kostenerstattungspflicht nach § 89 c Abs. 1 SGB VIII anzuerkennen.

2. Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat auf die mit Schriftsatz vom 17. Februar 2003 erhobene Klage die Beklagte zur Kostenerstattung in Höhe von 18.933,90 € für die vom 8.Oktober 2002 bis zum 3. Februar 2004 geleistete Hilfe verurteilt. Der Anspruch des Klägers ergebe sich aus § 89 e SGB VIII, weil die HE und ihre Tochter "in einer anderen Familie" untergebracht worden seien. Maßgeblich für die Zuständigkeit des Klägers sei nach § 86 b Abs. 3 SGB VIII der gewöhnliche Aufenthalt von Frau L. als Pflegeperson. Der HE und ihrer Tochter sei durch die Unterbringung bei Frau L. nach § 19 Abs. 1 SGB VIII Hilfe in einer "geeigneten Wohnform" geleistet worden. Frau L., die als Sozialpädagogin mit schwierigen Pflegefällen betreut worden sei, habe der HE und ihrer Tochter ein betreutes Einzelwohnen angeboten, mit dem ihrem Entwicklungsdefizit begegnet und zugleich eine sachgerechte Erziehung ihrer Tochter ermöglicht werden sollte.

3. Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung begründet die Beklagte im Wesentlichen damit, dass ein Erstattungsanspruch ausscheide, weil es sich bei der Hilfe für Mutter und Kind um eine neue Leistung gehandelt habe, für die die Zuständigkeit erneut zu prüfen gewesen sei. Darüber hinaus erfülle die Unterbringung bei Frau L. nicht die Voraussetzungen des § 19 SGB VIII.

Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 25. Oktober 2004 insoweit aufzuheben, als die Beklagte verpflichtet worden ist, dem Kläger die ab 8. Oktober 2002 für S.K. und ihre Tochter entstandenen Kosten zu erstatten, und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die HE habe auch nach ihrer Volljährigkeit ununterbrochen Hilfe benötigt. Durch die Unterbringung der HE und ihrer Tochter bei Frau L. habe ein Wechsel der vertrauten Bezugsperson sowie eine Trennung von ihrer Tochter vermieden werden können. Die Kosten für die Hilfegewährung seien angemessen, weil mit dem Pflegegeld überwiegend der Lebensunterhalt der HE und ihrer Tochter abgedeckt worden sei. Das Entgelt für die erzieherische Leistung von Frau L. belaufe sich lediglich auf monatlich 197,26 € je untergebrachter Person.

4. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten und für das Ergebnis der mündlichen Verhandlung auf die darüber geführte Niederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg, weil die Beklagte zur Erstattung der Kosten verpflichtet ist, die der Kläger für die gemeinsame Betreuung der HE und ihrer Tochter in einer geeigneten Wohnform vom 8. Oktober 2002 bis zum 3. Februar 2004 aufgewendet hat. Der Anspruch des Klägers folgt aus der analogen Anwendung des § 89 a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII.

1. Es ist dem Beklagten einzuräumen, dass für die vorliegend vom Kläger aufgewendeten Kosten für eine Maßnahme nach § 19 Abs. 1, 3 SGB VIII, die dieser von der Beklagten erstattet haben will, das Sozialgesetzbuch Achtes Buch in seinen Regelungen über die Kostenerstattung in den §§ 89 bis 89 e SGB VIII keine direkt zutreffende Rechtsgrundlage enthält, so dass daran der Anspruch des Klägers scheitern könnte und seine Klage abzuweisen wäre, sofern nicht insoweit eine unbeabsichtigte, planwidrige Gesetzeslücke bestünde, die durch eine analoge Anwendung einer der gesetzlichen Erstattungsvorschriften geschlossen werden könnte und dürfte und damit dem Kläger den geltend gemachten Anspruch gäbe. Denn § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gewährt zum Schutz der "Pflegestellenorte" dem örtlichen Träger der Jugendhilfe, der nach § 86 Abs. 6 SGB VIII für Hilfen zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) zuständig ist, nur für deren Kosten einen Erstattungsanspruch gegen den örtlichen Träger, der vor dem Zuständigkeitswechsel nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig war oder gewesen wäre. § 89 a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII erweitert den Erstattungsanspruch u.a. für den Fall, dass die Leistung über die Volljährigkeit hinaus nach § 41 SGB VIII fortgesetzt wird. Dieser Erstattungsanspruch korrespondiert mit der Zuständigkeitsregelung des § 86 a Abs. 4 SGB VIII. Gehen der Gewährung von Hilfe für junge Volljährige im einzelnen benannte Jugendhilfemaßnahmen voraus, so bleibt nach dieser Vorschrift der örtliche Träger zuständig, der bis zu diesem Zeitpunkt für die genannten Jugendhilfemaßnahmen zuständig war. Da als vorausgehende Hilfemaßnahme auch die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege genannt ist, für deren Gewährung nach § 86 Abs. 6 SGB VIII nach zweijähriger Dauer das Jugendamt zuständig wird, in dessen Zuständigkeitsbereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, schreibt § 86 a Abs. 4 Satz 1 SGB VIII die Zuständigkeit des "Pflegestellenorts" für Maßnahmen nach § 41 SGB VIII fest (vgl. BVerwGE 117, 194). Knüpft aber die Zuständigkeit für Leistungen an junge Volljährige an die Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII an, so verdient der örtliche Träger denselben Schutz wie bei der Vollzeitpflege.

Im vorliegenden Fall verlangt der Kläger aber nicht nur - wie bereits rechtskräftig entschieden (vgl. BayVGH vom 7.4.2006 Az. 12 ZB 04.3554) - Erstattung der Kosten für eine Maßnahme nach § 41 SGB VIII, sondern auch der Kosten für die sich an die Leistung an junge Volljährige anschließende Betreuung der HE und ihrer Tochter nach § 19 SGB VIII. Die Zuständigkeit für die gemeinsame Betreuung von Mutter und Kind in einer geeigneten Wohnform, die sich vorliegend aus § 86 b Abs. 3 SGB VIII ergibt, bestimmt sich wegen der vorausgegangenen Hilfen nach § 33 SGB VIII und § 41 SGB VIII ebenfalls nach § 86 Abs. 6 SGB VIII. Gleichwohl sieht das Kinder- und Jugendhilferecht für diesen Fall in § 89 a Abs. 1 S. 2 SGB VIII keinen Erstattungsanspruch des für den Pflegestellenort zuständigen Jugendamts vor.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann sich der Kläger auch nicht auf § 89 e Abs. 1 S. 1 SGB VIII berufen. Diese Vorschrift gewährt für den Fall, dass sich die Zuständigkeit für eine Maßnahme der Jugendhilfe nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern, eines Elternteils, des Kindes oder des Jugendlichen richtet und dieser in einer Einrichtung begründet worden ist, dem für den Einrichtungsort zuständigen örtlichen Träger einen Erstattungsanspruch. Vorliegend richtet sich jedoch die Zuständigkeit des Klägers nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Pflegeperson, bei der die HE und ihre Tochter untergebracht waren (§ 86 b Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 86 a Abs. 4 Satz 1 und § 86 Abs. 6 SGB VIII). Da die Pflegeperson als maßgebliche Bezugsperson nicht genannt ist, scheidet § 89 e Abs. 1 S. 1 SGB VIII als Anspruchsgrundlage aus. Der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen erweiternden Auslegung des § 89 e Abs. 1 S. 1 SGB VIII steht daher nicht nur der eindeutige Wortlaut der gesetzlichen Regelung entgegen, sondern auch § 89 e Abs. 1 S. 2 SGB VIII, der allerdings auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, weil Satz 2 erst zum 1. Oktober 2005 in Kraft getreten ist (s. Art. 1 Nr. 43 und Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8.9.2005, BGBl. I S. 2729). Denn diese Regelung erweitert zwar den Schutz der Einrichtungsorte für die Fälle, dass sich die Zuständigkeit nach § 86 a Abs. 4 und § 86 b Abs. 3 SGB VIII richtet, setzt aber voraus, dass eine Erstattungspflicht nach § 89 e Abs. 1 S. 1 SGB VIII besteht, was vorliegend nicht der Fall ist.

2. Allerdings kann aus der fehlenden gesetzlichen Regelung nicht geschlossen werden, dass der Kläger im vorliegenden Fall die Kosten für die Maßnahme nach § 19 SGB VIII selbst zu tragen hätte. Die Auffassung des Beklagten, der Beginn der Leistung nach § 19 SGB VIII stelle auch nach dem Willen des Gesetzgebers und dem Sinn der als abschließend anzusehenden gesetzlichen Regelungen wegen der Geburt des Kindes und der Entscheidung der Mutter für eine konkrete Betreuungseinrichtung eine Zäsur der fortdauernden Jugendhilfemaßnahmen dar, so dass im Inter-esse des bisher kostenpflichtigen Trägers die Erstattungspflicht ende, ist weder mit der Systematik der Erstattungsregelungen noch mit den Vorschriften zum Schutz der "Pflegestellenorte" vereinbar.

Gegen die Annahme einer solchen Zäsur und damit den insoweit abschließenden Sinn der gesetzlichen Kostenerstattungsreglung spricht, dass bei der fortwirkenden Zuständigkeit für Leistungen an junge Volljährige nach § 86 a Abs. 4 Satz 1 SGB VIII das Gesetz eine vorausgehende Leistung nach § 19 SGB VIII in eine Reihe mit den übrigen genannten vorausgehenden Leistungen der Jugendhilfe stellt, die als Anknüpfung für die Festschreibung der Zuständigkeit geeignet sind. Würde eine vor-ausgehende Leistung nach § 19 SGB VIII die Kontinuität der Hilfemaßnahmen unterbrechen sollen, hätte es nahegelegen, die Leistung nach § 19 SGB VIII aus der die Kontinuität gewährleistenden Hilfemaßnahmen ausdrücklich herauszunehmen. Ebenso zeigt der Gesetzgeber in § 86 a Abs. 3 S. 1 SGB VIII, dass er Leistungen nach § 19 SGB VIII nicht als etwas Neues, mit zuvor gewährten Jugendhilfemaßnahmen nicht mehr in Zusammenhang Stehendes ansieht, sondern als eine natürliche Fortsetzung bisheriger Jugendhilfemaßnahmen, so dass er deshalb auch die bis-herige Zuständigkeit auf diese Leistung nach § 19 SGB VIII überträgt. Darüber hinaus entspräche die Annahme des Verzichts auf einen der Aufrechterhaltung der bisherigen Zuständigkeit entsprechenden Erstattungsanspruch nicht dem vom Gesetz bezweckten, umfassenden Schutz der Einrichtungsorte (vgl. dazu BVerwGE 115, 251), den der Gesetzgeber durch die Einfügung von § 89 e Abs. 1 S. 2 SGB VIII verstärkt hat. Die Aufnahme der für die Pflegestellenorte zuständigen örtlichen Träger in den Regelungsbereich des § 89 e Abs. 1 S. 1 SGB VIII ist allein deshalb unterblieben, weil nach Auffassung des Gesetzgebers dieser Schutz aufgrund des Sachzusammenhangs bereits in § 89 a Abs. 1 SGB VIII verankert ist. Die Aufzählung der Bezugspersonen in § 89 e Abs. 1 S. 1 SGB VIII stellt daher keine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dar, auf einen Erstattungsanspruch zu verzichten, wenn der für den Pflegestellenort zuständige örtliche Träger nach § 86 b Abs. 3 Satz 1 SGB VIII für die Hilfe nach § 19 SGB VIII zuständig wird. Dass dem nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständigen örtlichen Träger nach § 89 a Abs. 1 S. 2 SGB VIII ein Erstattungsanspruch zusteht, wenn sich an die Vollzeitpflege eine Leistung nach § 19 SGB VIII und daran eine Hilfe für junge Volljährige anschließt, ein Erstattungsanspruch aber ausgeschlossen sein sollte, wenn der Vollzeitpflege und der Hilfe für junge Volljährige eine Leistung nach § 19 SGB VIII nachfolgt, ist weder mit der unterschiedlichen Qualität der einzelnen Hilfemaßnahmen noch mit unterschiedlichen Interessen der erstattungsberechtigten und erstattungsverpflichteten Träger zu erklären, zumal sehr häufig - wie auch im vorliegenden Fall - die der HE nach § 19 SGB VIII gewährte Leistung eine Fortsetzung der bis zur Geburt ihres Kindes gewährten Hilfe für junge Volljährige beinhaltet. Das gilt umso mehr, als § 27 Abs. 4 SGB VIII (i.d.F. des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8.9.2005, BGBl. I S. 2729) nunmehr ausdrücklich klarstellt, dass die Hilfe zur Erziehung im Fall der Mutterschaft der Jugendlichen auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes einschließt. Angesichts der parallel laufenden Zuständigkeitsnormen in § 86 a Abs. 4 Satz 1 und § 86 b Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, denen nunmehr in § 89 e Abs. 1 S. 2 SGB VIII ein einheitlicher Erstattungsanspruch gegen-übersteht, enthält daher der Wortlaut des § 89 a Abs. 1 S. 2 SGB VIII eine unbeabsichtigte, planwidrige Regelungslücke, die nach dem Sinn der Kostenerstattungsregelungen durch eine entsprechende Anwendung des § 89 a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII auch auf den Fall geschlossen werden muss und kann, dass Leistungen, die über die Volljährigkeit hinaus nach § 41 SGB VIII gewährt werden, Leistungen nach § 19 SGB VIII nachfolgen. Dadurch wird der bisher erstattungspflichtige Träger auch nicht unbillig belastet, da die Hilfe für junge Volljährige nach § 41 Abs. 1 S. 2 SGB VIII erfahrungsgemäß bis zum 27. Lebensjahr andauern kann und die Beklagte daher durchaus damit rechnen musste, auch nach der Volljährigkeit der HE noch Kostenerstattungsansprüchen ausgesetzt zu sein.

3. In entsprechender Anwendung von § 89 a Abs. 1 S. 2 SGB VIII ist die Beklagte daher auch zur Erstattung der Kosten verpflichtet, die der Kläger für Leistungen nach § 19 SGB VIII vom 8. Oktober 2002 bis zum 3. Februar 2004 aufgewendet hat. Da der Kläger der HE im Anschluss an die Vollzeitpflege Hilfe für junge Volljährige geleistet hat, die lediglich vom 8. Januar bis zum 8. März 2001 unterbrochen wurde - was nach § 86 a Abs. 4 S. 3 SGB VIII unschädlich ist -, war der Kläger nach § 86 b Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auch zuständig für die Betreuung der HE und ihrer Tochter bei Frau L. Er kann daher die Erstattung der Kosten für die Leistung nach § 19 SGB VIII verlangen, die den Anforderungen des § 89 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII entsprach. § 19 SGB VIII verlangt nicht die Unterbringung in speziellen Einrichtungen für Mutter und Kind, sondern spricht lediglich von der gemeinsamen Betreuung in einer geeigneten Wohnform. Anhaltspunkte dafür, dass Frau L. als erfahrene Pflegeperson nicht in der Lage gewesen sein sollte, den Hilfebedarf der HE und ihrer Tochter zu decken, sind weder ersichtlich noch von der Beklagten in nachvollziehbarer Weise dargelegt worden. Die 2004 erforderlich gewordene Unterbringung der HE und ihrer Tochter in einer Mutter-Kind-Einrichtung in F. ist auf das aggressive Verhalten der HE gegenüber anderen, bei Frau L. untergebrachten Jugendlichen zurückzuführen. Da der Kläger für die Unterbringung der HE und ihrer Tochter ein Pflegegeld in angemessener Höhe bezahlt hat, ist der Erstattungsanspruch des Klägers in dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Umfang begründet, so dass die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen ist.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten verzichtet, weil er davon ausgeht, dass der Kläger nicht beabsichtigt, seine außergerichtlichen Kosten vor Eintritt der Rechtskraft zu vollstrecken.

5. Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.833,90 € festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 3 GKG).



Ende der Entscheidung

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