Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 28.06.2006
Aktenzeichen: 12 BV 04.677
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 1
BSHG § 2
BSHG § 18
BSHG § 19
BSHG § 20
BSHG § 25
BSHG § 107
BSHG § 111
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

12 BV 04.677

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Sozialhilfe;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. Januar 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Albrecht, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

ohne mündliche Verhandlung am 28. Juni 2006 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht für gewährte Sozialhilfeleistungen Erstattungsansprüche geltend, die der Beklagte unter Hinweis auf Verstöße gegen die Grundsätze des Nachranges der Sozialhilfe und der Interessenwährung ablehnt.

1. Die 1951 geborene Hilfeempfängerin und ihre 1992 geborene Tochter erhielten vom Beklagten von September 1999 bis 31. Januar 2000 Hilfe zum Lebensunterhalt. Nach ihrem Umzug am 29. Januar 2000 erhielten die Hilfeempfängerin und ihre Tochter von der Klägerin ab dem 1. Februar 2000 bis 31. Januar 2002 Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 13.131,49 DM (= 6.714,02 €). Nach einer entsprechenden Verwaltungsanweisung der Klägerin wird von allein erziehenden Müttern von Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren nicht verlangt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch im vorliegenden Fall hat die Klägerin der Hilfeempfängerin, die sich vom 17. bis 23. Februar, vom 25. April bis 1. Mai und vom 9. Mai bis 10. Mai 2000 stationär im Krankenhaus aufhielt, keine Arbeitsbemühungen abverlangt.

2. Im Februar 2000 meldete die Klägerin beim Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch nach § 107 Abs. 1 BSHG an, den der Beklagte mit Schreiben vom 28. Februar 2000 für die Zeit vom 1. Februar 2000 bis 31. Januar 2002 dem Grunde nach anerkannte. Nachdem ihm die näheren Umstände der Hilfeleistung von der Klägerin bekannt gegeben worden waren, lehnte der Beklagte die Kostenerstattung ab, weil die Klägerin der Hilfeempfängerin keine Arbeitsbemühungen abverlangt habe und das gegen den sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz verstoße.

3. Die auf eine entsprechende Kostenerstattung gerichtete Klage der Klägerin vom 19. November 2002 wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 23. Januar 2004 ab. Der für die Monate Februar bis Mai 2000 grundsätzlich anzuerkennende Kostenerstattungsanspruch entfalle wegen der Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BSHG. Ab Juni 2000 sei die Hilfe keine "erforderlich werdende" im Sinne von § 107 Abs. 1, § 111 BSHG gewesen, weil die Klägerin mit ihrer auch im Falle der Hilfeempfängerin angewandten Verwaltungspraxis gegen den in § 2 BSHG enthaltenen Nachranggrundsatz verstoßen habe und die Hilfe daher nicht dem Bundessozialhilfegesetz entspreche. Für den Zeitraum zwischen Februar und Ende Mai 2000 stehe der Klägerin zwar ein Kostenerstattungsanspruch nach § 107 BSHG wegen der mit den Krankenhausaufenthalten einhergehenden Arbeitsunfähigkeit der Hilfeempfängerin grundsätzlich zu. In den ersten 12 Monaten (Februar 2000 bis einschließlich Januar 2001) habe die Klägerin nach ihrer Kostenaufstellung rechtmäßig aber nur 4.234,64 DM (= 2.165,14 €) (während der Erkrankung der Hilfeempfängerin) geleistet. Der Betrag falle unter die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG von damals 5.000 DM (jetzt 2.560 €), weil es insoweit nur auf die rechtmäßig gewährte Hilfe ankomme.

4. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Kostenerstattungsbegehren weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, sie habe sich mit ihrer Bewilligungspraxis, angesichts der fehlenden Betreuungsmöglichkeit für das Kind - die Großeltern seien zu alt - und der schwierigen Situation auf dem lokalen Arbeitsmarkt von der Hilfeempfängerin keine Bemühungen zur Arbeitsaufnahme zu verlangen, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens gehalten. Sie habe keine anderen Maßstäbe angelegt, als sie es sonst zu tun pflege. Der Nachranggrundsatz sei nicht verletzt worden. Die Mutter habe in der Zeit vom 5. Mai bis 26. Oktober 2002 an einem EDV-Lehrgang über das Arbeitsamt teilgenommen, jedoch auch im Anschluss daran mangels freier Stellen bis heute nicht in Arbeit vermittelt werden können.

5. Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf das seiner Ansicht nach zutreffende Urteil des Verwaltungsgerichts. Der von der Klägerin praktizierte generelle Verzicht auf einen Arbeitseinsatz von allein erziehenden Müttern mit Kindern zwischen 6 und 12 Jahren, der auch im vorliegenden Hilfefall angewandt worden sei, verstoße gegen den sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz und gegen den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz. Auch in strukturschwachen Gegenden sei "Ungelernten" der Arbeitsmarkt nicht gänzlich verschlossen. Die Teilnahme der Hilfeempfängerin an einem EDV-Lehrgang des Arbeitsamtes in der Zeit vom 5. Mai bis 26. Oktober 2002 beweise, dass die Betreuung ihrer Tochter auch organisierbar gewesen wäre.

6. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beteiligten und die Gerichtsakten Bezug genommen (§ 125 Abs. 1, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung, über die der Verwaltungsgerichtshof mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht der wegen des Umzugs der Hilfeempfängerin und ihrer Tochter für die Zeit vom 1. Februar 2000 bis 31. Januar 2002 nach § 107 BSHG geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nicht zu, weil die Hilfe nicht dem Bundessozialhilfegesetz entsprach und die aufgewendeten Kosten deshalb nicht zu erstatten sind (§ 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG).

1. Nach § 107 Abs. 1 BSHG ist, wenn eine Person vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts verzieht, der Träger der Sozialhilfe des bisherigen Aufenthaltsortes verpflichtet, dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe die dort erforderlich werdende Hilfe außerhalb von Einrichtungen im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 1 zu erstatten, wenn die Person innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedarf. Das Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen dieser Vorschrift wird insoweit auch vom Beklagten nicht bestritten. Er stand von Anfang an nur auf dem zutreffenden Standpunkt, dass der Kostenerstattungsanspruch am sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz scheitere. Es kann deshalb offen bleiben, ob die Hilfe im Bereich der Klägerin im Hinblick darauf, dass die Hilfeempfängerin tatsächlich hilfebedürftig war und ihr die Leistung zumutbarer Arbeit nicht abverlangt wurde, erforderlich im Sinne des § 107 Abs. 1 BSHG war, was das Verwaltungsgericht verneint hat. Der Klägerin steht ein Kostenerstattungsanspruch nach § 107 BSHG nicht zu, weil die der Hilfeempfängerin in der Zeit vom 1. Februar 2000 bis 31. Januar 2002 geleistete Hilfe nicht nur ab Juni 2000 - wie das Verwaltungsgericht meint - sondern von Anfang an, also ab 1. Februar 2000, nicht dem Bundessozialhilfegesetz entsprach und deshalb die dafür aufgewendeten Kosten vom Beklagten nicht zu erstatten sind (§ 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG)

Im Rahmen des § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist die Rechtmäßigkeit der Sozialhilfeleistungen zu prüfen. Kein Kostenerstattungsanspruch besteht u.a. bei Nichtbeachtung des Nachranges der Sozialhilfe und bei Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht bei der Prüfung und Bewilligung von Sozialhilfeleistungen und damit bei der Verletzung der Interessen des kostenerstattungspflichtigen Sozialhilfeträgers (vgl. Linhart/Adolf/Gröschel-Gundermann, BSHG, § 111 RdNr. 3, 5; Schoch in LPK-BSHG 6. Aufl. 2003, RdNr. 10 zu § 111). Rechtswidrig geleistete Hilfe oder unter Nichtbeachtung des aus § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG abgeleiteten Interessenwahrungsgrundsatzes entstandene Aufwendungen sind nicht zu erstatten (vgl. hierzu BayVGH vom 2.1.2006 Az. 12 ZB 04.1414; 11.11.2004 Az. 12 B 00.1181; OVG NRW FEVS 55, 450; 54, 171). Hier hat die Klägerin die Hilfe von Anfang an rechtswidrig geleistet, weil sie den in § 2 Abs. 1 BSHG festgeschriebenen Nachrang der Sozialhilfe nicht beachtet hat. Danach besteht kein Anspruch auf Sozialhilfe, wenn sich jemand selbst helfen kann oder die erforderliche Hilfe von anderen erhält. Sich selbst helfen kann man durch den Einsatz eigener Kräfte und Mittel, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen; dazu gehört auch die Leistung zumutbarer Arbeit, die vom Sozialhilfeträger bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 18 bis 20, 25 BSHG zu verlangen ist. § 18 Abs. 2 Satz 1 BSHG legt insoweit eine Aufgabenzuweisung und eine Pflicht des Sozialhilfeträgers fest, für die ihm kein Ermessen zusteht (Gröschel-Gundermann in Linhart/Adolf/Gröschel-Gundermann a.a.O. § 18 RdNr. 34, 58). Die Klägerin hat von der Hilfeempfängerin die Leistung zumutbarer Arbeit aber von vornherein nicht verlangt. Wie sich aus einem Vermerk des Magistrats der Klägerin vom 6. Juni 2002 ergibt, wird von allein erziehenden Müttern von Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren nach der dort bestehenden Verwaltungsanweisung nicht verlangt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie hat damit die vielfältigen Möglichkeiten im Rahmen der Hilfe zur Arbeit nach den genannten Vorschriften von Anfang an nicht genutzt. Im Erstattungszeitraum war die Tochter der Hilfeempfängerin 7 bzw. 8 Jahre alt und Schülerin. Diese im vorliegenden Fall auch angewandte gängige Verwaltungspraxis hat die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 7. Juni 2002 auch mitgeteilt. Im Übrigen hat die Klägerin diese Praxis auch in der Berufung noch einmal für den vorliegenden Fall unstreitig gestellt.

Dieser generelle Verzicht auf einen Arbeitseinsatz allein erziehender Mütter mit Kindern zwischen 6 und 12 Jahren lässt sich mit dem in §§ 2 und 18 BSHG niedergelegten Nachranggrundsatz nicht vereinbaren, wonach der Hilfebedürftige vorrangig seine eigene Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einsetzen muss (§ 18 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Zwar gelten nach § 111 Abs. 1 Satz 2 BSHG im Rahmen der Frage der Gesetzmäßigkeit der Hilfe im Sinne des Satzes 1 der Vorschrift die Grundsätze für die Gewährung von Sozialhilfe, die am Aufenthaltsort des Hilfeempfängers zur Zeit der Hilfegewährung bestehen. Es kommt damit auf die Verwaltungspraxis des hilfegewährenden Trägers an (vgl. BVerwG FEVS 52, 539). Diese Dispositionsfreiheit des Sozialhilfeträgers geht aber nur soweit, wie eine entsprechende Dienstanweisung bzw. Verwaltungspraxis dem Bundessozialhilfegesetz entspricht (vgl. Schoch a.a.O., RdNr. 15 zu § 111). Das ergibt sich ohne weiteres aus der Zusammenschau mit § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG, wonach die Hilfe diesem Gesetz entsprechen muss. Das ist bei der angewandten Verwaltungsanweisung bzw. Verwaltungspraxis der Klägerin nicht der Fall. Mit der genannten Praxis verzichtet die Klägerin von vornherein und generell auf die Möglichkeiten der Hilfe zur Arbeit nach den §§ 18 bis 20 BSHG, lässt ohne konkrete Einzelfallprüfung den Grundsatz des § 18 Abs. 1 BSHG, wonach jeder Hilfesuchende seine Arbeitskraft vorrangig zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einsetzen muss, außer Acht und begibt sich der Möglichkeiten des § 25 BSHG, den Leistungsanspruch auszuschließen oder einzuschränken. Damit verstoßen Verwaltungsanweisung und Verwaltungspraxis der Klägerin grob gegen die genannten Vorschriften und zugleich vor allem auch gegen den in § 2 Abs. 1 BSHG niedergelegten Grundsatz des Nachranges der Sozialhilfe.

Das bedeutet aber, dass die Hilfe insgesamt nicht dem Gesetz im Sinne des § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG entspricht und deshalb kein Erstattungsanspruch besteht. Die Klägerin hat durch die Anwendung ihrer bestehenden Verwaltungsanweisung generell, d.h. von Anfang an, auf einen Arbeitseinsatz der Hilfeempfängerin verzichtet. Sie hätte schon von Anbeginn der Hilfe darauf hinwirken müssen, dass die Hilfeempfängerin soweit wie möglich befähigt wird, unabhängig von Sozialhilfe zu leben (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BSHG) und sich selbst durch ihre Arbeitskraft zu helfen (§ 2 Abs. 1, § 18 Abs. 1 BSHG). Hilfe zur Arbeit wurde der Hilfeempfängerin von vornherein nicht angeboten, geschweige denn gewährt. Deshalb kommt es nach Auffassung des Senats auch nicht darauf an, dass sich die Hilfeempfängerin in der Zeit von Mitte Februar bis 10. Mai 2000 dreimal jeweils kurz stationär im Krankenhaus aufhielt. Diese war bei Hilfebeginn nach Aktenlage grundsätzlich arbeitsfähig und sie war nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten in dessen Bereich während des dortigen Sozialhilfebezuges auch bei drei Arbeitgebern geringfügig beschäftigt gewesen. Die Klägerin konnte bei Hilfebeginn also nicht von vornherein davon ausgehen, dass die Hilfeempfängerin durch Krankheit zeitweise arbeitsunfähig werden würde. Gleiches gilt für das in der Berufung neu angeführte Argument der Klägerin, dass die Hilfeempfängerin über keine Ausbildung verfüge und somit die Ausübung einer Arbeitstätigkeit wegen des Arbeitsmarktes und der fehlenden Betreuungsmöglichkeit für ihr Kind von ihr nicht erfolgreich hätte gefordert werden können. Denn in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Hilfebeginns stand das nicht von vorneherein fest. Mag es sich bei dem Bereich der Klägerin auch um ein strukturschwaches Gebiet handeln, werden, wie der Beklagte zu Recht geltend macht, nach der Lebenserfahrung doch auch dort Arbeitsplätze immer wieder frei und der Stellenmarkt ist auch ungelernten Kräften nicht gänzlich verschlossen. Deshalb wäre die Klägerin trotz der bestehenden Schwierigkeiten gehalten gewesen, Maßnahmen im Rahmen der Hilfe zur Arbeit anzubieten. Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass die Großeltern wegen ihres hohen Alters für die Betreuung der Tochter der Hilfeempfängerin nicht zur Verfügung gestanden hätten, hat sie neben dem Alter der Großeltern nichts Substantiiertes vorgetragen. Sie hat jedenfalls nicht dargelegt, dass die Großeltern bei Krankheit oder Ferien der Tochter der Hilfeempfängerin nicht kurzfristig hätten einspringen können. Im Übrigen muss die Betreuung der Tochter der Hilfeempfängerin auch organisierbar gewesen sein, weil die Mutter in der Zeit vom 5. Mai 2002 bis 26. Oktober 2002 an einem EDV-Lehrgang des Arbeitsamtes teilgenommen hat.

Nach alledem kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin durch die Anwendung ihrer Verwaltungsanweisung im vorliegenden Fall auch gegen die zu wahrenden Interessen des Beklagten verstoßen hat und ob - wie das Verwaltungsgericht wohl zutreffend meint - die im Zeitraum von Februar bis Ende Mai 2000 aufgewendeten Kosten der Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG unterliegen, weil insoweit die Hilfe von Anfang an zu Unrecht geleistet wurde.

Schließlich greift auch - soweit das im vorliegenden Berufungsverfahren überhaupt relevant sein könnte - der Einwand der Klägerin bezüglich eines Überraschungsurteils nicht, weil der Beklagte schon in seiner Klageerwiderung vom 12. Dezember 2002 den Standpunkt vertreten hat, die Hilfe sei unter Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BSHG geleistet worden. Dieses Argument, auf das das Verwaltungsgericht seine Entscheidung letztlich auch gestützt hat, war der Klägerin also von vornherein bekannt. Eines Hinweises des Verwaltungsgerichts, dass es diesem Argument folgen würde, bedurfte es dazu nicht, zumal nicht glaubhaft ist, dass das Verwaltungsgericht durch den Hinweis auf § 111 Abs. 1 Satz 2 BSHG zum Ausdruck gebracht haben könnte, die am Aufenthaltsort der Hilfeempfängerin geltenden Grundsätze für die Hilfegewährung griffen auch dann zu Lasten des Erstattungspflichtigen ein, wenn sie mit dem Gesetz nicht vereinbar sind, § 111 Abs. 1 Satz 2 BSHG schränke also den Grundsatz des § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG ein.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten verzichtet, weil er davon ausgeht, dass der Beklagte nicht beabsichtigt, seine außergerichtlichen Kosten vor Eintritt der Rechtskraft zu vollstrecken.

3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt auch für die Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Abweichend davon können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.714,02 € festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 3 GKG).



Ende der Entscheidung

Zurück