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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 19.04.2007
Aktenzeichen: 12 BV 05.2065
Rechtsgebiete: BSHG, AGBSHG


Vorschriften:

BSHG § 97 Abs. 4
BSHG § 100 Abs. 1 Nr. 1
AGBSHG § 7 Abs. 1 a
AGBSHG § 8 Abs. 1
Eine (teil-)stationäre Einrichtung setzt voraus, dass der Einrichtungsträger von der Aufnahme des Hilfeempfängers bis zu dessen Entlassung nach Maßgabe des angewandten Hilfekonzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Hilfeempfängers übernimmt. Sie ist dann nicht gegeben, wenn sich der Bewohner die Betreuungsleistung selbst beschaffen kann und muss und dabei in der Wahl des ambulanten Pflegedienstes frei ist.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 BV 05.2065

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sozialhilferecht;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. März 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. April 2007

am 19. April 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. März 2005 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten, die er in der Zeit vom 1. Mai 2002 bis 30. September 2002 für die Hilfeempfängerin R. im Wege der vorläufigen Sozialhilfegewährung aufgewendet hat.

1. Die 1982 geborene HE leidet seit ihrer Geburt an einer Sehminderung beider Augen bei septo-optischer Dysplasie (erblindet zu 98 %) und ist gemäß dem Pflegeversicherungsgesetz in Pflegestufe I eingestuft. Zudem fehlen ihr die Stress-, Sexual- und Schilddrüsen.

Am 8. April 2002 informierte die Mutter der HE den Kläger darüber, dass die bislang von ihr und ihrem Ehemann geleistete Pflege nicht mehr ausschließlich daheim erbracht werden könne, die HE unabhängig von ihren Eltern leben wolle und aus diesem Grund am 1. Mai 2002 in die Wohngemeinschaft des Vereins "Glückliches Haus" e.V. in E. ziehen werde. Mit Schreiben vom 9. Mai 2002 und formblattmäßigem Antrag vom 24. Mai 2002 beantragte die HE beim Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe zur Pflege, vor allem zur Abdeckung des anderweitig nicht finanzierten und vom Verein "Glückliches Haus" e.V. geforderten Pflegeentgelts.

2. Mit Bescheid vom 27. Juni 2002 gewährte der Kläger der HE Hilfe zum Lebensunterhalt sowie besonderen Mietzuschuss und mit Bescheid vom 12. September 2002 Hilfe zur Pflege gemäß § 69 b BSHG in Höhe von 517,89 Euro bei Anwesenheit in der Wohngemeinschaft "Glückliches Haus" über den vollen Monat auf vorläufiger Basis und informierte den Beklagten hiervon mit Schreiben vom 12. September 2002.

Am 30. September 2002 zog die HE aus der Wohngemeinschaft wieder aus und kehrte zu ihren Eltern zurück. Daraufhin wurde die Hilfegewährung zum 30. September 2002 eingestellt.

3. Auf die entsprechende Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, an den Kläger 4.706,26 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch des Klägers sei Art. 8 Abs. 1 Satz 3 AGBSHG. Der Beklagte sei als überörtlicher Träger der Sozialhilfe für die der HE erbrachten Hilfen zum Lebensunterhalt und zur Pflege sachlich zuständig. Nach Art. 7 Abs. 1 a AGBSHG sei der überörtliche Träger u.a. auch für alle Hilfen zuständig, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen (vollstationäre Hilfen) gewährt werden. Bei der vom Verein "Glückliches Haus" betriebenen Wohngemeinschaft handele es sich um eine Einrichtung im Sinne der Legaldefinition des § 97 Abs. 4 BSHG. Sie stelle einen organisatorisch zusammengefassten Bestand an persönlichen (z.B. Pflegepersonal) und sächlichen Mitteln (z.B. durch zur Verfügungstellen von Räumlichkeiten mit behindertengerechter Ausstattung) dar. Um die von den Bewohnern benötigte Pflege rund um die Uhr zu gewährleisten, halte der Verein einen Pflegedienst vor, der organisatorisch nicht vom Träger der Wohngemeinschaft ausgegliedert, sondern - wie die Einvernahme des Zeugen S. ergeben habe - mit dem Verein identisch sei. Dies sei ein entscheidendes Indiz für das Vorliegen einer Einrichtung im Sinne von § 97 Abs. 4 BSHG. Zwar seien die einzelnen Bewohner nicht verpflichtet, sich des Pflegedienstes des Vereins zu bedienen. Dies sei jedoch laut Aussage des Zeugen S. bisher noch nie geschehen und würde auch hinsichtlich der Organisation der Wohngemeinschaft große Schwierigkeiten mit sich bringen. Auch wenn rechtlich kein Kontrahierungszwang hinsichtlich der Inanspruchnahme des Pflegedienstes bestehe, so sei doch die Konzeption des Vereins so angelegt, dass dieser den hilfebedürftigen Menschen einen Platz in der Wohngemeinschaft anbiete und im Zusammenhang damit für diese auch die Pflege dort gewährleiste. Bisher sei auch immer im Zusammenhang mit der Anmietung eines Zimmers der Pflegedienst des Vereins in Anspruch genommen worden. Diese Bereitstellung eines Pflegedienstes durch den Verein stelle in Zusammenschau mit der gleichzeitigen Vorhaltung einer im Erdgeschoss befindlichen barrierefreien Wohnung für die Unterbringung der hilfebedürftigen Menschen einen organisatorisch zusammengefassten Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln dar. Dieser sei auf Dauer angelegt und für einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt. Die Wohngemeinschaft werde nicht nur vorübergehend betrieben. Bestand und Funktion der Wohngemeinschaft sei nicht an bestimmte Personen gebunden, sondern stehe einem individuell nicht festgelegten Personenkreis zur Verfügung, da abgesehen von der Hilfebedürftigkeit der Mitglieder keine besonderen Anforderungen an die Mitglieder der Wohngemeinschaft gestellt würden. Bei Ausscheiden einer Person bleibe die Wohngemeinschaft in ihrem Bestand erhalten; der frei gewordene Platz werde neu belegt. Die Wohngemeinschaft werde gesamtverantwortlich durch den Trägerverein geleitet und unterliege nicht der Verantwortung ihrer Bewohner. Bestand und Zusammensetzung werde im Gegensatz zu einer herkömmlichen Wohngemeinschaft ausschließlich von dritter Seite, nämlich durch den Trägerverein bestimmt. Der Trägerverein übernehme auch die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der in der Wohngemeinschaft aufgenommenen Mitglieder. Soweit die Ziffern 2 und 3 des vom Verein verfassten Konzepts vorsähen, dass die Bewohner sich soweit möglich selbst verwalteten und in der Wohngemeinschaft aufgenommene Behinderte in der Lage sein müssten, über ihr Leben selbst zu bestimmen und der Tagesablauf in der Wohngemeinschaft gemeinsam mit den Mitbewohnern geplant werde, solle damit den Bewohnern das Gefühl vermittelt werden, dass sie ein selbständiges Leben führen, um ihr Selbstwertgefühl zu steigern. Maßgeblich würden jedoch alle Planungen von den Betreuern umgesetzt. Diese hätten die Verantwortung für den reibungslosen Tagesablauf in der Wohngemeinschaft.

4. Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage verfolgt. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht seine, des Beklagten, sachliche Zuständigkeit festgestellt, weil es sich bei dem Verein "Glückliches Haus" e.V. nicht um eine vollstationäre Einrichtung im Sinn des § 97 Abs. 4, § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG handele. Wohnen und Betreuung der Leistungsberechtigten in den Wohngemeinschaften des Vereins seien nicht unter verantwortlicher Leitung des Vereins zusammengefasst. Zwar würden die Wohnungen vom Verein zur Verfügung gestellt. Für die Erbringung der Pflegeleistungen stehe den Bewohnern jedoch ein Wahlrecht zu. Im Einrichtungskonzept sei ausdrücklich dargelegt, dass die Bewohner der Wohngemeinschaft auch während ihres Aufenthalts in dieser Wohngemeinschaft einen anderen Pflegedienst nutzen könnten. Das habe auch der Zeuge S. bei seiner Einvernahme bestätigt. Dass die Inanspruchnahme eines anderen Pflegedienstes tatsächlich noch nicht geschehen sei und ggf. zu organisatorischen Problemen führen könnte, stehe dem nicht entgegen. Der jeweilige Bewohner habe tatsächlich die Wahlmöglichkeit, ohne dass ihm bei Nutzung eines anderen Pflegedienstes Konsequenzen bezüglich des weiteren Verbleibs in der Wohngemeinschaft drohten. Die Betreuung der Bewohner in der Wohngemeinschaft des Vereins liege somit nur im Verantwortungsbereich des Trägers, sofern dieser zusätzlich zum Angebot des Wohnens die Betreuung auch wahrnehme. Dies sei nicht obligatorisch der Fall. Nach dem Einrichtungskonzept des Vereins hätten die Bewohner der Wohngemeinschaft eine Mitbestimmungskompetenz bei der Aufnahme von Bewerbern, ja sogar bei der Einstellung neuer Mitarbeiter im Betreuungsteam. Das spreche gegen das Vorliegen einer Einrichtung im Sinne des § 97 Abs. 4 BSHG, wenn auch insoweit die abschließenden Entscheidungen durch den Träger des Vereins erfolgten. Der Verein trage auch nicht die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Bewohner. Das ergebe sich aus den Ziffern 2 und 3 des Konzeptes. Es handele sich dabei nicht lediglich um Instrumentarien, die den Bewohnern eine selbständige Lebensführung suggerieren sollen, sondern um tatsächlich umgesetzte Vorgaben und Eigenschaften des Wohnens in den Wohngemeinschaften des Vereins. Die Bewohner organisierten und strukturierten bestimmte Abläufe des täglichen Lebens wie Versorgung (Lebensmitteleinkauf und -zubereitung, Wäschereinigung) und Freizeitgestaltung selbst. Dass sie zur Ausführung bestimmter Maßnahmen hierzu der Unterstützung durch Betreuer bedürften, stelle einen behinderungsbedingten Hilfebedarf dar, entledige die Bewohner jedoch nicht von der Eigenverantwortung. So bestimmten die Bewohner selbst, welche Mahlzeiten zubereitet werden und welche Produkte hierzu zu besorgen sind. Die Finanzierung erfolge über eine Gemeinschaftskasse der Bewohner, in die diese einen von den Bewohnern vorbestimmten Monatsbetrag aus den ihnen vom Sozialhilfeträger gewährten (und nicht etwa vom Einrichtungsträger zugeteilten) Leistungen zum Lebensunterhalt einzahlten. Darüber hinausgehende Wünsche habe jeder Bewohner selbst mit den ihm zur Verfügung stehenden Leistungen der Sozialhilfe zu decken. Gleiches gelte für andere Bedarfsmittel des Alltags, wie Reinigungs- oder Waschmittel, Telefongebühren. Auch bestimmten die Bewohner selbst, ob und wie bestimmte Freizeitmaßnahmen durchgeführt werden. Seien die Bewohner aber für die Sicherstellung bestimmter Abläufe zuständig, fehle es insofern an der Gesamtverantwortung des Trägers.

Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten. Er verteidigt das angefochtene Urteil. Das Konzept des Trägervereins gehe von einer Einheit zwischen Wohnen und Betreuung aus. Das Wahlrecht bei der Nutzung eines Pflegedienstes sei lediglich eine theoretische Möglichkeit, die nichts daran ändere, dass gerade der Pflegedienst des Vereins das Entscheidende, nicht hinwegzudenkende Mittel sei, mit dem der Verein sein Konzept einer intensiv betreuten, aber die Selbstbestimmung der Bewohner unterstützenden Wohngemeinschaft verwirklicht. Die im Konzept im Einzelnen beschriebenen Elemente wie die Einbindung der Bewohner in die Planung von Essen und Einkauf, die Möglichkeit der Bewohner, für besondere Aktivitäten den Wunschbetreuer in Anspruch zu nehmen, die 24 Stunden-Betreuung und intensive Zuwendung, die genannten Freizeitaktivitäten, die Angehörigenarbeit und Qualitätssicherung sprächen Aspekte an, die ausschließlich oder in Teilen die Arbeitsweise des Pflegedienstes beträfen. Nach dem Konzept sei die Betreuung der Bewohner über den gesamten Tag nicht lediglich ein additives Angebot ambulanter Pflegeleistungen neben einem bloßen Wohnbereich, sondern der wesentliche Zweck der Wohngemeinschaft, die damit ihr Konzept intensiver Pflege in familiärer Atmosphäre verwirkliche. Das werde durch die Aussagen der Zeugen auch bestätigt. Die Wohngemeinschaft werde gesamtverantwortlich durch den Trägerverein geleitet und unterliege nicht der Verantwortung der Bewohner. Anhörungs-, auch Mitspracherechte der Bewohner änderten nichts an der Gesamtverantwortung des Trägervereins für eine funktionierende Wohngemeinschaft. Das gelte auch für die Gesamtverantwortung des Vereins für die tägliche Lebensführung der Bewohner. Gesamtverantwortung bedeute weder, dass dem Bewohner jegliche finanzielle Verantwortung abgenommen sein müsse, noch, dass jede Minute des Tages vom Träger vorausgeplant und individuelle Wünsche der Bewohner nicht berücksichtigt werden könnten. Wie die beiden Zeugen dargelegt hätten, bestehe das Konzept der Pflege darin, trotz erheblicher körperlicher Einschränkungen der Bewohner und trotz intensiver Pflege auf individuelle Wünsche im Rahmen der Möglichkeiten einzugehen. Damit sei diese Flexibilität Teil der Leistungspalette des Trägervereins. Damit seien Verpflichtungen der Bewohner durch Sicherstellung bestimmter Abläufe nicht verbunden. Der Verein stelle weder nach dem Konzept noch in der Praxis irgendwelche Anforderungen an die physischen Fähigkeiten der Bewohner und nehme auch schwerstbehinderte Menschen auf. Zahl und Fachspektrum der Pflegekräfte wiesen darauf hin, dass das Angebot der Wohngemeinschaft keineswegs nur auf eine beschränkte Unterstützung der Bewohner, sondern auf intensive Pflege behinderter Menschen in der Gesamtverantwortung des Trägers ausgerichtet sei. Die 24 Stunden-Betreuung bei ständiger Anwesenheit einer Pflegeperson stelle sicher, dass die Bewohner unabhängig vom Ausmaß ihrer Einschränkungen und ihrem augenblicklichen Gesundheitszustand mit einer fachgerechten Pflege und Versorgung rechnen könnten.

5. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 117 VwGO).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Unrecht zur Kostenerstattung verpflichtet. Dem Kläger steht der für die Zeit vom 1. Mai 2002 bis 30. September 2002 geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nicht zu.

1. Dabei kann offen bleiben, ob eine Erstattung nicht schon deshalb ausscheidet, weil der Kläger entgegen § 69 Satz 3 BSHG rechtswidrig Hilfe zur häuslichen Pflege in einer Einrichtung gewährt hat. Denn die hier allein in Betracht kommende Rechtsgrundlage des Art. 8 Abs. 1 Satz 3 AGBSHG steht dem Kläger nicht zur Seite, weil der Beklagte nicht als überörtlicher Träger der Sozialhilfe für die der HE erbrachten Hilfen zum Lebensunterhalt und zur Pflege sachlich zuständig ist. Nach Art. 7 Abs. 1 a AGBSHG ist der überörtliche Träger neben den Aufgaben nach § 100 BSHG sachlich auch zuständig für alle Hilfen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen und in Einrichtungen zur teilstationären Betreuung gewährt werden. Der Begriff der "Einrichtung" im Sinne dieser Vorschrift ist mit dem Begriff der Einrichtung im Sinne des § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG identisch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 24.2.1994 BVerwGE 95, 149; FEVS 45, 183) ist der Einrichtungsbegriff des § 100 Abs. 1 BSHG funktional zu verstehen. Einrichtung bedeutet danach ein für Hilfen nach dieser Vorschrift in einer besonderen Organisationsform unter verantwortlicher Leitung zusammengefasster Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt ist. Sie dient der vollständigen Unterbringung und Versorgung sowie der Kontrolle, Beaufsichtigung oder sonstigen Betreuung der hilfebedürftigen Personen bei Tag und Nacht.

Für die hier in Rede stehende Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe zur Pflege setzt eine (teil-)stationäre Einrichtung - Art. 7 Abs. 1 a AGBSHG und § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG erwähnen im Gegensatz zu § 97 Abs. 4 BSHG auch die teilstationären Einrichtungen - zumindest voraus, dass der Einrichtungsträger von der Aufnahme des Hilfeempfängers bis zu dessen Entlassung nach Maßgabe des angewandten Hilfekonzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Hilfeempfängers übernimmt, wozu eine ständige begleitende Kontrolle sowie eine dem jeweiligen Hilfefall angemessene Beobachtung gehören (vgl. BVerwG, a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben ist die HE in der Wohngemeinschaft "Glückliches Haus" lediglich ambulant betreut worden. Der Träger der Wohngemeinschaft hat nach den gegebenen Umständen nicht die Verantwortung für die gesamte Lebensführung der Bewohner. Er hat ohne separaten Pflege- und Betreuungsvertrag zunächst auch nicht die Pflicht zu ihrer Betreuung und zur Hilfeleistung. Zwar werden die Wohnungen vom Verein zur Verfügung gestellt. Für die Erbringung der Pflegeleistungen steht den Bewohnern jedoch ein Wahlrecht zu. Im Gesamtkonzept des Vereins "Glückliches Haus" e.V. ist in Abschnitt I. Nr. 3. ausdrücklich festgelegt, dass von einem neuen Mitglied der Wohngemeinschaft auch ein anderer Pflegedienst gewählt und mit der Pflege beauftragt werden kann. Dies bestätigte auch der Zeuge S. bei seiner Vernehmung vor dem Verwaltungsgericht. Der Zeuge S. hat auch ausdrücklich angegeben, dass der Verein einen ambulanten Pflegedienst mit Einführung der Pflegeversicherung gegründet habe. Die Initiative für die Organisation und Sicherstellung von Unterbringung, Verpflegung und Betreuung muss - jedenfalls im Grundsatz - vom jeweiligen Bewohner ausgehen. Dieser muss die zur Abdeckung seines Hilfebedarfs notwenigen Schritte in die Wege leiten und entsprechende Maßnahmen selbst ergreifen. Dem entspricht es auch, dass den Bewohnern der Wohngemeinschaft vom Träger aufgrund eines rechtlich selbständigen Mietvertrags letztlich nur die Unterkunft gestellt wird, ihnen aber grundsätzlich die volle tatsächliche und vertragliche Wahlfreiheit in Bezug auf Betreuungsleistungen verbleibt. Ein Kontrahierungszwang mit dem Pflegedienst der Wohngemeinschaft besteht nicht. So lange die Bewohner der Wohngemeinschaft aber die Wahlmöglichkeit haben, sich von einen Pflegedienst außer Haus betreuen zu lassen, ist die Betreuung als ambulant anzusehen. Die Bewohner müssen sich die Pflege selbst einkaufen, auch wenn sie nach der Aussage des Zeugen S. in der Regel den ambulanten Pflegedienst des Vereins in Anspruch nehmen. Auch in diesem Fall müssen die Bewohner der Wohngemeinschaft zwei rechtlich selbständige Verträge - dann allerdings mit ein und demselben Träger - schließen. Es trifft also nicht der Träger der Wohngemeinschaft einheitlich und gesamtverantwortlich die Entscheidung über die Art und Weise der Betreuung und Pflege, sondern der einzelne Bewohner. Entsprechend dem Gesamtkonzept der Wohngemeinschaft, den Bewohnern ein möglichst selbständiges Leben zu ermöglichen, so auch der Zeuge S., entscheiden die Bewohner zudem in der Regel selbständig über ihren Tagesablauf, wobei die Aufgaben der gemeinsamen Haushaltsführung in einem wöchentlichen Speise- und Einkaufsplan festgehalten werden. Auch die Organisation gemeinsamer Freizeitgestaltungen und die Förderung des gemeinsamen Zusammenlebens in den Wohnungen sind typische Elemente auch und gerade des betreuten Wohnens, und damit einer ambulanten Betreuungsform. Dass die Bewohner der Wohngemeinschaft nur einer eingeschränkten und eben keiner Gesamtverantwortung des Trägers der Wohngemeinschaft unterliegen, zeigt sich schließlich auch daran, dass sie grundsätzlich selbständig über ihr Einkommen (im Falle der HE Hilfe zum Lebensunterhalt) verfügen können, dieses also nicht aus der Hand und damit auch nicht unter Kontrolle des Vereins erhalten (vgl. zu diesen Kriterien BVerwGE 95, 149/154; BVerwG FEVS 45, 52/57). Diese eingeschränkte Gesamtverantwortung des Vereins wird gerade auch durch das Konzept der Wohngemeinschaft deutlich, nach dessen Abschnitt II. Nr. 1 jedes Mitglied der Wohngemeinschaft ein monatliches Essensgeld bezahlt, von dem die Lebensmittel eingekauft werden. Auch für kleinere Anschaffungen wird monatlich ein kleiner Betrag von jedem WG-Mitglied einbezahlt. Nach dem Konzept muss jeder Behinderte seine finanziellen Angelegenheiten auch selbst planen und regeln. Er kann Einfluss auf die Kosten der eigenen Lebensführung nehmen und z.B. durch Einsparung bei den täglichen persönlichen Ausgaben, Rücklagen für persönliche Anschaffungen nehmen - alles typische Elemente der ambulanten Betreuungsform.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten verzichtet, weil er davon ausgeht, dass der Beklagte nicht beabsichtigt, seine außergerichtlichen Kosten vor Eintritt der Rechtskraft zu vollstrecken.

3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.706,26 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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