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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: 12 CE 04.2090
Rechtsgebiete: VwGO, BSHG


Vorschriften:

VwGO § 123
VwGO § 166
BSHG § 11
BSHG § 12
BSHG § 88
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

12 CE 04.2090

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Sozialhilfe (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 5. Juli 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Werner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

ohne mündliche Verhandlung am 1. Dezember 2004 folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Markus Haß, Falkenstein, für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

II. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, ihm Hilfe zum Lebensunterhalt in einem Heim zu gewähren.

1. Der Antragsteller lebte bis 21. Oktober 1993 in Bayreuth. Im Rahmen des Maßregelvollzugs wurde er am 21. Oktober 1993 in der Forensik des Bezirkskrankenhauses Bayreuth untergebracht. Am 7. Mai 2001 wurde er zunächst in die geschlossene sozialtherapeutische Wohnstätte für chronisch psychisch Kranke in Grünbach verlegt. Mit Beschluss vom 23. August 2002 setzte das Landgericht Bayreuth die von ihm mit Urteil vom 25. Mai 1994 angeordnete Unterbringung des Antragstellers in einem psychiatrischen Krankenhaus ab dem 2. September 2002 zur Bewährung aus und erteilte u.a. die Weisung, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz in der geschlossenen Abteilung der Sozialtherapeutischen Wohnstätte für psychisch Kranke in Grünbach zu nehmen habe. Bis 1. September 2002 trug die Justizverwaltung die Kosten der Unterbringung. Mit Beschluss vom 8. Juli 2003 änderte das Landgericht Bayreuth seinen Beschluss vom 23. August 2002 dahingehend ab, dass der Antragsteller nunmehr seinen Wohnsitz auch in einer offenen Abteilung der Wohnstätte in Grünbach nehmen könne. Dort befindet sich der Antragsteller bis heute.

2. Ende Juli 2002 beantragte der Antragsteller über seinen damaligen Betreuer beim Antragsgegner die weitere Kostenübernahme im Rahmen der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt. Als Einkommen gab er eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 885,26 Euro und als Vermögen 19.300 € bei der Sparkasse Vogtland, Plauen, und Festgeld in Höhe von 50.000 € bei der Dresdner Bank in Plauen an. Mit Bescheid vom 17. Februar 2003 lehnte der Antragsgegner die Übernahme der Kosten wegen einzusetzenden Vermögens ab.

3. Einen weiteren Antrag des Antragstellers auf Kostenübernahme vom 27. Oktober 2003, in dem der Antragsteller noch eine Lebensversicherung angab, lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 12. Februar 2004 ab, weil der Antragsteller die Gewährung von Sozialhilfe durch Verschenken seines Vermögens fahrlässig bzw. grob fahrlässig herbeigeführt und er einen Schenkungsrückforderungsanspruch gegen seinen Sohn und seine ehemalige Freundin habe. Darüber hinaus verfüge er über eine ARAG-Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert in Höhe von 5.000 €.

4. Den mit Zustimmung seiner Betreuerin erhobenen, auf Kostenübernahme gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Antragstellers lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 5. Juli 2004 ab. Zur Begründung führte es aus, es könne nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller die Kosten seiner Unterbringung tatsächlich nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten könne. Vielmehr bedürften seine Vermögensverhältnisse noch einer eingehenden Überprüfung.

Über die gleichgerichtete Klage des Antragstellers vom 15. März 2004 ist noch nicht entschieden.

Mit seiner Beschwerde gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 5. Juli 2004 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm Hilfe zum Lebensunterhalt durch Übernahme der Heimunterbringungskosten in Höhe von täglich 88,42 € ab Antragseingang am 15. März 2004 zu gewähren.

Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, er habe am 1. September 2002 ein Sparguthaben in Höhe von 22.321,67 €, am 30.1.2003 in Höhe von 53.278 € und am 30. Juni 2003 in Höhe von 40.941,97 € gehabt. Sämtliche Wertpapiere bei der Dresdner Bank habe er bis 6. August 2003 verkauft und von dem Geld Rechnungen der Diakonie bezahlt, seiner Tochter in Tschechien 20.000 € geschenkt und Frau S. ein Darlehen über 17.700 € gewährt, auf das diese 8.000 € zurückgezahlt habe. Jedenfalls seit 15. März 2004 sei er mittellos, was die von ihm vorgelegten Kontoauszüge belegten. Selbst wenn er die vorhandene Lebensversicherung kündigen würde, hätte er das sich hieraus ergebende Guthaben längst aufgebraucht. Der Träger der Wohnstätte in Grünbach habe gegen ihn eine Gesamtforderung in Höhe von 20.256,56 € zuzüglich Zinsen, so dass der Erlass der einstweiligen Anordnung dringend geboten sei.

Der Antragsgegner ist der Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung entgegengetreten, dass der Antragsteller trotz Kenntnis seiner bevorstehenden Hilfebedürftigkeit sein Vermögen in der Absicht vermindert habe, die Gewährung von Sozialhilfe herbeizuführen. Er, der Antragsgegner, sei auch nicht verpflichtet, Schenkungsrückforderungsansprüche u.a. auf sich überzuleiten.

5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

1. Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt Haß, Falkenstein, beizuordnen, wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den unter Nummer 2 dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).

2. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch für die begehrte Hilfe zum Lebensunterhalt im Heim durch Übernahme der Kosten der Unterbringung in der Wohnstätte Grünbach nicht glaubhaft gemacht.

Offen bleiben kann die vom Antragsgegner in den Mittelpunkt gestellte Frage, ob der Antragsteller noch Bankguthaben oder Barmittel besitzt. Auch auf die Frage, ob der Antragsteller die Gewährung der Sozialhilfe durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hat, was allerdings einen Anspruch auf Sozialhilfe nicht ausschließen, sondern nur zum Kostenersatz nach § 92 a Abs. 1 BSHG führen würde (vgl. Konradis in LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, RdNr. 1 zu § 92 a), kommt es nicht an. Der Antragsteller verfügt (auch) im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über nach § 88 Abs. 1 BSHG einzusetzendes Vermögen in Form seiner Lebensversicherung bei der ARAG-Lebensversicherungs AG. Er trägt selbst vor, dass diese Lebensversicherung noch vorhanden und nicht verwertet ist. Der Rückkaufswert dieser Versicherung in der unstreitigen Höhe von 5.000 € ist nach § 88 Abs. 1 BSHG einzusetzendes Vermögen, soweit er über den Freibetrag des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG - das sind bei der begehrten Hilfe zum Lebensunterhalt 1.279 € (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a DV zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG) - hinausgeht. Seinem Einsatz steht nicht die Härteregelung des § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG entgegen. Das wäre nicht einmal dann der Fall, wenn der Rückkaufswert der Lebensversicherung um mehr als die Hälfte hinter den auf sie erbrachten Eigenleistungen des Antragstellers zurückbleiben würde (vgl. BVerwG vom 19.12.1997 BVerwGE 106, 105 = FEVS 48, 145). Hierzu trägt der Antragsteller auch nichts vor. Der Einwand des Antragstellers, der Rückkaufswert hätte den Bedarf nicht decken können und wäre längst aufgebraucht, geht fehl. Nach § 88 Abs. 1 BSHG einzusetzendes Vermögen steht, soweit und so lange es (noch) nicht eingesetzt oder verwertet wurde, einem Bezug von Sozialhilfe auch dann entgegen, wenn es nicht den Bedarf für den gesamten Bedarfszeitraum gedeckt hätte, d.h. wenn es vor Ablauf des Bedarfszeitraums aufgebraucht gewesen wäre (vgl. BVerwG, a.a.O.). Die Betrachtungsweise des Antragstellers, das einzusetzende Vermögen als zwischenzeitlich verbraucht zu fingieren, findet im Gesetz keine Stütze.

Ist aber einsetzbares oder verwertbares Vermögen vorhanden, besteht ein Sozialhilfeanspruch nicht. Wer sich weigert, einzusetzendes oder verwertbares Vermögen zur Beseitigung einer sozialhilferechtlichen Notlage einzusetzen, handelt folglich insoweit auf eigenes Risiko, als er sich, wenn seine Weigerung sich als ungerechtfertigt erweisen sollte, jederzeit auf das Vorhandensein des Vermögensgegenstands zur Deckung des Bedarfs verweisen lassen muss. Dieser kann über den vollen Bedarfszeitraum hinweg mit seinem vollen jeweiligen Wert angesetzt und dem Antragsteller dadurch der Sache nach Monat für Monat aufs neue entgegengehalten werden, dass er seinen sozialhilferechtlichen Bedarf zunächst durch die Verwertung der Lebensversicherung unabhängig davon decken muss, ob der Wert zur Deckung des Bedarfs für den gesamten Bedarfszeitraum ausgereicht hätte (vgl. BVerwG a.a.O.; BayVGH vom 22.4.1999 Az. 12 B 97.2067). Dieser Grundsatz gilt auch bei der hier begehrten Hilfe zum Lebensunterhalt im Heim. Hilfe zum Lebensunterhalt wird bedarfsbezogen gewährt; sie gilt deshalb nur für den jeweiligen Zahlungs- bzw. Bewilligungszeitraum. Das ist in der Regel der Kalendermonat. Die in der Sozialhilfepraxis übliche stillschweigende Fortzahlung der Sozialhilfe (bis auf weiteres) von Monat zu Monat gilt als stillschweigende Weiterbewilligung. Es handelt sich nämlich bei der Bewilligung von Sozialhilfeleistungen nicht um eine rentengleiche Dauerleistung (vgl. BayVGH vom 29.1.2003 Az. 12 ZB 02.2512).

Auch eine darlehensweise Gewährung der begehrten Sozialhilfe nach § 15 a Abs. 1 BSHG kommt nicht in Betracht. Die Hilfe wäre nicht zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt. Dem Antragsteller mag zwar die Kündigung des Heimvertrages drohen, nicht aber Obdachlosigkeit. Er müsste allenfalls ins Bezirkskrankenhaus zurück.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.

4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).



Ende der Entscheidung

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