Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 13 A 05.2906
Rechtsgebiete: FlurbG, GG


Vorschriften:

FlurbG § 149
GG Art. 19 Abs. 4
Der Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens hat einen Anspruch auf rechtsmittelfähige Entscheidung hinsichtlich einer von der Teilnehmergemeinschaft veranlassten Abbuchung vom Teilnehmerkonto. Fehlt diese, kann eine Schlussfeststellung nicht erlassen werden.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

13 A 05.2906 verkündet am 8. November 2007

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Schlussfeststellung im Verfahren ********;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 13. Senat - Flurbereinigungsgericht -,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Mayr, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Röthinger, den Beisitzer Leitender Baudirektor Dipl.-Ing. Würzl, den Beisitzer Landwirt Schwarzmüller, den Beisitzer Landwirt Zitzelsberger

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 8. November 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Schlussfeststellung vom 11. Dezember 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 6. September 2004 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 30 Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Teilnehmer des von der Flurbereinigungsdirektion L. am 2. Januar 1987 nach §§ 1, 4 und 87 FlurbG angeordneten Flurbereinigungsverfahrens P.

Beim Ausbringen von Klärschlamm im März 1993 wurde von einem Fahrzeug der vom Kläger beauftragten Firma ein von der Teilnehmergemeinschaft P. - TG - ausgebauter Weg beschädigt. Der Vorstand der TG beschloss daraufhin am 29. März 1993, dass der Kläger die Kosten für die Reparatur des Wegs in Höhe von 300 DM zu tragen habe. Dieser Betrag wurde dem Kläger am 28. April 1993 von seinem Teilnehmerkonto abgebucht. Mit Schreiben vom 29. Juni 1993 erhob er hiergegen Widerspruch. Wegen dieser Angelegenheit fand in der Folgezeit ein Schriftwechsel mit dem Vorsitzenden des Vorstands der TG bzw. der damaligen Direktion für Ländliche Entwicklung L. - DLE - statt, in dem im Wesentlichen auf die Verantwortlichkeit des Klägers für die Straßenschäden und den Vorstandsbeschluss vom 29. März 1993 verwiesen wurde.

Der Vorstand der TG beschloss am 7. Juli 1998 die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung. Diese wurde ab 13. Oktober 1998 öffentlich bekannt gemacht. Widerspruch wurde hiergegen nicht erhoben. Am 10. Dezember 1998 beschloss der Vorstand der TG den Flurbereinigungsplan. Der Anhörungstermin fand am 23. März 1999 statt. Der vom Kläger am 6. April 1999 gegen den Flurbereinigungsplan erhobene Widerspruch wurde von diesem am 17. Mai 1999 wieder zurückgenommen. Die DLE verfügte am 30. Oktober 2001 die vorzeitige Ausführung des Flurbereinigungsplans.

Am 11. Dezember 2003 erließ die DLE die Schlussfeststellung, die ab 22. Dezember 2003 öffentlich bekannt gemacht wurde. Am 20. Januar 2004 erhob der Kläger gegen die Schlussfeststellung Widerspruch. Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der DLE vom 6. September 2004 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde dargelegt, die vorzeitige Ausführungsanordnung sei mit Ablauf des 27. Dezember 2001 unanfechtbar geworden. Die Ausführung des Flurbereinigungsplans sei im Fall des Klägers auf der Grundlage der für ihn unanfechtbaren Planregelungen erfolgt. Unanfechtbarkeit sei hinsichtlich des Flurbereinigungsplans durch die Rücknahme des Widerspruchs eingetreten. Unerfüllte Ansprüche des Klägers, insbesondere aus dem Flurbereinigungsplan, seien nicht erkennbar.

Am 30. September 2004 erhob der Kläger gegen die Schlussfeststellung Klage (13 A 04.2765). Zur Begründung verwies er mit Schreiben vom 8. November 2004 auf die Thematik "Straßen". Das mit Vorsitzendenverfügung vom 5. Oktober 2005 statistisch erledigte Verfahren wurde auf Antrag des Klägers vom 3. November 2005 unter dem jetzigen Aktenzeichen wieder aufgenommen. Er legte dar, die von der TG gebauten Straßen seien unbrauchbar, da sie die Belastungen durch die Fahrzeuge nicht aushalten würden. Zur weiteren Begründung werde verwiesen auf die Schreiben des Marktes P. vom 28. September 2004 und vom 15. November 2004 sowie auf das Schreiben der DLE vom 22. April 1999.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2006 verwies der Kläger sinngemäß darauf, dass er den Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan nur aufgrund einer Zusage der Gemeinde zurückgenommen habe, die jedoch nicht erfüllt worden sei.

Am 8. November 2007 fand mündliche Verhandlung statt, in der sich der Kläger ausdrücklich gegen die von der TG veranlasste Abbuchung von 300 DM von seinem Teilnehmerkonto wandte. Er gab des Weiteren an, im Zusammenhang mit der Rücknahme seines Widerspruchs sei keine Zusage gemacht worden. Er beantragt,

die Schlussfeststellung vom 11. Dezember 2003 der Direktion für Ländliche Entwicklung im Verfahren Pilsting aufzuheben.

Die Vertreterin des Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet, da die von der DLE am 11. Dezember 2003 gemäß § 149 Abs. 1 Satz 1 FlurbG getroffene Feststellung, dass die Ausführung nach dem Flurbereinigungsplan bewirkt sei und den Beteiligten keine Ansprüche mehr zustünden, die im Flurbereinigungsverfahren hätten berücksichtigt werden müssen, rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass sich der Regelungsgehalt der Schlussfeststellung nach § 149 FlurbG nicht in der Einhaltung formaler Voraussetzungen erschöpft, sondern wie sämtliche im Flurbereinigungsverfahren ergehende Bescheide einen materiellen Regelungsgehalt aufweist. Nur bei plankonformer Gestaltung, plankongruenter Ausführung und plangerechter Erledigung der gegenseitigen Ansprüche aus dem durch den Flurbereinigungsplan konkretisierten Rechtsverhältnis darf durch die Schlussfeststellung die Erfüllung des Plans festgestellt werden (BVerwG vom 16.9.1975 BVerwGE 49, 176 = RzF 8 zu § 149 Abs. 3). Ansprüche, die ihr entgegenstehen, müssen sich in aller Regel unmittelbar aus dem Flurbereinigungsplan, in dem die Ergebnisse des Flurbereinigungsverfahrens zusammengefasst sind (§ 58 Abs. 1 FlurbG), entnehmen lassen oder sich aufgrund der Planausführung mittelbar daraus ergeben (BVerwG a.a.O.). Ein der Schlussfeststellung entgegenstehender Anspruch eines Beteiligten kann nur ein Anspruch sein, der in einem bestimmten Abschnitt des Flurbereinigungsverfahrens hätte berücksichtigt werden müssen, dessen Regelung aber unterblieben ist und noch nachgeholt werden muss (BVerwG vom 17.2.1975 RdL 1975, 269 = RzF 4 zu § 59 Abs. 3; vom 3.11.1969 RdL 1970, 298; Schoof in Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Aufl. 1997, RdNr. 2 zu § 149).

Ein solcher Anspruch ist hier gegeben. Dem Kläger wurde aufgrund eines Beschlusses des Vorstands der TG vom 29. März 1993 wegen einer nach Auffassung der TG von ihm zu verantwortenden Beschädigung eines von der TG ausgebauten Wegs bei Einlageflurstück 3082 am 28. April 1993 als Ersatz für die zu erwartenden Aufwendungen zur Beseitigung des Schadens ein Betrag von 300 DM vom Teilnehmerkonto abgezogen. Eine dem Kläger bekannt gemachte (rechtsmittelfähige) Entscheidung der TG über die Geltendmachung der Forderung liegt jedoch nicht vor. Soweit aus den vorliegenden Akten ersichtlich, hat die TG dem Kläger den Vorstandsbeschluss vom 29. März 1993 nicht durch Bescheid oder durch Übersendung einer Rechnung bekannt gegeben, sondern diesen unmittelbar durch Abbuchung des Forderungsbetrags vom Teilnehmerkonto umgesetzt. Auch im anschließenden Schriftwechsel wurde dem Kläger nie mitgeteilt, auf welcher Rechtsgrundlage die Forderung nach Auffassung der TG beruht und wie sie sich der abgebuchte Betrag zusammensetzt. Damit liegt weder eine Festsetzung durch einen (Leistungs-)Bescheid vor noch wurde die Forderung - falls es sich um einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch handeln sollte - durch eine Rechnung bzw. Zahlungsaufforderung geltend gemacht. Die Geldforderung der TG war zwar später Gegenstand der Schreiben des Vorstandsvorsitzenden der TG vom 12. Juli 1993 und vom 3. November 1997. Darin kann aber nicht die (nachträgliche) Schaffung einer Grundlage für die Abbuchung oder eine Nichtabhilfeentscheidung im Verfahren nach § 72 VwGO gesehen werden, da der Wortlaut der Schreiben eine solche Auslegung nicht zulässt und der Vorstandsvorsitzende hierfür auch nicht zuständig wäre. Bei dem Schreiben der DLE vom 22. April 1999, das sich ebenfalls mit der Heranziehung des Klägers zur Zahlung der Reparaturkosten für die Beschädigung des Wegs auseinandersetzt, handelt es sich ebenfalls nicht um eine Festsetzungs- oder Rechtsmittelentscheidung. In dem auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers hin ergangenen Schreiben wurde inhaltlich lediglich auf den Beschluss des Vorstands der TG vom 29. März 1993 verwiesen. Auch aus dem Flurbereinigungsplan lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger zur Zahlung dieser Kosten verpflichtet worden wäre. Damit liegt (noch) keine dem Kläger bekannt gegebene Entscheidung der TG über die Erhebung der Kosten für die Beseitigung der Straßenschäden vor, die diesem ermöglicht, die Berechtigung der Forderung nach Rechtsgrund und Höhe zu überprüfen und ggf. Rechtsmittel zu erheben.

Dies steht der angegriffenen Schlussfeststellung entgegen. Es ist mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Anspruch auf Gewährung effektiven Rechsschutzes gegen hoheitliches Handeln (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht zu vereinbaren, dass vom Beklagten die Schlussfeststellung getroffen wird, bevor dem Kläger eine Überprüfung der ihm gegenüber geltend gemachten und vom Teilnehmerkonto eingezogenen Forderung möglich ist. Sachlicher Regelungsinhalt in der nach § 149 Abs. 1 FlurbG zu treffenden Entscheidung ist nicht ausschließlich der Flurbereinigungsplan als solcher, sondern (auch) die für die Beteiligten (potenziell) verbindliche Feststellung, dass alle Ansprüche aller Beteiligten gegen die Teilnehmergemeinschaft bzw. die obere Flurbereinigungsbehörde und umgekehrt ihre Erledigung gefunden haben (BVerwG vom 16.9.1975, a.a.O.; BayVGH vom 13.12.1984 RdL 1985, 207 = RzF 13 zu § 149 Abs. 1). Diese Feststellung würde bewirken - ist sie einmal unanfechtbar -, dass der Kläger mit Einwendungen gegen den Abzug von 300 DM von seinem Teilnehmerkonto ausgeschlossen wäre, ohne dass die Kostenerhebung jemals einer rechtlichen Überprüfung unterzogen hätte werden können. Erst die Bekanntgabe der in die Rechte des Teilnehmers eingreifenden Entscheidung der TG eröffnet diesem die Möglichkeit zur Einlegung von Rechtsmitteln und schafft die Voraussetzungen dafür, dass späterhin von der Bestandskraft des Bescheids oder - im Fall der Notwendigkeit der Aufnahme in den Flurbereinigungsplan - von dessen Unanfechtbarkeit ausgegangen werden kann. Solange aber eine Entscheidung der TG noch nicht unanfechtbar im vorbeschriebenen Sinn geworden ist, fehlt es an den Voraussetzungen für den Abschluss eines Flurbereinigungsverfahrens durch Erlass der Schlussfeststellung (s. hierzu auch BayVGH vom 28.1.1993 BayVBl 1993, 629 = RzF 16 zu § 149 Abs. 1).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 147 Abs. 1 FlurbG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

Zurück