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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.01.2003
Aktenzeichen: 14 CS 02.2395
Rechtsgebiete: VwGO, BayBO, BauGB, GG


Vorschriften:

VwGO § 80 a Abs. 3
VwGO § 80 a Abs. 5
VwGO § 146 Abs. 4
BayBO Art. 71 Abs. 1
BauGB § 1 Abs. 6
BauGB § 33 Abs. 1
GG Art. 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

14 CS 02.2395

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Erteilung einer Baugenehmigung an die Beigeladene; Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung;

hier: Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. September 2002,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 14. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zimniok, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wünschmann

ohne mündliche Verhandlung am 14. Januar 2003

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller wenden sich als Inhaber von Lebensmittelmärkten gegen die der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vom 23. Juli 2002 erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines "Selbstbedienungs-Warenhauses" (SB-Warenhaus) der Beigeladenen in H********. Für das Baugebiet hatte die Stadt die Aufstellung eines Bebauungsplans und die Festsetzung eines Sondergebiets "SB-Warenhaus" beschlossen. Die Baugenehmigung wurde nach § 33 BauGB erteilt.

Die Antragsteller beantragten beim Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Baugenehmigung anzuordnen. Die Realisierung der Baugenehmigung führe zur Verdrängung und Vernichtung von Lebensmittelmärkten der Antragsteller. Der funktionale Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG erstrecke sich auch auf mittelbare Grundrechtseingriffe. Verletzt würden Art 14 GG, der den Bestandsschutz für die Unternehmen umfasse und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schütze, sowie das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme. Bei ordnungsgemäßer Abwägung i.S. des § 1 Abs. 6 BauGB hätte für das SB - Warenhaus kein Bebauungsplan aufgestellt werden dürfen.

Das Verwaltungsgericht lehnte die Anträge mit Beschluss vom 2. September 2002 ab. Die Frage der Nachbareigenschaft der Antragsteller könne dahingestellt bleiben. Jedenfalls werde durch die Baugenehmigung weder das Rücksichtnahmegebot den Antragstellern gegenüber noch Art. 14 GG verletzt.

Mit ihrer Beschwerde führen die Antragsteller ergänzend aus, die drohende Gefährdung ihrer Existenz durch den Vollzug der Baugenehmigung sei wegen der Schwere des Eingriffs in das Eigentumsrecht einer nachhaltigen Verschlechterung der Grundstückssituation im Sinn der Rechtsprechung zu Art. 14 GG gleichzusetzen und treffe sie schwer und unerträglich.

II.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die Baugenehmigung für das SB-Warenhaus zu Recht abgelehnt.

Die Antragsteller konnten wohl schon mangels Widerspruchsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) keinen zulässigen Widerspruch gegen die Baugenehmigung einlegen; eine Verletzung in ihren eigenen Rechten oder rechtlich geschützten Interessen haben sie nicht geltend gemacht. Durch das Bauvorhaben werden nicht möglicherweise (vgl. BVerwG NVwZ 1993, 884 f.) solche grundstücksbezogenen Belange der Antragsteller berührt, die durch baurechtliche Vorschriften oder unmittelbar aufgrund von Art. 14 GG geschützt sind. Den Antragstellern fehlt deshalb die Nachbareigenschaft i.S. des Art. 71 Abs. 1 BayBO. Im Übrigen wären die Anträge jedenfalls unbegründet, wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat.

So sind einige der Antragsteller weder Eigentümer noch Inhaber eigentumsähnlicher Rechte an den von ihnen genutzten Grundstücken. Darüber hinaus wirkt sich das geplante Vorhaben auf die im gesamten Ortsbereich von H******** verteilten und in erheblicher Entfernung zum Baugrundstück gelegenen Grundstücke der Antragsteller und deren Nutzung nicht (unmittelbar) in baurechtlich relevanter Weise aus. Weder aus den planungsrechtlichen Vorschriften noch aus dem Rücksichtnahmegebot, das für grundstücksbezogene Nachteile und nicht für die Minderung von Erwerbschancen gilt, lässt sich Nachbarschutz gegen Umsatz- und Gewinneinbußen aufgrund der künftigen Konkurrenz durch das SB - Warenhaus ableiten. Ein über die Normen des öffentlichen Baurechts hinausgehender unmittelbar auf Art. 14 GG gestützter Anspruch scheidet ebenfalls aus (BVerwGE 89, 69/78). Denn die verschärfte Konkurrenzsituation führt zwar zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen, nicht aber zu einer die Antragsteller schwer und unerträglich treffenden nachhaltigen Verschlechterung der Grundstückssituation (vgl. z.B. Hessischer VGH vom 11.2.1970 BRS 23, 238/240 f.). Diese sind nicht gehindert, ihre Grundstücke künftig in anderer Weise gewerblich nutzen zu lassen, etwa wenn die Konkurrenz durch das SB - Warenhaus zur Folge hat, dass ein vorhandener Lebensmittelmarkt aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr existenzfähig ist.

Ebenso wenig besteht ein Abwehranspruch wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der als Sach- und Rechtsgesamtheit den Eigentumsschutz des Art. 14 GG genießt (vgl. BVerwGE 13, 225/229). Gewinn- oder Umsatzchancen können zwar für das Unternehmen von existentieller Bedeutung sein, sie werden im Sinn von Art. 14 GG eigentumsrechtlich aber nicht dem geschützten Bestand des einzelnen Gewerbebetriebs zugeordnet (BVerfGE 81, 208/227 f. = NJW 1990, 2189).

Entgegen der Auffassung der Antragsteller ergibt sich auch aus § 33 BauGB kein weitergehender Nachbarschutz. Durch eine auf § 33 BauGB gestützte Baugenehmigung wird der Nachbar grundsätzlich nur dann in eigenen Rechten verletzt, wenn die Festsetzungen des künftigen Bebauungsplans selbst nachbarschützend sind oder wenn das sich aus § 15 Abs. 1 BauNVO ergebende Rücksichtnahmegebot den Nachbarn gegenüber verletzt wird (vgl. BayVGH vom 5.10.1994 Az. 26 CS 94.3141). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Zudem hätte eine Verletzung des planungsrechtlichen Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 6 BauGB wegen der fehlenden Planreife nach § 33 Abs. 1 BauGB - und für den Fall der Nichtigkeit des Bebauungsplans - zur Folge, dass mögliche Nachbarrechte nach den Baurechtsnormen zu prüfen sind, die ohne das eingeleitete Planaufstellungsverfahren anzuwenden wären. In diesem Fall wäre das den Regelungen der §§ 34, 35 BauGB oder § 15 Abs. 1 BauNVO zu entnehmende Rücksichtnahmegebot, wie ausgeführt wurde, wegen der künftigen Gewinn- und Umsatzeinbußen den Antragstellern gegenüber nicht verletzt. (vgl. z.B. OVG Münster vom 15.2.1991 NVwZ 1992, 278)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene etwaige entstandene außergerichtliche Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Ende der Entscheidung

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