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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.10.2006
Aktenzeichen: 15 CE 06.2064
Rechtsgebiete: VwGO, BPersVG, PostPersRG


Vorschriften:

VwGO § 91
VwGO § 123
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
BPersVG § 76 Abs. 1
PostPersRG § 28 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

15 CE 06.2064

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Umsetzung (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 20. Juli 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 15. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wünschmann als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Herrmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau

ohne mündliche Verhandlung am 23. Oktober 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die mit Schreiben der Vivento Deutsche Telekom AG, Regionalstelle Süd, vom 28. Juli 2006 und mit Schreiben des Vorstands der Telekom AG vom 21. September 2006 angeordnete Umsetzung des Antragstellers in das Ressort "Competence Center Business Projects" der Vivento in München vorläufig auszusetzen.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

III. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

1. Der Antragsteller steht als Beamter (Besoldungsgruppe A 11) im Dienst der Antragsgegnerin und ist seit dem 1. März 2003 der Vivento, Deutsche Telekom AG, zugeordnet. Er begehrt eine einstweilige Anordnung gegen einen zuletzt bis zum 29. Oktober 2006 befristeten Einsatz in München als Projektmanager im Ressort Competence Center Business Projects der Vivento.

Mit Schreiben vom 19. Juni 2006 teilte die Vivento, Regionalstelle Süd, dem Antragsteller nach vorangegangener Anhörung zunächst mit, dass er "mit Wirkung vom 29.06.2006 bis auf Weiteres, jedoch mindestens bis zum 31.10.2006 mit der Option der Verlängerung vivento-intern und befristet" auf dem vorgenannten Posten eingesetzt werde. Sodann erfolgte die Zuweisung "aufgrund der Verschiebung durch ihre Erkrankung ... mit Wirkung vom 10.07.2006 bis vorerst 30.07.2006 ..." (Schreiben der Vivento, Regionalstelle Süd, vom 5.7.2006). Der Antragsteller hat gegen die Maßnahmen mit Schreiben vom 23. Juni und 10. Juli 2006 Widerspruch eingelegt.

Das Verwaltungsgericht Augsburg hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 20. Juli 2006 abgelehnt.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2006 teilte die Vivento, Regionalstelle Süd, dem Antragsteller mit, er werde "mit Wirkung vom 31.07.2006 bis vorerst 29.10.2006" auf dem besagten Dienstposten eingesetzt. Der Betriebsrat stimmte dem in seiner Sitzung am 3. August 2006 zu. Schließlich wiederholte der Vorstand der Deutschen Telekom AG mit Schreiben vom 21. September 2006 die vorstehende Anordnung.

2. Der Antragsteller hat am 31. Juli 2006 Beschwerde eingelegt und lässt vortragen:

Die Rüge der (fehlenden) Mitbestimmung des Betriebsrates werde aufrechterhalten. Die dem Antragsteller zugewiesene Tätigkeit sei nicht amtsangemessen. Es handele sich um eine monotone Beschäftigung, bei der Rohdaten in Excel-Dateien aufzubereiten und diese in Power Point umzusetzen seien. Der Vater des Antragstellers sei ausweislich eines Attests des Hausarztes Dr. med. E. vom 25. Juli 2006 pflegebedürftig. Die Pflege obliege vorrangig dem Antragsteller. Der Gesundheitszustand des Antragstellers habe sich nach Beginn der Umsetzung verschlechtert. Dr. med. E. bestätige in einem Attest vom 31. Juli 2006, dass der Antragsteller seit Jahren an einer ******* ******** leide und die Krankheit innerhalb der letzten Monate deutlich progredient sei (mehrfache Schübe und klinisch sowie serologisch erheblich erhöhte Entzündungsaktivität). Der Arzt empfehle, den Kläger nicht vom häuslichen Umfeld zu entfernen, weil das eine erneute Verschlechterung dieser Erkrankung nach sich ziehen werde.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 20. Juli 2006 der Antragsgegnerin aufzugeben, die Umsetzung vom 19. Juni 2006, modifiziert durch das Schreiben vom 5. Juli 2006 und die Verlängerung der Umsetzung mit Schreiben vom 28. Juli 2006 und vom 21. September 2006, vorläufig auszusetzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerde sei mangels Begründung unzulässig. Die Beschwerde beziehe sich nur auf das Weisungsschreiben vom 28. Juli 2006, auf das sich der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Juli 2006 aus zeitlichen Gründen nicht erstrecken könne. Sie lasse demgegenüber keinen inhaltlichen Bezug auf die vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Wertungen erkennen. Überdies bestünde für die dem Beschluss des Verwaltungsgerichts zugrunde liegende dienstliche Maßnahme kein Anordnungsgrund mehr, weil sie bis zum 30. Juli 2006 befristet gewesen sei. Unabhängig davon könne die Beschwerde in der Sache keinen Erfolg haben. Die dem Antragsteller übertragenen Aufgaben seien amtsangemessen. Nach dem Ergebnis einer arbeitsmedizinischen Untersuchung vom 17. Juli 2006 bestünden beim Antragsteller hinsichtlich der Arbeits- und Wegezeit keine Einschränkungen. Die Betriebsärztin habe den Antragsteller am 18. September 2006 erneut untersucht. Es seien nach wie vor keine gesundheitlichen Einschränkungen dahin gegeben, dass der Antragsteller nicht außerhalb seines Wohnortes eingesetzt werden könne.

3. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag wird dahin ausgelegt, dass sich das Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung auch auf die mit Schreiben des Vorstands der Deutschen Telekom AG vom 21. September 2006 (wiederholend) angeordnete Umsetzung erstreckt. Der Antragsteller hat dieses Schreiben mit Schriftsatz vom 26. September 2006 in das Verfahren eingeführt und so zu erkennen gegeben, dass er auch insoweit Eilrechtsschutz begehrt.

2. Die Beschwerde ist zulässig.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin genügt die Beschwerde dem Begründungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Sie setzt sich hinreichend mit der angefochtenen Entscheidung auseinander und legt insbesondere dar, dass die angegriffene Umsetzung entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts mit Blick auf den Gesundheitszustand des Antragstellers und die Pflegebedürftigkeit des Vaters ermessensfehlerhaft ist.

3. Die Beschwerde ist begründet, soweit sie sich (auch) gegen die mit Schreiben der Vivento Deutsche Telekom AG, Regionalstelle Süd, vom 28. Juli 2006 und mit Schreiben des Vorstands der Telekom AG vom 21. September 2006 angeordnete Umsetzung des Antragstellers in das Ressort "Competence Center Business Projects" der Vivento in München richtet.

Ein Antrag kann im Grundsatz auch im Rahmen einer Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechend § 91 VwGO geändert werden (vgl. Eyermann/Happ, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 25; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, RdNr. 93; a.A. VGH BW vom 1.9.2004 VBlBW 2004, 483; OVG Hamburg vom 22.8.2003 NVwZ-RR 2004, 621; Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, RdNr. 13 c zu § 146 m.w.N.). Die Antragsänderung ist sachdienlich (§ 91 Abs. 1 VwGO analog), weil sie dazu geeignet ist, den sachlichen Streit zwischen den Beteiligten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes endgültig auszuräumen (vgl. hierzu Eyermann/Rennert, a.a.O., RdNr. 31 zu § 91).

Nach der gebotenen summarischen Prüfung unter Beschränkung auf das zur Beschwerdebegründung Dargelegte (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) bleibt offen, ob der Antragsteller im Widerspruchsverfahren erfolgreich sein wird. Die sonach vorzunehmende Interessenabwägung gebietet die vorläufige Aussetzung der angefochtenen Umsetzung.

a) Ohne Erfolg rügt der Antragsteller eine Fehlerhaftigkeit des Mitbestimmungsverfahrens. Eine Umsetzung, die einen Wechsel des Dienstortes erfordert, ist nur dann mitbestimmungspflichtig, wenn sie auf Dauer angelegt ist. Das folgt daraus, dass § 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG, auf den § 28 Abs. 1 PostPersRG verweist, die Umsetzung innerhalb der Dienststelle mit der Versetzung zu einer anderen Dienststelle gleichsetzt (vgl. BVerwG vom 10.10.1991 PersR 1992, 301).

Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass der ihm durch die Umsetzung vorübergehend zugewiesene Dienstposten nicht amtsangemessen ist. Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, die dem Antragsteller übertragenen Aufgaben seien eine für die Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes angemessene Beschäftigung. Die insoweit vorgelegte "Aufgabenbeschreibung Projektmanager im Vivento Competence Center Business Projects" ist hinreichend detailliert und lässt bei summarischer Prüfung nicht erkennen, dass die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Einstufung fehlerhaft wäre.

Nach der im Eilverfahren zugrunde zu legenden Sachlage ist nicht erkennbar, dass die Umsetzung des Antragstellers wegen einer Pflegebedürftigkeit seines Vaters ermessensfehlerhaft (§ 114 Satz 1 VwGO) ist. Der Dienstherr ist dem Beamten bei der Ausübung seines Ermessens zur Fürsorge verpflichtet und hat deshalb auch Tatsachen aus dem persönlichen Bereich des Beamten zu berücksichtigen. Allerdings muss der Beamte im Grundsatz mit der Möglichkeit seiner Versetzung rechnen und kann deshalb regelmäßig nur bei Vorliegen schwerwiegender persönlicher Gründe oder außergewöhnlicher Härten geltend machen, dem dienstlichen Interesse sei in unzumutbarer Weise gegenüber seinen privaten Belangen der Vorrang gegeben worden (vgl. Battis, BBG, 3. Aufl. 2004, RdNr. 15 zu § 26 m.w.N.). Das vom Antragsteller vorgelegte Attest des Dr. med. E. spricht zwar davon, der Vater des Antragstellers sei pflegebedürftig, "was in großen Teilen vom Sohn geleistet" werde. Es stellt aber im Ergebnis lediglich fest, "durch den Wechsel des Arbeitsplatzes" würde die Pflege des Vaters "gravierend erschwert". Das spricht dafür, dass die Pflege des Vaters, wenn auch unter Erschwernissen, im Falle einer Umsetzung aufrecht erhalten werden kann, zumal die vom Arzt im Attest angeführten Fahrten entweder vom Antragsteller am Wochenende (Versorgungs- und Einkaufsfahrten) oder von Dritter Seite gegen Entgelt durchgeführt werden können.

Bei summarischer Prüfung bleibt offen, ob der Gesundheitszustand des Antragstellers der angegriffenen Umsetzung entgegensteht. Der Dienstherr muss einen etwaigen schlechten Gesundheitszustand des Beamten, der die mit einem Ortswechsel verbundenen Belastungen verstärken würde, in seine Abwägung einbeziehen. Die Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigung wird er im Allgemeinen nicht in Kauf nehmen dürfen. Dagegen muss ihn die bloße Möglichkeit der Gesundheitsgefährdung nicht von einer Umsetzung abhalten (vgl. Lemhöfer in Plog/Wiedow/Lemhöfer, BBG, RdNr. 30 e zu § 26). Dr. med. E. hat dem Antragsteller unter dem 31. Juli 2006 eine ******* ******** attestiert und empfohlen, ihn nicht aus dem häuslichen Umfeld zu entfernen, weil sich andernfalls die Erkrankung erneut verschlechtern werde. Die vom Gesundheitsservice der Telekom ausgestellte ärztliche Bescheinigung vom 18. September 2006 kommt demgegenüber aufgrund einer in Kenntnis des vorgenannten Attests am 18. September 2006 durchgeführten arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung zu dem Ergebnis, dass es bei den anlässlich der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung vom 17. Juli 2006 festgestellten - in diesem Zusammenhang nicht relevanten - medizinischen Einschränkungen (Ausschluss von Verkaufstätigkeiten) bleibe und weitere Einschränkungen nach wie vor nicht bestünden. Allerdings enthält die betriebsärztliche Bescheinigung auch die Bemerkung, grundsätzlich könne Stress einen Schub der chronischen Erkrankung des Antragstellers auslösen. Zur Frage von umsetzungsbedingten Gesundheitsbeeinträchtigung des Antragstellers ergibt sich damit im Eilverfahren kein eindeutiges Bild.

b) Die Interessenabwägung geht zulasten der Antragsgegnerin. Das gesundheitliche Interesse des Antragstellers überwiegt das dienstliche Bedürfnis der Beklagten, die Stelle eines Projektmanagers im Ressort Competence Center Business Projects (CC BP) der Vivento vorübergehend durch den Antragsteller zu besetzen. Ein besonderes Dringlichkeitsinteresse der Antragsgegnerin ist nicht erkennbar geworden.

c) Nach allem kommt es nicht darauf an, ob die angegriffene Umsetzung etwa deshalb rechtswidrig ist, weil dem Antragsteller bei der Vivento kein Aufgabenbereich im Sinn eines abstrakt- und konkret-funktionellen Amtes übertragen ist (vgl. BVerwG vom 22.6.2006 ZBR 2006, 344.

4. Soweit sich die Beschwerde auch gegen die mit Schreiben der Vivento Deutsche Telekom AG, Regionalstelle Süd, vom 19. Juni 2006 und vom 5. Juli 2006 angeordneten Umsetzungen richtet, ist sie unbegründet. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag ist insoweit entfallen. Die Anordnung vom 19. Juni 2006 wurde durch das Schreiben vom 5. Juli 2006 gegenstandslos. Die mit diesem Schreiben bis zum 30. Juni 2006 angeordnete Umsetzung hat sich durch Zeitablauf erledigt. Dabei geht der Senat für das Eilverfahren davon aus, dass dem Antragsteller das Schreiben der Vivento vom 28. Juli 2006 erst nach dem 30. Juli 2006 zugegangen ist. Es enthält zwar den Vermerk "Einschreiben mit Rückschein". Es ist aber weder ersichtlich, wann das Schreiben bei der Post aufgegeben wurde, noch hat die Antragsgegnerin einen Rückschein vorgelegt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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