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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.06.2004
Aktenzeichen: 15 ZB 04.487
Rechtsgebiete: VwGO, BauNVO


Vorschriften:

VwGO § 86
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
BauNVO § 3
BauNVO § 4
BauNVO § 12 Abs. 2
BauNVO § 13
BauNVO § 15 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1
Ein missbräuchliches, außerhalb der Zweckbestimmung einer Baugenehmigung liegendes Verhalten Dritter, ist der Baugenehmigung nur zuzurechnen, wenn sie einen Zustand schafft, der für einen derartigen Missbrauch besonders anfällig ist.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

15 ZB 04.487

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Nachbarbaugenehmigung (Nutzungsänderung);

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. Januar 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 15. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Happ, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Ganzer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wünschmann

ohne mündliche Verhandlung am 25. Juni 2004

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt. Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist zur Begründung seines Antrags hat darlegen lassen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

a) Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht habe es zu Unrecht verneint, dass von dem genehmigten Vorhaben Belästigungen oder Störungen ausgingen, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien. Es habe unberücksichtigt gelassen, dass der vorhandene Privatweg für eine Zufahrt zur genehmigten Tierarztpraxis nicht geeignet sei. Es handele sich um eine schmale, steile, etwa 50 m lange Auffahrt, die einen Begegnungsverkehr nicht ermögliche und eine nicht einsehbare 90°-Kurve aufweise. Besucher der Tierarztpraxis seien daher genötigt, die Auffahrt in einem niedrigen Gang (hochtourig) langsam zu befahren und wegen möglichen Gegenverkehrs an der Kurve anzuhalten. Häufig werde dann mit hochdrehendem Motor wieder angefahren. Das verursache unzumutbaren Verkehrslärm und nicht hinnehmbare Abgasimmissionen.

Das begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Selbst in reinen oder allgemeinen Wohngebieten sind Stellplätze für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf allgemein zulässig (§ 12 Abs. 2 BauNVO). Nachbarn haben die hiervon ausgehenden Emissionen im Regelfall hinzunehmen (vgl. BVerwG vom 20.3.2003 NVwZ 2003, 1516). Etwas anderes ergibt sich im Einzelfall nur dann, wenn von den Stellplätzen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BauNVO). Was zumutbar ist, folgt demnach aus der konkreten Situation der benachbarten Grundstücke (vgl. BVerwG vom 18.5.1995 NVwZ 1996, 379). Diese ist im Falle des Klägers dadurch geprägt, dass die bestehende Zufahrt das Grundstück FlNr. 116/3 - ebenso wie FlNr. 116/2 - bereits seit langer Zeit erschließt. Die durch deren Beschaffenheit und Lage (90°-Kurve, etwa 3 bis 4 m breit, Hanglage) begründete Immissionsmehrung (höhere Motordrehzahl, Anfahrgeräusche) muss sich der Kläger deshalb als situationstypisch anrechnen lassen. Er kann sie der ihrer Art nach bauplanungsrechtlich allgemein zulässigen Nutzungsänderung (§ 13 BauNVO) nicht entgegenhalten.

b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils begründet auch nicht der Einwand des Klägers, es seien zu wenig Stellplätze genehmigt worden mit der Folge, dass die auf dem Nachbargrundstück vorhandene Wendefläche ständig belegt sei. Besucher der Tierarztpraxis und Paketzusteller seien daher gezwungen, die Zufahrt rückwärts hinunterzufahren. Das habe in der Vergangenheit zu verschiedenen Sachbeschädigungen an/auf seinem Grundstück (Blumenschalen/Natursteinpflaster) sowie dazu geführt, dass sein Stellplatz vor der Garage zum Wenden genutzt werde. Derartige Vorfälle, das Vorbringen als wahr unterstellt, mögen zwar Störungen im Sinn des § 15 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 BauNVO sein. Sie sind aber der angefochtenen Baugenehmigung nicht zuzurechnen. Sie beruhen darauf, dass Besucher der Tierarztpraxis die auf dem Grundstück FlNr. 116/2 vorhandene private Wendefläche eigenmächtig zum Parken verwenden, mithin auf einem missbräuchlichen, außerhalb der Zweckbestimmung der Baugenehmigung liegenden Verhalten Dritter. Eine Zurechenbarkeit ergäbe sich nur, wenn die Baugenehmigung einen Zustand geschaffen hätte, der für einen derartigen Missbrauch besonders anfällig ist (vgl. Eyermann/ Happ, VwGO, 11. Aufl. 2000, RdNr. 105 zu § 42 m.w.N.). Das ist nicht der Fall. Die von der Beigeladenen nach der Baugenehmigung zusätzlich zu errichtenden zwei Stellplätze und zusätzlich eine Garage sowie ein Stellplatz vor dieser Garage sind vorhanden. Das verhindert zusammen mit der Verpflichtung, Stellplätze und Fahrgassen zu markieren, dass die Besucher der Tierarztpraxis gleichsam dazu verleitet werden, ihr Kraftfahrzeug auch auf der Wendefläche (Stellfläche vor der Doppelgarage auf FlNr. 116/2) abzustellen.

Anhaltspunkte für die erforderlichen Stellplätze lassen sich der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 12. Februar 1978 Nr. II B 4 - 9134 - 79 (MABl S. 181 - "Stellplatzrichtlinie") entnehmen (vgl. hierzu Schwarzer/König, BayBO, 3. Aufl. 2000, RdNr. 15 zu Art. 52). Deren "Anlage zu Abschnitt 3" nennt unter Nr. 2.2 für "Räume mit erheblichem Besucherverkehr (Schalter-, Abfertigungs- oder Beratungsräume, Arztpraxen und dergleichen)" als Richtzahl einen Stellplatz je 20 bis 30 m² Nutzfläche, mindestens jedoch drei Stellplätze, und unter Nr. 1.2 für Mehrfamilienhäuser eine Richtzahl von einem Stellplatz je Wohnung. Die in Anlehnung hieran für das von der Beigeladenen gemietete Haus erforderlichen vier Stellplätze (Wohnung im Obergeschoss: 1 Stellplatz, Tierarztpraxis im Erdgeschoss: 3 Stellplätze) stehen, wenn auch mit Blick auf die Zugänglichkeit der Garage eingeschränkt, zur Verfügung. Unabhängig davon wäre im ländlichen Raum in Gebieten mit vergleichsweise geringer Verkehrsdichte stellplatzmindernd zu berücksichtigen, dass für einen Teil des Kunden- und Besucherverkehrs bestehende Parkmöglichkeiten im Bereich der Erschließungsstraßen - wie hier entlang der Nopplinger Straße (vgl. Widerspruchsakte Bl. 47) - ausreichen (vgl. auch Stellplatzrichtlinie Nr. 3.1.2). Ein konkreter Anhalt für einen erhöhten Bedarf an Stellplätzen, insbesondere dafür, dass der Zufahrtsverkehr zur Tierarztpraxis der Beigeladenen nach dem Inhalt des angefochtenen Genehmigungsbescheids das für eine freiberufliche Tätigkeit dieser Art übliche Maß überschreitet, ergibt sich weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus dem Inhalt der vorgelegten Akten.

Die der Baugenehmigung beigefügte Nebenbestimmung, wonach die (Ein)-Stellplätze und Fahrgassen mindestens durch Markierungen am Boden leicht erkennbar und dauerhaft gegeneinander abzugrenzen sind, ist dazu geeignet, die zum Parken bestimmten Flächen kenntlich zu machen und so einem unbefugten Parken außerhalb dieser Flächen vorzubeugen. Zudem hat es die Beigeladene in der Hand, durch eine entsprechende Beschilderung und durch Hinweise in ihrer Praxis darauf hinzuwirken, dass ihre Kunden nur innerhalb der gekennzeichneten Flächen parken.

Insgesamt darf deshalb davon ausgegangen werden, dass sich die Besucher der Tierarztpraxis schon aus eigenem Interesse an einer ungehinderten Abfahrt im Allgemeinen an die vorgegebene Parkregelung halten. Die vom Kläger geschilderten Vorgänge widersprechen dem nicht. Sie haben nach ihrer Zahl bezogen auf die bisherige Dauer des Praxisbetriebs kein besonderes Gewicht und ereigneten sich, soweit sie konkretisiert sind, im Juli und August des Jahres 2002 sowie im Februar und März des Jahres 2003. Zu dieser Zeit hatte die Beigeladene die Stellplätze und Fahrgassen entgegen dem Inhalt des angefochtenen Bescheids nicht dauerhaft gegeneinander abgegrenzt (Markierung von Stellplätzen lediglich mit Kreide - vgl. VG-Akte Bl. 112 f.).

2. Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), da es keinen Beweis durch Einvernahme der angebotenen Zeugen erhoben habe, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung. Ein Verfahrensbeteiligter kann im Grundsatz nur dann mit Erfolg geltend machen, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, wenn er die nach Lage der Sache gegebenen prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen (vgl. BVerwG vom 22.8.1985 Buchholz 310 § 108 Nr. 175). Daran fehlt es. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 20. Januar 2004 (vgl. zur Beweiskraft des Protokolls BVerwG vom 2.11.1987 Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 32) haben der Kläger oder sein Bevollmächtigter weder für die Beweisfragen, die sie als bedeutsam ansehen, noch sonst formelle Beweisanträge nach § 86 Abs. 2 VwGO gestellt. Ein Verstoß gegen die dem Gericht gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegende Aufklärungspflicht scheidet damit ebenfalls aus. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachaufklärung auch ohne formellen Beweisantrag hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG vom 24.11.1977 Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 161; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, RdNr. 13 zu § 124 m.w.N.).

Unabhängig davon würde die Entscheidung auf den geltend gemachten Verfahrensverstößen nicht beruhen. Das Vorbringen des Klägers zu den Geräusch- und Abgasimmissionen sowie den wegen der angeblich faktisch nicht bestehenden Wendemöglichkeit hervorgerufenen Störungen ist, wie sich aus dem zu 1. Ausgeführten ergibt, nicht entscheidungserheblich.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 3 GKG.

4. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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