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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.08.2005
Aktenzeichen: 16a CD 05.1692
Rechtsgebiete: GG, BayDO, StPO, StGB


Vorschriften:

GG Art. 13 Abs. 1
GG Art. 13 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4
BayDO Art. 52 Abs. 1 Satz 2
StPO § 33 Abs. 4
StPO § 94
StPO § 102
StGB § 26
StGB § 153
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

16a CD 05.1692

In dem Untersuchungsverfahren gegen

wegen

Durchsuchung und Beschlagnahme;

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Juni 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 16a. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Thomas, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Weber den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Boese,

ohne mündliche Verhandlung am 8. August 2005 folgenden Beschluss:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 8. Juni 2005 wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Antragsgegnerin vom 21. April 2005 rechtswidrig war.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung der Antragsgegnerin.

1. Mit Verfügung vom 24. September 2003 leitete das Polizeipräsidium M. gegen den Antragsteller wegen des Verdachts eines Dienstvergehens das förmliche Disziplinarverfahren ein und beauftragte die Antragsgegnerin mit der Untersuchung. Diese vernahm am 20. April 2005 den Zeugen V., der eine maschinenschriftliche, nicht datierte und nicht unterschriebene Stellungnahme überreichte. Mit Schreiben vom 21. April 2005 - am selben Tag per Telefax übermittelt - bat die Einleitungsbehörde die Antragsgegnerin, die Untersuchung auf den Verdacht der Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage zu erstrecken. Es bestehe der Verdacht, dass der Zeuge V. - entgegen seinen Angaben - vor seiner Vernehmung mit dem Antragsteller Kontakt gehabt habe und dass dieser die vom Zeugen überreichte Stellungnahme verfasst habe.

2. Am 21. April 2005 erließ die Antragsgegnerin folgenden Beschluss:

"Gemäß Art. 52 Abs. 1 Satz 2 BayDO, § 102 StPO wird gemäß § 33 Abs. 4 StPO ohne vorherige Anhörung die Durchsuchung der Wohnräume von Herrn R. K. sowie die Durchsuchung der Geschäftsräume der K. Dienstleistungs-GmbH, Inhaber bzw. Alleingesellschafter ebenfalls Herr R. K. (...), nach privaten PCs sowie PCs der Firma K. Dienstleistungs-GmbH sowie deren Beschlagnahme inklusive Tastaturen und Bildschirmen nach § 94 StPO angeordnet, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben werden".

Zur Begründung heißt es, auf Grund des Inhalts der Stellungnahme bestehe der Verdacht, dass der Antragsteller die unwahre Erklärung vorgefertigt und dem Zeugen ausgehändigt habe, damit dieser die Erklärung bei seiner Einvernahme übergebe. Er stehe damit im Verdacht, den Zeugen V. zu einer falschen uneidlichen Aussage angestiftet zu haben. Selbst für den Fall, dass der Zeuge seine Aussage in einem neuerlichen Termin widerrufen sollte, bestünde immer noch der Verdacht, dass sich der Antragsteller einer versuchten Anstiftung zur Falschaussage strafbar gemacht habe. Die Verwirklichung dieser Straftatbestände stelle zugleich eine Dienstpflichtverletzung dar, auf die die Einleitungsbehörde die Untersuchung auch erstreckt habe. Vermutlich werde die Durchsuchung und die Sicherstellung der PCs zur Auffindung des elektronischen Dokuments führen. Sowohl Durchsuchung als auch Sicherstellung seien verhältnismäßig. Aufgrund der Eilbedürftigkeit sei kein milderes Mittel vorhanden. Es bestehe die Gefahr, dass der Beamte das auf seinem PC erstellte Dokument lösche bzw. schon gelöscht habe. Die Gefahr, dass diese Stelle auf der Festplatte überschrieben werde und damit auch rekonstruierbare Teile des Dokuments vernichtet würden, wachse mit der Zahl der neu erstellten Dokumente.

Die Durchsuchung und Beschlagnahme erfolgten am 21. April 2005. Die sichergestellten Gegenstände - PCs, Disketten und CD-Roms - wurden mittlerweile an den Antragsteller zurückgegeben.

3. Den am 6. Mai 2005 vom Antragsteller eingereichten Antrag,

festzustellen, dass die von der Antragsgegnerin am 21. April 2005 angeordnete und am selben Tag durchgeführte Durchsuchung seiner Wohnräume sowie der Geschäftsräume der K. Dienstleistungs-GmbH in A. sowie die erfolgte Beschlagnahme rechtswidrig war,

lehnte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 8. Juni 2005 ab. Die Voraussetzungen für die angefochtene Anordnung hätten im Zeitpunkt des Beschlusses der Antragsgegnerin vorgelegen. Aufgrund der Aussagen des Zeugen V. im Strafverfahren gegen den Antragsteller, seinen Angaben in der Vernehmung im Untersuchungsverfahren am 20. April 2005 und aufgrund der schriftlichen Erklärung, die auf die Vorwürfe in der Einleitungsverfügung detailliert eingehe, habe der dringende Verdacht bestanden, dass der Zeuge V. eine uneidliche Falschaussage getätigt und dass der Antragsteller diese Stellungnahme abgefasst habe. Kern der Einleitungsverfügung sei der Vorwurf, der Beamte sei - trotz der im Jahr 2001 versagten Nebentätigkeitsgenehmigung - nach wie vor maßgeblich als Unternehmer der K. Dienstleistungs-GmbH tätig. Im Strafverfahren habe der Zeuge V. ausgesagt, er sei zunächst als geringfügig Beschäftigter, dann als fest Beschäftigter beim Antragsteller angestellt gewesen. Dagegen erkläre er in der schriftlichen Stellungnahme, die ersichtlich den Antragsteller im Disziplinarverfahren entlasten solle, dieser habe keine Funktionen in der Firma, habe ihn weder eingesetzt noch angewiesen und habe Geldbeträge nur als Bote überbracht. Somit bestehe eine dringender Tatverdacht, der auch in das Disziplinarverfahren einbezogen worden sei. Die Maßnahmen seien geeignete Mittel zur Sachverhaltsaufklärung und beschränkten sich auf das Notwendigste. Die Erforderlichkeit der Maßnahmen zeige der Verlauf der Beweisaufnahme. Die Anordnung habe frühestens am 21. April 2005 erlassen werden können, weil die Einleitungsbehörde erst an diesem Tag um Erstreckung der Untersuchung auf diesen Vorwurf gebeten habe. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts habe nicht abgewartet werden können, weil ein endgültiger Datenverlust zu befürchten gewesen sei. Zudem könne der Vorsitzende der Disziplinarkammer nicht allein entscheiden, sondern müsse die ehrenamtlichen Richter heranziehen.

4. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter und beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts München aufzuheben und festzustellen, dass die angegriffene Maßnahme rechtswidrig war.

Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung sei ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte erfolgt. Gefahr im Verzuge habe nicht vorgelegen. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts wäre möglich gewesen. Die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht hätten das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nicht hinreichend beachtet. Dem Richtervorbehalt komme hier eine überragende Bedeutung zu. Die die Durchsuchung veranlassenden Umstände seien der Einleitungsbehörde schon am 20. April 2005 bekannt gewesen, so dass diese Behörde im Strafverfahren über die Staatsanwaltschaft den Erlass eines Durchsuchungsbefehls beim Ermittlungsrichter hätte beantragen können. Dem Strafverfahren komme gegenüber einem wegen desselben Sachverhalts geführten Disziplinarverfahren ein Vorrang zu.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Zeitpunkt des Beschlusses habe der konkrete Verdacht bestanden, dass die vom Zeugen V. vorgelegte Stellungnahme vom Antragsteller stamme. Dieser Verdacht habe sich, wie sich aus einer E-Mail des Antragsteller an seinen Verteidiger vom 8. April 2005 ergebe, bestätigt. Ein Vorrang des Strafverfahrens gegenüber dem Disziplinarverfahren bestehe nicht.

5. Ergänzend wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Akten Bezug genommen. Die Akte der Antragsgegnerin (Az. M-SU-16/03) sowie die Strafakte der Staatsanwaltschaft L. (Az. 18 Js 30803/02) haben vorgelegen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere besteht das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers fort, auch wenn die direkte Belastung durch die angegriffene Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung nach vollzogener Durchsuchung bzw. nach Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände entfallen ist (st.Rspr. vgl.: BVerfG vom 30.4.1997 BVerfGE 96, 27/39 ff.; vom 14.6.1998 NJW 2813/2814; vom 18.12.2002 NJW 2003, 1514; vom 3.3.2004 BVerfGE 110, 77/85 f.; BayObLG vom 26.10.2004 BayVBl 2005, 348).

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung der Antragsgegnerin vom 21. April 2005 ist rechtswidrig. Dabei stützt sich der Senat auf folgende Erwägungen:

Art. 52 BayDO normiert die Befugnisse des Untersuchungsführers im Disziplinarverfahren. Nach Art. 52 Satz 2 BayDO dürfen Beschlagnahmen und Durchsuchungen nur auf Anordnung des örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts, bei Gefahr im Verzug auch auf Anordnung des Untersuchungsführers durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang sind die vom Bundesverfassungsgericht - in erster Linie für das Strafverfahrensrecht - entwickelten Leitlinien zu beachten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird dem Einzelnen mit der in Art. 13 Abs. 1 GG garantierten Unverletzlichkeit der Wohnung ein zur freien Entfaltung der Persönlichkeit elementarer Lebensraum gewährleistet. Eine Durchsuchung greift in diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre schwerwiegend ein. Auf Grund der großen Bedeutung des Schutzgutes und des Gewichts eines Eingriffs in dieses Schutzgut behält Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vor und zielt somit auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz, damit nicht zuletzt auch die Interessen des - regelmäßig nicht vorher angehörten - Betroffenen angemessen berücksichtigt werden (BVerfG vom 14.1.2005 NJW 2005, 1707). Soll von diesem Grundsatz des Richtervorbehalts bei Durchsuchungsanordnungen abgewichen werden, sind bei der Auslegung des Begriffs "Gefahr im Verzug", welcher in Fällen der nachträglichen Überprüfung behördlich angeordneter Maßnahmen der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (BVerfG vom 20.2.2001 BVerfGE 103, 142/156 ff.; vom 3.12.2002 NJW 2003, 2303/2304), die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG zu beachten. Danach ist eine Durchsuchung bei Gefahr im Verzug nur dann verfassungsgemäß, wenn sie mit auf den Einzelfall bezogenen Tatsachen begründet wird (BVerfG vom 20.2.2001, a.a.O., S. 150 ff.). Die bloße Möglichkeit eines Beweismittelverlusts genügt nicht, insbesondere sind reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrungen gestützte, fallunabhängige Vermutungen als Grundlage einer Annahme von Gefahr im Verzug nicht hinreichend (BVerfG vom 20.2.2001, a.a.O., S. 155). Zudem müssen auch die im Disziplinarverfahren mit der Untersuchung befassten Stellen (Art. 50 ff. BayDO) regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Verwaltungsgerichts zu erlangen, bevor sie eine Durchsuchung beginnen. Dabei haben diese Stellen - ebenso wie die Strafverfolgungsbehörden - Dokumentations- und Begründungspflichten, die aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleiten sind und die einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz erst ermöglichen. Aus dieser Dokumentation muss sich neben der konkreten Sachlage zum Zeitpunkt der Entscheidung des handelnden Beamten u.a. auch ergeben, ob versucht wurde, den zuständigen Richter zu erreichen (BVerfG vom 20.2.2001, a.a.O., S. 160; vom 3.12.2002, a.a.O., S. 2305). Nur in Ausnahmesituationen, wenn also schon die mit einem Versuch, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, verbundene zeitliche Verzögerung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde, dürfen diese Stellen selbst die Anordnung wegen Gefahr im Verzug treffen, ohne sich zuvor um eine richterliche Entscheidung bemüht zu haben (BVerfG vom 20.2.2001, a.a.O. S. 155 f.; vom 23.1.2004 Juris-Dokument KVRE 320640401).

Gemessen daran unterliegt der Beschluss der Antragsgegnerin vom 21. April 2005 durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Die Antragsgegnerin hat zwar zutreffend erkannt, dass Gefahr im Verzug mit konkreten Tatsachen im Hinblick auf einen drohenden Beweismittelverlust begründet werden muss. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers kann hier insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass die streitgegenständliche Anordnung der Antragsgegnerin "ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte ins Blaue hinein" erfolgt sei (S. 2 des Schriftsatzes vom 11.7.2005). Denn die Antragsgegnerin hat zutreffend und überzeugend ausgeführt, dass im Hinblick auf den konkreten Verdacht der Anstiftung des Zeugen V. zu einer falschen uneidlichen Aussage (§§ 26, 153 StGB) die Gefahr eines konkreten Beweismittelverlusts bestanden hat. Sie hat dargelegt, dass auf Grund des Aussageverhaltens des bereits im Strafverfahren einvernommenen Zeugen V., insbesondere im Hinblick auf seine Vorlage einer vorgefertigten Stellungnahme und seine Weigerung, Angaben zum Verfasser dieser Stellungnahme zu machen, konkrete Anhaltspunkte für einen hinreichenden Verdacht eines möglicherweise straf- und disziplinarrechtlich zu ahndendes Fehlverhalten des Antragstellers vorlagen. Sie hat ferner - aus ihrem damaligen Kenntnisstand heraus nachvollziehbar - dargelegt, es habe nach der Einvernahme des Zeugen V. konkret die Gefahr bestanden, dass das der von dem Zeugen V. im Rahmen seiner Vernehmung vorgelegten Stellungnahme zugrunde liegende elektronische Dokument, d.h. die Textdatei, ohne die streitgegenständliche auf die PCs des Antragstellers gerichtete Durchsuchungs- und Sicherstellungsanordnung gelöscht und vernichtet werden könnte. Unter den gegebenen Umständen lag es nahe, dass der Antragsteller darauf bezogen Verdacht schöpfen musste und Vertuschungsversuche unternehmen würde.

In rechtlich fehlerhafter Weise hat die Antragsgegnerin aber darauf verzichtet, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen bzw. einen entsprechenden Versuch zu unternehmen und diesen zu dokumentieren. Es mag zwar sein, dass der Beschlagnahme von PCs bzw. Speichermedien mit dem Ziel, auf diesem Weg Dateien als Beweismittel sicherstellen zu können, im Regelfall eine besondere Eilbedürftigkeit innewohnt. Dieser Aspekt kann aber nicht dazu führen, dass in solchen Fällen aufgrund des bestehenden Zeitdrucks regelmäßig schon von einem bloßen Versuch, eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung über eine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung herbeizuführen, abgesehen werden kann; eine solche Verfahrensweise wäre - wie dargelegt - vielmehr allein dann statthaft, wenn allein die Verzögerung durch einen solchen Versuch die Gefahr eines Beweismittelverlustes begründet. Denn damit liefe angesichts der großen und weiter zunehmenden Bedeutung der elektronischen Datenverarbeitung im dienstlichen wie privaten Bereich der Richtervorbehalt im Rahmen des Art. 13 Abs. 2 GG leer. Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass nach derzeitiger Rechtslage - wie sich aus einem Vergleich der Regelungen in Art. 43 Abs. 1 und Art. 49 Abs. 1 BayDO ergibt - an den Verwaltungsgerichten die Kammer für Disziplinarsachen jeweils in der Besetzung mit einem Richter als Vorsitzenden und zwei Beamtenbeisitzern als ehrenamtlichen Richtern (auch) über die Anordnung der Beschlagnahme und Durchsuchung im Sinne von Art. 52 Satz 2 BayDO zu entscheiden hat (nach Art. 29 Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs eines Bayer. Disziplinargesetzes kann der Vorsitzende des Verwaltungsgerichts auf Antrag durch Beschluss Beschlagnahmen und Durchsuchungen anordnen). Es mag zwar sein, dass aus diesem Grund die Herbeiführung einer Entscheidung der Disziplinarkammer mit einem größeren organisatorischen und zeitlichen Aufwand verbunden ist. Allein der abstrakte Hinweis auf diese zeitliche Komponente vermag aber nicht die Annahme einer Gefahr im Verzug zu begründen und macht jedenfalls den zu dokumentierenden Versuch, kurzfristig eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, nicht entbehrlich. Das gilt um so mehr, als in Anbetracht der verfassungsgerichtlichen Verpflichtung der (Straf-)Gerichte, die Erreichbarkeit des Ermittlungsrichters, beispielsweise durch die Einrichtung eines Eil- oder Notdienstes, zu sichern (BVerfG vom 20.2.2001, a.a.O., S. 156), auch die Verwaltungsgerichte in Bezug auf die dort bestehenden Disziplinarkammern gehalten sind, durch organisatorische Vorkehrungen die Möglichkeit zu schaffen, die zuständigen ehrenamtlichen Richter - jedenfalls während der üblichen Parteiverkehrszeiten - in kürzestmöglicher Zeit zu erreichen und ihre kurzfristige Verfügbarkeit für die Beratung und Entscheidung über eilbedürftige Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen schnell abzuklären. Die Antragsgegnerin hat weder dokumentiert, dass unter den gegebenen Umständen allein der Versuch, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, zu einer den angestrebten Ermittlungserfolg konkret gefährdenden Zeitverzögerung geführt hätte, noch dass sie den Versuch unternommen hat, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Dafür hat sich auch sonst nichts ergeben.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (Weigert, BayDO, 2. Aufl. 1998, RdNr. 15 zu Art. 106).

3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (Art. 79 BayDO).



Ende der Entscheidung

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