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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 15.09.2009
Aktenzeichen: 19 BV 09.1446
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AufenthG § 81 Abs. 3 Satz 1
1. Rechtmäßig im Sinne des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG hält sich ab Antragstellung auch derjenige Ausländer im Bundesgebiet auf, der - obwohl zunächst illegal eingereist - den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aufgrund von §§ 81 Abs. 2 Satz 1, 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 39 AufenthV nunmehr im Bundesgebiet stellen darf.

2. Die Berechnung des rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG richtet sich nach Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. §§ 187 Abs. 2 Satz 1, 188 Abs. 2 Alternative 2 BGB.

3. § 31 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz AufenthG nennt als schutzwürdigen Belang ausdrücklich auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Gemeinschaft lebenden Kindes. Dieses wird nicht nur bei Misshandlungen und Demütigungen beeinträchtigt, sondern auch dann, wenn eine weitgehende Integration des Kindes in die deutsche Gesellschaft sowie dessen schulische Entwicklung eine Aufenthaltsbeendigung als unzumutbar erscheinen lassen.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

In der Verwaltungsstreitsache

19 BV 09.1446

Im Namen des Volkes

wegen Ausländerrechts,

hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 7. April 2009,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 19. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Krodel, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kögler, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Mayer

ohne mündliche Verhandlung am 15. September 2009 folgendes

Urteil:

Tenor: I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 7. April 2009 und die Bescheide der Beklagten vom 8. August 2008 (EP/2-2 Hein AE-Nr.1379/2289 und EP/2-2 Hein AE-Nr. 1380/2290) werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern zu 1 und 2 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen bzw. diese zu verlängern.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 19** geborene Klägerin zu 1 und ihr Sohn aus früherer Ehe, der am ** ****** 19** in Nürnberg geborene Kläger zu 2, sind serbische Staatsangehörige; sie begehren die Erteilung bzw. Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis.

Nachdem sich die Klägerin zu 1 bereits von 1996 bis Mai 2003 und der Kläger zu 2 seit seiner Geburt bis zur gemeinsamen Ausreise mit seiner Mutter geduldet im Bundesgebiet aufhielten, ehelichte die Klägerin zu 1 am 20. Juni 2003 in Serbien einen deutschen Staatsangehörigen. Ende des Jahres 2004 reiste sie zusammen mit dem Kläger zu 2 erneut in das Bundesgebiet ein, allerdings ohne ein entsprechendes Visum zu besitzen. In der Folgezeit erhielten beide jeweils befristete Duldungen.

Nachdem die Eheschließung am 10. März 2005 von den deutschen Behörden anerkannt und in das Familienstammbuch aufgenommen wurde, ließ die Klägerin zu 1 mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 22. März 2005, bei der Beklagten per Telefax eingegangen am selben Tage, beantragen, ihr im Hinblick auf die Eheschließung eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Mit Schreiben vom 23. März 2005 teilte die Beklagte der Klägerin zu 1 hierzu Folgendes mit:

"(N)achdem nun die Eheschlie(ß)ung zum 10.3.2005 im Bundesgebiet wiederholt bzw. anerkannt wurde, ist nun ein(e) Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entstanden. Bezugnehmend auf die unerlaubte Einreise ist hier nun auch § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG anwendbar."

Ein entsprechend ausgefüllter Formblattantrag ging bei der Ausländerbehörde am 31. März 2005 ein. Die Klägerin zu 1 erhielt daraufhin noch am selben Tage eine bis zum 30. März 2006 befristete Aufenthaltserlaubnis, die auf Antrag vom 16. März 2006 bis zum 30. März 2008 verlängert wurde. Der Kläger zu 2 erhielt auf Antrag vom 11. April 2005 im Hinblick auf die Aufenthaltserlaubnis seiner Mutter eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 32 Abs. 3 AufenthG. Diese war zunächst bis zum 30. März 2006 befristet. Auf weiteren Antrag vom 16. März 2006 und vom 2. April 2007 wurde sie jeweils bis zum 6. April 2007 bzw. 30. März 2008 verlängert.

Am 12. Februar 2008 beantragten die Klägerin zu 1 und am 14. Februar 2008 auch der Kläger zu 2 erneut die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Zur Begründung führte die Klägerin zu 1 aus, der Aufenthaltszweck habe sich geändert; sie lebe seit dem 30. März 2007 von ihrem deutschen Ehemann getrennt und beantrage deshalb ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Der hierzu befragte Ehemann teilte der Beklagten mit handschriftlicher Erklärung vom 26. März 2008 mit, er habe am 1. April 2007 die Wohnung seiner Ehefrau verlassen und lebe seit dem getrennt. Aus einer von der Ausländerbehörde beim Einwohnermeldeamt angeforderten Getrenntlebend-Bescheinigung geht hervor, dass der Ehemann dort am 4. April 2007 eine handschriftlich unterschriebene Erklärung abgegeben hat, die als Datum der Trennung den 30. März 2007 ausweist. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 29. April 2008 ließ die Klägerin zu 1 erneut beantragen, ihr im Hinblick auf die Erklärung ihres Ehemannes, wonach die Trennung am 1. April 2007 erfolgt sei, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Mit Bescheiden vom 8. August 2008 lehnte die Beklagte die Anträge der Kläger auf Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels ab (Ziff. I). Gleichzeitig wurde unter Fristsetzung die Abschiebung nach Serbien oder in einen anderen aufnahmebereiten oder aufnahmeverpflichteten Staat angedroht (Ziff. II und III). Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 1 sei nicht gegeben. Die Ehe habe nicht rechtmäßig zwei Jahre im Bundesgebiet bestanden. Eine rechtmäßige Eheführung ergebe sich nur vom 31. März 2005 bis zum 29. März 2007. Der 30. März 2007 sei nicht hinzuzurechnen, da an diesem Tag die Trennung stattgefunden habe. Auch für den Kläger zu 2 komme die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht in Frage. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 AufenthG seien nicht mehr gegeben.

Hiergegen ließen die Kläger mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 12. September 2008 Klage erheben. Gleichzeitig beantragten sie deren aufschiebende Wirkung anzuordnen. Die Trennung habe erst am 1. April 2007 stattgefunden. An diesem Tag sei der Ehemann aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Der Nachbar könne bezeugen, dass der Umzug am 1. April 2007 stattgefunden habe. Der in Nürnberg geborene Kläger zu 2 habe lediglich als Kleinkind für knapp ein Jahr in Serbien gelebt. Er spreche fließend deutsch und könne nicht richtig serbisch sprechen und auch nicht kyrillisch schreiben. Er besuche die 4. Grundschulklasse und dürfe in seiner Entwicklung nicht gestört werden. Die Beklagte trat dem entgegen.

Mit Beschluss vom 11. Dezember 2008 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag der Kläger auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde ordnete der Senat mit Beschluss vom 17. Februar 2009 - 19 CS 09.95 - die aufschiebende Wirkung der Klage an. Hinsichtlich der Gründe wird auf den Inhalt des Beschlusses verwiesen.

Mit Urteil vom 7. April 2009 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet ab. Die Klägerin zu 1 habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Die eheliche Lebensgemeinschaft habe nicht mindestens zwei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden. Begonnen habe die Lebensgemeinschaft erst mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 31. März 2005. Vorher sei der Aufenthalt der Klägerin zu 1 aufgrund der illegalen Einreise unrechtmäßig gewesen. Der Antrag vom 22. März 2005 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe deshalb die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht auslösen können. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Schreiben der Ausländerbehörde vom 23. März 2005. Darin sei der Klägerin lediglich mitgeteilt worden, dass bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der legalen Einreise gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werde. Hinsichtlich der Frage, ob der Aufenthalt bis zur Erteilung des Aufenthaltstitels rechtmäßig oder rechtswidrig gewesen sei, wohne dieser Erklärung ein rechtsgestaltender Gehalt nicht inne. Vielmehr beurteile sich diese Frage allein nach dem Gesetz.

Nach den übereinstimmenden anfänglichen Erklärungen der Klägerin zu 1 vom 12. Februar 2008 und des Ehemannes gegenüber dem Einwohnermeldeamt vom 4. April 2007 sei von einem Trennungszeitpunkt 30. März 2007 auszugehen. Die später abgegebenen Erklärungen über den Trennungszeitpunkt 1. April 2007 könnten nicht überzeugen. Vielmehr dränge sich auf, dass der ursprünglich angegebene Trennungszeitpunkt nachträglich an den in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG geforderten Zeitraum für das Entstehen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts angepasst worden sei. Die Kammer sehe auch keinerlei Anlass, den Nachbarn der Klägerin als Zeugen zu vernehmen. Das Umzugsdatum lasse keinerlei Rückschlüsse auf die Frage zu, wann die eheliche Lebensgemeinschaft geendet habe.

Entgegen der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 17. Februar 2009 - 19 CS 09.95 - richte sich der Fristbeginn für das rechtmäßige Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft dem Grundsatz der Zivilkomputation folgend nach § 187 Abs. 1 BGB. Bei der Fristberechnung sei deshalb der Tag der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht einzurechnen. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis falle immer in den Lauf des Tages (§ 187 Abs. 1 BGB) und liege damit nicht an dessen Beginn (§ 187 Abs. 2 BGB). Die Frist für die Berechnung der zweijährigen rechtmäßigen ehelichen Lebensgemeinschaft habe damit am 1. April 2005 begonnen und gemäß § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 31. März 2007 geendet. Da sich die Ehegatten jedoch nach Überzeugung der Kammer bereits am 30. März 2007 getrennt hätten, seien die zeitlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt.

Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht stehe der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 31 Abs. 2 AufenthG zu. Eine besondere Härte im Sinne dieser Vorschrift liege auch unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers zu 2 nicht vor. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der erst zehn Jahre alte Kläger bereits so in das hiesige Leben integriert sei, dass ein Neuanfang im Heimatland seine Entwicklung nachhaltig stören würde. Nachdem die Klägerin zu 1 nicht mehr über eine Aufenthaltserlaubnis verfüge, lägen die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 AufenthG nicht mehr vor.

Gleichzeitig ließ das Verwaltungsgericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu. Es stelle sich die klärungsbedürftige Frage, ob sich bei der Berechnung der Frist des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG der Fristbeginn nach § 187 Abs. 1 oder § 187 Abs. 2 BGB richte. Zum anderen weiche das Urteil auch von der im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Februar 2009 - 19 CS 09.95 - zum Ausdruck kommenden Rechtsprechung ab (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).

Mit Schreiben vom 15. Juni 2009 haben die Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berufung eingelegt. Zur Begründung lässt die Klägerin zu 1 mit Schriftsatz vom 13. Juli 2009 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Februar 2009 - 19 CS 09.95 - näher ausführen, ihr stehe ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu. Dessen ungeachtet seien auch die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 AufenthG gegeben. Der Kläger zu 2 habe deshalb Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis gemäß § 32 Abs. 3 AufenthG. Das angefochtene Urteil weiche vom Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Februar 2009 - 19 CS 09.95 - zu Unrecht ab.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. April 2009 und die Bescheide der Beklagten vom 8. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen bzw. diese zu verlängern.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie in ihrer Erwiderung vom 19. August 2009 vollumfänglich auf die von ihr als zutreffend angesehenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG seien nicht erfüllt. Entscheidender Zeitpunkt für den Beginn der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts sei der der Erteilung des Aufenthaltstitels. Der bloße Hinweis auf die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Schreiben der Ausländerbehörde vom 23. März 2005 könne eine Legalisierung des Aufenthalts vor Erteilung der Erlaubnis nicht bewirken. Nach den vom Verwaltungsgericht zu Recht für zutreffend erachteten Angaben der Klägerin vom 12. Februar 2008 und ihres Ehemannes vom 4. April 2007 lebten beide seit dem 30. März 2007 getrennt. Die später abgegebenen Erklärungen über den Trennungszeitpunkt 1. April 2007 überzeugten nicht, da nicht substantiiert dargelegt worden sei, warum die ursprünglichen Angaben unzutreffend sein sollten. Ausgehend von den Daten 31. März 2005 und 30. März 2007 seien die zeitlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht gegeben. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels stelle ein bestimmtes Ereignis im Sinne des § 187 Abs. 1 BGB dar. Der Zeitpunkt der Erteilung falle in den Lauf eines Tages. Der Tag, in welchen das Ereignis falle, werde bei der Berechnung der Frist nach § 187 Abs. 1 BGB nicht mitgerechnet. Somit habe die Frist am 1. April 2005 begonnen und gemäß § 188 Abs. 2 1. Alternative BGB mit Ablauf des 31. März 2007 geendet. Da die Eheleute jedoch bereits seit dem 30. März 2007 getrennt lebten, habe die eheliche Lebensgemeinschaft nicht rechtmäßig zwei Jahre im Bundesgebiet bestanden. Im Übrigen ergebe sich auch für den Fall einer Fristberechnung nach §§ 187 Abs. 2 Satz 1, 188 Abs. 2 2. Alternative BGB kein anderes Ergebnis. Entsprechend den ursprünglichen Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes sei die Trennung am 30. März 2007 erfolgt. Dieser Tag müsse deshalb bereits als erster Tag des Getrenntlebens betrachtet werden. Letzter Tag der ehelichen Lebensgemeinschaft sei somit der 29. März 2007 gewesen, so dass es auch bei einem Fristbeginn am 30. März 2005 an einer Erfüllung des Zwei-Jahres-Zeitraums fehle.

Ebenso wenig stehe der Klägerin zu 1 ein eigenständiges Aufenthaltsrecht aus § 31 Abs. 2 AufenthG zu. Es sei mit einwanderungspolitischen Interessen nicht zu vereinbaren, wenn ein minderjähriges Kind dem nachgezogenen Ehegatten allein aufgrund des Besuchs der Grundschule ein Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 2 AufenthG vermitteln könne. Da die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 AufenthG nicht mehr vorlägen, sei auch eine Verlängerung des Aufenthaltstitels des Klägers zu 2 zu Recht abgelehnt worden.

Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich mit Schreiben vom 18. August 2009 als Vertreterin des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligt; sie vertritt die Auffassung, dass die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen sei, allerdings ohne einen entsprechenden Antrag zu stellen. Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft keine zwei Jahre im Bundesgebiet bestanden habe und sich der Fristbeginn gemäß Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG nach § 187 Abs. 1 BGB richte. Das verfahrensgegenständliche Urteil des Verwaltungsgerichts weiche insoweit zu Recht von der im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Februar 2009 - 19 CS 09.95 - zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung ab.

Ergänzend wird Bezug genommen auf den gesamten Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat den Klagen zu Unrecht nicht stattgegeben. Der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 steht ein Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung des begehrten Aufenthaltstitels zu. Die Ablehnungsbescheide der Beklagten vom 8. August 2008 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Klägerin zu 1 hat Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor. Die eheliche Lebensgemeinschaft der Klägerin hat entgegen der Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden.

a) Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis unabhängig von dem in § 27 Abs. 1 AufenthG bezeichneten Zweck nach einem zweijährigen rechtmäßigen Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft befristet verlängert. Der Begriff "rechtmäßig" bezieht sich dabei nicht auf die Ehe als solche, sondern knüpft an die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beider Ehepartner im Bundesgebiet an (vgl. VGH BW, Beschluss vom 27.11.2001 - 11 S 541/01 -, InfAuslR 2002, 183 [185]; OVG Sachsen, Beschluss vom 18.11.2003 - 3 BS 430/02 -, AuAS 2004, 108). Der ausländische Ehepartner eines deutschen Staatsangehörigen muss sich daher während des in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorgeschriebenen Zeitraums von zwei Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder einer auf einem entsprechenden Antrag beruhenden Erlaubnis- oder Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 bzw. Abs. 4 AufenthG befunden haben (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1.2.2000 - 18 B 1120/99 -, InfAuslR 2000, 279 [281]; VGH BW, Beschluss vom 27.11.2001 - 11 S 541/01 -, InfAuslR 2002, 183 [185] zum früheren § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG; Marx, in: GK-AufenthG, Stand: Juni 2008, § 31 RdNr. 88; HK-AuslR/Müller, 2008, RdNr. 14 zu § 31 AufenthG). Anrechenbar ist darüber hinaus auch die mit einem Visum verbrachte Aufenthaltszeit im Bundesgebiet, sofern dem ausländischen Ehepartner im Anschluss daran eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde (vgl. VGH BW, Urteil vom 27.9.2000 - 13 S 89/00 -, InfAuslR 2001, 161 [162]; HK-AuslR/Müller, 2008, RdNr. 14 zu § 31 AufenthG).

Gleiches hat nach Auffassung des Senats auch dann zu gelten, wenn dem Antragsteller von der Ausländerbehörde schriftlich mitgeteilt wurde, dass aufgrund der Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen nunmehr ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entstanden sei und ihm die unerlaubte Einreise in Anwendung von § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht mehr entgegengehalten werde. Auch in einem solchen Fall ist die ab Zugang der Erklärung im Bundesgebiet verbrachte Aufenthaltszeit auf die Frist des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG anzurechnen. Die Rechtslage kann insoweit nicht anders beurteilt werden, wie wenn der Antragsteller am selben Tage aufgrund eines gültigen Visums in das Bundesgebiet eingereist wäre und daran anschließend eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätte. In beiden Fällen ist gleichermaßen von der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes im Sinne der Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auszugehen (vgl. auch bereits Beschluss des Senats vom 17.2.2009 - 19 CS 09.95 - juris).

Nicht anders verhält es sich dann, wenn der Ausländer, etwa aufgrund nachträglich veränderter Umstände, beispielsweise einer Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen oder aufenthaltsberechtigten ausländischen Mitbürger, die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet beantragen darf (§ 39 Nr. 5 AufenthV). Auch in diesen Fällen kommt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zum Tragen mit der Folge, dass sich der Antragsteller bis zur behördlichen Entscheidung über sein Gesuch nicht mehr illegal im Bundesgebiet aufhält (vgl. HK-AuslR/Hofmann, 2008, RdNr. 22 zu § 81 AufenthG). Zeiten einer Duldung oder einer Bescheinigung nach § 60a Abs. 4 AufenthG außerhalb der soeben beschriebenen Fiktions- und Vorwirkungszeiten können hingegen nicht berücksichtigt werden (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 18.11.2003 - 3 BS 430/02 -, AuAS 2004, 108; Marx, in: GK-AufenthG, Stand: Juni 2008, § 31 RdNr. 86; HK-AuslR/Müller, 2008, RdNr. 14 zu § 31 AufenthG).

b) Gemessen an diesem Maßstab gehen sowohl die Beklagte als auch das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon aus, dass die Klägerin zu 1 sich hinsichtlich der mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 22. März 2005 beantragten Aufenthaltserlaubnis auf die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht berufen darf, weil sie ohne Visum und damit illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und sich deshalb bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 31. März 2005 nicht rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe.

Es trifft zwar zu, dass sich die Klägerin zu 1 vor dem 22. März 2005 lediglich auf der Grundlage einer Duldung im Bundesgebiet aufgehalten hat, was nach den oben beschriebenen Anforderungen grundsätzlich nicht genügt. Sowohl die Beklagte als auch das Verwaltungsgericht lassen bei ihren Erwägungen jedoch das Schreiben der Ausländerbehörde an den Bevollmächtigten der Klägerin zu 1 vom 23. März 2005 unberücksichtigt, in dem ausdrücklich festgestellt wird, dass nachdem die Eheschließung zum 10. März 2005 im Bundesgebiet wiederholt bzw. anerkannt worden sei, nunmehr ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG entstanden sei und hinsichtlich der unerlaubten Einreise nun auch § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zur Anwendung komme.

Der Erklärungsinhalt dieses Schreibens kann bei sinnorientierter Auslegung aus objektiver Empfängersicht nur dahin verstanden werden, dass die Ausländerbehörde der Klägerin zu 1 die unerlaubte Einreise ohne das erforderliche Visum nicht mehr entgegenhält. Der im besagten Schreiben zitierte § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sieht ausdrücklich vor, dass vom Visumszwang abgesehen werden kann, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumsverfahren nachzuholen. Diesen Tatbestand hat die Ausländerbehörde im Fall der Klägerin zu 1 offensichtlich als erfüllt angesehen. Damit steht aber zugleich auch fest, dass deren Aufenthalt aufgrund der wirksamen Antragstellung vom 22. März 2005 spätestens ab dem 23. März 2005 nicht mehr als unrechtmäßig angesehen werden darf. Die Ausländerbehörde kann nicht einerseits erklären, sie sehe vom Erfordernis des Visumverfahrens - also der Einholung eines Aufenthaltstitels vor Einreise - ab, den Aufenthalt des Betroffenen jedoch andererseits mangels Einreise mit einem solchen auch weiterhin gleichwohl als illegal betrachten. Mithin liegen ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für den Eintritt der Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vor, so dass der Zeitraum vom 23. März 2005 bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 31. März 2005 auf die Dauer des rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG anzurechnen ist. Die Rechtslage kann insoweit nicht anders beurteilt werden, wie wenn die Klägerin zu 1 am 23. März 2005 mit einem gültigen Visum in das Bundesgebiet eingereist wäre und aufgrund ihres bereits zuvor am 22. März 2005 gestellten Antrages am 31. März 2005 eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätte. Für eine solche Fallkonstellation hat die Rechtsprechung die Anrechnung ausdrücklich anerkannt (vgl. VGH BW, Urteil vom 27.9.2000 - 13 S 89/00 -, InfAuslR 2001, 161 [162]; HK-AuslR/Müller, 2008, RdNr. 14 zu § 31 AufenthG). Unter Berücksichtigung der Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG hat die eheliche Lebensgemeinschaft der Klägerin zu 1 bis zu ihrem Ende am 30. März 2007 bzw. 1. April 2007 mithin sogar mehr als zwei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden, so dass die Anspruchsvoraussetzungen für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 1 erfüllt sind, ohne dass es insoweit auf die genaue Feststellung des Trennungszeitpunkts - 30. März oder 1. April 2007 - ankommt.

Soweit die Beklagte und das Verwaltungsgericht demgegenüber gleichwohl die Ansicht vertreten, der Aufenthalt der Klägerin zu 1 sei aufgrund der illegalen Einreise unrechtmäßig gewesen, weshalb die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht zum Tragen komme, verkennen sie, dass die Klägerin nach der am 10. März 2005 im Bundesgebiet anerkannten Eheschließung aufgrund ihres nach § 60a AufenthG geduldeten Aufenthalts gemäß § 39 Nr. 5 AufenthV ausdrücklich berechtigt war, den Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einzuholen, sie also ein Visum nicht nur wegen der Erklärung der Ausländerbehörde vom 23. März 2005 - § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sei nunmehr anwendbar -, sondern auch wegen der in § 39 Nr. 5 AufenthV getroffenen Regelung nicht mehr benötigte. Der in § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG angeordnete Visumszwang kommt aus gesetzessystematischen Gründen nicht zum Tragen, soweit der Ausländer gemäß §§ 39 bis 41 AufenthV den Aufenthaltstitel nach der Einreise einholen darf (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.12.2007 - 18 B 1535/07 -, InfAuslR 2008, 129 f.; VGH BW, Beschluss vom 5.3.2008 - 11 S 378/08 -, VBl BW 2008, 353 [355]; BayVGH, Beschluss vom 18.5.2009 - 19 CS 09.853 -, AuAS 2009, 147 [148]). § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG bestimmt zwar im Grundsatz, dass für längerfristige Aufenthalte im Bundesgebiet ein nationales Visum erforderlich ist, welches vor der Einreise eingeholt werden muss. Der Gesetzgeber hat aber den Verordnungsgeber in § 99 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 AufenthG ausdrücklich ermächtigt, von diesem Erfordernis abzusehen. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber in § 39 Nr. 5 AufenthV Gebrauch gemacht. Die fehlende Erfüllung der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG steht damit einem Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht entgegen.

Aus diesem Grunde besteht auch keinerlei Anlass, der Antragstellung der Klägerin, die hier bereits mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 22. März 2005 erfolgt ist, die Wirkungen der Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zu versagen. Fälle des rechtmäßigen Aufenthalts sind all diejenigen Fälle, in denen der Ausländer mit seinem Aufenthalt nicht gegen eine Rechtsvorschrift verstößt. Hiervon werden vor allem die in §§ 39 bis 41 AufenthV geregelten Sachverhalte erfasst (vgl. Maor, in: Kluth/Hund/Maaßen [Hrsg.], Zuwanderungsrecht, 2008, § 4 RdNr. 83). Der unter der Geltung des früheren § 69 AuslG bestehende Streit, ob die Einreise ohne das erforderliche Visum unerlaubt ist und deshalb keine Erlaubnisfiktion begründet, ist nach geltendem Recht überholt. § 81 Abs. 3 AufenthG unterscheidet nur noch danach, ob der Antrag rechtzeitig oder verspätet gestellt worden ist. Erfasst werden insbesondere die Fälle des § 81 Abs. 2 AufenthG (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 96), also jene Sachverhalte, in denen ein Aufenthaltstitel nach der Maßgabe der Verordnungsermächtigung des § 99 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 AufenthG gemäß § 39 AufenthV nach der Einreise eingeholt werden kann. Der Gesetzgeber will, dass allen Antragstellern, die ohne Visum eingereist sind, und den Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels im Bundesgebiet stellen dürfen, unabhängig von ihren subjektiven Vorstellungen bei der Einreise hinsichtlich ihres weiteren Aufenthalts, die Erlaubnisfiktion zugute kommt. Hinter der Fiktionswirkung steht die Grundidee, dass es zwar die Angelegenheit des Ausländers ist, durch einen Antrag für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu sorgen (§ 81 Abs. 1 AufenthG), hingegen nach der Antragstellung die Art und Weise und die Zügigkeit der Sachbehandlung in der Hand der Ausländerbehörde liegt. Dadurch, dass die Antragsbearbeitung Zeit in Anspruch nimmt, soll der Ausländer grundsätzlich keine Verschlechterung seines Aufenthaltsstatus hinnehmen müssen (vgl. Maor, in: Kluth/Hund/Maaßen [Hrsg.], Zuwanderungsrecht, 2008, § 4 RdNr. 70). Letzteres wäre jedoch der Fall, würde man dem Antragsteller die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG alleine aufgrund der ursprünglich unerlaubten Einreise versagen, obwohl der Gesetzgeber selbst in §§ 81 Abs. 2 Satz 1, 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 39 Nr. 5 AufenthV die in § 6 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG dem Grundsatz nach angeordnete Visumspflicht für den Fall aufgehoben hat, dass der im Bundesgebiet geduldete Ausländer mit einem deutschen Staatsangehörigen oder einem aufenthaltsberechtigten Ausländer im Bundesgebiet die Ehe schließt und er deshalb einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Rechtmäßig im Sinne des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG hält sich deshalb ab Antragstellung auch derjenige Ausländer im Bundesgebiet auf, der - obwohl zunächst illegal eingereist - den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aufgrund von §§ 81 Abs. 2 Satz 1, 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 39 AufenthV nunmehr im Bundesgebiet stellen darf (vgl. HK-AuslR/Hofmann, 2008, RdNr. 22 zu § 81 AufenthG). Es entbehrte jeden sachlich rechtfertigenden Grundes, dem Antragsteller die unerlaubte Einreise auch dann noch entgegenzuhalten, wenn die Sperrwirkung des Visumszwangs bereits kraft gesetzlicher Anordnung beseitigt ist. Hierfür wäre - ungeachtet des Umstandes, dass dies nach den Intentionen des Gesetzgebers ausdrücklich untersagt ist (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 96) - auch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Willkürverbots kein Raum. Die hiervon abweichenden Auffassungen der Beklagten und des Verwaltungsgerichts sind ohne Grundlage.

c) Dessen ungeachtet ist die Frist des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG - freilich ohne dass es vorliegend mit der vom Verwaltungsgericht angenommenen Prämisse grundsätzlicher Bedeutung überhaupt darauf ankommen würde - auch dann eingehalten, wenn man davon ausgeht, der rechtmäßige Aufenthalt der Klägerin zu 1 habe erst unmittelbar mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 31. März 2005 begonnen.

Gemäß Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG finden für die Berechnung von Fristen die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechende Anwendung. Hinsichtlich des Fristbeginns unterscheidet § 187 BGB zwischen solchen Fristen, für deren Anfang ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt entscheidend ist (§ 187 Abs. 1 BGB) und solchen, für deren Anfang der Beginn eines Tages maßgebend ist (§ 187 Abs. 2 Satz 1 BGB). Im Fall des § 187 Abs. 1 BGB wird der Tag, in welchen das Ereignis fällt, bei der Berechnung der Frist nicht mitgerechnet, im Fall des § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB (sog. "Ablauffrist") verhält es sich hingegen gerade entgegengesetzt. Beide Fallgruppen - § 187 Abs. 1 BGB und § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB - stehen gleichwertig nebeneinander, sie verhalten sich insbesondere nicht im Verhältnis von Regel und Ausnahme (so ausdrückl. Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 6.7.1972 - GmS-OGB 2/71 -, NJW 1972, 2035). Der vom Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung herangezogene, in § 187 Abs. 1 BGB verortete Grundsatz der Zivilkomputation gibt daher zur Klärung der Frage, ob sich die Berechnung der Frist des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nach § 187 Abs. 1 BGB oder § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB richtet, nichts her. Wie sich die Frist berechnet, ist vielmehr entscheidend der die Frist im Einzelfall bestimmenden Vorschrift - § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG - zu entnehmen, die daraufhin zu überprüfen ist, ob sie den Fristbeginn an ein bestimmtes Ereignis oder an einen in den Lauf eines Tages fallenden Zeitpunkt knüpft oder ob sie den Fristenlauf in anderer Weise regelt (vgl. Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 6.7.1972 - GmS-OGB 2/71 -, NJW 1972, 2035).

Vorliegend fehlt es an einer im Gesetz vorgenommenen Anknüpfung des Fristbeginns an ein bestimmtes Ereignis oder an einen in den Lauf eines Tages fallenden Zeitpunkt. In Betracht käme allenfalls eine Anknüpfung an die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis als tatsächlicher Vorgang. Jedoch lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, dass der der rechtmäßigen Ehebestandsdauer im Bundesgebiet - jedenfalls nach der Prämisse des Verwaltungsgerichts - logisch vorausgehende Akt der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für den Beginn der Frist als ein in den Lauf des Tages fallendes Ereignis maßgeblich sein soll. Vielmehr entspricht es dem in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, die rechtmäßige Ehebestandsdauer im Bundesgebiet bereits mit dem Beginn des Tages, an dem die Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, ins Werk zu setzen, ohne dass es darauf ankommt, wann der den Zustand der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts herbeiführende Vorgang - die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis - tatsächlich stattgefunden hat. So ist etwa im Arbeitsrecht anerkannt, dass der erste Arbeitstag in die Berechnung des Ablaufs einer vertraglich vereinbarten Probezeit - dieser Sachverhalt dürfte dem hier vorliegenden am nächsten kommen - voll einzubeziehen ist, auch wenn der schriftliche Arbeitsvertrag erst am Tage der Arbeitsaufnahme nach Arbeitsbeginn unterzeichnet wird (vgl. BAG, Urteil vom 27.6.2002 - 2 AZR 382/01 -, NJW 2003, 1828 [1829]). Ebenso ist bei der Berechnung der einmonatigen Auslegungsdauer eines Bebauungsplanes nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB der erste Tag der Auslegung mitzuzählen (vgl. Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 6.7.1972 - GmS-OGB 2/71 -, NJW 1972, 2035 f.). Schließlich gelten auch Gesetze, die am Tag der Verkündung in Kraft treten, bereits vom Beginn dieses Tages an (vgl. bereits RGZ 91, 339 [340]). Auch im vorliegenden Falle drängt es sich deshalb auf, den ersten Tag des rechtmäßigen Aufenthalts bei der Berechnung der Frist des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG mit zu berücksichtigen.

Gemäß § 188 Abs. 2 Alternative 2 BGB hat diese Einordnung zur Folge, dass die Frist des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG mit dem Ablauf desjenigen Tages endet, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. Die Mindestbestandszeit des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG hat deshalb vorliegend nicht am 31. März 2007 - wie das Verwaltungsgericht nach wie vor meint -, sondern bereits am 30. März 2007 geendet. Bis zu diesem Tage hat die eheliche Lebensgemeinschaft der Klägerin zu 1 jedoch nach den übereinstimmenden Angaben der Ehegatten vom 12. Februar 2008 und vom 4. April 2007 noch bestanden. Soweit die Beklagte in der Erwiderung vom 19. August 2009 erneut die Behauptung aufstellt, der letzte Tag der ehelichen Lebensgemeinschaft sei entgegen den übereinstimmenden Erklärungen der Ehegatten bereits der 29. März 2007 gewesen, verkennt sie, dass der Nachweis für ein vorzeitiges Ende der familiären Lebensgemeinschaft der Ausländerbehörde obliegt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 15.2.2002 - 2 M 98/01 -, AuAS 2002, 98 [99]). Anhaltspunkte dafür, dass die eheliche Lebensgemeinschaft der Klägerin zu 1 und ihres Ehegatten nicht auch noch am 30. März 2007 bestanden hat, sind nicht ersichtlich. Danach stünde der Klägerin zu 1 auch dann ein Aufenthaltsrecht aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu, wenn man mit dem Verwaltungsgericht entgegen der oben dargelegten Gesetzeslage davon ausgeht, dass die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts erst mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 31. März 2005 zu laufen begonnen hat.

2. Dessen ungeachtet steht der Klägerin zu 1 auch ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 2 AufenthG zu.

a) § 31 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz AufenthG nennt als schutzwürdigen Belang ausdrücklich auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Gemeinschaft lebenden Kindes. Dieses wird nicht nur bei Misshandlungen und Demütigungen beeinträchtigt, sondern auch dann, wenn eine weitgehende Integration des Kindes in die deutsche Gesellschaft sowie dessen schulische Entwicklung eine Aufenthaltsbeendigung als unzumutbar erscheinen lassen (vgl. Laubach, NVwZ 2000, 1388 [1389]; Marx, in: GK-AufenthG, Stand: Juni 2008, § 31 RdNr. 195).

b) Die weitgehende schulische Integration des Klägers zu 2 begründet vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten durchaus eine besondere Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die es als unzumutbar erscheinen lässt, die Klägerin zu 1 zur Rückkehr in ihr Heimatland zu zwingen. Der Bevollmächtigte der Klägerin zu 1 hat insoweit unwidersprochen geltend gemacht, dass der in der Bundesrepublik Deutschland geborene Kläger zu 2 gegenwärtig die 4. Grundschulklasse besucht und in seiner Entwicklung nachhaltig gestört würde, wenn er das Bundesgebiet gemeinsam mit der Klägerin zu 1 verlassen müsste, zumal er weder kyrillisch lesen noch schreiben könne. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1 in der Bundesrepublik Deutschland seit Jahren vollschichtig in der Alten- und Krankenpflege arbeitet und sowohl den Lebensunterhalt des Klägers zu 2 als auch ihren eigenen aus eigener Erwerbstätigkeit bestreitet, ohne öffentliche Leistungen in Anspruch zu nehmen.

c) Soweit die Beklagte dem entgegenhält, es sei mit der Systematik des Aufenthaltsgesetzes und einwanderungspolitischen Interessen nicht zu vereinbaren, wenn ein minderjähriges Kind dem nachgezogenen Ehegatten allein durch seine schulische Integration ein Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 2 AufenthG mit der Folge eines daran anknüpfenden eigenen Aufenthaltsrechts vermitteln könne, verkennt sie, dass das Aufenthaltsgesetz nicht nur der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland dient (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), sondern zugleich auch Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und der arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht und gestaltet (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AufenthG).

3. Da der Klägerin zu 1 ein eigenständiges Aufenthaltsrecht sowohl nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als auch nach § 31 Abs. 2 AufenthG zusteht, liegen im Fall des Klägers zu 2 die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 AufenthG weiter vor. Die Bescheide der Beklagten vom 8. August 2008 sind infolgedessen rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Beklagte war deshalb unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts und der ablehnenden Bescheide vom 8. August 2008 zu verpflichten, den Klägern die begehrten Aufenthaltstitel zu erteilen bzw. zu verlängern. Ein Ermessen steht der Beklagten insoweit nicht zu.

4. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterlegener Teil hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

6. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an einer deutschen Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u.a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,-- Euro festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).



Ende der Entscheidung

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