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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 26.04.2005
Aktenzeichen: 2 B 01.1991
Rechtsgebiete: BSHG, AGBSHG Rheinland-Pfalz, Sozialaufgabensatzung des Westerwaldkreises


Vorschriften:

BSHG § 107
AGBSHG Rheinland-Pfalz
Sozialaufgabensatzung des Westerwaldkreises
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 B 01.1991

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sozialhilfe;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Juni 2001,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Werner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

ohne mündliche Verhandlung am 26. April 2005

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Juni 2001 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Erstattung von Aufwendungen in Anspruch, die ihm in der Zeit vom 18. März 1996 bis zum 17. März 1998 für die Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe für die Hilfeempfänger Cerime, Drita, Shqipe, Sami, Zen, Bashkim, Driton und Zemrie S. entstanden sind.

Mit Schreiben vom 4. April 1996 teilte die für den Kläger tätig gewordene Verbandsgemeindeverwaltung Westerburg dem Landratsamt Main/Spessart mit, dass der Hilfeempfänger Gani S. am 18. März 1996 von A. in ihren Zuständigkeitsbereich gezogen sei und seither Sozialhilfeleistungen erhalte. Der Kostenerstattungsanspruch werde angemeldet und um Kostenzusage gebeten. Der Beklagte lehnte die Kostenerstattung (zunächst) ab.

Am 7. Dezember 1999 erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, die in der Zeit vom 18. März 1996 bis 17. März 1998 an die Familie Gani, Cerime, Drita, Shqipe, Sami, Zen, Bashkim, Driton und Zemrie S. gezahlte Sozialhilfe in Höhe von 72.637,83 DM zu erstatten.

Der Beklagte sicherte für den Hilfeempfänger Gani S. Kostenerstattung zu. Für die übrigen Familienmitglieder lehnte er die Kostenerstattung ab, weil ihm erst am 26. November 1999 bekannt geworden sei, dass auch für diese Familienmitglieder Kostenersatz geltend gemacht werde. Die Erstattung dieser Kosten sei nach § 111 SGB X nicht möglich. Der Beklagte sei auch nicht aktiv legitimiert.

Entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Klägers verpflichtete das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Juni 2001 den Beklagten, dem Kläger die Erstattung der in der Zeit vom 18. März 1996 bis 17. März 1998 für Cerime, Drita, Shqipe, Sami, Zen, Bashkim, Driton und Zemrie S. aufgewendeten Sozialhilfeleistungen zuzusichern. Der Kläger habe seinen Erstattungsanspruch für alle Mitglieder der Familie S. rechtzeitig geltend gemacht. Jedenfalls in seinem Schreiben vom 7. Oktober 1996 sei eine wirksame Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruches für die ganze Familie S. zu sehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung des Beklagten. Der Kläger habe nur für den Hilfeempfänger Gani S. einen Kostenerstattungsanspruch rechtzeitig geltend gemacht. Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. Juni 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit mit ihr die Kostenerstattung für Cerime, Drita, Shqipe, Sami, Zen, Bashkim, Driton und Zemrie S. begehrt wird.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beteiligten mit Schreiben vom 3. März 2005 darauf hingewiesen, dass dem Klagebegehren die fehlende Aktivlegitimierung des Klägers entgegenstehen könnte, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger hat sich hierzu geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Berufung, über die nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist begründet, weil das Verwaltungsgericht den Beklagten mit dem angefochtenen Urteil zu Unrecht verpflichtet hat.

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger ist für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nicht aktiv legitimiert. Nach § 4 Abs. 1 des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes (AGBSHG - Rheinland-Pfalz) in der bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Fassung können die Landkreise bestimmen, dass Verbandsgemeinden oder verbandsfreie Gemeinden solche Aufgaben, die den Landkreisen als örtlichen Trägern der Sozialhilfe obliegen, ganz oder teilweise durchführen und dabei in eigenen Namen entscheiden. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger Gebrauch gemacht mit seiner Satzung über die Durchführung von Sozialaufgaben im Westerwaldkreis - Sozialaufgabensatzung - vom 7. Juni 1984. Er hat damit den Verbandsgemeinden die Aufgabenwahrnehmung nach Abschnitt 2 BSHG - Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen im Sinne des § 97 Abs. 4 BSHG - übertragen. Nach § 2 der Satzung blieb der Kläger zunächst zuständig u.a. für das Geltendmachen von Erstattungsansprüchen nach Abschnitt 9 BSHG gegenüber anderen Sozialhilfeträgern sowie die Durchführung etwaiger hieraus entstehender Streitverfahren. Der Kläger stützt seinen Kostenerstattungsanspruch auf § 107 BSHG, eine Vorschrift im 9. Abschnitt des Gesetzes. Offenbar wegen des durch das FKPG 1993 aufgenommenen schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 113a BSHG), hat der Kläger die Sozialaufgabensatzung vom 7. Juni 1984 durch Satzung vom 5. April 1994 geändert. Nach § 1 Nr. 1.10 der geänderten Sozialaufgabensatzung führen die Verbandsgemeinden im Westerwaldkreis die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen und Erteilung von Kostenanerkenntnissen nach § 107 BSHG einschließlich der Einziehung der Einnahmen und Leistung der Ausgaben, soweit die Hilfegewährung übertragen ist, in eigenem Namen aus. Ausgenommen ist das schiedsrichterliche Verfahren nach § 113 a BSHG (§ 1 Nr. 9 Änderungssatzung). Der vorgenannte § 2 wurde gestrichen (§ 1 Nr. 12 Änderungssatzung). Mit dem insoweit am 1. August 1996 in Kraft getretenen BSHG-Reformgesetz wurde der § 113a BSHG ersatzlos gestrichen mit der Folge, dass der Vorbehalt bezüglich des schiedsrichterlichen Verfahrens in § 1 Nr. 1.10 der geänderten Sozialaufgabensatzung gegenstandslos geworden ist. Bezüglich der Durchführung kostenerstattungsrechtlicher Streitverfahren vor den Verwaltungsgerichten trifft die Änderungssatzung - wegen des damaligen § 113 a BSHG folgerichtig - keine Regelung. Weil einmal mit der Änderungssatzung der § 2 der Sozialaufgabensatzung vom 7. Juni 1984 ersatzlos gestrichen wurde, nach dem der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt für das Geltendmachen von Erstattungsansprüchen sowie die Durchführung etwaiger hieraus entstehender Streitverfahren zuständig gewesen war, und zum anderen den Verbandsgemeinden im Westerwaldkreis über die bisherige bloße Hilfeleistung hinaus auch die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen übertragen worden ist, ist auch die Durchführung diesbezüglicher Streitverfahren auf die Verbandsgemeinden übertragen. Der Kläger hat seine Sozialaufgabensatzung der mit dem Wegfall des § 113 a BSHG geänderten Rechtslage nicht angepasst. Dass sich der Kläger neben der Durchführung schiedsrichterlicher Verfahren auch die Durchführung streitiger Verfahren vor den Verwaltungsgerichten für den Fall vorbehalten wollte, dass diese anstelle des schiedsrichterlichen Verfahrens treten, kann dem neugefassten § 1 Nr. 1.10 der Sozialaufgabensatzung nicht entnommen werden. Die die Durchführung kostenerstattungsrechtlicher Streitverfahren betreffende Regelung hat der Kläger ersatzlos gestrichen. Mit der Streichung des § 113 a BSHG hätte er eine dem früheren § 2 entsprechende Regelung in die Sozialaufgabensatzung wieder aufnehmen müssen. Es mag sein, dass sich der Kläger die Zuständigkeit für die Durchführung von Streitverfahren ganz allgemein vorbehalten wollte. Die Rechtslage ist aber nicht nach seinen subjektiven Vorstellungen zu beurteilen, sondern nach dem Wortlaut der von ihm getroffenen gesetzlichen Regelung. Die entsprechenden Satzungsbestimmungen sind im obigen Sinne eindeutig und keiner Auslegung im Sinne der subjektiven Vorstellungen des Klägers zugänglich.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts Koblenz in dem vom Kläger vorgelegten Urteil vom 22. Mai 2002 zur Aktivlegitimation des Klägers teilt der Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat sich mit dem geltenden Satzungsrecht des Klägers und vor allem mit der Tatsache, dass der Kläger § 2 der Sozialaufgabensatzung vom 7. Juni 1984 ersatzlos gestrichen und nach dem Wegfall des § 113a BSHG keine entsprechende Regelung bezüglich der Durchführung kostenerstattungsrechtlicher Streitverfahren getroffen hat, nicht näher befasst.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat davon abgesehen, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil er davon ausgeht, dass der Beklagte nicht beabsichtigt, seine ohnehin nicht in nennenswerter Höhe angefallenen außergerichtlichen Kosten vor Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils vorläufig zu vollstrecken.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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