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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 10.06.2008
Aktenzeichen: 2 BV 07.762
Rechtsgebiete: DSchG, BauGB


Vorschriften:

DSchG Art. 1
DSchG Art. 2
DSchG Art. 6
BauGB Art. 34 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

2 BV 07.762

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Vorbescheid ****************************** ******* ******* *;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 15. Januar 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 2. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Scheder, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kiermeir, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Priegl

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Mai 2008

am 10. Juni 2008

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke Fl.Nr. **** und **** der Gemarkung München ******* *. Das an der Ecke M*********straße/S********straße gelegene Eckgrundstück Fl.Nr. **** (M*********straße ***) ist mit einem fünfgeschossigen Wohngeschäftshaus bebaut (errichtet ca. 1860). Das westlich anschließende Grundstück Fl.Nr. **** (M*********straße **) ist mit einem ähnlichen Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand bebaut. Weiter westlich schließt sich, straßenseitig ebenfalls in geschlossener Bauweise, der Komplex des Schauspielhauses (Kammerspiele) an (M*********straße **). Der rückwärtige, überwiegend südlich des Grundstücks Fl.Nr. **** gelegene Hofbereich des Grundstücks Fl.Nr. **** ist an seiner Südseite mit einem erdgeschoßigen Gebäude (ca. 11,39 x 4,30 m) bebaut, das als Spezialitäten-Stehimbiss genutzt wird.

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines positiven Vorbescheids zur Erweiterung eines Ladengeschäfts durch eine Hofbebauung mit folgender Fragestellung:

"1. Ist das in beiliegendem Lageplan in Variante 1 dargestellte Vorhaben bauplanungsrechtlich und abstandsflächenrechtlich unter Abweichung der Abstandsflächen zu Grundstück Fl.Nr. **** zulässig, vorausgesetzt, dass die Grundstücke Fl.Nrn. **** und **** zu einem einheitlichen Grundstück verschmolzen werden?

2. Ist das in beiliegendem Lageplan in Variante 2 dargestellte Vorhaben planungsrechtlich und abstandsflächenrechtlich zulässig, vorausgesetzt, dass die Grundstücke Fl.Nrn. **** und **** zu einem einheitlichen Grundstück verschmolzen werden?"

Variante 1 sieht die erdgeschoßige Bebauung des westlichen Hofbereichs mit einer Fläche von 10,59 x 11,35 m und einer Höhe von ca. 4 m vor, die jeweils ohne Grenzabstand an das im Süden bestehende erdgeschoßige Rückgebäude (Spezialitäten-Stehimbiss), im Norden an die Rückseite des Gebäudes M*********straße ** und im Westen an das Grundstück der Kammerspiele angrenzt; im östlichen Bereich soll der verbleibende Hofbereich unbebaut bleiben.

Variante 2 sieht - bei Beseitigung des erdgeschoßigen Rückgebäudes - die erdgeschoßige Bebauung des Hofbereichs vor, die im Norden und Osten ohne Grenzabstand an die vorhandene Bebauung anschließt, im Übrigen jedoch einen Grenzabstand von jeweils 3 m zu den Nachbargrundstücken einhält.

Mit Vorbescheid vom 26. September 2005 entschied die Beklagte, dass das Vorhaben nicht genehmigungsfähig sei, weil es sich hinsichtlich der Gebäudeabmessungen und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht in die nähere Umgebung einfüge. Die Quartiersbebauung sei durch straßenseitig geschlossene Bauweise mit weitgehend freien Innenhöfen geprägt. Die Gebäude der Kammerspiele bildeten im Hinblick auf ihre Nutzung und Größenordnung einen Sonderfall und hätten außer Betracht zu bleiben. Eine Abweichung von den Vorschriften des Abstandsflächenrechts könne bei Variante 1 nicht in Aussicht gestellt werden, weil eine solche Grenzbebauung im Quartier nicht vorgegeben sei. Die geplante Bebauung sei außerdem aus Gründen des Denkmalschutzes nicht zulässig. Das im Jahre 1985 errichtete, von Matteo Thun unter Einbeziehung der Hofgestaltung entworfene Rückgebäude sei als Baudenkmal der "Postmoderne" unverändert zu erhalten.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 24. Mai 2006) erhob die Klägerin Verpflichtungsklage, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. Januar 2007 nach Einnahme eines Augenscheins als unbegründet zurückwies. Das Verwaltungsgericht hielt das Vorhaben in beiden Variationen für bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es sich im Hinblick auf die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Die maßgebliche nähere Umgebung beschränke sich auf die östlich des Schauspielhauses gelegene Bebauung des Straßenquartiers M*********straße, S********straße, H********straße und F**********straße. Die östlich und westlich benachbarten Straßenquartiere seien nicht in die nähere Umgebung einzubeziehen, weil sie anders strukturiert seien. Die demnach maßgebliche nähere Umgebung sei geprägt durch die zwischen der straßenseitigen Bebauung und dem Schauspielhaus verbleibenden Hinterhöfe in variierenden Tiefen. Im Hinblick auf die Vorbildwirkung des Vorhabens führe die Rahmenüberschreitung zu bodenrechtlich beachtlichen Spannungen. Die von der Beklagten und der Widerspruchsbehörde aufgeführten denkmalschutzrechtlichen Genehmigungshindernisse sah das Verwaltungsgericht nicht als streitgegenständlich an, da die Klägerin die denkmalschutzrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht in ihrem Vorbescheidsantrag abgefragt habe.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beantragt:

I. Die Berufungsbeklagte wird unter Änderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 15.01.2007 (Az. M 8 K 06.2360) und Aufhebung des Bescheids der Landeshauptstadt München vom 26.09.2005 (Az. 602-1.82-2005-4122-21) in der Form des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 24.05.2006 (Az. 33-4160-M-M-3 (06) verpflichtet, den von der Berufungsklägerin mit Schreiben vom 16.02.2005 beantragten Vorbescheid gemäß Frage 1 für die Erweiterung des Ladengeschäfts in der M*********straße ** (Grundstücke mit den Fl.Nrn. **** und **** der Gemarkung München I) zu erteilen.

II. Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens in Antrag Ziff. I., wird die Berufungsbeklagte unter Änderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 15.01.2007 (Az. M 8 K 06.2360) und Aufhebung des Bescheids der Landeshauptstadt München vom 26.09.2005 (Az. 602-1.82-2005-4122-21) in der Form des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 24.05.2006 (Az. 33-4160-M-M-3 (06) verpflichtet, den von der Berufungsklägerin mit Schreiben vom 16.02.2005 beantragten Vorbescheid gemäß Frage 2 für die Erweiterung des Ladengeschäfts in der M*********straße ** (Grundstücke mit den Fl.Nrn. **** und **** der Gemarkung München I) zu erteilen.

III. Äußerst hilfsweise, für den Fall des Unterliegens in Antrag Ziff. II., wird die Berufungsbeklagte unter Änderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 15.01.2007 (Az. M 8 K 06.230) und Aufhebung des Bescheids der Landeshauptstadt München vom 26.09.2005 (Az. 602-1.82-2005-4122-21) in der Form des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 24.05.2006 (Az. 33-4160-M-M-3 (06) verpflichtet, den von der Berufungsklägerin mit Schreiben vom 16.02.2005 beantragten Vorbescheid gemäß Frage 2 für die Erweiterung des Ladengeschäfts in der M*********straße ** (Grundstücke mit den Fl.Nrn. **** und **** der Gemarkung München I) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat das Baugrundstück und die nähere Umgebung am 28. Mai 2008 in Augenschein genommen und die Sache am 30. Mai 2008 mündlich verhandelt; auf die jeweiligen Niederschriften wird Bezug genommen.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch sonst zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Zwar stehen dem von der Klägerin begehrten Vorbescheid nicht die von der Beklagten und der Widerspruchsbehörde hervorgehobenen denkmalschutzrechtlichen Genehmigungshindernisse entgegen. Das Verwaltungsgericht hat jedoch zu Recht die Klage abgewiesen, weil sich das zur Prüfung im Vorbescheidsverfahren gestellte Vorhaben sowohl in Variante 1 als auch in Variante 2 nicht in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB einfügt.

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist - auch ohne ausdrückliche Einbeziehung in die Fragestellung des Vorbescheidsantrags - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die Frage, ob dem Vorhaben denkmalschutzrechtliche Genehmigungshindernisse entgegenstehen. In dem dem Vorbescheidsverfahren nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren wäre gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 BayBO 1998 (nunmehr Art. 60 Abs. 1 Nr. 3 BayBO 2008) in Verb. mit Art. 6 Abs. 3 DSchG auch die Frage zu prüfen gewesen, ob für das Vorhaben nach Art. 6 Abs. 1 DSchG eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung erforderlich ist und gegebenenfalls zu erteilen wäre. Daher haben die Beklagte und ihr folgend die Widerspruchsbehörde zu Recht auch die denkmalschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit zum Gegenstand des Vorbescheidsverfahren gemacht mit der Folge, dass auch im Klageverfahren diese Frage - im Übrigen schon wegen der insoweit gegebenen Möglichkeit der Verletzung von eigenen Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO - nicht ausgeklammert werden kann.

In der Sache stehen dem Vorhaben der Klägerin denkmalschutzrechtliche Genehmigungshindernisse nicht entgegen. Das Vordergebäude, an das sich die erdgeschoßige Hofbebauung anschließen soll, ist unstreitig ein Baudenkmal im Sinne von Art. 1 Abs. 2 BauGB, so dass das Vorhaben der Klägerin insoweit einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSchG bedarf. Diese wäre zu erteilen, da nicht erkennbar und seitens der Beklagten auch nicht substantiiert vorgetragen worden ist, inwieweit hinsichtlich der hofseitigen Fassade des denkmalgeschützten Gebäudes gewichtige Gründe des Denkmalschutzes im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen würden. Zu Recht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die aus anderem Anlass abgegebene Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege vom 6. März 1995, die zu dem damals beabsichtigten Umbau der Verkaufsfläche im Kellergeschoß und im ersten Obergeschoß nur hinsichtlich der Vorderfassade des Gebäudes denkmalschutzrechtlichen Handlungsbedarf bei allenfallsiger Erneuerung der Fenster gesehen hat.

Soweit die Veränderung durch Anbau (Variante 1 des Vorbescheidsantrags) bzw. der Abbruch (Variante 2) des vom Architekten Matteo Thun entworfenen erdgeschoßigen Rückgebäudes inmitten steht, bedarf es keiner denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSchG, weil es sich hierbei nicht um ein Baudenkmal im Sinne von Art. 2 Abs. 2 DSchG handelt. Es stammt nicht "aus vergangener Zeit" im Sinne dieser Vorschrift; dazu wäre erforderlich, dass es einer abgeschlossenen, historisch gewordenen Epoche zuzurechnen ist (vgl. Eberl in Eberl/Martin/Greipl, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 6. Aufl. 2007, Art. 1 RdNr. 6 m.w.N.). Dabei ist Zurückhaltung geboten; würde die Grenze des Denkmalschutzes zu nahe an die Gegenwart herangerückt, könnte dies zu einer Musealisierung des Lebens und zu einer unzumutbaren, mit dem Eigentumsrecht schwer zu vereinbarenden Einengung des Handlungsspielraums des Eigentümers führen, wenn z.B. ein Architekt das von ihm entworfene Gebaute auch bei Zustimmung des Eigentümers nur mit denkmalschutzrechtlicher Genehmigung ändern dürfte (vgl. Eberl a.a.O. RdNr. 7). Der Verwaltungsgerichtshof hält die von Eberl (a.a.O.) vertretene Auffassung, dass die postmoderne Architektur - jedenfalls noch - keinen abgeschlossenen Abschnitt der Architekturentwicklung darstellt, für zutreffend. Für ihre im Verfahren geäußerte gegenteilige Einschätzung haben die Vertreter der Denkmalschutzbehörden keine wissenschaftlich fundierte architekturgeschichtliche Aussage vorlegen können.

2. Unbeschadet der denkmalschutzrechtlichen Unbedenklichkeit des im unbeplanten Innenbereich beabsichtigten Vorhabens ist es planungsrechtlich unzulässig, weil es sich hinsichtlich der Merkmale des Maßes der baulichen Nutzung und der Grundstückfläche, die überbaut werden soll, nicht in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB einfügt. Als nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB ist der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG v. 26.5.1978 BVerwGE 55, 369/380). Wieweit die gegenseitige Prägung reicht, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles (vgl. BVerwG v. 20.8.1998 NVwZ-RR 1999, 105/106).

Ausgehend von diesen Grundsätzen wird die maßgebliche nähere Umgebung gebildet aus den im Straßengeviert M*********straße, S********straße, H********straße, F**********straße gelegenen Grundstücken. Der Annahme des Verwaltungsgerichts, nur die östlich des Schauspielhauses liegende Bebauung dieses Gevierts sei als maßgebliche nähere Umgebung anzusehen, kann nicht gefolgt werden. Der vom Verwaltungsgerichtshof eingenommene Augenschein hat die auch schon in den Lageplänen ablesbare bauliche Struktur bestätigt, wonach es sich insgesamt bei der Bebauung des genannten Straßengevierts um eine - abgesehen von dem Komplex des Schauspielhauses - relativ homogene Blockrandbebauung mit überwiegend von Bebauung freigehaltenen rückwärtigen Grundstücksbereichen handelt. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht allerdings der Auffassung der Klägerin nicht gefolgt, dass auch die westlich der F**********straße und östlich der S********straße gelegenen Gevierte (von der Klägerin in der Berufungsbegründung als "Block 2" und "Block 3" bezeichnet) in die nähere Umgebung einzubeziehen wären. Zwar kann im Einzelfall auch die angrenzende Bebauungszeile des nachfolgenden Gevierts oder das gesamte angrenzende Geviert noch zur näheren Umgebung zählen, wie die von der Klägerin in diesem Zusammenhang zur Stützung ihrer Auffassung herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (vom 19.9.1986 BVerwGE 75, 34/42; vom 28.3.2003 Az. 4 B 74.03) zeigen. Diesen Entscheidungen können indes keine allgemein verbindlichen Aussagen hinsichtlich des Umgriffs der "näheren Umgebung" im Sinne der Vorstellungen der Klägerin entnommen werden; abzustellen ist vielmehr stets auf die im konkreten Einzelfall vorgefundene Bebauung. Dabei ist schon vom Wortlaut des Gesetzes her, das von "näherer" Umgebung spricht, angezeigt, für unmittelbar benachbarte Grundstücke eine besonders intensive gegenseitige Prägung anzunehmen und diese primär in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwGE 55, 369/380; Hofherr, Berliner Kommentar zum BauGB, § 34 RdNr. 21). Davon ausgehend ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, die westlich und östlich angrenzenden Gevierte seien wegen unterschiedlicher Struktur nicht in die nähere Umgebung einzubeziehen, nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat diesen aufgrund seines Augenscheins gewonnenen Befund ausführlich und plausibel dargelegt (S. 8 des Urteilsumdrucks). Soweit die Klägerin dagegen einwendet, verbindendes Element der Blöcke 1- 3 sei der äußerlich erkennbare Entwurf der M*********straße als Monumentalstraße mit flächig wiederkehrenden Fassaden mit angrenzender Blockbebauung, verkennt sie, dass dies an der unterschiedlichen Bebauungsstruktur der rückwärtig der M*********straße sich erstreckenden Gevierte, auf die es maßgeblich ankommt, nichts ändert.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Gebäudekomplex des Schauspielhauses als nicht mehr umgebungsprägenden "Fremdkörper" behandelt. Fremdkörper ("Ausreißer") in diesem Sinn sind solche Anlagen, die nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen, was namentlich dann anzunehmen ist, wenn eine singuläre Anlage in einem auffälligen - auch äußerlich erkennbar - Kontrast zur übrigen Bebauung steht (vgl. BVerwG vom 15.2.1990 BVerwGE 84, 322/326). Diese Voraussetzungen sind beim Komplex des Schauspielhauses gegeben, auch wenn für die Annahme eines Fremdkörpers als aus der beurteilungserheblichen Umgebungsbebauung auszuscheidenden Bestandteils des faktisch Vorhandenen Zurückhaltung geboten ist (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, BauNVO, 5. Auflage 2007, § 34 BauGB RdNr. 71). Das Schauspielhaus nimmt sowohl nach seiner bereits aus den Lageplänen ablesbaren Massivität (Länge des Hauptgebäudes ca. 60 m, Breite ca. 27 bis 35 m, Länge des im Westen unmittelbar angebauten viergeschoßigen Werkstattgebäudes ca. 23 m, Breite ca. 24 m) als auch nach seinem beim Augenschein optisch feststellbaren Erscheinungsbild mit dem das Theatergebäude dominant überragenden Bühnenaufbau und auch von der Art der Nutzung als kulturelle Großeinrichtung eine solche Sonderstellung im Geviert ein, dass es als nicht mehr umgebungsprägender Fremdkörper zu qualifizieren ist.

In die so zu definierende nähere Umgebung fügt sich das Vorhaben der Klägerin - in beiden Varianten - nach der Grundfläche, die überbaut werden soll, nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Bei diesem Maßkriterium des § 34 Abs. 1 BauGB ist die konkrete Größe der Grundfläche der inmitten stehenden baulichen Anlage und ihre räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung gemeint, wobei es nicht auf die Grenzen des Baugrundstücks ankommt, die für das Bauplanungsrecht grundsätzlich unerheblich sind (vgl. Hofherr, Berliner Kommentar zum BauGB, § 34 RdNr. 36, 37 m.w.N.). Das Einfügensmerkmal der überbaubaren Grundstücksfläche regelt den Standort des Vorhabens im Rahmen der vorhandenen Bebauung. Im Falle einer Hinterlandbebauung kommt es darauf an, in welchem Umfang die den Maßstab bildenden umgebenden Grundstücke eine rückwärtige Bebauung aufweisen (vgl. BVerwG v. 6.11.1997 ZfBR 1998, 164; vgl. auch BVerwG v. 28.11.1989 NVwZ-RR 1990, 294). Die mit dem streitgegenständlichen Vorhaben verbundene Bebauung der rückwärtigen Freifläche des Baugrundstücks findet in der maßgeblichen näheren Umgebung kein Vorbild. Die vorhandene Bebauung des Gevierts ist geprägt durch eine geschlossene Blockrandbebauung entlang der das Geviert bildenden Straßen, wobei durchgehend - mit Ausnahme der Gebäude M*********straße ** und **, an die rückwärtig unmittelbar das Schauspielhaus anschließt und des Gebäudes F**********straße 2, an das sich, ebenfalls ohne Abstand, das Werkstattgebäude des Schauspielhauses anschließt - im rückwärtigen Bereich der Vordergebäude Freiflächen anzutreffen sind. Auch das auf dem Grundstück Fl.Nr. **** im rückwärtigen Bereich errichtete ein- bis zweigeschoßige Gebäude ("Casa Fortunata") und das auf dem Baugrundstück selbst stehende rückwärtige Gebäude ("Secondo Salumeria") durchbrechen diese deutlich ablesbare städtebauliche Struktur des Gevierts nicht entscheidend, da zwischen diesen Gebäuden und den jeweiligen Vordergebäuden eine Freifläche liegt, die im Fall des Baugrundstücks wegen der Lage des Rückgebäudes in einem zurückspringenden Grundstücksteil sogar die gleiche Tiefe aufweist wie die des östlich anschließenden Grundstücks M*********straße *** und der Bebauungszeile entlang der S********straße und der H********straße. Das aus den Lageplänen ersichtliche und beim Augenschein bestätigte Bebauungsmuster des Gevierts vermittelt - mit Ausnahme des Komplexes des Schauspielhauses - den Eindruck einer durchgehend eingehaltenen rückwärtigen Baulinie. Die mit dem streitgegenständlichen Vorhaben - in beiden Varianten - verbundene Überschreitung dieser rückwärtigen Baulinie (vgl. hierzu BVerwG v. 23.11.1998 ZfBR 1999, 229) und die Inanspruchnahme eines wesentlichen Teils der rückwärtigen Freifläche bei unmittelbarem Anbau an das Vordergebäude finden in der maßgeblichen näheren Umgebung kein Vorbild. Auf keinem der anderen Grundstücke in der maßgeblichen Umgebung ist es bisher zu einem derartigen Vordringen der Bebauung in den rückwärtigen Bereich gekommen (vgl. BVerwG v. 6.7.1979 ZfBR 1981, 36). Der streitgegenständliche Anbau an das Vordergebäude ist auch bauplanungsrechtlich nicht angelegt, wie die in den rückwärtigen Außenwänden der Vordergebäude, auch erdgeschoßig, vorhandenen Fenster und Türen zeigen.

Auch nach dem Maß der baulichen Nutzung bewegt sich das streitgegenständliche Vorhaben nicht in dem in der maßgeblichen näheren Umgebung vorhandenen Rahmen. Die vorgesehene, unmittelbar an das Vordergebäude anschließende Ausdehnung der Bebauung in die Tiefe des Grundstücks findet in den in dieser Hinsicht homogen bebauten Grundstücken der maßgeblichen näheren Umgebung keine Entsprechung.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die weitere Frage, ob sich das Vorhaben trotz der festgestellten Rahmenüberschreitung in die Eigenart der näheren Umgebung nach § 34 Abs. 1 BauGB einfügt, verneint. Überschreitet ein Vorhaben den aus der Umgebung ableitbaren Rahmen, so steht dies der Annahme, dass es sich gleichwohl rücksichtsvoll einfügt, dann entgegen, wenn es zur vorhandenen Bebauung nicht in eine harmonische Beziehung tritt. Davon ist auszugehen, wenn es die gegebene Situation verschlechtert, stört, belastet oder sonst nachhaltig in Bewegung bringt, bewältigungsbedürftige Spannungen auslöst oder bereits vorhandene Spannungen erhöht (vgl. BVerwG v. 27.8.1998 NVwZ 1999, 523/525; BVerwG v. 26.5.1978 a.a.O.). Die Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens würde aufgrund seiner Vorbildwirkung für die anderen Grundstücke des Gevierts, denen ein ähnlicher rückwärtiger Anbau an das Vordergebäude nicht verwehrt werden könnte, die städtebauliche Situation in Bewegung bringen und zu bodenrechtlichen Spannungen führen, die wegen der städtebaulich problematischen Nachverdichtung potenziell ein Planungsbedürfnis nach sich ziehen würden und die mit den Mitteln des Bauplanungsrechts wieder aufgefangen werde müssten. Gerade in dicht bebauten Kerngebieten im Stadtzentrum, die wegen der hohen Grundstückspreise einem starken Verdichtungsdruck ausgesetzt sind, ist die Erhaltung der - ohnehin nur spärlich vorhandenen - Freiflächen und Grüninseln ein gewichtiges städtebauliches Anliegen. Das bestehende Verhältnis von Freiflächen zu bebauten Flächen würde erkennbar in "unharmonischer" Weise im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) gestört, wenn das streitgegenständliche Vorhaben und in seinem Gefolge vergleichbare, nicht mehr zu verhindernde Vorhaben in dem fraglichen Geviert verwirklicht würden.

3. Da die Klägerin nach alledem wegen der planungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens in beiden Varianten keinen Anspruch auf den begehrten positiven Vorbescheid hat, kommt es entscheidungserheblich nicht mehr auf die im Vorbescheidsantrag ebenfalls abgefragte abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens an.

Der unter Nr. III gestellte, auf ein Vorbescheidsurteil nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO gerichtete Hilfsantrag geht ins Leere. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, inwieweit der Rechtsstreit hinsichtlich der Vorbescheidsfrage 2 (Variante 2) nicht spruchreif sein sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Verfahren in beiden Rechtszügen - insoweit unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 15. Januar 2007 - auf jeweils 20.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1, § 47 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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