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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 07.01.2003
Aktenzeichen: 20 A 02.40036
Rechtsgebiete: VwGO, Luft VG


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1
Luft VG § 18
Planfeststellungen zur Erweiterung des Vorfeldes eines bestehenden Flughafens können Klagerechte Dritter wegen erhöhtem Luftverkehr nur dann auslösen, wenn die Erhöhung der Vorfeldkapazität auch eine Erhöhung der luftseitigen technischen Gesamtkapazität des Flughafens zur Folge hat.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

20 A 02.40036 20 A 02.40037

In den Verwaltungsstreitsachen

wegen

65. Änderungsplanfeststellungsbeschluss für den Flughafen München;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 20. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Reiland, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Guttenberger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Brandl

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. Dezember 2002

am 7. Januar 2003

folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Klagen werden abgewiesen.

III. Die Klägerinnen tragen die Verfahrenskosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen wenden sich gegen den 65. Änderungsplanfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern - Luftamt Südbayern - vom 15. März 2002 zur Neuordnung der Flugbetriebsfläche Ost - Passagierabfertigungsbereich Ost am Verkehrsflughafen München. Das Luftamt hat in seinem Beschluss, auf den im Übrigen Bezug genommen wird, antragsgemäß unter anderem folgende Änderungen im Bereich des östlichen Passagierabfertigungsgebäudes festgestellt: Erweiterung des bereits bestehenden Vorfelds Ost um ca. 120 m nach Osten und ca. 320 m nach Süden, verbunden mit der Verlegung des Hubschrauberlandeplatzes; Änderung und Erweiterung der bisher für eine Gepäcksortierhalle planfestgestellten Baufläche zur Errichtung eines Satelliten. Der Planung liegt das Ziel der Beigeladenen zu Grunde, die betrieblichen Abläufe zu optimieren und die Vorfeldpositionen zu erweitern (nach Angaben der Beigeladenen von etwa 180 auf - in Abhängigkeit von der Flugzeuggröße - etwa 192 Abstellmöglichkeiten). Bei dem sog. Satelliten handelt es sich um einen Wartebereich für bereits abgefertigte Passagiere, die von diesem Gebäude aus direkt ihr Flugzeug besteigen können.

Das Luftamt führt im Planfeststellungsbeschluss aus, die Änderungen erhöhten nicht die luftseitige technische Kapazität des Flughafens, da diese wie bisher von der Kapazität der beiden Start- und Landebahnen und dem entsprechenden Koordinationseckwert begrenzt werde. Es gehe lediglich darum, die in steigender Zahl erwarteten Passagiere - die Beigeladene erwarte eine Steigerung von gegenwärtig 23 Mio. Passagieren im Jahr auf über 48 Mio. im Jahr 2015 - leichter abzufertigen. Der Verkehr entwickle sich daher im Rahmen der bestehenden Genehmigung und Planfeststellung, eine Verkehrsausweitung mit ihren Folgen, etwa in Bezug auf die Lärmbelastung, sei folglich nicht in die Abwägung einzustellen gewesen.

Die Klägerinnen haben fristgerecht Klage zum Verwaltungsgerichtshof erhoben und beantragen, den 65. Änderungsplanfeststellungsbeschluss des Luftamts Südbayern für den Verkehrsflughafen München aufzuheben. Sie beklagen, dass in der Abwägung ihre im Anhörungsverfahren vorgetragenen Einwendungen nicht berücksichtigt worden seien, und zwar im Einzelnen: Zunahme des Luftverkehrs mit erhöhter Lärmbelastung der Gemeindegebiete (davon betroffen bei der Klägerin zu 1 ein gemeindliches Wohn- und Feuerwehrhaus, bei der Klägerin zu 2 ein Vereinsheim mit Wohnungen); weitere Belastung des jetzt schon überlasteten Straßensystems im östlichen Flughafenumland; ferner (Klägerin zu 1): Überlastung der Gemeinde durch Verwaltungsaufgaben im Zusammenhang mit dem Flughafen, Überlastung der gemeindlichen Feuerwehr durch "Luftnotstände", schließlich finanzielle Belastungen der Gemeinde durch Einwohnerzuzug. Beide Klägerinnen bemängeln, dass anlässlich der Erweiterung nicht die Gesamtbeeinträchtigungen durch den Flughafen ermittelt wurden. Die Erweiterung beinhalte sehr wohl eine Ausweitung der luftseitigen technischen Kapazität des Flughafens, die bisher durch die Vorfelder maßgeblich begrenzt worden sei.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen, die Klagen abzuweisen. Der Beklagte wiederholt, dass sich nach seiner Ansicht die luftseitige technische Kapazität des Flughafens infolge der Änderung nicht vergrößert; die Begrenzung der Gesamtkapazität durch die Kapazität der Start- und Landebahnen werde dadurch belegt, dass zu den Hauptbetriebszeiten des Flughafens die abgefertigten Flugzeuge in Wartestellung auf den Zurollwegen zu den Start- und Landebahnen stünden. Die straßenverkehrliche Erschließung des Flughafens sei nach Auffassung des Luftamts ohne weiteres gegeben. Allerdings sei einzuräumen, dass wegen der in den letzten Jahren, besonders auch im östlichen Umland, zugenommenen Straßenbelastung ein flüssiges Erreichen des Flughafens nicht mehr zu jeder Zeit möglich sei. Die Beigeladene sieht in der planfestgestellten Maßnahme ebenfalls keine Erweiterung der technischen Kapazität. Sie hält die Klägerinnen überdies mit ihrem Vorbringen für ausgeschlossen, weil sie im Verwaltungsverfahren keine Einwendungen erhoben hätten; die beiden Schreiben der Gemeinden seien als behördliche Stellungnahmen, nicht als Einwendungen zu verstehen, außerdem zeigten sie keine konkrete Beeinträchtigung der Planungshoheit auf, die Betroffenheit der beiden gemeindlichen Wohnhäuser werde überhaupt nicht erwähnt.

Im übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zur gemeinsamen Entscheidung zu verbindenden Klagen haben keinen Erfolg.

Den Fragen nach einer etwaigen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses und einer durch ihn verursachten Rechtsverletzung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ebenso wie nach einer die Zulässigkeit der Klagen eröffnenden Möglichkeit einer solchen Rechtsverletzung (§ 42 Abs. 2 VwGO) ist wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles die Frage nach dem Streitgegenstand voranzustellen, d.h. danach, was der angefochtene Beschluss gegenüber den Klägerinnen im Rechtssinne überhaupt regelt. Näherhin geht es um die Frage, ob die weit über die ursprünglichen Annahmen hinausgehenden derzeitigen Aufkommenserwartungen des Flughafens mit ihren von den Klägerinnen befürchteten Folgen in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Beschluss stehen, auch etwa in dem Sinne, dass dieser als der "Tropfen" zu sehen wäre," der das Fass zum Überlaufen bringt." Diese Frage ist zu verneinen. Der von den Klägerinnen vermutete Zusammenhang besteht nicht, die Auswirkungen der angefochtenen Maßnahme reichen im Gegenteil, was das Gebiet der Klägerinnen betrifft, nicht über die Flughafengrenze hinaus. Die Fragen nach Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung sind infolgedessen ebenfalls zu verneinen.

1. Was die Rechte der Klägerinnen angeht, erweist sich die planfestgestellte Maßnahme als eine bloße gesteigerte Ausnutzung der Kapazität des bereits bisher genehmigten und planfestgestellten Flughafens und löst daher keine neuen Klagerechte aus (BVerwG vom 21.5.1997 NVwZ-RR 1998, 22). Anders könnte es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG vom 15.9.1999 UPR 2000, 116), der sich der Senat anschließt, nur dann liegen, wenn die luftseitige technische Kapazität des Flughafens erhöht würde. Der landseitigen Kapazität, insbesondere des Passagierabfertigungsbereiches, kommt dagegen keine Außenwirkung auf die vom Flugbetrieb, insbesondere vom Fluglärm, Betroffenen zu. Diese Aussagen sind zunächst noch zu präzisieren:

Sie sind nicht so zu verstehen, dass die technische Kapazität in den bisherigen Planfeststellungen und Genehmigungen festgelegt und begrenzt worden wäre. Die Kapazität wird sinnvollerweise durch den Grenzwert für Koordination oder Koordinationseckwert ausgedrückt, also durch die Höchstzahl von Starts und Landungen, die der Flugplankoordinator für eine Stunde koordinieren kann (derzeit 86 Bewegungen). Eine solche Zahl ist hier in Genehmigung und Planfeststellung nicht festgelegt, ihre Festlegung wäre, da sie auf eine Bewegungskontingentierung hinaus liefe, rechtlich auch nicht unproblematisch (zur Kontingentierung des Flugverkehrs am Tage, BVerwGE 87, 332/344 bis 347). Die Planfeststellung bzw. Genehmigung bezieht sich demnach nicht auf die Kapazität als solche, sondern auf die wesentlichen Grundlagen der Kapazität, nämlich insbesondere die Größe und Konfiguration des Bahnsystems. Gelingt es durch technische oder organisatorische Maßnahmen, ohne Änderung dieser Grundlagen die Kapazität zu erhöhen, so ist auch darin eine Klagerechte Dritter nicht auslösende Ausnutzung bisheriger Planfeststellungen und Genehmigungen zu sehen.

Zur luftseitigen technischen Kapazität eines Flughafens tragen als Komponenten die Start- und Landebahnen, die Rollbahnen und die Vorfelder bei (BVerwG vom 15.9.1999 a.a.O.). Die drei Komponenten liefern die Teilkapazitäten, aus denen sich die technische Gesamtkapazität zusammensetzt. Da es für Betroffene im Umland im allgemeinen nur von Interesse ist, "was aus dem Flughafen herauskommt", sind für sie rechtlich nicht die Teilkapazitäten, sondern nur die resultierende Gesamtkapazität maßgeblich. Da die Gesamtkapazität wiederum durch die kleinste Teilkapazität als das "schwächste Glied der Kette" begrenzt wird, hat rechtliche Auswirkung die Erhöhung einer Teilkapazität folglich nur dann, wenn sie eben diese kritische, also die Gesamtkapazität begrenzende Komponente des Systems betrifft.

Aus diesen Vorgaben ergibt sich für den vorliegenden Fall: Rechtliche Bedeutung für die Klägerinnen können nicht die Teile des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses haben, die sich auf die Passagierabfertigung beziehen, sondern nur die Neuordnung und Ausweitung der Vorfeldflächen. Bei diesen wiederum würde eine Angriffsmöglichkeit voraussetzen, dass erstens die Teilkapazität des gesamten Vorfeldes erweitert wird und dass dies sich zweitens in einer Erhöhung der Gesamtkapazität des Flughafens niederschlägt. An der zweiten Voraussetzung fehlt es hier auf jeden Fall, so dass auf die erste Voraussetzung, die im Ergebnis ebenfalls nicht gegeben ist, nur überschlägig einzugehen ist.

Die Kapazität eines Vorfelds hat zunächst einen offenkundig räumlichen Aspekt, nämlich die Zahl der Abstellpositionen für Flugzeuge. Insoweit ist unstreitig, dass sich diese Zahl infolge des angefochtenen Beschlusses von 180 auf 192 erhöht (wobei die Zahlenangaben, weil von der Flugzeuggröße abhängig, nur als ungefähre zu verstehen sind). Die Kapazität kann aber auch einen zeitlichen Aspekt haben, insofern günstiger gelegene und leichter zu bedienende Vorfeldpositionen einen schnelleren Umschlag der Flugzeuge erlauben. Eine günstigere Platzierung der Abstellpositionen, vor allem um ein schnelleres Umsteigen der Fluggäste zu ermöglichen, ist ebenfalls unstreitiges Ziel des angefochtenen Beschlusses. Obwohl der erste Anschein daher für eine Erhöhung der Vorfeldkapazität im Gefolge dieses Beschlusses spricht, lehnen anders als die Kläger der Beklagte und die Beigeladene diese Schlussfolgerung ab: Bei der räumlichen Erweiterung handle es sich nur um eine Verlagerung vom westlichen Vorfeld her, und das beschleunigte Umsteigen erhöhe nur den Komfort der Passagiere, erlaube aus betrieblichen Gründen aber nicht einen beschleunigten und dadurch vermehrten Flugzeugumschlag auf den Vorfeldern.

Diese Argumente können ohne nähere fachliche Prüfung nicht abschließend beurteilt werden. Sie können aber auf sich beruhen, und zwar einmal weil, wie bereits angedeutet, die zweite Voraussetzung für eine Erhöhung der Gesamtkapazität fehlt, und außerdem, weil eine etwaige Erhöhung der Teilkapazität des Vorfeldes allem Anschein nach nur geringfügig wäre. Einer geringfügigen Kapazitätserhöhung entspräche ein nur geringwertiger Belang auf der Seite eines betroffenen Dritten, der wiederum nicht die Notwendigkeit einer Abwägung auf Seiten der planenden Stelle auslösen würde (st. Rspr. seit BVerwGE 59, 87/102).

Eine Erhöhung der Vorfeldkapazität, wenn man sie hier unterstellen will, lässt sich zwar mit den Mitteln des Gerichts nicht exakt berechnen, wohl aber in der Größenordnung grob abschätzen. Setzt man im Sinne dieser Vereinfachung die Kapazitätsmehrung mit der Mehrung der Abstellpositionen, also mit dem Verhältnis 192 : 180, gleich, so ist diese Mehrung als geringfügig zu bezeichnen. Dies wird vor allem deutlich, wenn man diese Verkehrsmehrung (durch Logarithmierung des Verhältnisses) als Lärmmehrung darstellt und dabei auf eine Mehrung von 0,28 dB(A) kommt, die weit unter einer allenfalls als Erheblichkeitsschwelle in Betracht kommende Mehrung von 1 dB(A) liegt.

Die Klägerinnen haben dem auch von ihnen gesehenen Argument "Geringfügigkeit" schon im Einwendungsverfahren entgegengehalten, hier werde "scheibchenweise" ausgebaut und es müssten deshalb, um ihres Rechtsschutzes willen, sämtliche Erweiterungen einschließlich der jüngsten Nachtflugregelung im Zusammenhang gesehen werden. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht ist diesem Gedanken in einem ähnlichen Fall grundsätzlich entgegengetreten (Urteil vom 20.1.1997, Bf III 54/95 P), und zwar unter Bezug auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 1989 (NVwZ 1990, 263), wonach in der Vergangenheit hingenommene Vorbelastungen als gegeben anzuerkennen und nicht mehr zu überprüfen sind. Dieser Ansicht folgt für den Regelfall auch der Senat. Allerdings darf sie nicht missbräuchlich zur Umgehung der Rechtsschutzgarantie eingesetzt werden, indem eine größere Erweiterung in einzelne Teilschritte jeweils unter der Geringfügigkeitsschwelle zerlegt wird. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Der Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die eigentliche und wesentlich umfangreichere Erweiterung des östlichen Vorfeldes durch den 48. und 60. Änderungsplanfeststellungsbeschluss festgestellt wurde und dass die Klägerinnen diese Planungen letztlich hingenommen haben. Wenn die nunmehrige weitere und in ihrem Umfang geringfügige Vergrößerung kein Klagerecht der Klägerinnen auslöst, kann vor diesem Hintergrund keine Umgehung der Rechtsschutzgarantie gesehen werden. Die den Beteiligten bekannte neue Nachtflugregelung kommt in diesem Zusammenhang ohnehin nicht in Betracht, weil sie für die Nacht ein Gesamtkontingent (sog. Lärmvolumen) festsetzt und daher schon begrifflich nicht als einzelnes "Scheibchen" einer Gesamtregelung gesehen werden kann.

Dem Erfolg der Klagen steht weiter und vor allem entgegen, dass eine etwaige Erweiterung der Vorfeldkapazität nicht zugleich auch die technische Gesamtkapazität des Flughafens erhöhen würde. Ob die Vorfeldkapazität die für die Gesamtkapazität kritische Teilkapazität ist, hängt von den Gegebenheiten des einzelnen Flughafens ab. Typischerweise finden sich beschränkte Vorfelder auf älteren Flughäfen, so beim früheren Flughafen München-Riem (zum Flughafen Köln/Bonn s. OVG NW vom 23.11.2000, 20 D 115/97; hierzu BVerwG vom 29.5.2001, 9 B 18.01). Bei dem großzügig "auf der grünen Wiese" geplanten neuen Flughafen München - mit einem Achsabstand der Hauptbahnen von 2.800 m - war dagegen von vorneherein mit Beschränkungen der Vorfelder nicht zu rechnen. In den den maßgeblichen Planungsentscheidungen (Planfeststellungsbeschluss vom 8.7.1979 und Planänderungsbeschluss vom 7.6.1984) vorausgegangenen Kapazitätsbegutachtungen spielen Rollwege und Vorfelder keine Rolle, weil diese ohne weiteres als optimal unterstellt werden. Auch in den Beschlüssen selbst wird darin kein Problem gesehen; im Beschluss vom 8. Juli 1979 (S. 331) heißt es nur allgemein, die Vorfelder wiesen eine "mit den sonstigen Flugbetriebsflächen übereinstimmende Kapazität auf". Infolgedessen wurden und werden die Kapazität und näherhin der Grenzwert für Koordination ausschließlich in Abhängigkeit von der Kapazität des Start- und Landebahnsystems berechnet und festgelegt (diese selbst soll nach den Erklärungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung derzeit nur noch einen Spielraum von höchstens drei Bewegungen/Stunde für weitere Erhöhungen haben). Der vom Beklagten mitgeteilte und von den Kläger nicht in Zweifel gezogene Sachverhalt, dass sich in Spitzenstunden auf den Rollbahnen Flugzeuge, also auf den Vorfeldern bereits abgefertigte Flugzeuge, vor den Startbahnen stauen, bestätigt, dass allein diese Bahnen die kritische Engstelle der Kapazität bilden. Dies bedeutet im Ergebnis, dass sich die technische Gesamtkapazität des Flughafens durch die streitgegenständliche Vorfelderweiterung nicht erhöhen wird.

2. Aufgrund der eben getroffenen Feststellung können die Klagen keinen Erfolg haben. Denn damit entfällt zunächst, was die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses betrifft, die Notwendigkeit, eine Kapazitätserweiterung mit Belangen der Klägerinnen abzuwägen, weil es eine solche Kapazitätserweiterung nicht gibt. Es entfällt weiter die Möglichkeit einer Rechtsverletzung der Klägerinnen. Insbesondere die Frage, ob die Planungshoheit der Klägerinnen durch konkrete Auswirkungen gewichtiger Art beeinträchtigt sein könnte, lässt sich unter diesen Umständen nicht sinnvoll stellen. Auch der weiteren Frage, ob den Klagen das Unterlassen von Einwendungen im Verwaltungsverfahren entgegenstehen könnte (§ 10 Abs. 4 LuftVG), kommt keine durchschlagende Bedeutung mehr zu. Nur am Rande sei deshalb bemerkt, dass die Klägerinnen die Betroffenheit eigener Wohngrundstücke in ihren Einwendungsschreiben nicht vorgetragen haben; dass sie "nach den Umständen" (BVerwG vom 9.6.1999, NVwZ 2000, 190/LS) überhaupt Einwendungen erheben und nicht nur eine behördliche Stellungnahme abgeben wollten, könnte freilich zu ihren Gunsten unterstellt werden.

3. Die vorstehenden Erwägungen schöpfen die von den Klägerinnen subjektiv gesehenen Klagegründe, die sich vor allem auf die gewaltigen und unerwarteten Aufkommenssteigerungen im Luftverkehr beziehen, erkennbar nicht aus. Diese gewissermaßen überschießende Motivation wird vom Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens aber nicht erfasst; zu ihr ist abschließend zu bemerken:

Die Befürchtung der Klägerinnen, es werde hier zunächst die Kapazität der Vorfelder hochgefahren, um später mit einer Erweiterung des Start- und Landebahnsystems nachziehen zu können, ist möglicherweise nicht ganz von der Hand zu weisen. Dieser Gedanke kann den Klagen aber nicht zum Erfolg verhelfen. Die angefochtene Planfeststellung wäre bei dieser Betrachtung eine rechtlich unmaßgebliche Vorbereitungshandlung, während den tauglichen Angriffsgegenstand nur die eigentliche Erhöhung der Gesamtkapazität, also die Erweiterung des Bahnsystems bilden könnte.

Was den "boomenden" Flughafen allgemein angeht, können die Klägerinnen diese Entwicklung durch Anfechtungsklagen nur begrenzt zur Überprüfung stellen. Selbst Kapazitätserweiterungen können sich, wie ausgeführt, in Ausnutzung vorhandener Genehmigungen und daher in zunächst unangreifbarer Weise vollziehen (dies zeigen beispielhaft die Koordinationsgrenzwerte, die im Planänderungsbeschluss vom 7. Juni 1984 - S. 88 - in einer deutlich geringeren Höhe als die heute tatsächlich gehandhabten prognostiziert wurden). Alle diese Entwicklungen sind, aus dem Blickwinkel der ursprünglichen Planfeststellungsbeschlüsse, als "nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens" i.S. von Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG zu sehen und können nach dieser Vorschrift Ansprüche auf nachträgliche Schutzvorkehrungen auslösen. Über solche Ansprüche ist hier aber nicht zu befinden, weil sie nicht Gegenstand der Anträge sind; was die Lärmauswirkungen angeht, weist der Beklagte im übrigen in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass kompensierend auch die Minderung des durchschnittlichen Lärmpegels der Flugzeuge zu berücksichtigen wäre, die ebenfalls in diesem Ausmaß zunächst nicht vorhersehbar war.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen war billigerweise vorzusehen, da diese durch Antragstellung ein eigenes Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe gegeben ist.

Beschluss:

Der Streitwert der Klagen wird auf je 60.000 Euro, ab Verbindung auf insgesamt 120.000 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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