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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 09.07.2009
Aktenzeichen: 21 BV 07.335
Rechtsgebiete: Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester, Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester


Vorschriften:

Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester § 17 Abs. 1
Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

21 BV 07.335

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Pflichtversicherung bei der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 21. Senat, durch

den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dachlauer als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Abel, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Emmert

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 7. Juli 2009

am 9. Juli 2009

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2006 wird geändert:

Der Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2006 werden aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage, ob die Klägerin für den beigeladenen ********* ****** (Beigeladener) Pflichtversicherungsbeiträge abrechnen und an die Beklagte entrichten muss.

Der Beigeladene war vom 1. September 2001 bis 31. August 2007 Generalmusikdirektor der Stiftung **************** ************ ********** (**************** ************). Er übernahm mit Honorarvertrag (HV) vom 19. September 2000 mit Beginn der Spielzeit 2001/2002 am 1. September 2001 als Dirigent die künstlerische Leitung. Dieser Honorarvertrag enthält Regelungen u.a. zur Vertragslaufzeit (§ 2), über die Vergütung (§ 3), zum Umfang der Tätigkeit pro Spielzeit (§ 4), über die künstlerische Verantwortlichkeit (§ 6), die Mitwirkungsbefugnisse bei der Wahrnehmung künstlerischer Angelegenheiten (§ 6 Abs. 2 bis 3) und hinsichtlich des Weisungsrechts (§ 8). Mit Verlängerungsvereinbarung (VV) vom 13. Januar 2003 wurde die Tätigkeit des Beigeladenen als Generalmusikdirektor für weitere drei Spielzeiten bis zum 31. August 2007 verlängert. Die Regelungen in der Verlängerungsvereinbarung entsprechen bis auf eine Anpassung bei den Vergütungssätzen der Honorarvereinbarung vom 19. September 2000.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 18. Oktober 2005 fest, dass der Beigeladene seit 1. September 2001 der Pflichtversicherung bei ihr unterliege und verpflichtete die Klägerin, die anfallenden Beträge satzungsgemäß abzurechnen und zu entrichten. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2006 den Widerspruch vom 8. November 2005 zurück. Das Verwaltungsgericht wies die Klage gegen diese Bescheide mit Urteil vom 13. November 2006 ab. Der Senat macht sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu eigen und nimmt auf den Tatbestand des Urteils Bezug (§ 130 b Satz 1 VwGO).

Die Klägerin trägt zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor: Unter Zugrundelegung der vom Bundessozialgericht aufgestellten Kriterien übe der Beigeladene eine selbstständige Tätigkeit aus; denn er sei in den Orchesterbetrieb nicht als abhängig Beschäftigter eingegliedert. Die Verpflichtung nach § 4 HV sei nicht ausreichend, um die Fremdbestimmtheit zu begründen. Im Übrigen wichen die tatsächlichen Verhältnisse vom Inhalt der schriftlichen Vereinbarungen erheblich ab. Der Beigeladene halte sich hauptsächlich in Japan auf und komme dort umfangreichen Konzertverpflichtungen nach. Er habe zum Beispiel im Jahr 2005 nur 37 Konzerte bei der Württembergischen Philharmonie dirigiert und dabei 21 Wochen Präsenzzeit gehabt. Hinsichtlich der musikalischen Auswahl habe er das alleinige Verfügungsrecht; insoweit bestehe auch kein Mitspracherecht des Intendanten. Weder die vorgelegten Verträge noch das Gesamtbild der Tätigkeit sprächen für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Der Beigeladene trage ein wirtschaftliches Ausfallrisiko, weil er den Anspruch auf Vergütung nur für tatsächlich durchgeführte Dirigate habe. Die vertragliche Verpflichtung zur Verantwortung für die Programmgestaltung der Symphoniekonzerte der Württembergischen Philharmonie reiche nicht aus, um eine Fremdbestimmtheit zu begründen; außerdem übe er keinerlei Personalverantwortung aus.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2006 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2005 sowie den Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für zutreffend: Der Beigeladene sei als Generalmusikdirektor in den Orchesterbetrieb eingegliedert, weil er die ihm übertragenen Aufgaben in enger Abstimmung mit dem Intendanten zu erfüllen habe. Er habe eine durchaus prägende Anzahl von Konzerten dirigiert, so dass er sich von einem Gastdirigenten abhebe. Soweit er daneben noch anderen Verpflichtungen nachkomme, entspreche dies seiner künstlerischen Bedeutung. Er trage auch kein Unternehmerrisiko, weil er für Konzertausfälle nicht hafte und sein persönliches Vermögen nicht einsetzen müsse.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung (§ 124 VwGO) ist begründet, weil die Klage der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2006 ebenfalls zulässig und begründet ist. Die Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); denn diese ist nicht verpflichtet, Pflichtversicherungsbeiträge für die Beschäftigung des Beigeladenen als Generalmusikdirektor abzurechnen und an die Beklagte abzuführen.

Die Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass die Klägerin gemäß §§ 22 a ff. der Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester vom 12. Dezember 1991 (BAnz S. 8323 und 1992 S. 546), zuletzt geändert durch Satzung vom 21. Dezember 2005 (BAnz 2006 S. 732) - Satzung VddKo - und für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2004 gemäß §§ 22, 24 Satzung VddKo in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung vom 12. Dezember 1991 (BAnz S. 8323 und 1992 S. 546), insoweit zuletzt geändert durch Satzung VddKo vom 11. Dezember 2002 (BAnz 26589), verpflichtet ist, für den Beigeladenen im streitgegenständlichen Zeitraum Pflichtbeiträge abzurechnen und zu überweisen. Denn der Beigeladene ist nicht gemäß § 1 der Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester vom 30. März 1938 (RArbbl vom 15.5.1938 Teil VI S. 597) - TO Kulturorchester - in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satzung VddKo bei der Beklagten pflichtversichert. Da er schon nicht zu den in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehenden Musikern zu rechnen ist, kann offen bleiben, ob der Beigeladene überhaupt als Kapellmeister im Sinn von § 1 Abs. 3 a TO Kulturorchester anzusehen ist.

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Satzung VddKo ist bei der Beklagten pflichtversichert jeder unter die TO Kulturorchester fallende Musiker, der das 18. Lebensjahr vollendet hat und bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres unter Anrechnung früher zurückgelegter Beitragsmonate 120 (aktuell 60) Beitragsmonate erreichen kann und nicht berufs- oder erwerbsunfähig ist. Die Pflichtversicherung setzt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis voraus.

Bei der Abgrenzung, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, geht der Senat von den Grundsätzen aus, die das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung aufgestellt haben (vgl. u.a. BAG vom 9.10.2002 AP Nr. 114 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BSG vom 30.6.1999 NZS 2000, 147). Anknüpfungspunkte für ein Arbeitsverhältnis sind insbesondere der Umfang der Weisungsgebundenheit des Dienstverpflichteten bei der Ausübung seiner Tätigkeit, die Eingliederung in den Betrieb des Dienstberechtigten, die Notwendigkeit einer ständigen engen Zusammenarbeit mit anderen in dessen Dienst stehenden Personen, die Unterordnung unter solche Personen und die Möglichkeit für den Dienstberechtigten, über die Arbeitszeit des Mitarbeiters zu verfügen. Dagegen kommt Äußerlichkeiten und formalen Merkmalen wie der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung des Vertragsverhältnisses nur untergeordnete Bedeutung zu (BAG vom 16.8.1977 AP Nr. 23 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Selbständige Tätigkeit und abhängige Beschäftigung unterscheiden sich demnach durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist derjenige, der seine vertraglich geschuldeten Leistungen im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Wird das Rechtsverhältnis durch eine starke persönliche Abhängigkeit des zur Dienstleistung Verpflichteten geprägt, liegt ein Arbeitsverhältnis vor. Persönliche Abhängigkeit ist dabei nicht gleichbedeutend mit Weisungsgebundenheit. Diese ist nur eines von mehreren Unterscheidungsmerkmalen und kann bei Erledigung einzelner geschuldeter Leistungen ganz fehlen, wie zum Beispiel bei Chefärzten, Wissenschaftlern oder Künstlern (vgl. BAG vom 3.10.1975 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 2). Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Verhältnisse unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien dem Rechtsverhältnis gegeben haben oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge (vgl. BAG vom 19.1.2005 BAGE 93, 218/222). Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum folgt aus den getroffenen Vereinbarungen und aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrages. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung so ist letztere maßgebend. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind (vgl. BAG vom 30.11.1994 BAGE 78, 343/347).

Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung an. Kein Arbeitnehmer ist insbesondere der Mitarbeiter, der im Rahmen seines übernommenen Engagements seine Tätigkeit und Arbeitszeit noch im Wesentlichen frei gestalten kann und insoweit keinem umfangreichen Weisungsrecht unterliegt. Zeitliche Vorgaben und die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übernommenen Aufgaben einzuhalten, sind kein ausreichendes Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Das Versprechen, eine Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen, macht den Leistenden im arbeitsrechtlichen Sinn nicht weisungsabhängig (vgl. BAG vom 19.1.2000 BAGE 93, 218/222; vom 20.9.2000 EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 84, vom 22.4.1988 BAGE 88, 263). Diese Grundsätze gelten auch für Musiker (vgl. BAG vom 22.8.2001 AP Nr. 109 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Die Beschäftigung als Orchestermusiker ist demnach nicht nur als Arbeitnehmer, sondern auch als freier Mitarbeiter möglich (vgl. BAG vom 14.2.1974 BAGE 25, 505/512; vom 18.5.2000 NZA 2000, 1343).

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze lässt sich im vorliegenden Fall weder aus dem Inhalt des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen abgeschlossenen Honorarvertrags vom 19. September 2000 und der Verlängerungsvereinbarung vom 13. Januar 2003 noch bei einer Gesamtwürdigung aller tatsächlichen Umstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung ein solches Maß an persönlicher Abhängigkeit des Beigeladenen erkennen, dass er als Arbeitnehmer anzusehen wäre. Dabei ist es ohne Bedeutung, dass die Vertragsparteien ihre Vereinbarung als Honorarvertrag und Verlängerungsvereinbarung bezeichnet haben, da es auf den tatsächlichen Vertragsinhalt ankommt.

Der Honorarvertrag vom 19. September 2000 und die Verlängerungsvereinbarung vom 13. Januar 2003 enthalten zwar durchaus einige Gesichtspunkte, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen könnten.

Aus der Präambel des Honorarvertrages und der Verlängerungsvereinbarung kann jedoch nicht geschlossen werden, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegeben ist. Zum einen gibt eine Präambel eines Vertrags lediglich die Motive, Absichten und Zwecke, also einen Basiskonsens der Vertragsparteien wieder, ohne insoweit bereits Rechte und Pflichten vertraglich zu regeln. Zum anderen liegt es nahe, dass dem Arbeitsbereich des Dirigenten in einem Orchester eine wichtige Funktion zukommt und dass er alle Aufgaben in enger Abstimmung mit dem Intendanten zu erledigen hat. Allein aus diesen Formulierungen lässt sich aber weder eine Eingliederung des Beigeladenen in die **************** ************ noch ein Weisungsrecht ihm gegenüber entnehmen. Entscheidend für die Statusfeststellung ist nicht die Eingliederung in den Spielbetrieb des Orchesters, sondern in das Unternehmen der Klägerin selbst. Anhaltspunkte dafür, dass der Beigeladene in diesem Sinn in das Unternehmen der Klägerin einbezogen gewesen wäre, lassen sich der Präambel aber nicht entnehmen. Auch aus dem Umstand, dass die Aufgabenerledigung in enger Abstimmung mit dem Intendanten zu erfolgen hat, ergibt sich kein Weisungsrecht der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen. Die Vertragspartner müssen sich demnach gegenseitig abstimmen, um Einvernehmen zu erzielen. Einvernehmen bedeutet aber gerade nicht Weisungsgebundenheit. Abgesehen davon ist in § 8 Abs. 1 HV/VV ausdrücklich vorgesehen, dass der Beigeladene bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keinen Weisungen der Württembergischen Philharmonie unterliegt. Soweit der Beigeladene in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, dass er auch tatsächlich keine Weisungen angenommen habe, ist dies letztlich von der Beklagten nicht konkret in Zweifel gezogen worden.

Auch aus § 1 HV/VV ergibt sich nicht, dass der Beigeladene in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert ist. Danach übernimmt der Beigeladene als Dirigent mit dem Titel Generalmusikdirektor die künstlerische Leitung der Württembergischen Philharmonie mit Beginn der Spielzeit 2001/2002. Diese Formulierung besagt nur, dass sich die Klägerin für eine bestimmte Dauer (Spielzeiten) die Dienste des Beigeladenen gesichert hat. Damit sollte aus Sicht der Klägerin ein Teil der Dirigate abgedeckt werden, die in der jeweiligen Spielzeit anfallen. Ein abhängig Beschäftigter übernimmt auch nicht die künstlerische Leitung eines Orchesters, sondern er wird eingestellt und damit in den Betrieb integriert. Des Weiteren sagt der in § 1 HV/VV verwendete Begriff Generalmusikdirektor über die rechtliche Einordnung nichts aus. Der Titel soll eine gewisse Reputation schaffen, gibt aber für die konkrete Einordnung der Tätigkeit nichts her. Der Beigeladene hat in den vorliegenden Vereinbarungen nur die Verpflichtung übernommen, eine bestimmte Anzahl von Dirigaten durchzuführen. Allein aus dem Umstand, dass der Beigeladene als Dirigent notwendigerweise auf die Zusammenarbeit mit einem Orchester angewiesen ist, ergibt sich nicht, dass er in abhängiger Beschäftigung arbeitet, weil es sich insoweit nicht um eine organisatorische Einbindung handelt. Die Klägerin stellt dem Beigeladenen das Orchester als Klangkörper zur Verfügung. Dieser bedient sich zur Einbringung seiner Leistung des Orchesters; dem Beigeladenen wird aber weder vorgeschrieben, welche Werke er zu dirigieren noch wie er diese zu dirigieren hat.

Soweit das Verwaltungsgericht aus der Vereinbarung in § 2 HV/VV, wonach die Klägerin und der Beigeladene sich in einer Art Rahmenvereinbarung auf eine mehrjährige Zusammenarbeit verständigt haben, auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis schließt, folgt dem der Senat nicht. Denn gerade wenn man die besondere künstlerische Kompetenz und den Bekanntheitsgrad des Beigeladenen für den Erfolg der Württembergischen Philharmonie verwertbar machen möchte, ist eine längerfristige Zusammenarbeit gewollt und in der Orchesterpraxis üblich. Die Dauer der Zusammenarbeit selbst sagt daher allein über die Einordnung, ob es sich dabei um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder die Tätigkeit eines freien Mitarbeiters handelt, nichts aus. Im Übrigen ist es gerade so, dass sich die Klägerin die besondere künstlerische Kompetenz des Beigeladenen sichert, um den Erfolg des Orchesters zu maximieren. Dies entspricht Vereinbarungen, die mit selbständigen Künstlerpersönlichkeiten getroffen werden, die durch ihre vorherige und auch noch über die Arbeit mit dem Orchester der Klägerin hinausgehende weitere Arbeit mit anderen Orchestern eine Reputation erlangen, die die Qualität und damit auch den Ruf des eigenen Orchesters verbessern soll. Allein daraus kann ebenfalls nicht geschlossen werden, dass die künstlerische Prägung eines Orchesters nur in abhängiger Beschäftigung möglich sein soll.

Der Beigeladene trägt auch tatsächlich ein wirtschaftliches Risiko. Denn das unternehmerische Risiko des Beigeladenen besteht zunächst darin, dass er überhaupt unter Vertrag genommen wird. Nicht erforderlich ist, dass er selbst das Unternehmerrisiko der Klägerin zusätzlich auf sich nimmt. Dass der Beigeladene - wie vorliegend - das eigene wirtschaftliches Risiko hat, ist ausreichend. Zwar ist in § 4 HV/VV geregelt, dass er mindestens sechs der geplanten Sinfoniekonzertreihen dirigiert; es sind jedoch keinerlei Konsequenzen für den Fall vorgesehen, dass diese Vorgabe nicht erfüllt wird. Tatsächlich wurde das Vertragsverhältnis auch so durchgeführt, dass der Beigeladene weniger Symphoniekonzertphasen dirigiert hat, wobei eine Symphoniekonzertphase höchstens die Dauer einer Woche hat und im Regelfall ein, gegebenenfalls zwei Konzerte aufgeführt werden. Zudem ergibt sich aus der in § 3 Abs. 1 HV/VV geregelten Vergütung, dass die Vergütung jeweils nach einem näher bezeichneten Punkteschema für die tatsächliche Durchführung von Dirigaten geleistet wird und dass, soweit der Beigeladene im Fall einer Erkrankung, bei Ausfall oder Absagung von Konzerten oder sonstiger Verhinderungen ein Dirigat nicht wahrnehmen kann, das vereinbarte Honorar nicht geleistet wird. Das entspricht dem Grundsatz, dass nur tatsächlich erbrachte Leistung bezahlt wird. Dies gilt aber bei abhängig Beschäftigten auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht. Weder § 3 HV/VV noch die weiteren Vereinbarungen regeln zudem einen Urlaubsanspruch, den Anspruch auf Sozialleistung oder eine Überstundenvergütung des Beigeladenen.

Auch die Vereinbarung eines gewissen Mindeststandards an Verpflichtungen steht einem selbständigen Beschäftigungsverhältnis nicht entgegen. Denn auch in einem solchen Beschäftigungsverhältnis besteht ein Interesse daran, dass die Tätigkeit durch Normen und Regeln festgeschrieben wird (vgl. Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2008, RdNr. 9 zu § 7 SGB IV m.w.N.).

Entscheidend ist für den Selbständigenstatus des Beigeladenen, dass er im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen konnte.

Die Vereinbarungen enthalten insoweit nur eine pauschale Regelung darüber, dass der Beigeladene für sechs Sinfoniekonzertphasen und für drei Werkkonzerte zur Verfügung steht und Optionen für das Dirigat jeweils eines weiteren Konzertes sowie für auswärtige Gastkonzerte und Tourneen, Kinderkonzerte und auch andere mögliche Konzertformen erhält (vgl. § 4 HV/VV). Die Festsetzung der Anzahl der vertraglichen Verpflichtungen ist aber vor allem auf das Interesse der Klägerin zurückzuführen, den Beigeladenen, der ein in der Fachwelt anerkannter Dirigent ist, an sich zu binden, um Planungssicherheit hinsichtlich der Anzahl der Konzerte mit ihm als Dirigent zu haben. Im Übrigen unterliegt die Festsetzung der Termine der Zeithoheit des Beigeladenen, da er die Konzerttermine im einzelnen selbst bestimmen kann. So enthalten die Vereinbarungen auch nicht die Verpflichtung des Beigeladenen, an der Durchführung von Probespielen teilzunehmen. Schließlich hat die Klägerin gegenüber dem Beigeladenen keine rechtliche Handhabe, wenn dieser die vertraglichen Vereinbarungen - wie zum Beispiel in der Spielzeit 2006/2007, in der er lediglich zwei Werkkonzerte dirigiert hat - nicht erfüllt. Der Beigeladene hat auch durchschnittlich nur etwa 25 v.H. der Gesamtverpflichtungen der Klägerin erfüllt. Der Beigeladene hat so zum Beispiel im Jahr 2005 nur 37 von 123 Konzerten, die die Klägerin durchgeführt hat, dirigiert und dabei 21 Wochen Präsenzzeit gehabt. Allerdings ist der Schluss von der Präsenzpflicht auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht zwingend. Zwar handelt es sich dabei nicht um einen unerheblichen Zeitraum, er lässt aber eine Tätigkeit für andere Auftraggeber im relevanten Umfang zu. Der Beigeladene war so tatsächlich in den vergangenen Spielzeiten neben seiner Tätigkeit für die **************** ************ als Gastdirigent im In- und Ausland, insbesondere auch in Japan, tätig, wo er eine große Anzahl weiterer Dirigate durchgeführt hat. Der Beigeladene wirkte darüber hinaus als ständiger Dirigent des Tokyo Symphony Orchestra und des Hiroshima Symphony Orchestra sowie als Chefdirigent des Opera House Orchestra Osaka, das ihn im Jahr 2002 zum Ehrendirigenten ernannte. In Japan ist er Gast aller großen Orchester, u.a. des Japan Philharmonie Orchestra, des Yomimei Nippon Symphony Orchestra und des renommierten NHK Symphony Orchestra.

Auch aus dem in § 3 Abs. 2 HV/VV geregelten Pauschalhonorar, das der Beigeladene einmalig jährlich für die Aufstellung des Saisonprogramms, für die Programmgestaltung und für sonstige administrative Verpflichtungen erhält, um so mögliche einzelne Honoraransprüche, gegebenenfalls auch nach Zeitaufstellung des Beigeladenen, pauschal abzugelten, lässt sich allein nicht ablesen, dass der Beigeladene abhängig beschäftigt ist.

Nach § 4 Abs. 4 HV/VV ist der Beigeladene für die Programmgestaltung aller Symphoniekonzerte der Klägerin verantwortlich. Auch diese vertraglich vereinbarte Verpflichtung reicht nicht aus, um eine Fremdbestimmtheit zu begründen. Abgesehen davon weicht die tatsächliche Handhabung von den vertraglichen Verpflichtungen ab. Denn der Beigeladene übt ausschließlich die künstlerische Verantwortung für die von ihm dirigierten Konzerte aus. Ein darüber hinausgehendes Beteiligungs- oder Programmgestaltungsrecht hat der Beigeladene aber gerade nicht. Die tatsächlichen Verhältnisse weichen von den vertraglichen Vereinbarungen auch hinsichtlich der Personalverantwortung ab. Zwar wird dem Beigeladenen in § 6 HV/VV teilweise das Vorschlagsrecht bei der Neueinstellung von Orchestermitgliedern eingeräumt. Tatsächlich erfolgen aber Neueinstellungen ohne Mitwirkung des Beigeladenen durch den Orchesterrat und den Intendanten der Klägerin. Der Beigeladene hat tatsächlich während der gesamten Vertragslaufzeit weder bei Neueinstellungen noch bei Entlassungen mitgewirkt. Das wird auch durch die Einlassung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bestätigt, wonach das in § 6 HV/VV formulierte Vorschlagsrecht des Beigeladenen in der Praxis überhaupt keine Rolle spielt und das in § 7 HV/VV geregelte Benehmen bei Verpflichtungen von Solisten, Gastdirigenten, Aushilfen und Verstärkungen tatsächlich so gehandhabt wird, dass der Beigeladene Wünsche äußern könne und der Intendant alles daran setze, diese zu erfüllen.

Auch soweit in § 8 HV/VV geregelt ist, dass der Beigeladene die Vorgaben der Klägerin einzuhalten hat, können keine weiteren Rückschlüsse auf das Beschäftigungsverhältnis gezogen werden. Dadurch wird weder eine persönliche noch eine fachliche oder örtliche Weisungsgebundenheit begründet. Im Übrigen begründet die mögliche Einflussnahme der Klägerin keine Eingliederung oder Einordnung, vielmehr dient die Regelung erkennbar allgemein dazu, dass einzelne Kompetenzen der Stiftung eingehalten werden. Schließlich ergibt sich aus den vorliegenden Vereinbarungen nicht, dass der Beigeladene darüber hinaus in die Stiftung **************** ************ ********** eingebunden war; insbesondere folgt diese auch nicht aus § 3 Abs. 2 HV/VV, wonach er nach Möglichkeit an Stiftungsratssitzungen teilnehmen soll.

Bei einer wertenden Betrachtung der Gesamtumstände kommt der Senat demnach zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall die Elemente einer selbstständigen Betätigung diejenigen einer abhängigen Beschäftigung überwiegen. Die Berufung hat daher Erfolg.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst, da sie keine Anträge gestellt und sich damit nicht in ein Kostenrisiko begeben haben (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war angesichts der Schwierigkeit der Sache notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.034,73 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 i.V.m. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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