Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 09.07.2009
Aktenzeichen: 21 BV 07.437
Rechtsgebiete: Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester, Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester


Vorschriften:

Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester § 17 Abs. 1
Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

21 BV 07.437

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Pflichtversicherung bei der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 21. Senat, durch

den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dachlauer als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Abel, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Emmert

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 7. Juli 2009

am 9. Juli 2009

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2006 wird geändert:

Der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2006 werden aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage, ob der Kläger für den beigeladenen ***** ******* ******* (Beigeladener) Pflichtversicherungsbeiträge abrechnen und an die Beklagte entrichten muss.

Der Beigeladene war zunächst als Chefdirigent bis zum 31. Januar 2001 bei der Beklagten versichert.

Mit Vertrag vom 19. Februar 2001 wurde das bestehende Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen mit Wirkung zum 31. Januar 2001 aufgehoben und für den Zeitraum vom 1. Februar 2001 bis zum 31. August 2004 neu geregelt. Nach diesem neuen Vertrag wurde der Beigeladene als Chefdirigent der ******** *********** verpflichtet (§ 2 Gegenstand des Vertrages). Der Vertrag regelte insbesondere die Pflichten des Chefdirigenten (§ 3) und das Honorar (§ 4). Nach § 3 des Vertrages war der Beigeladene für die künstlerische Entwicklung der ******** *********** verantwortlich, bei den künstlerischen Vorstellungen war das Einvernehmen mit dem Intendanten zu suchen. Für jedes Konzert stand dem Beigeladenen ein vertraglich festgelegter Geldbetrag zu.

Ab 1. Februar 2001 hat der Kläger keine Versicherungsbeiträge an die Beklagte mehr entrichtet.

Mit Vertrag vom 31. März 2004 wurde der Beigeladene für ein weiteres Jahr als Chefdirigent der ******** *********** durch den Kläger verpflichtet (§ 2 Gegenstand des Vertrages). Der Vertrag, der vom 1. September 2004 bis 31. August 2005 galt, regelte insbesondere die Pflichten des Chefdirigenten und das Honorar für jedes Dirigat.

Für die Spielzeit 2005/2006 wurde der Beigeladene mit weiterem Vertrag vom 3. August 2005 als Chefdirigent der ******** *********** für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis 31. August 2006 durch den Kläger verpflichtet.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 15. Dezember 2005 fest, dass der Beigeladene seit 1. Februar 2001 der Pflichtversicherung bei ihr unterliege und verpflichtete den Kläger, die anfallenden Beträge satzungsgemäß abzurechnen und zu entrichten. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2006 den Widerspruch vom 11. Januar 2006 zurück. Das Verwaltungsgericht wies die Klage gegen diese Bescheide mit Urteil vom 13. November 2006 ab. Der Senat macht sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu eigen und nimmt auf den Tatbestand des Urteils Bezug (§ 130 b Satz 1 VwGO).

Der Kläger trägt zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor: Aufgrund der zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen geschlossenen Verträge ergebe sich keine abhängige Tätigkeit, vielmehr habe der Beigeladene völlig selbständig handeln können. Er sei nicht einmal verpflichtet gewesen, sich der Terminplanung des Klägers zu unterwerfen. Hinsichtlich des Unternehmerrisikos sei auszuführen, dass der Beigeladene weder Einfluss darauf gehabt habe, wie viele Konzerte das Orchester des Klägers in einer Spielzeit durchführe noch darauf, ob die Konzerte durchgeführt worden seien. Im letzten Vertrag sei in § 2 (Vertrag vom 3.8.2005) festgelegt worden, dass der Beigeladene mindestens drei Abokonzerte in München habe dirigieren können. Bei einer Vergütung für ein Dirigat in Höhe von 2.400,-- Euro habe sich somit ein "risikofreier Betrag" in Höhe von 7.200,-- Euro ergeben. Zudem sei der Beigeladene auch nicht den Weisungen von Mitarbeitern des Klägers unterlegen gewesen. Er habe auch bezüglich Zeit, Ort und Inhalt seine Tätigkeit selbst bestimmen können. Ebenso wenig seien feste Arbeitszeiten vorgegeben worden. Insgesamt sei daher festzuhalten, dass eine Dienstleistung des Beigeladenen als Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommen könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2006 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2005 sowie den Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für zutreffend: Der Beigeladene sei in den Betrieb des Klägers eingegliedert, wobei im Fall eines Dirigenten die Eingliederung in den "Spielbetrieb" ausschlaggebend sei. Es sei hierfür grundsätzlich nicht erforderlich, dass weitere über das Dirigieren hinausgehende - insbesondere administrative - Aufgaben übernommen würden. Zudem fehle das für einen selbstständig Tätigen charakteristische Unternehmensrisiko beim Beigeladenen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung (§ 124 VwGO) ist begründet, weil die Klage des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. Dezember 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2006 ebenfalls zulässig und begründet ist. Die Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); denn dieser ist nicht verpflichtet, Pflichtversicherungsbeiträge für die Beschäftigung des Beigeladenen als Chefdirigent ab dem 1. Februar 2001 abzurechnen und an die Beklagte abzuführen.

Die Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass der Kläger gemäß §§ 22 a ff. der Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester vom 12. Dezember 1991 (BAnz S. 8323 und 1992 S. 546), zuletzt geändert durch Satzung vom 21. Dezember 2005 (BAnz 2006 S. 732) - Satzung VddKo - und für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2004 gemäß §§ 22, 24 Satzung VddKo in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung vom 12. Dezember 1991 (BAnz S. 8323 und 1992 S. 546), insoweit zuletzt geändert durch Satzung VddKo vom 11. Dezember 2002 (BAnz 26589), verpflichtet ist, für den Beigeladenen im streitgegenständlichen Zeitraum (vom 1.2.2001 bis 31.8.2006) Pflichtbeiträge abzurechnen und zu überweisen. Denn der Beigeladene ist nicht gemäß § 1 der Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester vom 30. März 1938 (RArbbl vom 15.5.1938 Teil VI S. 597) - TO Kulturorchester - in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satzung VddKo bei der Beklagten pflichtversichert. Da er schon nicht zu den in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehenden Musikern zu rechnen ist, kann offen bleiben, ob der Beigeladene überhaupt als Kapellmeister im Sinn von § 1 Abs. 3 a TO Kulturorchester anzusehen ist.

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Satzung VddKo ist bei der Beklagten pflichtversichert jeder unter die TO Kulturorchester fallende Musiker, der das 18. Lebensjahr vollendet hat und bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres unter Anrechnung früher zurückgelegter Beitragsmonate 120 (aktuell 60) Beitragsmonate erreichen kann und nicht berufs- oder erwerbsunfähig ist. Die Pflichtversicherung setzt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis voraus.

Bei der Abgrenzung, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, geht der Senat von den Grundsätzen aus, die das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung aufgestellt haben (vgl. u.a. BAG vom 9.10.2002 AP Nr. 114 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BSG vom 30.6.1999 NZS 2000, 147). Anknüpfungspunkte für ein Arbeitsverhältnis sind insbesondere der Umfang der Weisungsgebundenheit des Dienstverpflichteten bei der Ausübung seiner Tätigkeit, die Eingliederung in den Betrieb des Dienstberechtigten, die Notwendigkeit einer ständigen engen Zusammenarbeit mit anderen in dessen Dienst stehenden Personen, die Unterordnung unter solche Personen und die Möglichkeit für den Dienstberechtigten, über die Arbeitszeit des Mitarbeiters zu verfügen. Dagegen kommt Äußerlichkeiten und formalen Merkmalen wie der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung des Vertragsverhältnisses nur untergeordnete Bedeutung zu (BAG vom 16.8.1977 AP Nr. 23 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Selbständige Tätigkeit und abhängige Beschäftigung unterscheiden sich demnach durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist derjenige, der seine vertraglich geschuldeten Leistungen im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Wird das Rechtsverhältnis durch eine starke persönliche Abhängigkeit des zur Dienstleistung Verpflichteten geprägt, liegt ein Arbeitsverhältnis vor. Persönliche Abhängigkeit ist dabei nicht gleichbedeutend mit Weisungsgebundenheit. Diese ist nur eines von mehreren Unterscheidungsmerkmalen und kann bei Erledigung einzelner geschuldeter Leistungen ganz fehlen, wie zum Beispiel bei Chefärzten, Wissenschaftlern oder Künstlern (vgl. BAG vom 3.10.1975 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 2). Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Verhältnisse unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien dem Rechtsverhältnis gegeben haben oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge (vgl. BAG vom 19.1.2005 BAGE 93, 218/222). Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum folgt aus den getroffenen Vereinbarungen und aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrages. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung so ist letztere maßgebend. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind (vgl. BAG vom 30.11.1994 BAGE 78, 343/347).

Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung an. Kein Arbeitnehmer ist insbesondere der Mitarbeiter, der im Rahmen seines übernommenen Engagements seine Tätigkeit und Arbeitszeit noch im Wesentlichen frei gestalten kann und insoweit keinem umfangreichen Weisungsrecht unterliegt. Zeitliche Vorgaben und die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übernommenen Aufgaben einzuhalten, sind kein ausreichendes Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Das Versprechen, eine Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen, macht den Leistenden im arbeitsrechtlichen Sinn nicht weisungsabhängig (vgl. BAG vom 19.1.2000 BAGE 93, 218/222; vom 20.9.2000 EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 84, vom 22.4.1988 BAGE 88, 263). Diese Grundsätze gelten auch für Musiker (vgl. BAG vom 22.8.2001 AP Nr. 109 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Die Beschäftigung als Orchestermusiker ist demnach nicht nur als Arbeitnehmer, sondern auch als freier Mitarbeiter möglich (vgl. BAG vom 14.2.1974 BAGE 25, 505/512; vom 18.5.2000 NZA 2000, 1343).

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze lässt sich im vorliegenden Fall weder aus dem Inhalt der zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen abgeschlossenen Verträge vom 19. Februar 2001, vom 31. März 2004 und vom 3. August 2005 noch bei einer Gesamtwürdigung aller tatsächlichen Umstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung ein solches Maß an persönlicher Abhängigkeit des Beigeladenen erkennen, dass er als Arbeitnehmer anzusehen wäre.

Denn diese Verträge enthalten nahezu keine Anhaltspunkte, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen könnten.

Weder aus § 3 Nr. 1 des Vertrags vom 19. Februar 2001 (Vertrag 2001) noch aus § 3 Nr. 1 Satz 1 des Vertrags vom 31. März 2004 (Vertrag 2004) noch aus § 2 Nr. 1 Satz 1 des Vertrags vom 3. August 2005 (Vertrag 2005) ergibt sich, dass der Beigeladene in das Unternehmen des Klägers eingegliedert ist. Danach ist der Beigeladene als Chefdirigent für die künstlerische Entwicklung der ******** *********** verantwortlich. Diese Formulierung besagt nur, dass sich der Kläger für eine bestimmte Dauer (Spielzeiten) die Dienste des Beigeladenen als Chefdirigent gesichert hat. Damit sollte aus Sicht des Klägers ein Teil der Dirigate abgedeckt werden, die in der jeweiligen Spielzeit anfallen. Ein abhängig Beschäftigter ist auch nicht für die künstlerische Entwicklung eines Orchesters verantwortlich, sondern er wird eingestellt und damit in den Betrieb integriert. Des Weiteren sagt der in den Verträgen verwendete Begriff Chefdirigent über die rechtliche Einordnung nichts aus. Dieser Titel verschafft zwar eine gewisse Reputation, gibt aber für eine konkrete Einordnung der Tätigkeit nichts her.

Zudem hat der Beigeladene aufgrund der vorliegenden Verträge nur die Verpflichtung übernommen, eine bestimmte Anzahl von Dirigaten durchzuführen, wobei im Vertrag vom 19. Februar 2001 eine derartige Verpflichtung für eine bestimmte Anzahl von Dirigaten fehlt und nur das Honorar für die vom Beigeladenen zu dirigierenden Konzerte (§ 4 Nr. 1) geregelt wurde. Allein aus dem Umstand, dass der Beigeladene als Chefdirigent notwendigerweise auf die Zusammenarbeit mit dem Orchester angewiesen ist, ergibt sich nicht, dass er in abhängiger Beschäftigung arbeitet, weil es sich insoweit nicht um eine organisatorische Einbindung handelt. Die Klägerin stellt vielmehr dem Beigeladenen das Orchester als Klangkörper zur Verfügung. Der Beigeladene bedient sich zur Einbringung seiner Leistung des Orchesters; dabei wird dem Beigeladenen weder vorgeschrieben, welche Werke er zu dirigieren noch wie er diese zu dirigieren hat.

Auch aus den mehrmaligen Vertragsverlängerungen (vom 1.2.2001 bis 31.8.2004, vom 1.9.2004 bis 31.8.2005 und vom 1.9.2005 bis 31.8.2006), die eine Art Rahmenvereinbarung über eine mehrjährige Zusammenarbeit darstellen, kann kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis abgeleitet werden. Denn gerade die besondere künstlerische Kompetenz und der Bekanntheitsgrad des Beigeladenen, der für den Erfolg der Münchner Philharmoniker verwertbar gemacht werden soll, erfordert eine längerfristige und damit auch langjährige Zusammenarbeit, was in der Orchesterpraxis üblich ist. Die Dauer der Zusammenarbeit sagt daher über die Einordnung, ob es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder die Tätigkeit eines freien Mitarbeiters handelt, nichts aus. Im Übrigen ist es hier gerade so, dass sich der Kläger die besondere künstlerische Kompetenz des Beigeladenen sichert, um den Erfolg des Orchesters zu maximieren. Das entspricht den gängigen Vereinbarungen, die mit selbständigen Künstlerpersönlichkeiten getroffen werden, die durch ihre vorherige oder auch noch über die Arbeit mit dem Orchester des Klägers hinausgehende weitere Arbeit mit anderen Orchestern eine Reputation erlangen, die die Qualität und damit auch den Ruf des eigenen Orchesters verbessern sollen. Allein daraus kann ebenfalls nicht geschlossen werden, dass die künstlerische Prägung eines Orchesters nur in abhängiger Beschäftigung möglich sein soll.

Der Beigeladene trägt auch tatsächlich ein wirtschaftliches Risiko. Denn das unternehmerische Risiko des Beigeladenen besteht zunächst darin, dass er überhaupt unter Vertrag genommen wird. Nicht erforderlich ist, dass er selbst das Unternehmerrisiko des Klägers zusätzlich auf sich nimmt. Dass der Beigeladene - wie hier - das eigene wirtschaftliche Risiko hat, ist ausreichend. So ist in § 4 Nr. 1 (Vertrag 2001) eine feste Anzahl von Dirigaten nicht vorgesehen, lediglich ein Honorar für jedes Konzert. In § 2 Nr. 1 Satz 2 (Vertrag 2005) wurde ebenfalls keine feste Anzahl von Konzerten vereinbart, jedoch festgelegt, dass der Beigeladene mindestens drei Abokonzerte in München dirigieren werde. In § 3 Nr. 1 Satz 2 (Vertrag 2004) wurde ebenfalls eine feste Anzahl von Konzerten nicht vereinbart, jedoch wurde dem Beigeladenen die Möglichkeit eingeräumt, mindestens 50 v.H. der Abokonzerte in München dirigieren zu können. In keinem der Verträge sind aber Konsequenzen für den Fall vorgesehen, dass diese Vorgaben nicht erfüllt werden. Zudem ergibt sich aus den Verträgen hinsichtlich der Vergütung und des Honorars (vgl. § 4 Nr. 1 [Vertrag 2001], § 4 [Vertrag 2004] und § 3 [Vertrag 2005]), dass das vereinbarte Honorar nur bezahlt wird, wenn auch das Dirigat durchgeführt wurde. Das entspricht dem Grundsatz, dass nur die tatsächlich erbrachte Leistung bezahlt wird. Das gilt aber bei abhängig Beschäftigten schon aufgrund des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht. Zudem finden sich in keinem der Verträge irgendwelche Vereinbarungen über einen Urlaubsanspruch, einen Anspruch auf Sozialleistung oder eine Überstundenvergütung des Beigeladenen.

Auch die Vereinbarung eines gewissen Mindeststandards an Verpflichtungen (§ 2 Nr. 1 [Vertrag 2005]) steht einem selbständigen Beschäftigungsverhältnis nicht entgegen. Denn auch in einem solchen Beschäftigungsverhältnis besteht ein Interesse daran, dass die Tätigkeit durch Normen und Regeln festgeschrieben wird (vgl. Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2008, RdNr. 9 zu § 7 SGB IV m.w.N.).

Entscheidend für den Selbständigenstatus des Beigeladenen ist, dass er im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen konnte.

Der Vertrag 2005 enthält eine Regelung darüber, dass der Beigeladene mindestens drei Abokonzerte in München zu dirigieren hat. In anderen Verträgen findet sich eine derartige Festlegung nicht. Die Festlegung der vertraglichen Verpflichtungen ist aber hier vor allem auf das Interesse des Klägers zurück zu führen, den Beigeladenen, der ein in der Fachwelt anerkannter Dirigent ist, an sich zu binden, um Planungssicherheit hinsichtlich der Anzahl der Konzerte mit ihm als Dirigent zu haben. Im Übrigen unterliegt die Festsetzung der Termine mangels anderweitiger Regelung in den Verträgen der Zeithoheit des Beigeladenen, da er die Konzerttermine im einzelnen selbst bestimmen kann. Den Verträgen ist auch nicht die Verpflichtung des Beigeladenen zu entnehmen, an der Durchführung von Probespielen teilzunehmen. Auch die Bestimmung in den Verträgen, dass in allen künstlerischen Angelegenheiten das Einvernehmen mit dem Intendanten zu suchen oder herzustellen ist (vgl. § 3 Nr. 3 [Vertrag 2001], § 3 Nr. 3 [Vertrag 2004] und § 2 Nr. 2 Satz 2 [Vertrag 2005]), ändert nichts an der bisherigen rechtlichen Betrachtungsweise. Denn Verpflichtungen des Beigeladenen, in bestimmten Fällen das Einvernehmen mit dem Intendanten zu suchen oder nach § 3 Nr. 3 Vertrag 2005, wonach eine Akquise von Gastspielen für das Orchester des Klägers grundsätzlich nach Absprache und mit Zustimmung des Intendanten erfolgen soll, haben mit keiner Art Weisungsabhängigkeit des Beigeladenen zu tun, was sich schon aus dieser insoweit eindeutigen Formulierung in den Verträgen ergibt. Wäre Letzteres nämlich gewollt gewesen, so hätte der Kläger das in den Verträgen klar zum Ausdruck bringen müssen. Nachdem die vorliegenden Verträge keine weiteren konkreten Anhaltspunkte enthalten, die auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen mit dem Kläger hindeuten könnten und konkrete Anhaltspunkte, wonach die tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung der Verträge ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis darstellen könnten, weder vorgetragen noch ersichtlich sind, gelangt der Senat im konkreten Fall bei einer wertenden Betrachtung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis, dass hier die Elemente einer selbständigen Betätigung diejenigen einer abhängigen Beschäftigung bei weitem überwiegen. Die Berufung hat daher Erfolg.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst, da sie keine Anträge gestellt und sich damit nicht in ein Kostenrisiko begeben haben (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war angesichts der Schwierigkeit der Sache notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.707,00 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 i.V.m. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück