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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 09.07.2009
Aktenzeichen: 21 BV 07.546
Rechtsgebiete: Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester, Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester


Vorschriften:

Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester § 17 Abs. 1
Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester § 1
Der derzeitige Chefdirigent der Berliner Philharmoniker und Künstlerische Leiter der Philharmonie ist nicht abhängig beschäftigt, sondern übt eine selbständige Tätigkeit aus.

Er unterfällt daher nicht der Pflichtversicherung bei der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

21 BV 07.546

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Pflichtversicherung bei der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 21. Senat, durch

den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dachlauer als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Abel, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Emmert

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 7. Juli 2009

am 9. Juli 2009

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2006 wird geändert:

Der Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 14. November 2005 werden aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob der Beigeladene zu 1 (im Folgenden der Beigeladene) im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Chefdirigent und Künstlerischer Leiter der Philharmonie der Stiftung ******** ************** (Klägerin) der Pflichtversicherung bei der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester (Beklagte) unterliegt.

Durch Vertrag mit dem Land Berlin vom 19. September 2001 übernahm der Beigeladene ab 1. September 2002 die künstlerische Leitung des Berliner Philharmonischen Orchesters als Chefdirigent. Gemäß § 1 Nr. III Abs. 1 endet der Vertrag am 31. August 2012 und verlängert sich jeweils um weitere fünf Jahre, wenn er nicht von einer der Vertragsparteien drei Jahre vor Ablauf, also erstmals vor dem 31. August 2009, gekündigt wird. Nach Pressemeldungen will der Beigeladene den Vertrag bis zum Jahr 2018 verlängern.

Der Vertrag enthält des weiteren Bestimmungen über ein außerordentliches Kündigungsrecht des Beigeladenen für den Fall, dass das Land Berlin die finanziellen Zusagen nicht einhält oder reduziert (§ 1 Nr. III Abs. 2), über die jährliche Spielverpflichtung und Präsenz des Beigeladenen (§ 2), seine Rechte als Chefdirigent (§ 3), die ihm für jede Spielzeit fest zustehende Vergütung und die Vergütung, die er für jedes in der Philharmonie geleitete Konzert erhält (§ 4 Nr. I). Ferner ist geregelt, dass über die Vergütung für Konzerte außerhalb der Philharmonie jeweils gesondert und über eine Anpassung der im Vertrag betragsmäßig festgesetzten Vergütung alle drei Jahre verhandelt wird, wenn dies eine Partei fordert (§ 4 Nrn I und III).

Am 1. Januar 2002 trat das Gesetz über die "Stiftung ******** **************" vom 12. Juli 2001 in Kraft, mit dem die bisher nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts "Berliner Philharmonisches Orchester" in eine landesunmittelbare rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Berlin umgewandelt wurde. Nach § 6 Abs. 1 dieses Gesetzes besteht der Stiftungsvorstand aus dem Intendanten als Sprecher, dem künstlerischen Leiter und zwei Mitgliedern des Orchesters. Gemäß § 12 Abs. 6 Stiftungsgesetz wird der künstlerische Leiter auf Vorschlag der Orchesterversammlung eingestellt; die Einstellung des Intendanten bedarf des Einvernehmens mit dem künstlerischen Leiter und den Vertretern des Orchesters im Stiftungsvorstand; der Intendant und der künstlerische Leiter nehmen ihre Aufgaben im Rahmen von Dienstverhältnissen wahr. Nach § 5 des Vertrages vom 19. September 2001 ist das Dienstverhältnis des Beigeladenen nach Errichtung der Stiftung mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Rechtsträger übergegangen.

Die Amtszeit des damaligen Intendanten endete am 31. Dezember 2002. Der Posten blieb anschließend bis Juli 2006 unbesetzt. Am 1. August 2006 übernahm eine neue Intendantin bis zum Jahr 2009 die Aufgabe, die aber nach Angaben der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung nunmehr bald ausscheidet. Ein Nachfolger wird derzeit gesucht.

Mit Bescheid vom 31. Mai 2005 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene für seine Tätigkeit als Chefdirigent der Versicherungspflicht unterliege. Die Klägerin wurde verpflichtet, den Beigeladenen zur Pflichtversicherung anzumelden und bereits fällige Beiträge seit 1. September 2002 abzurechnen und zu entrichten.

Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2005 zurück.

Die erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 13. November 2006 als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt auf den Tatbestand dieses Urteils Bezug und macht sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts insoweit zu eigen (§ 130 b Satz 1 VwGO).

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Der Beigeladene stehe als Chefdirigent, künstlerischer Leiter und Vorstandsmitglied der Klägerin nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Es fehle bereits an einer persönlichen Abhängigkeit, da der Beigeladene mit Blick auf Zeit, Ort sowie konkrete Art und Weise seiner Leistungserbringung weder rechtlich noch tatsächlich weisungsgebunden sei. Soweit das Verwaltungsgericht aus der langen Laufzeit des Vertrages und der Mindestanzahl der zu dirigierenden Konzerte etwas anderes ableite, übersehe es, dass sich diese Verpflichtung bereits aus der Natur der Beschäftigung ergebe. Denn der Beigeladene habe als Chefdirigent und künstlerischer Leiter die Aufgabe, die Entwicklung des Orchesters mit einem eigenen Stil zu prägen. Eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin liege zudem deshalb nicht vor, weil der Beigeladene als Vorstandsmitglied maßgeblich die Rahmenbedingungen seiner Arbeit sowie die Organisation des Betriebsablaufs mit gestalten könne. Die Rechtsstellung als Vorstandsmitglied sei bei der Einordnung des Beschäftigungsverhältnisses zu berücksichtigen, da sich beide Tätigkeitsbereiche weder rechtlich noch tatsächlich trennen ließen. Auch das Gesetz über die "Stiftung ******** **************" vom 12. Juli 2001 ordne eine Beschäftigung des künstlerischen Leiters im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses an. Darüber hinaus ergebe sich die Selbständigkeit der Beschäftigung des Beigeladenen aus seiner gesetzlichen Organstellung. Eine Versicherungspflicht bestehe daher entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 14. November 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für zutreffend: Der Beigeladene sei in seiner Funktion als Chefdirigent in den Orchesterbetrieb der Klägerin eingegliedert. Dafür spreche bereits die vertragliche Bindung von zehn Jahren, die ihm eine Einflussnahme auf die künstlerische Entwicklung des Orchesters und dessen Prägung ermögliche. Etwas anderes könnte etwa beim Abschluss projektbezogener kurzfristiger Verträge gelten. Im konkreten Fall schreibe der Vertrag aber gerade die Verpflichtung vor, jährlich mindestens fünf Monate mit dem Orchester zusammenzuarbeiten und in jeder Spielzeit mindestens 40 Konzerte zu dirigieren. Das erfordere eine enge Zusammenarbeit, aus der sich die Einbindung in den Orchesterbetrieb ergebe. Die zusätzliche Tätigkeit als Stiftungsvorstand rechtfertige keine andere Beurteilung. Es handle sich dabei um eine rechtlich zu trennende weitere Beschäftigung, die zudem ehrenamtlich und unentgeltlich auszuüben sei. Die Versicherungspflicht erstrecke sich ausschließlich auf die Tätigkeit als Chefdirigent. Als künstlerischer Leiter des Orchesters habe der Beigeladene zwar die Möglichkeit, Einfluss auf anstehende Entscheidungen auszuüben. Er sei daran aber lediglich beteiligt und habe auch im Stiftungsvorstand nicht die Stellung, um Entscheidungen wesentlich zu beeinflussen. Die Rechtsstellung des Beigeladenen sei auch nicht mit der eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft vergleichbar. Ebenso fehle bei dem Beigeladenen das für einen selbständig Tätigen charakteristische Unternehmerrisiko. Er erhalte neben einer Pauschalvergütung eine garantierte Vergütung für jedes geleistete Konzert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der mündlichen Verhandlung wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 124 Abs. 1, § 124 a Abs. 1, 2 und 3 VwGO zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen, weil der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 14. November 2005 rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn die Klägerin ist nicht verpflichtet, den Beigeladenen zur Pflichtversicherung anzumelden sowie für seine Beschäftigung als Chefdirigent der ******** ************** und Künstlerischer Leiter der Philharmonie seit 1. September 2002 Beiträge abzurechnen und an die Beklagte zu entrichten.

Die Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass die Klägerin gemäß §§ 22 a ff. der Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester vom 12. Dezember 1991 (BAnz S. 8323 und 1992 S. 546), zuletzt geändert durch Satzung vom 21. Dezember 2005 (BAnz 2006 S. 732) - Satzung VddKo - und für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2004 gemäß §§ 22, 24 Satzung VddKo in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung vom 12. Dezember 1991 (BAnz S. 8323 und 1992 S. 546), insoweit zuletzt geändert durch Satzung VddKo vom 11. Dezember 2002 (BAnz 26589), verpflichtet ist, für den Beigeladenen seit 1. September 2002 Pflichtbeiträge abzurechnen und zu überweisen. Der Beigeladene ist nämlich nicht gemäß § 1 der Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester vom 30. März 1938 (RArbbl vom 15.5.1938 Teil VI S. 597) - TO Kulturorchester - in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satzung VddKo bei der Beklagten pflichtversichert. Da er schon nicht zu den in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehenden Musikern zu rechnen ist, kann offen bleiben, ob er überhaupt unter den Begriff Kapellmeister im Sinn von § 1 Abs. 3 a TO Kulturorchester fällt.

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Satzung VddKo ist bei der Beklagten pflichtversichert jeder unter die TO Kulturorchester fallende Musiker, der das 18. Lebensjahr vollendet hat und bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres unter Anrechnung früher zurückgelegter Beitragsmonate 120 (aktuell 60) Beitragsmonate erreichen kann und nicht berufs- oder erwerbsunfähig ist. Die Pflichtversicherung setzt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis voraus.

Bei der Abgrenzung, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, geht der Senat von den Grundsätzen aus, die das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung aufgestellt haben (vgl. u.a. BAG vom 9.10.2002 AP Nr. 114 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BSG vom 30.6.1999 NZS 2000, 147). Anknüpfungspunkte für ein Arbeitsverhältnis sind insbesondere der Umfang der Weisungsgebundenheit des Dienstverpflichteten bei der Ausübung seiner Tätigkeit, die Eingliederung in den Betrieb des Dienstberechtigten, die Notwendigkeit einer ständigen engen Zusammenarbeit mit anderen in dessen Dienst stehenden Personen, die Unterordnung unter solche Personen und die Möglichkeit für den Dienstberechtigten, über die Arbeitszeit des Mitarbeiters zu verfügen. Dagegen kommt Äußerlichkeiten und formalen Merkmalen wie der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung des Vertragsverhältnisses nur untergeordnete Bedeutung zu (BAG vom 16.8.1977 AP Nr. 23 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Selbständige Tätigkeit und abhängige Beschäftigung unterscheiden sich demnach durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist derjenige, der seine vertraglich geschuldeten Leistungen im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Wird das Rechtsverhältnis durch eine starke persönliche Abhängigkeit des zur Dienstleistung Verpflichteten geprägt, liegt ein Arbeitsverhältnis vor. Persönliche Abhängigkeit ist dabei nicht gleichbedeutend mit Weisungsgebundenheit. Diese ist nur eines von mehreren Unterscheidungsmerkmalen und kann bei Erledigung einzelner geschuldeter Leistungen ganz fehlen, wie zum Beispiel bei Chefärzten, Wissenschaftlern oder Künstlern (vgl. BAG vom 3.10.1975 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 2). Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Verhältnisse, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien dem Rechtsverhältnis gegeben haben oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge (vgl. BAG vom 19.1.2005 BAGE 93, 218/222). Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum folgt aus den getroffenen Vereinbarungen und aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrages. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind (vgl. BAG vom 30.11.1994 BAGE 78, 343/347).

Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung an. Kein Arbeitnehmer ist insbesondere der Mitarbeiter, der im Rahmen seines übernommenen Engagements seine Tätigkeit und Arbeitszeit noch im Wesentlichen frei gestalten kann und insoweit keinem umfangreichen Weisungsrecht unterliegt. Zeitliche Vorgaben und die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übernommenen Aufgaben einzuhalten, sind kein ausreichendes Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Das Versprechen, eine Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen, macht den Leistenden im arbeitsrechtlichen Sinn nicht weisungsabhängig (vgl. BAG vom 19.1.2000 BAGE 93, 218/222; vom 20.9.2000 EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 84, vom 22.4.1988 BAGE 88, 263). Diese Grundsätze gelten auch für Musiker (vgl. BAG vom 22.8.2001 AP Nr. 109 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Die Beschäftigung als Orchestermusiker ist demnach nicht nur als Arbeitnehmer, sondern auch als freier Mitarbeiter möglich (vgl. BAG vom 14.2.1974 BAGE 25, 505/512; vom 18.5.2000 NZA 2000, 1343).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich im konkreten Fall weder aus dem zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen geschlossenen Vertrag vom 19. September 2001 noch aus einer unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung vorzunehmenden Gesamtbetrachtung aller tatsächlichen Umstände ein Maß an persönlicher Abhängigkeit des Beigeladenen, das ihn als Arbeitnehmer erscheinen lassen könnte. Dabei ist ohne Bedeutung, dass das Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen in dem Vertrag vom 19. September 2001 (§ 5) und in dem Gesetz über die "Stiftung ******** **************" (§ 12 Abs. 6 Satz 4) als Dienstverhältnis bezeichnet wird. Denn zum einen gibt es auch freie Dienstverhältnisse. Zum anderen kommt es nicht auf die Bezeichnung durch die Vertragsparteien, sondern auf den tatsächlichen Vertragsinhalt an.

Zwar enthält der Vertrag vom 19. September 2001 durchaus Anhaltspunkte, die auf den ersten Blick für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen könnten. Die lange Laufzeit von zehn Jahren, die offenbar bereits erzielte Einigung über eine Vertragsverlängerung bis zum Jahr 2018, die Verpflichtungen des Beigeladenen, in jeder Spielzeit mindestens 40 Konzerte innerhalb und außerhalb Berlins zu dirigieren, jährlich mindestens fünf Monate mit dem Orchester zu arbeiten und die Übertragung der von ihm geleiteten Konzerte über Hörfunk, Fernsehen und Internet sowie Aufzeichnungen zum Zweck der Übertragung zu dulden und die Vereinbarung einer Pauschalvergütung für jede Spielzeit, die in zwölf gleichen Monatsraten zu zahlen ist, könnten auf eine enge Zusammenarbeit und damit Eingliederung in das Unternehmen der Klägerin sowie auf ein fehlendes Unternehmerrisiko des Beigeladenen hindeuten. Das ist aber bei näherer Betrachtung und Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse nicht der Fall.

Soweit das Verwaltungsgericht aus dem Umfang der Tätigkeit des Beigeladenen auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis schließt, folgt dem der Senat nicht. Zwar haben sich die Klägerin und der Beigeladene auf eine langjährige und durchaus intensive Zusammenarbeit verständigt. Das reicht aber für die Annahme einer unselbständigen Tätigkeit nicht aus. Denn gerade wenn man die außergewöhnliche künstlerische Kompetenz und den weltweiten Bekanntheitsgrad des Beigeladenen für den Erfolg der ******** ************** verwerten möchte, ist eine längerfristige - auch langjährige Zusammenarbeit wünschenswert und in der Orchesterpraxis üblich. Die Dauer der Zusammenarbeit selbst sagt daher allein über die Einordnung, ob es sich dabei um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder die Tätigkeit eines freien Mitarbeiters handelt, nichts aus. Im Übrigen ist es gerade so, dass sich die Klägerin die besondere künstlerische Kompetenz des Beigeladenen sichert, um den Erfolg des Orchesters zu maximieren. Das entspricht Vereinbarungen, die mit selbständigen Künstlerpersönlichkeiten getroffen werden, die durch ihre vorherige und auch noch über die Tätigkeit mit dem Orchester der Klägerin hinausgehende weitere Arbeit mit anderen Orchestern eine Reputation besitzen, die die Qualität und damit den Ruf des eigenen Orchesters verbessern soll. Daraus kann ebenfalls nicht geschlossen werden, dass die künstlerische Prägung eines Orchesters nur in abhängiger Beschäftigung möglich sein soll. Gleiches gilt für den durchaus beachtlichen Umfang der Tätigkeit des Beigeladenen, der in jeder Spielzeit mindestens 40 Konzerte innerhalb und außerhalb Berlins zu dirigieren und jährlich mindestens fünf Monate mit dem Orchester zu arbeiten hat.

Auch aus § 1 des Vertrages vom 19. September 2001, wonach der Beigeladene ab 1. September 2002 die künstlerische Leitung des Berliner Philharmonischen Orchesters als dessen Chefdirigent übernommen hat, ergibt sich keine Eingliederung in das Unternehmen der Klägerin. Diese Formulierung besagt nur, dass sich die Klägerin für eine bestimmte Dauer (Spielzeiten) die Dienste des Beigeladenen gesichert hat. Damit sollte aus Sicht der Klägerin ein wesentlicher Teil der Dirigate abgedeckt werden, die in der jeweiligen Spielzeit anfallen. Ein abhängig Beschäftigter übernimmt auch nicht die künstlerische Leitung eines Orchesters, sondern er wird eingestellt und damit in den Betrieb integriert. Des Weiteren sagt der in § 1 des Vertrages verwendete Begriff Chefdirigent über die rechtliche Einordnung nichts aus. Der Titel soll eine gewisse Reputation schaffen, gibt aber für die konkrete Einordnung der Tätigkeit nichts her. Auch der Umstand, dass der Beigeladene als Dirigent notwendigerweise auf die Zusammenarbeit mit dem Orchester angewiesen ist, ergibt nicht, dass er in abhängiger Beschäftigung arbeitet, weil es sich insoweit nicht um eine organisatorische Einbindung handelt. Die Klägerin stellt dem Beigeladenen das Orchester als Klangkörper zur Verfügung. Dieser bedient sich zur Einbringung seiner Leistung des Orchesters; dem Beigeladenen wird aber weder vorgeschrieben, welche Werke er zu dirigieren noch wie er diese zu dirigieren hat.

Gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht ferner das in § 1 Nr. III Abs. 2 des Vertrages vom 19. September 2001 verankerte außerordentliche Kündigungsrecht des Beigeladenen jeweils zum Ende einer Spielzeit, falls das Land Berlin seine finanziellen Zusagen nicht einhält oder reduziert sowie zum Ende der Spielzeit 2004/2005, sofern zwischen dem Land Berlin und der Stiftung kein Einvernehmen über einen Anschlussvertrag (für eine Zuschussgewährung) erzielt werden kann. Eine derartige Regelung wäre in einem Arbeitgeber - Arbeitnehmerverhältnis kaum denkbar.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts trägt der Beigeladene auch tatsächlich ein Unternehmerrisiko. Sein wirtschaftliches Risiko besteht darin, überhaupt unter Vertrag genommen zu werden. Es ist nicht erforderlich, dass er das Unternehmerrisiko der Klägerin zusätzlich auf sich nimmt.

Die in § 4 Nr. I. 1 des Vertrages vom 19. September 2001 vereinbarte Pauschalvergütung für jede Spielzeit, die in zwölf gleichen Monatsraten zu zahlen ist, reicht ebenfalls allein für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen nicht aus. Denn auch in einem selbständigen Dienstverhältnis besteht ein Interesse daran, dass die Tätigkeit durch die Vereinbarung eines gewissen Mindeststandards an gegenseitigen Verpflichtungen geregelt wird (vgl. Rolfs in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2008, RdNr. 9 zu § 7 SGB IV m.w.N.).

Ausschlaggebend für den Selbständigenstatus des Beigeladenen ist letztlich, dass sich weder aus dem Vertrag vom 19. September 2001 (Vertrag) noch aus dem Gesetz über die "Stiftung ******** **************" vom 12. Juli 2001 (Stiftungsgesetz) noch aus der Stiftungssatzung der Stiftung ******** ************** vom 22. Februar 2002 (Stiftungssatzung) ein irgendwie geartetes Weisungsrecht - auch kein sehr eingeschränktes - ergibt und der Beigeladene im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann.

So ist angesichts des Weltruhms und der Ausnahmeleistungen des Beigeladenen auf höchstem musikalischem Niveau schon in tatsächlicher Hinsicht ein Weisungsrecht ihm gegenüber mit Blick auf seine Tätigkeit als Chefdirigent und künstlerischer Leiter des Berliner Philharmonischen Orchesters nicht vorstellbar. Er würde ein solches Abhängigkeitsverhältnis mit Sicherheit auch nicht akzeptieren. Dementsprechend ist in § 1 Nr. I des Vertrages geregelt, dass der Beigeladene gemeinsam mit dem Intendanten die künstlerische Verantwortung für die Konzeption der Veranstaltungen in der Philharmonie und dem Kammermusiksaal der Philharmonie übernimmt; gemeinsam mit dem Intendanten ist er auch für die Entwicklung eines musikpädagogischen Konzepts verantwortlich. Gemäß § 3 des Vertrages hat der Beigeladene das Recht, aber nicht die Pflicht, bei dem maßgeblichen Probespiel zukünftiger Mitglieder der ******** ************** zugegen zu sein. Vor der endgültigen Einstellung sowie vor der Entlassung von Mitgliedern des Orchesters ist das Einverständnis mit dem Beigeladenen herbeizuführen, soweit es um künstlerische Fragen geht. Nach § 3 Nr. IV des Vertrages darf sogar die Einstellung und Entlassung des Intendanten nur im Einvernehmen mit dem Beigeladenen erfolgen und bei Stellenbesetzungen und Entlassungen im Bereich des Führungspersonals ist das Einvernehmen mit ihm herzustellen. Außerdem treffen der Beigeladene und der Intendant im Einvernehmen die Entscheidung über die Einstellung und Entlassung eines persönlichen Assistenten für den Beigeladenen, wobei das alleinige Vorschlagsrecht bei ihm liegt, und die Klägerin stellt ihm während seines Aufenthalts in Berlin ein Fahrzeug mit Fahrer zur Verfügung (§ 3 Nrn. III und V des Vertrages). Diese Regelungen zeigen die herausragende Position des Beigeladenen und sprechen gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Dass er einige der angesprochen Entscheidungen gemeinsam und im Einvernehmen mit dem Intendanten zu treffen hat, begründet keine Weisungsabhängigkeit, wie aus dem klaren Wortlaut der Bestimmungen hervorgeht. Die tatsächlich starke Stellung des Beigeladenen bei der Klägerin belegt im Übrigen auch der Umstand, dass der Posten des Intendanten von Anfang 2003 bis Juli 2006, also dreieinhalb Jahre, unbesetzt war.

Ein Blick auf das Stiftungsgesetz und die Stiftungssatzung untermauert die Einschätzung, dass der Beigeladene keinerlei Weisungsrecht unterliegt. Nach § 6 Abs. 1 Stiftungsgesetz und § 1 Abs. 1 der Stiftungssatzung ist er als künstlerischer Leiter der Philharmonie und Chefdirigent der ******** ************** zusammen mit dem Intendanten als Sprecher und zwei Angehörigen des Orchesters Mitglied des Stiftungsvorstands, der gemäß § 7 Abs. 1 Stiftungsgesetz, § 2 Abs. 1 Stiftungssatzung die vielfältigen Geschäfte der Stiftung nach Maßgabe der Satzung führt. Beschlüsse des Stiftungsvorstands bedürfen nach § 4 Abs. 1 der Stiftungssatzung der Mitwirkung aller Vorstandsmitglieder, also auch des Beigeladenen, wobei einfache Stimmenmehrheit genügt. Bei Stimmengleichheit gibt zwar die Stimme des Intendanten als Sprecher des Stiftungsvorstands den Ausschlag. Bei genauer Betrachtung schränkt diese Regelung aber den maßgeblichen Einfluss des Beigeladenen nicht ein und begründet keine Weisungsabhängigkeit. Denn nach dem Vertrag vom 19. September 2001 treffen der Intendant und der Beigeladene die wichtigen Entscheidungen ohnehin gemeinsam. Es ist deshalb schon kaum denkbar, dass der Intendant zusammen mit den zwei Orchestermitgliedern des Stiftungsvorstands den Beigeladenen überstimmt. Stimmengleichheit mit der Folge der ausschlaggebenden Stimme des Intendanten könnte darüber hinaus nur entstehen, wenn dieser zusammen mit dem Beigeladenen im Stiftungsvorstand den beiden Orchestermitgliedern gegenüberstünde; denn diese geben nach § 4 Abs. 1 Satz 4 der Stiftungssatzung ihre Stimmen jeweils im gleichen Sinn (una voce) ab. In diesem Fall wäre daher eine Entscheidung gegen den Beigeladenen ebenfalls nicht gegeben. Schließlich begründet auch das in § 8 Abs. 1 Satz 3 Stiftungsgesetz und § 4 Abs. 3 der Stiftungssatzung dem Intendanten in allen Angelegenheiten eingeräumte Vetorecht aus Budgetgründen keine Weisungsgebundenheit. Denn auch ein weltberühmter und auf höchstem künstlerischem Niveau arbeitender Dirigent wie der Beigeladene ist finanziellen Zwängen unterworfen, denen er Rechnung zu tragen hat.

Der Beigeladene kann auch im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen. Gemäß § 2 Nrn. I, II und IV des Vertrages vom 19. September 2001 verpflichtet sich der Beigeladene, im Lauf jeder Spielzeit in möglichst regelmäßigen Abständen auf das Jahr verteilt mindestens 40 Konzerte innerhalb und außerhalb Berlins zu dirigieren. Konzerte außerhalb der Philharmonie (einschließlich Tourneen) müssen stets zunächst dem Beigeladenen für das Dirigat angeboten werde. Lehnt er ab, so soll der Dirigent vom Intendanten im Einvernehmen mit ihm bestimmt werden. Außerdem verpflichtet sich der Beigeladene, jährlich mindestens fünf Monate - in Absprache mit den anderen Mitgliedern des Stiftungsvorstands - mit dem Orchester zu arbeiten. Diese Vereinbarungen regeln im Interesse der Klägerin zwar den Rahmen der Tätigkeit des Beigeladenen, um diesen als weltberühmten Dirigenten an sich zu binden und sich Planungssicherheit hinsichtlich der Mindestanzahl der von ihm dirigierten Konzerte und der Arbeit mit dem Orchester zu verschaffen. Die konkrete Festsetzung der Termine, die Anzahl der über 40 Konzerte hinausgehenden Konzerte außerhalb der Philharmonie und die genaue Festlegung der mindestens fünf Monate, die er mit dem Orchester zu arbeiten hat, kann der Beigeladene aber im Einzelnen selbst bestimmen. Der Vertrag enthält auch nur das Recht und nicht die Pflicht, an Stiftungsvorstandssitzungen und Probespielen teilzunehmen. Schließlich regelt der Vertrag vom 19. September 2001 auch weder einen Urlaubsanspruch, einen Anspruch auf Sozialleistungen noch eine Überstundenvergütung für den Beigeladenen, wie es bei einem abhängiges Beschäftigungsverhältnis typisch wäre.

Bei einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände kommt der Senat daher zu dem Ergebnis, dass im konkreten Fall die Elemente einer selbständigen Betätigung des Beigeladenen diejenigen einer abhängigen Beschäftigung überwiegen. Die Beklagte hat deshalb zu Unrecht festgestellt, dass der Beigeladene für seine Tätigkeit als Chefdirigent der ******** ************** und Künstlerischer Leiter der Philharmonie der Versicherungspflicht unterliegt. Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.

Auf die von dem Verwaltungsgericht als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft oder Geschäftsführern einer GmbH generell auf Personen in leitender Position, wie hier einen Chefdirigenten, anwendbar sind, kommt es nach alldem nicht an.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst, da sie keine Anträge gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war angesichts der Schwierigkeit der Sache notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.354,60 Euro festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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