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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.03.2007
Aktenzeichen: 21 C 06.2549
Rechtsgebiete: GVG, VwGO, BayRDG


Vorschriften:

GVG § 17 a
VwGO § 40
VwGO §§ 146 ff
BayRDG Art. 18
BayRDG Art. 19
BayRDG Art. 21
1. Der Notarztdienst nach Art. 21 BayRDG stellt im Hinblick auf die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Rettungsdienstes in Bayern hoheitliche Tätigkeit dar.

2. Für die Überprüfung eines Hausverbots, das von einer mit der Durchführung des Rettungsdienstes beauftragten Hilfsorganisation (Art. 18, Art. 19 BayRDG) gegenüber einem Notarzt in Ausübung des Notarztdienstes erlassen wird, ist der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eröffnet.

3. Die Rechtsform der Hilfsorganisation ist für die Frage des Rechtswegs insoweit unerheblich.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

21 C 06.2549

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Hausverbots;

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. August 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 21. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Polloczek, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Abel, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dachlauer

ohne mündliche Verhandlung am 5. März 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. August 2006 wird aufgehoben.

Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.

II. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

III. Die Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

1. Der Antragsteller ist seit längerem als Notarzt im Landkreis **************** tätig, in dem der Kreisverband **************** des Bayerischen Roten Kreuzes - BRK - (Antragsgegner) aufgrund einer Vereinbarung mit dem Rettungszweckverband **************** nach Art. 3 Abs. 4 BayRDG (1971) den Rettungsdienst durchführt und als Einrichtungen gemäß § 20 BayRDG unter anderem die Rettungswachen in ****************, ********* und ********** betreibt.

2. Mit Schreiben vom 12. Juli 2006 erteilte der Antragsgegner dem Antragsteller "ab sofort" Hausverbot für alle Gebäude und freie Flächen des Kreisverbandes ****************, ******** Straße ** sowie die Räumlichkeiten der Rettungswachen in ********* und **********. Um die Notarzttätigkeit weiter durchführen zu können, werde das Notarzteinsatzfahrzeug für den Antragsteller ab sofort vor dem Haus geparkt.

Gegen diese Anordnung erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 3. August 2006 Widerspruch, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er Zutritt zu den Räumlichkeiten des Antragsgegners zur Ausübung seiner Tätigkeit als Notarzt begehre. Der Verwaltungsrechtsweg sei hier eröffnet, weshalb Widerspruch eingelegt worden sei. Die Verhängung des Hausverbots sei rechtswidrig.

Mit Schriftsatz vom 21. August 2006 beantragte der Antragsteller gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO analog, dem Antragsgegner die weitere Vollziehung des mit Schreiben vom 12. Juli 2006 gegenüber dem Antragsteller verhängten Hausverbots für sämtliche Gebäude und Räumlichkeiten des Antragsgegners sowie der Rettungswachen ****************, ********* und ********** zu untersagen.

Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, eine sofortige Vollziehung des Hausverbots sei nicht angeordnet worden. Der Antragsgegner habe auf den Widerspruch nicht reagiert und versage dem Antragsteller nach wie vor den Zutritt zu den betroffenen Räumen. Der Verwaltungsrechtsweg sei gegeben, weil hier ein öffentlich-rechtliches Hausverbot vorliege.

Mit Schreiben vom 25. August 2006 trug der Antragsgegner vor, das Verwaltungsgericht sei unzuständig. Weder das BRK als Landesverband noch der Kreisverband hätten hoheitliche Befugnisse und könnten daher nicht hoheitlich tätig werden. Zudem sei nicht festzustellen, dass zwischen den Notärzten im Dienst und den Hilfsorganisationen, welchen die Ausführung des Rettungsdienstes übertragen worden sei, Rechtsbeziehungen bestünden.

Das Verwaltungsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 30. August 2006 die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs festgestellt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht München verwiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf abgestellt, dass es sich bei dem BRK um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts besonderer Natur handele, der keine hoheitlichen Befugnisse eingeräumt seien. Die Räumlichkeiten des BRK seien, auch wenn sie für Zwecke des Rettungsdienstes genutzt würden, keine öffentlichen Einrichtungen. Das Hausverbot sei daher dem Zivilrecht zuzuordnen.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde, mit der er im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Sachvortrags geltend macht, dass der Verwaltungsrechtsweg für die vorliegende Streitigkeit eröffnet sei.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Verweisungsbeschluss aufzuheben.

Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätze und den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft.

Denn die Statthaftigkeit von Rechtsbehelfen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts richtet sich nach §§ 173 Satz 1 VwGO, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, wonach die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben ist. Im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist demnach die Beschwerde nach §§ 146 ff VwGO statthaft (vgl. BayVGH vom 20.2.2006 Az. 24 C 06.345; Rennert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 31 zu § 41; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, RdNr. 28 zu § 41).

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Denn im vorliegenden Fall ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Gesichtspunkten:

a) Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Die Frage, ob ein Rechtsanspruch als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich zu beurteilen ist, richtet sich nach der Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses, aus dem er hergeleitet wird. Öffentlich-rechtlich sind Ansprüche dann, wenn sie sich als Folge eines Sachverhalts darstellen, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist (BVerwG vom 19.5.1994 BVerwGE 96, 71/73 f m.w.N.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist für die rechtliche Überprüfung des gegenüber dem Antragsteller ausgesprochenen Hausverbots der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinn von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO handelt.

b) Das ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass der Antragsgegner als Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. Art. 1 des Gesetzes über die Rechtsstellung des BRK vom 16.7.1986 GVBl 1986, 134 zuletzt geändert am 27.12.1999 GVBl 1999, 551) das Hausverbot erteilt hat. Denn das BRK ist nur formell eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Es nimmt zwar auch öffentliche Aufgaben (z.B. Zivil- und Katastrophenschutz, Rettungsdienst und Wohlfahrtspflege) wahr, hoheitliche Befugnisse sind ihm aber nicht eingeräumt (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Rechtstellung des BRK LT-Drs. 14/1451). Das BRK ist weder ein Teil der Staatsverwaltung noch eine Verwaltungsstelle, die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gesetzlich errichtet worden ist (vgl. Di Fabio BayVBl 1999, 449 f.). Bei der Verleihung des Körperschaftsrechts an das BRK war auch nicht an eine Übertragung staatlicher Aufgaben gedacht. Vielmehr sollte eine juristische Person des öffentlichen Rechts errichtet werden, um dem BRK auf diese Weise zu ermöglichen, die Pflege gesellschaftlicher Interessen besonders wirksam zu gestalten (vgl. VerfGH vom 13.4.1962 VerfGHE 15, 22/28; VerfGH vom 23.10.1991 VerfGHE 44, 109/119; BVerfG vom 20.2.1957 BVerfGE 6, 257/272). Aufgrund dieser besonderen Rechtsstellung des BRK wären von ihm getroffene Maßnahmen damit grundsätzlich nicht dem öffentlichen Recht, sondern dem Zivilrecht zuzuordnen.

c) Auf die Rechtsform des BRK kommt es jedoch im vorliegenden Fall für die Rechtswegfrage nicht entscheidungserheblich an. Denn der Antragsgegner hat in seiner Eigenschaft als eine mit der Durchführung des Rettungsdienstes beauftragte Hilfsorganisation das Hausverbot ausschließlich im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Antragstellers als Notarzt erteilt.

Der Notarztdienst ist Bestandteil des in Bayern durch den Erlass des Bayerischen Gesetzes zur Regelung von Notfallrettung, Krankentransport und Rettungsdienst (Bayerisches Rettungsdienstgesetz - BayRDG vom 8. Januar 1998 - GVBl S. 779 - BayRS 215-5-1-I) öffentlich-rechtlich ausgestalteten Rettungsdienstes und findet seine Rechtsgrundlage in Art. 21 BayRDG. Die Durchführung der Aufgabe des Rettungsdienstes (Art. 18 Abs. 1 BayRDG) hat hier der Rettungszweckverband **************** für seinen Bereich nach Art. 19 BayRDG dem Antragsgegner durch einen entsprechenden öffentlich-rechtlichen Vertrag übertragen. Das hat zur Folge, dass der Notarzt ebenso wie das Personal einer Hilfsorganisation, das für diese nach Maßgabe des Rettungsdienstgesetzes den Rettungsdienst ausführt, in den hoheitlichen Aufgabenbereich des Trägers des Rettungsdienstes einbezogen ist (vgl. dazu auch BGH vom 16.9.2004 NJW 2005, 429). Damit steht fest, dass im Geltungsbereich des BayRDG die Durchführung des Notarztdienstes im Sinn des Art. 21 BayRDG eine hoheitliche Tätigkeit darstellt.

Soweit das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Kommentierung bei Oehler/Schulz/Schnelzer, Rettungsdienst in Bayern, Art. 19 RdNr. 1.1, die Auffassung vertreten hat, dass die Durchführung des Rettungsdienstes keine hoheitliche Tätigkeit sei, folgt dem der Senat im Hinblick auf diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht.

d) Die hoheitliche Tätigkeit des Antragstellers als Notarzt ist durch das ihm gegenüber vom Antragsgegner als Hilfsorganisation nach Art. 18, Art. 19 BayRDG ausgesprochene Hausverbot, jedenfalls soweit es sich auf das Betreten der Rettungswachen in ****************, ********* und ********** bezieht, nicht nur berührt, sondern möglicherweise sogar beeinträchtigt. Insoweit räumt der Antragsgegner im Schriftsatz vom 30. November 2006 nämlich selbst ein, dass diese Rettungswachen im Einzelfall nicht ständig besetzt seien. Damit wäre es dem Antragsteller bei der Ausübung des Notarztdienstes nicht möglich, dringend benötigte Notfalleinsatzmittel aus der jeweiligen Rettungswache zu erhalten, um eine schnellstmögliche und unverzügliche Versorgung von Notfallpatienten zu gewährleisten. Soweit der Antragsgegner hierzu ausführt, falls eine Rettungswache nicht besetzt sei, müssten die betreffenden Notärzte warten, bis die Rettungswache wieder besetzt sei, ist hier nicht weiter zu erörtern, ob ein derartiger Zustand generell hinzunehmen ist. Jedenfalls ist die Notarzttätigkeit in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, wenn ein gegenüber einem Notarzt ausgesprochenes Hausverbot, das auch und gerade ein Betretungsverbot für Rettungswachen beinhaltet, die Beschaffung von Notfalleinsatzmitteln durch den Notarzt verhindert oder - faktisch - verbietet.

Da dieses Hausverbot eine in den öffentlich-rechtlich ausgestalteten Rettungsdienst nach Art. 18, Art. 19 BayRDG eingebundene Hilfsorganisation (hier BRK) erteilt hat, kommt es für die Rechtswegfrage nicht darauf an, ob es sich bei dieser Hilfsorganisation um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder des Zivilrechts handelt. Denn das dem Antragsteller erteilte Hausverbot betrifft den öffentlich-rechtlich ausgestalteten Rettungsdienst mit der als hoheitliche Tätigkeit anzusehenden Notarzttätigkeit, also einen Sachverhalt, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist (vgl. BVerwGE a.a.O.).

Daraus folgt, dass die rechtliche Überprüfung dieser Maßnahme eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinn von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO darstellt, die keinem anderen Gericht zugewiesen ist und für die der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist (vgl. auch BayVGH vom 18.11.2004 Az. 21 C 04.2973; VGH BW vom 21.4.2004 Az. 6 S 17/04).

Die Beschwerde ist somit begründet; der Beschluss des Verwaltungsgerichts war aufzuheben. Über die übrigen im Beschwerdeverfahren, insbesondere hilfsweise gestellten Anträge war nicht mehr zu befinden.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen nicht vor.

4. Die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ist entbehrlich, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr nur dann anfällt, wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder verworfen wird und bei einer erfolgreichen Beschwerde keine Gerichtsgebühr anfällt.

5. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; vgl. BVerwG vom 16.3.1994 NVwZ 1994, 782).

Ende der Entscheidung

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