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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.10.2007
Aktenzeichen: 21 ZB 06.2475
Rechtsgebiete: VwGO, Heilberufe-KammerG, WeiterbildungsO für die Ärzte Bayerns, GG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 1 Nr. 3
Heilberufe-KammerG Art. 34 Abs. 1
WeiterbildungsO für die Ärzte Bayerns Abschnitt A § 2
WeiterbildungsO für die Ärzte Bayerns Abschnitt B Nr. 5
WeiterbildungsO für die Ärzte Bayerns Abschnitt B Nr. 5.1
WeiterbildungsO für die Ärzte Bayerns Abschnitt C Nr. 4
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
Die Zusatzweiterbildung Andrologie und die Anerkennung einer entsprechenden Zusatzbezeichnung ist für eine Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit der Schwerpunkt-Kompetenz Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin wegen der Begrenzung der Facharzttätigkeit auf das eigene Fach nicht möglich. Darin liegt kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

21 ZB 06.2475

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Zusatzbezeichnung "Andrologie";

hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 31. Juli 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 21. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Polloczek, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dachlauer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Adolph

ohne mündliche Verhandlung am 1. Oktober 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin träg die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Klägerin ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit der Schwerpunktkompetenz Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Sie begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung der Zusatzbezeichnung Andrologie. Ihr Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 VwGO nicht vorliegen.

1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Der Senat teilt im Ansatz die Auffassung des Bundessozialgerichts, dass die auf landesrechtlichem Berufsrecht beruhenden Fachgebietsumgrenzungen weder durch besondere persönliche Qualifikationen noch durch Sondergenehmigungen der Kassenärztlichen Vereinigung zur Erbringung und Abrechnung weiterer Leistungen noch durch berufsrechtliche Berechtigungen zur Führung von Zusatzbezeichnungen erweitert werden können (vgl. BSG vom 8. 9. 2004 Az. B 6 KA 39/04 B < juris > mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Entsprechend regelt Abschnitt A § 2 Abs. 4 Satz 3 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns (im folgenden Weiterbildungsordnung) vom 24. April 2004 (Bayerisches Ärzteblatt SPEZIAL 1/2004), zuletzt geändert durch Beschlüsse des 63. Bayerischen Ärztetages am 28. April 2007 (Bayerisches Ärzteblatt 7-8/2007, S. 422 ff) zu Recht, dass die Gebietsgrenzen durch eine Zusatz-Weiterbildung nicht erweitert werden. Die Gebiete selbst sowie die erwerbbaren Facharzt- und Schwerpunkt-Kompetenzen sind in Abschnitt B, die erwerbbaren Zusatzbezeichnungen als Bezeichnungen der Zusatz-Weiterbildungen in Abschnitt C und die gemeinsam führbaren Facharzt- und Zusatzbezeichnungen in Abschnitt D der Weiterbildungsordnung festgelegt (Abschnitt A § 2 Abs. 1 Satz 4 der Weiterbildungsordnung). Das Verwaltungsgericht hat insoweit mit Recht hervorgehoben, dass das Gebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe nach Abschnitt B Nr. 5 der Weiterbildungsordnung im wesentlichen die Erkennung, Vorbeugung, konservative und operative Behandlung sowie Nachsorge von geschlechtsspezifischen Gesundheitsstörungen der Frau umfasst und das auch mit Ausnahme einiger Berührungspunkte am Rande wie der fertilitätsbezogenen Paarberatung und verschiedener mit der in-vitro-Fertilisation zusammenhängender Untersuchungs- und Behandlungsverfahren für den Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin gilt (vgl. Abschnitt B 5.1 der Weiterbildungsordnung). Dagegen betrifft die Zusatz-Weiterbildung "Andrologie" nach Abschnitt C Nr. 4 der Weiterbildungsordnung in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Vorbeugung, Erkennung, konservative Behandlung und Rehabilitation von Störungen der männlichen Fertilität einschließlich partnerschaftlicher Störungen und männlicher Kontrazeption, der erektilen Dysfunktion, der Hormonbildung und des Alterungsprozesses, also unzweifelhaft Erkrankungen des Mannes. Dieser Vergleich zeigt eindeutig, dass die Andrologie als Männerheilkunde nicht dem Gebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe zugeordnet werden kann, sondern vielmehr gebietsfremd ist. Da ein Facharzt, der eine Gebietsbezeichnung führt, gemäß Art. 34 Abs. 1 Heilberufe-Kammergesetz (HKaG) grundsätzlich nur in dem Gebiet tätig sein darf, dessen Bezeichnung er führt, sieht Abschnitt C Nr. 4 der Weiterbildungsordnung als zwingende Voraussetzung zum Erwerb der Bezeichnung "Andrologie" folgerichtig und beanstandungsfrei die Anerkennung als "Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten", "Facharzt für Innere Medizin und Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie" (auch Anerkennung als "Facharzt für Innere Medizin" in Verbindung mit der Schwerpunktbezeichnung "Endokrinologie" nach bisherigem Recht oder "Facharzt für Urologie", nicht aber die Anerkennung als "Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe" vor. Demzufolge fällt die Klägerin als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit dem Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin trotz ihrer Kenntnisse und Tätigkeiten auf diesem Gebiet nicht unter die Kategorie von Fachärzten, die nach der Weiterbildungsordnung durch eine Zusatz-Weiterbildung die Bezeichnung "Andrologie" erwerben können.

Dieser Ausschluss der Klägerin von der Zusatz-Weiterbildung Andrologie verletzt nicht ihre durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beruht die Begrenzung der Facharzttätigkeit auf das eigene Fach auf vernünftigen Gründen des Gemeinwohls (effektiver Gesundheitsschutz, fachkompetente Aufteilung fachärztlicher Zuständigkeiten mit Übersichtlichkeit für die anderen Ärzte und die Patienten) und kann die Einschränkung der freien Berufsausübung rechtfertigen; sie ist zumutbar, wenn die Abgrenzung der Bereiche vom fachlich medizinischen Standpunkt aus sachgerecht ist und der Facharzt eine ausreichende Lebensgrundlage finden kann (vgl. BVerfG vom 16. 7. 2004 NVwZ 2004, 1347 = MedR 2004,, 608 = GesR 2004, 530 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Die Abgrenzung des Gebiets Frauenheilkunde und Geburtshilfe einschließlich der hier von der Klägerin erworbenen Facharztkompetenz mit Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin von der Andrologie als Bereich der Männerheilkunde erscheint trotz einiger Berührungspunkte wegen der wesentlichen Unterschiede der medizinischen Grundlagen als sachgerecht und die Klägerin hat darüber hinaus auch nicht überzeugend dargelegt, dass sie ohne die begehrte Zusatzbezeichnung "Andrologie" keine ausreichende Lebensgrundlage finden könnte.

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine sachlichen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 55, 72 ; 88, 87 ; stRspr). Zwischen den Frauenärzten und den Fachärzten, die nach der Weiterbildungsordnung auf Grund einer Zusatz-Weiterbildung die Anerkennung der Zusatzbezeichnung "Andrologie" erreichen können, bestehen aber gewichtige Unterschiede. Es wurde bereits dargelegt, dass das Gebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe im wesentlichen geschlechtsspezifische Gesundheitsstörungen der Frau umfasst, während die Andrologie männliche Gesundheitsstörungen zum Gegenstand hat und deshalb für Frauenärzte gebietsfremd ist.

Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf einen besonderen Vertrauensschutz berufen, dessentwegen es ihr als Frauenärztin ermöglicht werden müsste, nach einer erfolgreichen Zusatz-Weiterbildung die Zusatzbezeichnung "Andrologie" zu erwerben. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang mit Recht darauf hingewiesen, dass schon für die Vergangenheit eine Reihe von Gerichtsentscheidungen, insbesondere von Sozialgerichten, vorliegen, wonach der Bereich Andrologie wegen der berufsrechtlichen Fachgebietsaufteilung bestimmten Fachärzten wie Dermatologen, endokrinologisch tätigen Internisten oder Urologen vorbehalten ist. Die Klägerin hat nicht dargelegt, aus welchen Umständen sie selbst konkret einen gegenteiligen Vertrauenstatbestand herleiten will.

Im Übrigen wird ergänzend auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 31. Juli 2006 Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

2. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt die Zulassung der Berufung nicht geboten ist.

Die aufgeworfenen Fragen nach der Reichweite des Gebiets Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin lassen sich auf der Grundlage der einschlägigen Vorschriften, insbesondere des Abschnitts A § 2, des Abschnitts B Nrn. 5 und 5.1 sowie des Abschnitts C Nr. 4 der Weiterbildungsordnung, und unter Heranziehung der dazu ergangenen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten, wie den vorstehenden Ausführungen zu Nr. 1 zu entnehmen ist. Der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf es daher insoweit nicht.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 2 VwGO.

4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und Nr. 16.2 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, Anhang zu § 164 RdNr. 14 sowie NVwZ 2004, 1327).

5. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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