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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.10.2007
Aktenzeichen: 21 ZB 07.1741
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 60 Abs. 1
VwGO § 60 Abs. 2
VwGO § 124 a Abs. 4
VwGO § 173 Satz 1
ZPO § 85 Abs. 2
1. Die Einhaltung der Frist zur Begründung eines Berufungszulassungsantrags einschließlich der Adressierung an das richtige Gericht (§ 124 a Abs. 4 Sätze 4 und 5 VwGO) zählt grundsätzlich nicht zu den einfachen Arbeiten, die ein Rechtsanwalt gut ausgebildetem und sorgfältig überwachtem Büropersonal ohne besondere Vorkehrungen überlassen darf.

2. Der Rechtsanwalt hat den Ablauf der Begründungsfrist stets eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit dieser fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden (im Anschluss an BVerwG vom 7.3.1995 NJW 1995, 2122 = BayVBl 1995, 570).


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

21 ZB 07.1741

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Widerrufs der Approbation als Arzt;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. Mai 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 21. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Polloczek, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Abel, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dachlauer

ohne mündliche Verhandlung am 17. Oktober 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 14. Mai 2007 ist unzulässig, weil die Begründungsfrist von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils versäumt worden ist (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO wegen Verschuldens des Prozessbevollmächtigten, das sich der Kläger nach § 173 Satz 1 VwGO, § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, nicht in Betracht kommt.

Gemäß § 124 a Abs. 4 Sätze 1 und 2 VwGO ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen, wenn die Berufung -wie hier- nicht durch das Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, wobei der Antrag bei dem Verwaltungsgericht zu stellen ist. Nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen (§ 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO).

Im vorliegenden Fall ist das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. Mai 2007 den Prozessbevollmächtigten des Klägers laut Empfangsbekenntnis am 20. Juni 2007 zugestellt worden. Der Zulassungsantrag (ohne Begründung) ging dann zwar am 18. Juli 2007 rechtzeitig bei dem Verwaltungsgericht ein. Die an das Verwaltungsgericht adressierte und dort per Fax am 20. August 2007 um 17.24 Uhr eingegangene Begründung erreichte den Verwaltungsgerichtshof aber erst am 23. August 2007 und damit außerhalb der nicht verlängerbaren gesetzlichen Zweimonatsfrist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO, die am 20. August 2007, einem Montag, endete.

Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO kommt nicht in Betracht, weil der Kläger nicht ohne ein ihm nach § 173 Satz 1 VwGO, § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden seines Bevollmächtigten gehindert war, die Begründungsfrist für den Zulassungsantrag einzuhalten. Der Klägervertreter hat dazu mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2007 vorgetragen, die am letzten Tag der Frist diktierte Begründung des Zulassungsantrags sei auf Grund eines Kanzleiversehens nicht an den Verwaltungsgerichtshof gefaxt und abgesandt worden, sondern an das Verwaltungsgericht, bei dem schon zuvor der Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt worden war; eine eidesstattliche Versicherung seiner persönlichen Sekretärin könne gegebenenfalls nachgereicht werden. Unabhängig davon, ob dieser dürftige Sachvortrag überhaupt als hinreichende Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes im Sinn des § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO angesehen werden könnte, entlastet er jedenfalls -auch als wahr unterstellt- den Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst nicht. Ein Rechtsanwalt muss der Wahrung prozessualer Fristen seine besondere Aufmerksamkeit widmen. Diese besondere Sorgfaltspflicht macht es erforderlich, dass er die Wahrung der Fristen eigenverantwortlich überwacht. Das schließt zwar nicht aus, dass er die Notierung, Berechnung und Kontrolle der üblichen Fristen sowie die richtige Adressierung der Schriftsätze in Rechtsmittelsachen, die in seiner Praxis häufig vorkommen und die in der Regel keine Schwierigkeiten bereiten, gut ausgebildetem und sorgfältig beaufsichtigtem Büropersonal überlässt. Dies gilt aber anerkanntermaßen nicht für schwierigere Fristen wie etwa die Frist zur Begründung der Revisionszulassungsbeschwerde (§ 133 Abs. 3 VwGO) und die Revisionsbegründungsfrist nach § 139 Abs. 3 VwGO (vgl. BVerwG vom 7.3.1995 NJW 1995, 2122 = BayVBl 1995, 570). Diese Fristen sind wegen ihrer Besonderheiten fehleranfällig. Für die Frist zur Begründung des Berufungszulassungsantrags (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO), die den genannten Fristen nachgebildet wurde, gilt nichts anderes. Deren besondere Fehleranfälligkeit liegt auf der Hand, wenn man sich vergegenwärtigt, dass für den Antrag selbst und seine Begründung unterschiedliche Fristen und Gerichte vorgesehen sind, bei denen die Schriftsätze einzureichen sind. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20. August 2007, dem letzten Tag der Begründungsfrist, die Akten im Zusammenhang mit dieser fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegen haben müssen. Das ist daraus zu ersehen, dass er zunächst mit Fax vom 20. August 2007 um eine Fristverlängerung bat. Nach Hinweis des Verwaltungsgerichtshofs mit Fax vom selben Tag, dass die Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht verlängerbar sei, diktierte der Bevollmächtigte nach eigenen Angaben im Wiedereinsetzungsantrag vom 1. Oktober 2007 noch am 20. August 2007 die Begründung. Da ihm dazu offensichtlich die Akten vorgelegen haben, hätte er alle zur Fristwahrung erforderlichen Umstände, auch die richtige Adressierung des Begründungsschriftsatzes, eigenverantwortlich prüfen müssen (vgl. BVerwG vom 7.3.1995 a.a.O.), zumal ihm bekannt war, dass die Frist am 20. August 2007 endete (Schriftsatz vom 20.8.2007 mit der Angabe "Fristende 20.08.2007") und er vom Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass die Frist nicht verlängerbar sei. Diese Verpflichtung, von der ihn auch Anweisungen an das Büropersonal nicht befreien konnten (vgl. BVerwG vom 7.3.1995 a.a.O. mit weiteren Rechtsprechungshinweisen), hat der Bevollmächtigte des Klägers nicht mit der gebotenen Sorgfalt wahrgenommen. Der Klägervertreter konnte auch nicht davon ausgehen, dass die Begründung des Zulassungsantrags, die per Fax am 20. August 2007 um 17.24 Uhr bei dem Verwaltungsgericht einging, im ordentlichen Geschäftsgang den Verwaltungsgerichtshof noch am selben Tag, an dem die Frist ablief, erreichen würde. In all dem ist ein schuldhaftes Verhalten des Prozessbevollmächtigten im Sinn des § 60 Abs. 1 VwGO zu sehen, das es ausschließt, dem Wiedereinsetzungsantrag zu entsprechen. Der Kläger muss sich dieses Verschulden gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG sowie Nr. 16.1 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, Anhang zu § 164 RdNr. 14 und NVwZ 2004, 1327).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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