Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 07.10.2004
Aktenzeichen: 22 A 03.40036
Rechtsgebiete: GG, AtG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1
AtG § 7 Abs. 1 Satz 2
AtG § 7 Abs. 2 Nr. 3
AtG § 7 Abs. 2 Nr. 5
AtG § 17 Abs. 1 Satz 3
AtG § 19 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

22 A 03.40036

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

atomrechtlicher Genehmigung;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung

am 7. Oktober 2004 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zu einem Drittel, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, soweit nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die dritte Teilgenehmigung für einen Forschungsreaktor mit 20 Megawatt thermischer Leistung für die Hochflussneutronenquelle München (FRM-II), auf dem Grundstück Fl.Nr. 1925 der Gemarkung Garching, dem dortigen Forschungsgelände, etwa 100 m vom bisher bestehenden Forschungsreaktor (FRM-I) entfernt.

Die Kläger haben diesbezüglich bereits die erste Teilgenehmigung vom 4. April 1996 angefochten, die insbesondere die Errichtung des Reaktorgebäudes zum Gegenstand hatte. Die Anfechtungsklagen blieben ohne Er folg. Die erste Teilgenehmigung wurde mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 1998 - Az. 11 B 46.97 bestandskräftig. Die Kläger haben diesbezüglich ferner die zweite Teilgenehmigung vom 9. Oktober 1997 angefochten. Diese Genehmigung umfasste die Errichtung mehrerer baulicher Anlagen einschließlich des Gebäudeausbaus, ferner den Gebäudeausbau des Reaktorgebäudes sowie die Errichtung und die nicht-nukleare Inbetriebsetzung bestimmter maschinentechnischer, verfahrenstechnischer, lüftungstechnischer, elektrotechnischer und leittechnischer Anlagenteile. Dazu gehörten u.a. das Primärkühlsystem, die Zentralkanaleinheit, das Notkühlsystem und das Beckenkühlsystem. Die Anfechtungsklagen blieben ohne Erfolg. Die zweite Teilgenehmigung wurde mit dem Eintritt der Rechtskraft des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Dezember 1998 - Az. 22 A 97.40037 bestandskräftig.

Mit Bescheid vom 2. Mai 2003 erteilte das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (StMLU) dem Freistaat Bayern, vertreten durch das Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst, dieses vertreten durch die Technische Universität München (TUM), und der Beigeladenen die dritte und letzte Teilgenehmigung für den FRM-II. Diese Genehmigung umfasst insbesondere die Handhabung der Brennelemente, der Konverterplatten, den Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen sowie allgemein den bestimmungsgemäßen Betrieb des FRM-II.

Die Kläger zu 1 bis 3 sind Eigentümer von Wohnhäusern, die sie mit ihren Familien bewohnen. Die Entfernungen zum FRM-II betragen 2,94 km, 1,78 km und 2,9 km.

Die Kläger haben Klagen zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erhoben. Sie beantragen,

die Aufhebung der dritten Teilgenehmigung vom 2. Mai 2003,

hilfsweise: der Beklagte wird verpflichtet, weitere Vorkehrungen zum Schutz der Kläger bei Störfällen und/oder Einwirkungen Dritter anzuordnen: insbesondere die Errichtung von Pylonen rund um das Reaktorgebäude, die geeignet sind, die Auswirkungen von Flugzeugabstürzen abzumindern; die Sicherung des Reaktorbeckens und der Strahlrohre gegen herabstürzende Lasten und gegen die Folgen einer absichtlichen Beschädigung von der Experimentierhalle aus; die Auslegung des Primärkühlkreislaufs gegen den sog. 2-F-Bruch; die räumliche Trennung der Stränge des Notkühlsystems; die Sicherung des Systems der Abschaltstäbe gegen absichtliche Blockierung.

Zur Begründung tragen die Kläger vor, dass das Wohnen in ihren Häusern erheblich beeinträchtigt würde, wenn durch einen gezielten Flugzeugabsturz eine Kernschmelze ohne Kühlwasserabdeckung aufträte, wodurch die Dosisgrenzwerte des § 49 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StrlSchV überschritten würden. Die von der Genehmigungsbehörde für einen gezielten Flugzeugabsturz, der nach dem 11. September 2001 nicht mehr dem Restrisikobereich zugeordnet werden dürfe, zugrunde gelegten Annahmen, das zum Absturz gebrachte Flugzeug wiege max. 413 t und erreiche im Aufprallzeitpunkt eine Geschwindigkeit von max. 400 km/h, seien keinesfalls abdeckend. Der Airbus der nächsten Generation, nämlich der Airbus A-380-F, wiege 590 t. Die Geschwindigkeit lasse sich bei einem gezielten Absturz ohne weiteres erhöhen, etwa indem das Flugzeug eine weite Schleife fliege, bevor es zum Absturz gebracht werde. Die Treffsicherheit sei hinreichend gegeben, wie sich am 11. September 2001 beim Pentagon gezeigt habe. Es hätte weiter berücksichtigt werden müssen, dass das Flugzeug bewaffnet oder mit Sprengstoff beladen sein könnte. Zudem sei eine Durchstanzung des Reaktorgebäudes für das Eindringen von Kerosin in das Innere und für die Entstehung von Bränden nicht erforderlich. Hierfür genüge eine Rissbildung in den Wänden des Reaktorgebäudes. In die Prüfung der Genehmigungsbehörde seien terroristische Aktionen durch sogenannte Innentäter, die ebenfalls seit dem 11. September 2001 nicht mehr dem Restrisikobereich zugeordnet werden dürften, nicht einbezogen worden. In einem Forschungsreaktor würden häufig wechselnde Personen, insbesondere Studenten, Doktoranden und Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern arbeiten, zumindest im Bereich der Experimentier- und Neutronenleiterhallen. Überprüfungen nach der atomrechtlichen Zuverlässigkeitsverordnung reichten bei ausländischen Studenten und Wissenschaftlern nicht aus. In Anbetracht der Gefahr derartiger Aktionen sei zu mindest eine sicherheitstechnische Nachrüstung des FRM-II erforderlich, wie sie im Hilfsantrag näher bezeichnet worden sei. Hinsichtlich des Schutzes vor dem sogenannten 2-F-Bruch der Hauptkühlmittelleitung gebe es einen veränderten Stand der Technik; in Geesthacht sei der dortige Forschungsreaktor im Jahr 2002 entsprechend umgebaut worden.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen Klageabweisung. Während des Klageverfahrens beantragten die Kläger mit Schreiben vom 20. April 2004 beim Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz - StMUGV - den Widerruf der 1. und 2. Teilgenehmigung sowie hilfsweise den Erlass nachträglicher Schutzanordnungen im Wesentlichen mit dem in den beim Verwaltungsgerichtshof gestellten Klageanträgen bezeichneten Inhalt. Der Beklagte hat darüber noch nicht entschieden. Am 27. August 2004 erhoben die Kläger bezüglich der nachträglichen Anordnungen hilfsweise Untätigkeitsklage zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Diese wurde mit Beschluss vom 7. Oktober 2004 vom vorliegenden Verfahren abgetrennt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Verwaltungsgerichtshof kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO, Einverständniserklärungen der Beteiligten vom 27.8., 17.9. sowie 20.9.2004).

Die im Hauptantrag erhobenen Anfechtungsklagen sowie die hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklagen sind unbegründet; die Kläger werden durch die angefochtene atomrechtliche Genehmigung nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Hilfsanträge sind dahingehend zu verstehen, dass ein Anspruch auf Beifügung drittschützender Nebenbestimmungen zur atomrechtlichen Genehmigung nach § 36 VwVfG geltend gemacht wird. Sie sind nicht auf den Erlass nachträglicher atomaufsichtlicher Anordnungen im Sinn des § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG gerichtet; dagegen spricht vor allem, dass die Kläger vor Klageerhebung keinen diesbezüglichen Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt haben, was für eine zulässige Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO nötig gewesen wäre und nach Klageerhebung nicht mehr nachgeholt werden kann (BVerwG vom 31.8.1995, BVerwGE 99, 158/160). Die späteren Anträge vom 20. April 2004 bei der Aufsichtsbehörde und die diesbezüglich später erhobene Untätigkeitsklage vom 27. August 2004 sind nicht Gegenstand dieser Entscheidung (Abtrennungsbeschluss des VGH vom 7. Oktober 2004).

1. Gegenstand der Klagen ist die dritte und letzte Teilgenehmigung für den FRM-II, durch die insbesondere der nukleare Betrieb des FRM-II gestattet wird. Hierin besteht der gestattende Teil dieser Genehmigung. Zum andern enthält sie einen feststellenden Teil, nämlich die Verfestigung des bisherigen vorläufigen positiven Gesamturteils zum abschließenden positiven Gesamturteil (vgl. BVerwG vom 11.3.1993, DVBl 1993, 734), wonach die Genehmigungsvoraussetzungen im Hinblick auf Errichtung und Betrieb der gesamten Anlage vorliegen (§ 18 Abs. 1 der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung - AtVfV).

2. Die Erteilung der angefochtenen Betriebsgenehmigung für den FRM-II ist auch nach dem 11. September 2001 und nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zum Atomgesetz vom 22. April 2002 (BGBl I S. 1351) rechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen.

a) Das atomrechtliche Genehmigungsverbot des § 7 Abs. 1 Satz 2 AtG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 22. April 2002 betrifft die hier angefochtene nukleare Betriebsgenehmigung für den FRM-II nicht. Nach dieser Vorschrift werden für den Betrieb von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität und von Anlagen zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe keine Genehmigungen (mehr) erteilt. Von dem Verbotstatbestand nicht erfasst sind andere als die ausdrücklich genannten kerntechnischen Anlagen, insbesondere Forschungsreaktoren. Was diese angeht, hat der Gesetzgeber bewusst von einem Genehmigungsverbot abgesehen, weil er - auch im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 GG - weiterhin deren Förderungswürdigkeit voraussetzt (vgl. dazu auch Wagner, NVwZ 2001, 1089/1094 f.). In der amtlichen Begründung der Bundesregierung zum Änderungsgesetz vom 22. April 2002 heißt es zu dieser Grundsatzentscheidung für die weitere rechtliche Zulassung von Forschungsreaktoren: "Die Forschungsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) wird dadurch nicht berührt. Unberührt bleiben Forschungsreaktoren, deren Bedeutung z.B. für die Grundlagenforschung, die Materialforschung, die Isotopenforschung für medizinische Zwecke (u.a. Krebstherapien), für biologische Maßnahmen (u.a. Umweltanalytiken) sowie zur Erzeugung von Tracern weiterhin anerkannt wird. Diese Reaktoren stellen sowohl auf Grund ihrer Funktionen als auch auf Grund ihrer Einbindung in europäische und bilaterale, völkerrechtlich verbindliche Forschungskooperationen einen Sonderfall gegenüber Leistungsreaktoren dar. Sie dienen nicht der Erzeugung von Elektrizität und stellen auf Grund ihrer deutlich niedrigeren Leistung ein geringeres Risikopotential dar" (BT-Drs. 14/6890, S. 19). "Nicht berührt werden jegliche Genehmigungen für Forschungsreaktoren" (BT-Drs. 14/6890, S. 21). Ein Genehmigungsverbot wurde vom Gesetzgeber auch nicht im Hinblick auf die Gefahren durch den internationalen Terrorismus erlassen. Der Gesetzgeber hat § 7 Abs. 1 Satz 2 AtG in Kenntnis der Terrorangriffe vom 11. September 2001 in den USA und im Bewusstsein der dadurch neu aufgeworfenen Sicherheitsfragen im Hinblick auf kerntechnische Anlagen am 22. April 2002 beschlossen und seither aufrecht erhalten (vgl. die Änderungen in Art. 10 Abs. 4 des Gesetzes vom 19.7.2002, BGBl I S. 2674 und Art. 70 des Gesetzes vom 21.8.2002, BGBl I S. 3322).

b) Die Erteilung der angefochtenen nuklearen Betriebsgenehmigung für den FRM-II verstößt auch nicht gegen ein grundsätzliches verfassungsrechtliches Verbot. Insbesondere hat der Gesetzgeber nicht dadurch gegen seine verfassungsrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verstoßen, dass er eine Grundsatzentscheidung für die weitere rechtliche Zulassung von Forschungsreaktoren getroffen hat. Der Gesetzgeber hat hierdurch den ihm insoweit eingeräumten weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum (vgl. dazu zuletzt BVerfG vom 28.2.2002, BayVBl 2002, 368/369, m.w.N.) nicht überschritten. Im Hinblick auf die Gefährlichkeit kerntechnischer Anlagen ist zwar davon auszugehen, dass diese Schutzpflicht dem Grunde nach besteht (Koch/John, DVBl 2002, 1578/ 1580/1581). Eine Verletzung der Schutzpflicht kommt aber nur in Betracht, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen ganz ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter zurückbleiben (vgl. zuletzt BVerfG, BayVBl 2002, 368/369, m.w.N.). Ein derartiger Fall ist hier nicht gegeben. Der Gesetzgeber hat zwar grundsätzlich entschieden, dass die Genehmigung von Forschungsreaktoren trotz der durch den internationalen Terrorismus verursachten Gefahren verantwortbar ist und die damit verbundenen Risiken hingenommen werden können, aber namentlich durch § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG auch festgesetzt, dass der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet sein muss. Der Gesetzgeber hat damit eine gesetzliche Grundlage für eine erweiterte Haftung der Anlagenbetreiber geschaffen, die über die polizeiliche Zustandsstörerhaftung hinaus Gefahren betrifft, die durch Einwirkungen Dritter auf die kerntechnische Anlage entstehen. Nach allgemeinem Verständnis erfasst der Begriff der Störmaßnahmen die zielgerichteten vorsätzlichen Einwirkungen auf den Anlagenbetrieb, während der Begriff der sonstigen Einwirkungen auch nicht zielgerichtete Maßnahmen, wie z.B. eine Explosionswelle, meint, die von außen auf die Anlage einwirken können. Für beide Fallgruppen ist durch das Wort "Dritter" klargestellt, dass es sich immer um ein menschliches Verhalten handeln muss, d.h. Naturereignisse werden hier nicht erfasst (Leidinger, DVBl 2004, 95/98). Nach diesem Wortlautbefund lassen sich terroristische Angriffe auf kerntechnische Anlagen grundsätzlich als gezieltes menschliches Verhalten unter den Begriff der Störmaßnahmen Dritter subsumieren, gegen die der Betreiber Schutz zu gewährleisten hat. Ein grundsätzlicher Ausschluss dieser Fallgruppe von Störmaßnahmen Dritter, etwa mit der Begründung, dass sie dem allgemeinen Bevölkerungsrisiko zuzurechnen sei, ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar und entspräche zudem nicht der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (so aber Leidinger, DVBl 2004, 95/99). Der Begriff der Einwirkung Dritter ist schon vom Wortsinn her weit zu verstehen und offen für neue Bedrohungsformen. Der Schutz vor Terrorakten fällt ohne weiteres darunter (BVerwG vom 19.1.1989, BVerwGE 81, 185/187/192). Die Wortsinnauslegung findet ihre Bestätigung bei teleologischer Betrachtung. Denn eine hinreichende Sicherheit vor externen Einwirkungen Dritter ist durchweg gar nicht erreichbar, wenn nicht auch die Anlagenbetreiber ihren Beitrag vor allem mit baulich-technischen, aber auch mit personell-organisatorischen Maßnahmen leisten (BVerwGE 81, 185/189). Eine Parallele mit dem Risiko einer kriegerischen Auseinandersetzung mit den Ostblockstaaten, wie es beim Erlass des Atomgesetzes vom historischen Gesetzgeber als allgemeines Bevölkerungsrisiko in Kauf genommen worden sein soll, kommt nicht in Betracht. Verbrechen krimineller Organisationen stehen einem Krieg zwischen Staaten nicht gleich, unabhängig von der Bewertung der Ereignisse des 11. September 2001 durch die NATO. Damit wird zwar keine absolute Sicherheit gewährleistet, und es ist denkbar, dass bestimmte Risiken dem sog. Restrisikobereich zugewiesen werden (s. unten 4 c). Eine mangelhafte Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht kann darin aber nicht gesehen werden (vgl. BVerwG vom 10.12.1985, DVBl 1986, 190/196).

3. Die Erteilung der angefochtenen nuklearen Betriebsgenehmigung für den FRM-II begegnet im Hinblick auf § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG keinen Bedenken. Danach muss die nach dem Stand der Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen worden sein. Dass die Errichtung des FRM-II in all ihren Teilen dieser Vorschrift entspricht, steht auf Grund der beiden Teilgenehmigungen vom 4. April 1996 und vom 9. Oktober 1997 bereits bestandskräftig fest. Diese beiden Teilgenehmigungen enthalten für die Errichtung des FRM-II und seine nicht-nukleare Inbetriebnahme bereits eine endgültige Regelung, die einer Vollgenehmigung gleichsteht (BVerwG vom 19.12.1985, DVBl 1986, 190/192). Diese Errichtungsgenehmigungen wurden für die Errichtung der Anlage im Hinblick auf einen späteren sicheren Betrieb erteilt. Regelungsgegenstand der vollständigen Errichtungsgenehmigung ist damit auch die Feststellung, dass die entsprechend der Genehmigung errichtete Anlage sicher betrieben werden kann. Diese Feststellung ist endgültig und verfestigt sich nicht erst in der nachfolgenden Betriebsgenehmigung zu einer abschließenden positiven Beurteilung (BVerwG vom 7.6.1991, BVerwGE 88, 286/290). Für die rechtliche Beurteilung war insofern die Sachlage im Zeitpunkt der Erteilung dieser beiden Teilgenehmigungen maßgeblich. Das Vorbringen der Kläger, die Sachlage habe sich insofern verändert, es habe sich nämlich ein geänderter Stand der Technik ergeben, der Schutz vor einem sogenannten 2-F-Bruch der Hauptkühlmittelleitung sei nunmehr Stand der Technik, ist nicht entscheidungserheblich. Insofern könnten allenfalls nachträgliche Anordnungen beansprucht werden (BVerwG vom 22.1.1997, DVBl 1997, 719/720), was nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Abgesehen davon kann ein geänderter Stand der Technik nicht schon damit begründet werden, dass beim Forschungsreaktor in Geesthacht im Jahr 2002 eine entsprechende Nachrüstung vorgenommen worden ist. Ein neuer Stand von Wissenschaft und Technik ergibt sich daraus nicht. Die Beurteilung in der 2. Teilgenehmigung vom 9. Oktober 1997 (S. 98) wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass auch der Forschungsreaktor in Geesthacht bei 2-F-Lecks keine aktive Kühlung zu bieten habe, weil auch dort nur ein einsträngiges Primärkühlsystem vorhanden sei. Entscheidend sei für den FRM-II, dass durch die passive bauliche bzw. geodätische Anordnung der Beckengruppe ein Trockenfallen des Reaktorkerns bei postulierten 2-F-Lecks vermieden werde (Stellungnahme des StMUGV vom 27.5.2004, S. 2, S. 3). Die Kläger sind diesen überzeugenden Ausführungen nicht mehr entgegengetreten.

4. Die Kläger bestreiten insbesondere, dass der erforderliche Schutz vor Störmaßnahmen oder sonstigen Einwirkungen Dritter beim Betrieb des FRM-II gewährleistet sei (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG), und zwar im Hinblick auf die durch den internationalen Terrorismus verursachten Gefahren, wie sie durch die Terrorangriffe vom 11. September 2001 in den USA manifest geworden sind. Dem ist nicht zu folgen, wobei der Verwaltungsgerichtshof offen lässt, ob die von den Klägern befürchteten Risikoszenarien rechtsfehlerfrei dem Bereich der auslegungsüberschreitenden Ereignisse und damit dem Restrisikobereich zugeordnet werden können.

a) Die Formulierung "erforderlicher Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter" in § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG schließt den Schutz gegen terroristische Angriffe ein (vgl. oben 2 b).

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der erforderliche Schutz in § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG ebenso wie in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ein "vorsorgender" Schutz. Das Maß des Erforderlichen ist auch hier nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu bestimmen. Gefahren und Risiken durch Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter müssen praktisch ausgeschlossen sein (BVerwG vom 19.1.1989, BVerwGE 81, 185/191 f.).

c) Danach ist die Genehmigungsbehörde - wie bei der Prüfung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG - verpflichtet, durch Sicherheitsanalysen der Frage nachzugehen, auf welchen Wegen und durch welche Arten der Einwirkung Dritter radioaktive Stoffe in die Umgebung freigesetzt werden können. Dabei werden sämtliche mehr oder minder wahrscheinlichen Ereignisabläufe betrachtet, die zu einem Schaden führen können, wenn ihnen nicht durch Sicherheitsvorkehrungen entgegengewirkt wird. Hierdurch werden die anzunehmenden, d.h. auslegungsbestimmenden Störfälle ermittelt, deren Beherrschung die Auslegung der Anlage dient (vgl. BVerwG vom 22.1.1997, DVBl 1997, 719/722). Diese Risikovorsorge und der damit verbundene Nachbarschutz gehen über die Gefahrenabwehr im klassischen Sinn hinaus und enden erst, wenn Gefahren und Risiken nach dem Maßstab der praktische Vernunft (BVerfG vom 8.8.1978, NJW 1979, 359/363) "praktisch ausgeschlossen " sind (vgl. BVerwG vom 19.12.1985, DVBl 1986, 190/194; BVerwG vom 13.7.1989, NVwZ 1989, 1169). Sind Risiken nach den Maßstäben praktischer Vernunft nicht auszuschließen, so müssen sie geklärt und die erforderlichen Vorsorgemaßnahmen getroffen werden (vgl. BVerwG vom 9.9.1988, DVBl 1988, 1170/1173). Verbleibende hypothetische Situationen, die allzu unwahrscheinlich sind, um sie noch bei der Auslegung der Anlage zu berücksichtigen, werden dem Restrisiko zugeordnet. Ein Nachbaranspruch auf Restrisikominimierung besteht nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG nicht; diese Vorschrift verlangt es nicht, jede technisch machbare und nicht völlig unverhältnismäßige Maßnahme zur Minimierung des Restrisikos zu ergreifen (vgl. BVerwG, DVBl 1997, 719/722 f.).

Dies bedeutet für die Kläger, dass sie mit der Einwendung des unzumutbaren Risikos auf Grund terroristischer Einwirkungen nur Erfolg haben können, wenn sie substanziiert eine Lücke im Konzept der Beherrschung derartiger Störfälle darlegen können. Dazu müssten sie einen Geschehensablauf schildern, der nach dem Maßstab der praktischen Vernunft so wahrscheinlich ist, dass er nicht mehr dem Restrisikobereich zugerechnet werden darf (vgl. BVerwG, DVBl 1997, 719/722, m.w.N.). Darüber hinaus wäre darzulegen, dass dieser Geschehensablauf durch die getroffene Schadensvorsorge nicht praktisch ausgeschlossen wird.

d) Bei der Würdigung des Vorbringens der Kläger zum erforderlichen Schutz vor terroristischen Einwirkungen ist zu beachten, dass die Verantwortung für die Risikoermittlung und -bewertung bei der Genehmigungsbehörde verbleibt und es nicht Aufgabe der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle ist, die der Genehmigungsbehörde zugewiesene Bewertung des Risikos auf Grund terroristischer Einwirkung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen (vgl. BVerwG, DVBl 1986, 190/195). Die Schwelle zum Bereich des Restrisikos nach dem Maßstab der praktischen Vernunft zu bestimmen, liegt demnach in der Verantwortung der Genehmigungsbehörde (vgl. BVerwG, DVBl 1997, 719/723 f.). Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob die Wertung der Genehmigungsbehörde auf willkürfreien Annahmen und ausreichenden Ermittlungen beruht (BVerwGE 81, 185).

Diese Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht ursprünglich zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG entwickelt hat, gelten in gleicher Weise für die Anwendung des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG (BVerwGE 81, 185/191 f.). Dafür spricht zum einen der bei Anlagen mit außergewöhnlich hohem Gefährdungspotenzial für Einzelne wie für die Allgemeinheit gebotene dynamische Grundrechtsschutz durch eine laufende Anpassung der Risikoermittlung und -bewertung an den jeweils neuesten Erkenntnisstand. Nur so kann die bestmögliche Gefahrenabwehr und Risikovorsorge gewährleistet werden. Die Exekutive mit ihren Informationsbeschaffungsmöglichkeiten kann die Erfüllung dieser Aufgabe am besten gewährleisten (BVerwGE 81, 185/191). Dafür spricht zum andern der Prognosecharakter der Einschätzung künftiger Entwicklungen und Geschehensabläufe, wie sie im Zusammenhang mit dem Risiko terroristischer Einwirkung vorzunehmen ist. So sind z.B. Prognosen über voraussichtliche Täter und voraussichtliches Täterverhalten anzustellen (vgl. BVerwGE 81, 185/192). Für die Erstellung solcher Prognosen ist die Exekutive besser gerüstet als die Verwaltungsgerichte. Dies gilt erst recht, wenn es - wie hier - um internationalen Terrorismus geht, wenn die politischen, gesellschaftlichen und religiösen Verhältnisse in Drittstaaten einzuschätzen sind und wenn die Auswertung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse von ausschlaggebender Bedeutung ist. Damit ist es zum einen ausgeschlossen, die Einhaltung des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG einer vollen verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung zu unterziehen und die Befugnis zur Letzterkenntnis für die Verwaltungsgerichte zu reklamieren, zum andern aber auch, die Vorsorge gegen das Risiko terroristischer Einwirkung als schlechthin nicht justiziabel anzusehen.

e) Bei der Prüfung der Frage, ob der im Sinn des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG erforderliche Schutz gewährleistet ist, ist zu berücksichtigen, dass die Abwehr terroristischer Einwirkungen typischerweise eine öffentliche Aufgabe des Staates und nicht eine private Angelegenheit des Betreibers einer kerntechnischen Anlage ist (vgl. BVerwGE 81, 185/188 f.). Teilweise ist allein der Staat auf Grund seines Gewaltmonopols rechtlich in der Lage, einen gezielten terroristischen Angriff abzuwehren, etwa einen gezielten Flugzeugabsturz gewaltsam zu unterbinden (Leidinger, DVBl 2004, 95/96). Hiervon geht auch die amtliche Begründung zum Atomgesetz aus, wenn es dort heißt: "Soweit dieser Schutz nicht von der Polizei übernommen werden muss, obliegt es dem Antragsteller, im Genehmigungsverfahren nachzuweisen, dass er die notwendigen Schutzmaßnahmen getroffen hat" (BT-Drs. III/759, S. 23). Demgemäß soll nun auf Initiative der Bundesregierung ein Luftsicherheitsgesetz erlassen werden, das neben anderen Sicherungsmaßnahmen am Boden eine Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz der Streitkräfte vorsieht, die auch zum Abschuss eines Flugzeugs berechtigt, wenn dieses gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll (vgl. Art. 1 § 13 und § 14 Abs. 3 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben, BR-Drs. 827/03 vom 7.11.2003). Es kann davon ausgegangen werden, dass der Staat diese Aufgabe auch im Übrigen wahrnimmt. Dazu zählen Maßnahmen am Boden, z.B. bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung im Luftverkehr und bei der Fluggastkontrolle, ebenso wie Maßnahmen in der Luft durch den Einsatz von gepanzerten Kabinentüren oder sogar bewaffneten Flugbegleitern. Dadurch wird das Maß dessen, was dem Betreiber angesonnen werden darf und muss, inhaltlich beschränkt. Dies bedeutet indes nicht, dass zur Abwehr einer von internationalen Terroristen ausgehenden Gefahr rechtlich nur der Einsatz des Staates und nicht auch - wie gegenüber sonstigen kriminellen Akten allgemein - Maßnahmen tauglich wären und in Betracht kämen, die von den Anlagenbetreibern als potenziellen Opfern solcher Anschläge getroffen werden können (vgl. BVerwGE 81, 185/189). Nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG kann der Anlagenbetreiber danach nur, aber immerhin zu Maßnahmen verpflichtet werden, die sich innerhalb privater Handlungsbefugnisse halten und als solche geeignet und wirksam sind (Ossenbühl, NVwZ 2002, 290/292), der die Vorschrift gleichwohl auf gezielte Flugzeugabstürze generell nicht anwenden will. Den Betreiber einer kerntechnischen Anlage trifft in diesem Spannungsfeld insbesondere die Verpflichtung, den erforderlichen Schutz der Anlage durch baulich-technische Vorkehrungen sowie durch organisatorische Maßnahmen "bis zum Eintreffen der Polizei" zu gewährleisten (vgl. BVerwGE 81, 185/189; Leidinger, DVBl 2004, 95/100; Sendler, NVwZ 2002 681/682). Dies bedeutet für den vorliegenden Fall einerseits, dass bei der Prüfung der Frage, ob § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG Genüge geschehen ist, von der Wirksamkeit der präventiven und repressiven staatlichen Verbrechens- und Terrorbekämpfung ausgegangen werden muss. Dies bedeutet andererseits nicht, dass sich die Genehmigungsbehörde und die Anlagenbetreiber unter Hinweis auf die Wirksamkeit der präventiven und repressiven staatlichen Verbrechens- und Terrorbekämpfung sozusagen "frei zeichnen" können. Denn die präventive und repressive staatliche Verbrechens- und Terrorbekämpfung kann die erforderlichen Schutzmaßnahmen an den Anlagen und in der Organisation des Betriebs der Anlagen nicht substituieren. Daher kann es nicht zweifelhaft sein, dass der Eigentümer von Anlagen mit hohem Risikopotenzial, z.B. von kerntechnischen Anlagen, auch im Falle von Eingriffen Dritter im Rahmen der gesetzlichen Eigentumsinhaltsbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu adäquaten baulich-technischen und personell-organisatorischen Anstrengungen gesetzlich verpflichtet werden darf und - mit Blick auf die staatliche Schutzpflicht - aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sogar verpflichtet werden muss (vgl. Koch/John, DVBl 2002, 1578/1581).

f) Bei der Prüfung der Frage, ob der im Sinn des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG erforderliche Schutz gewährleistet ist, ist weiter zur berücksichtigen, dass baulich-technische Maßnahmen unter Berufung auf § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG nicht mehr verlangt werden können. Über die Errichtung des FRM-II und seinen nicht-nuklearen Betrieb ist durch die beiden Teilgenehmigungen vom 4. April 1996 und vom 21. Dezember 1998 bereits endgültig entschieden worden. Wie oben unter 3 dargelegt, stehen die beiden Teilgenehmigungen insofern einer Vollgenehmigung gleich. Gegen die hier streitgegenständliche spätere Betriebsgenehmigung kann nicht mehr eingewandt werden, eine genehmigungskonform errichtete Anlage erfülle die Genehmigungsvoraussetzungen nicht. Dies gilt auch dann, wenn Einwendungen auf Grund veränderter Sachlage erst nach Erlass der vorangegangenen Teilgenehmigungen entstanden sind; insofern können unter Umständen nachträgliche Anordnungen beansprucht werden (BVerwG vom 12.7.1993, DVBl 1993, 1151 und BVerwG vom 22.1.1997, DVBl 1997, 719/720). Derartige Ansprüche sind nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Im vorliegenden Rechtsstreit ist jedoch verfahrensrechtlich von Bedeutung, ob nach dem Ergebnis einer von der Genehmigungsbehörde angestellten aufsichtlichen Prüfung die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf der bestandskräftigen Teilgenehmigungen gegeben sind; dies stünde der Erteilung einer Betriebsgenehmigung entgegen (BVerwG vom 7.6.1991, BVerwGE 88, 286/291f; BVerwG vom 22.1.1997, DVBl 1997, 719/720 f.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Genehmigungsbehörde vermag keine Rücknahme- oder Widerrufsgründe zu erkennen. Dies sehen nunmehr auch die Kläger so (vgl. Schriftsatz vom 27.8.2004, S. 9). Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass alle eventuell in Betrac ht kommenden Maßnahmen die grundlegende Gebäude- und Betriebskonzeption unangetastet lassen und in angemessener Zeit verwirklicht werden könnten.

g) Bei der Prüfung der Frage, ob der im Sinn des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG erforderliche Schutz durch personell-organisatorische Maßnahmen gewährleistet ist, muss schließlich bedacht werden, dass nicht jede denkbare akute Gefährdungslage geregelt zu werden braucht, weil der atomrechtliche Genehmigungsbescheid gegenüber Anforderungen nach § 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. AtG zur Bekämpfung akuter Gefährdungslagen keine Legalisierungswirkung hat. Das bedeutet, dass die Genehmigungsbehörde unabhängig vom Inhalt der atomrechtlichen Genehmigung die Befugnis hat, Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung akuter Gefährdungslagen zu ergreifen. Bei der Frage, ob eine ausreichende Risikovorsorge im Sinn des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG getroffen worden ist, ist demnach davon auszugehen, dass die atomrechtliche Aufsichtsbehörde zusätzlich die Befugnis hat, Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung der Gefährdungslagen zu ergreifen. Dieses Verständnis des § 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. AtG beruht darauf, dass als Rechtsvoraussetzung nicht nur bescheidswidrige Zustände, sondern auch gesetzwidrige Zustände genannt sind. Demgemäß heißt es in der Gesetzesbegründung : "Diese Anordnungen werden regelmäßig vorläufigen Charakter haben, bis die Genehmigungsbehörde die Angelegenheit im Rahmen des § 17 AtG gewürdigt hat" (BtDr. III/759, S. 32). § 19 Abs. 3 Satz 1 AtG stellt somit eine Art atomrechtliche Aufsichtsgeneralklausel dar, die die kurzfristige Bekämpfung aller Risiken gestattet, die nach dem atomrechtlichen Anlagensicherheitsprogramm ausgeschlossen werden müssen (Koch/John, DVBl 2002, 1578/1587, m.w.N.).

h) Die Risikoermittlung und -bewertung für den Betrieb des FRM-II durch die Genehmigungsbehörde im Hinblick auf die durch den internationalen Terrorismus verursachten Gefahren ist bei Einbeziehung der dargelegten rechtlichen Maßgaben nicht zu beanstanden. Zu den einzelnen Einwendungen der Kläger ist folgendes auszuführen:

aa) Soweit die Kläger im Hinblick auf die durch den internationalen Terrorismus hervorgerufenen Gefahren durch gezielte Flugzeugabstürze eine sicherheitstechnische Nachrüstung des FRM-II verlangen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass der gestattende Teil der 1. und der 2. Teilgenehmigung insofern endgültige Regelungen enthält. Für deren Rechtmäßigkeit ist die seinerzeitige Sachlage maßgebend. Insofern könnten allenfalls nachträgliche Anordnungen verlangt werden, die aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind. Dies gilt zwar nicht für Schutzmaßnahmen personell-organisatorischer Art im Rahmen des Betriebsregimes. Es ist aber nicht ersichtlich, dass insofern noch Zusätzliches zu veranlassen wäre. Die Kläger machen insofern auch keine Defizite geltend. Abgesehen davon ist das Risiko des gezielten Flugzeugabsturzes, bei dem die Rechtmäßigkeit der Zuordnung zum Restrisikobereich hier offen bleiben kann, von der Genehmigungsbehörde in Betracht gezogen worden (Seite 51 des angefochtenen Bescheids; Verfahrensunterlage Nr. 44 "Gutachtliche Stellungnahme zu den Auswirkungen eines gezielten Absturzes einer vollbetankten Verkehrsmaschine auf den FRM-II" vom 5.6.2002 mit Anhang II). Ermittlungs- und Bewertungsfehler sind insoweit nicht erkennbar. Sollte die Genehmigungsbehörde den Airbus A-380-F, der nach Angaben der Kläger ein maximales Startgewicht von ca. 590 t und einen maximalen Treibstoffvorrat von 310.000 l hat (S. 20 der Klagebegründung), nicht berücksichtigt haben, so hätte sie damit ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Aus der Anlage II zur gutachtlichen Stellungnahme vom 5.6.2002 ergibt sich, dass insofern in Bezug auf das Biegetragverhalten noch erhebliche Reserven bestehen (S. 30). Daher ist nicht erkennbar, dass sich hieraus überhaupt Konsequenzen ergeben könnten. Abgesehen davon handelt es sich hierbei, wie auch die Kläger nicht verkennen, um einen Airbus "der nächsten Generation", dessen kommerzielle Nutzung nach Angaben der Kläger im Jahr 2006 beginnen könnte. Wenn sich die Genehmigungsbehörde im Genehmigungszeitpunkt auf den Standpunkt stellt, dass sowohl der Beginn der kommerziellen Nutzung des Airbus A-380-F als auch die in diesem Zeitpunkt bestehende Gefährdung durch terroristische Einwirkung im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Betriebsgenehmigung nicht hinreichend sicher beurteilt werden konnten, dann kann dies rechtlich nicht beanstandet werden. Die Genehmigungsbehörde wird im Falle der Aufnahme der kommerziellen Nutzung des Airbus A-380-F zu würdigen haben, ob nachträgliche Anordnungen nach § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG gerechtfertigt sind. Die Begründung des Beklagten für den Ansatz einer Anfluggeschwindigkeit von 400 km/h, diese gewährleiste eine relativ gute "Treffsicherheit", ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden: Dass die relativ gute "Treffsicherheit" auch bei höheren Geschwindigkeiten gegeben sei, brauchte der Beklagte auch im Hinblick auf den Anschlag auf das Pentagon am 11. September 2001 nicht anzunehmen; die Vergleichbarkeit fehlt, weil das Pentagon bei weitem großflächiger ist als der FRM II. Den Klägern ist ebenfalls nicht darin zu folgen, dass die Genehmigungsbehörde von einer Gefährdung der Kläger durch mittels feiner Risse in das Innere des Reaktors eingedrungenes brennendes Kerosin hätte ausgehen müssen. Dies ist nicht zu befürchten angesichts der erheblichen Reserven, die beim Biegetragverhalten noch bestehen. Die Gefahr des Eindringens von brennendem Kerosin durch vorhandene Öffnungen oder in Kellerräume wurde im Genehmigungsverfahren untersucht und als unerheblich bewertet (gutachtliche Stellungnahme vom 5.6.2002, S. 15/17). Soweit die Kläger rügen, die Genehmigungsbehörde habe den gezielten Absturz bewaffneter, womöglich mit Sprengstoff beladener, schneller und wendiger Militärmaschinen zu Unrecht nicht berücksichtigt, ist nicht nachvollziehbar, weshalb diese Gefährdung trotz der gegenüber einer Boing 747 wesentlich geringeren Masse solcher Maschinen einer eigenständigen Betrachtung bedurft hätte.

bb) Soweit die Kläger mit Bezug auf die durch den internationalen Terrorismus hervorgerufenen Gefahren durch sog. Innentäter eine sicherheitstechnische Nachrüstung des FRM-II verlangen, ist ihnen wiederum entgegenzuhalten, dass der gestattende Teil der 1. und 2. Teilgenehmigung insofern endgültige Regelungen enthält. Soweit sie im Hinblick auf personell-organisatorische Maßnahmen ein Ermittlungs- und Bewertungsdefizit geltend machen, ist ihnen ebenfalls nicht zu folgen. Auch hier kann offen bleiben, ob das Risiko der terroristischen Einwirkung durch sog. Innentäter noch rechtsfehlerfrei dem Restrisikobereich zugeordnet werden kann. Nach den überzeugenden Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung hat die Genehmigungsbehörde die Gefahr der terroristischen Einwirkung durch Innentäter berücksichtigt und dagegen Vorkehrungen im Betriebsreglement getroffen. Ermittlungs- und Bewertungsfehler sind insoweit nicht erkennbar. Die Genehmigungsbehörde hat dabei insbesondere das einschlägige untergesetzliche Regelwerk beachtet. Zu nennen sind hier Nrn. 4.2 und 7.3 der Empfehlungen der IAEA über den Schutz von Nuklearmaterial und Nuklearanlagen gegen Sabotage (INFCIRC/225/Rev. 4, 1999), die Richtlinie über Anforderungen an den Objektsicherungsdienst und an Objektsicherungsbeauftragte in kerntechnischen Anlagen (Bekanntmachung des BMI vom 8.4.1986, GMBl S. 242 ff) sowie die Richtlinie für den Schutz von Kernkraftwerken mit Leichtwasserreaktoren gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter (GMBl 1995, S. 180 und GMBl 1996, S. 32; jeweils ohne Wortlaut), schließlich auch die vom Beklagten zitierten vertraulichen Auslegungsgrundlagen für ortsfeste kerntechnische Anlagen der Sicherungskategorie I vom Februar 1997 mit Erweiterungen gemäß den Beschlüssen des Sonderausschusses für Atomkernenergie vom 4./5. Juni und vom 21./22. November 2002 und vom 3./4. Juli 2003. Nach den Angaben des Beklagten, an denen zu zweifeln der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlass hat, entsprechen die administrativ-organisatorischen Maßnahmen zur Anlagensicherung den Vorgaben dieser Regelwerke. Dies wird auch von den Klägern nicht bestritten. Die Erläuterungen des Beklagten zu seinem administrativ-organisatorischen Sicherungskonzept und zu den Auswirkungen auf verschiedene Szenarien eines terroristischen Angriffs sind überzeugend; der Verwaltungsgerichtshof hat keine Zweifel an der Wirksamkeit dieses Konzepts; die Kläger haben diesbezüglich keine substanziierten Bedenken vorgetragen. Die Kläger würdigen dieses Konzept als geeignet, den Zutritt für einen Innentäter zu sensiblen Bereichen deutlich zu erschweren. Da ein solcher Zutritt zu sensiblen Bereichen aber nicht ausgeschlossen sei, seien zusätzliche Maßnahmen diskussionswürdig (vgl. Schreiben des Fachbeistands vom 23.4.2004, S. 2 bis 4). Ein rechtserhebliches Defizit wird damit aber nicht aufgezeigt. Das administrativ-organisatorische Sicherungskonzept des FRM II dient gestaffelt auf der ersten Ebene der Erkennung und Verhinderung eines unerlaubten Zutritts und der Einbringung unerlaubter Hilfsmittel sowie auf der zweiten Ebene der Erkennung und Verhinderung unerlaubter Manipulationen. Ein erstes Element besteht darin, dass die Zugangsregelungen zum FRM-II restriktiv sind und das Reaktorpersonal sowie das am FRM-II tätige wissenschaftliche Eigenpersonal gemäß den Festlegungen der AtZÜV zuverlässigkeitsüberprüft wird. Personen, die nicht zuverlässigkeitsüberprüft sind, werden bei jedem Zutritt zum sicherheitsrelevanten inneren Sicherungsbereich kontrolliert. Hierzu werden diese Personen mit Metalldetektor und durch Abtasten überprüft sowie das von ihnen mitgeführte Gepäck auf unerlaubte Gegenstände, wie z.B. Sprengstoff oder Waffen, durchsucht. Mit Blick auf die wissenschaftliche Nutzung des Reaktors - auch durch nicht zuverlässigkeitsüberprüfte Gastwissenschaftler - wurde die Anlagensicherung vor allem durch das Konzept der Berechtigungszonen in Verbindung mit den schon beschriebenen Kontrollen von Personen und Gepäck so ausgelegt, dass die unterschiedlich sicherheitsrelevanten Anlagenbereiche voneinander durch mechanische Barrieren, technische Überwachung und administrative Festlegungen abgegrenzt sind. Die technische Abgrenzung der Berechtigungszonen erfolgt durch versperrte Stahltüren oder Vereinzelungsanlagen, die nur mit einem entsprechend kodierten Ausweis passiert werden können. Berechtigungszonen sind insbesondere - geordnet nach zunehmender Sicherheitsrelevanz - die Neutronenleiterhalle, die Experimentierhalle und zuletzt die Reaktorhalle. Jeder Versuch einer Überwindung solcher Abgrenzungen wird detektiert und löst entsprechende Alarme aus. Im Alarmfall erfolgen im Betriebsreglement festgelegte, bewaffnete Interventionen des Objektsicherungsdienstes. Experimentatoren wird der Zutritt durch entsprechende Kodierung des zugehörigen Berechtigungsausweises nur zu derjenigen Berechtigungszone gewährt, in der sie ihre Forschungstätigkeit ausführen. Zur Reaktorhalle haben diese Personen in aller Regel keinen Zutritt. Die von dort zu beschickenden Bestrahlungseinrichtungen werden nur von (zuverlässigkeitsüberprüftem) Personal der Bestrahlungsgruppe des FRM-II be- und entladen. Entsprechend restriktive Zutrittsbegrenzungen, die sich strikt nach dem Erfordernis des entsprechenden Zutritts richten, gelten auch für Eigenpersonal und Mitarbeiter von Fremdfirmen, die im inneren Sicherungsbereich der Anlage Wartungsarbeiten durchzuführen haben. Die Annahmen der Kläger, es handle sich um Personen mit besonderem technischen Wissen, und diese könnten im FRM-II vorhandene Materialien und Werkzeuge verwenden, reichen nicht aus, um das Sicherheitskonzept des Beklagten in seiner Wirksamkeit in Frage zu stellen. Die Auswirkungen verschiedener theoretisch denkbarer terroristischer Szenarien können für die Nachbarschaft unterhalb der Schädlichkeitsschwelle gehalten werden. Auch hier ist wesentlich, dass ein völliger Verlust des Beckenwassers weder durch intelligente Eingriffe noch durch massive Gewalteinwirkung zu erreichen ist. Der Restwasservorrat von 27 m³ in der massiven Beckengrube unterhalb der Strahlrohrunterkante bliebe in jedem Fall erhalten. Ferner könnten rechtserhebliche radiologische Auswirkungen auf die Umwelt nur eintreten, wenn annähernd zeitgleich eine Sprengung der durch massive Strahlenschutz-Abschirmburgen geschützten Strahlrohre von der Experimentierhalle aus, eine Zerstörung der Lüftungszentrale in den stets verschlossenen Nebenräumen der Reaktorhalle sowie eine weitere Sprengung am ungehindert einsehbaren Fortluftkamin außerhalb des Reaktorgeländes im Freien erfolgen würden. Wenn der Beklagte dieses Szenario als jenseits der Grenzen der praktischen Vernunft liegend wertet (Stellungnahme des StMUGV vom 27.5.2004, S. 3), dann kann dagegen von Rechts wegen nichts eingewendet werden.

Der Beklagte hat sich aus Gründen der Geheimhaltung nicht in der Lage gesehen, weitere Einzelheiten der Anlagensicherung mitzuteilen (vgl. S. 79 des angefochtenen Bescheids); der Beklagte kann sich insofern auf § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO berufen. Unterlagen über die Sabotagesicherheit gefährdeter Einrichtungen, hier: des FRM-II, sind ihrem Wesen nach geheim. Denn andernfalls würden Chancen eröffnet, die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen zu unterlaufen und ggf. Sabotageakte durchzuführen (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, RdNr. 20 zu § 99). Dies sehen auch die Kläger so. Ein Verfahren nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO kommt nicht in Betracht. Die Erforderlichkeit einer weiteren Sachaufklärung drängt sich dem Verwaltungsgerichtshof insofern nämlich nicht auf (§ 86 Abs. 1 VwGO), so dass diesbezüglich keine Aufklärungs- und Beweisbeschlüsse ergehen. Nach den vorstehenden Ausführungen fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit. Eine Momentaufnahme hätte insofern keinen besonderen Erkenntniswert, weil es sich gerade hier um Sicherheitsvorkehrungen handelt, die der jeweiligen akuten Gefahrenlage immer wieder angepasst werden müssen (s. oben 4 g).

Kosten: § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 30.000 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.).

Beschluss:

Das Verfahren hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 27. August 2004 "hilfsweise für den Fall, dass die Klage gegen die dritte Teilgenehmigung keinen Erfolg hat" erhobene Untätigkeitsklage auf Verpflichtung des Beklagten zum Erlass nachträglicher Anordnungen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG wird abgetrennt (§ 93 Satz 2 VwGO) und erhält das neue Aktenzeichen 22 A 04.40061.



Ende der Entscheidung

Zurück