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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 28.07.2005
Aktenzeichen: 22 A 04.40061
Rechtsgebiete: VwGO, AtG


Vorschriften:

VwGO § 91 Abs. 1
AtG § 1 Nr. 2
AtG § 17 Abs. 1 Satz 3
AtG § 17 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Widerrufs und nachträglicher Auflagen nach § 17 AtG;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 28. Juli 2005

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zu einem Drittel einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Verwaltungsgerichtshof nimmt auf den Tatbestand seines Urteils vom 7. Oktober 2004 - Az. 22 A 03.40036 mit denselben Beteiligten Bezug, desgleichen auf den Abtrennungsbeschluss gleichen Datums, mit dem die am 27. August 2004 hilfsweise erhobene Untätigkeitsklage der Kläger auf Verpflichtung des Beklagten zum Erlass nachträglicher Anordnungen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG abgetrennt wurde.

Mit Bescheid vom 19. November 2004, den Klägern zugegangen am 20. November 2004, lehnte das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz - ab hier StMUGV - die Anträge der Kläger vom 20. April 2004 ab. Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2004, beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am gleichen Tag, änderten die Kläger ihre Klageanträge. Nach weiteren Klarstellungen mit Schriftsatz vom 19. April 2005 beantragen sie nunmehr, unter Aufhebung des Bescheids des StMUGV vom 19. November 2004 den Beklagten zu verpflichten, die erste Teilgenehmigung zur Errichtung der Hochflussneutronenquelle ... in .... ab hier: FRM-II - vom 4. April 1996 und die diesbezügliche zweite Teilgenehmigung vom 9. Oktober 1997 zu widerrufen.

Hilfsweise beantragen die Kläger,

unter Aufhebung des Bescheids des StMUGV vom 19. November 2004 den Beklagten zu verpflichten, nachträgliche weitere Vorkehrungen zum Schutz der Kläger bei Störfällen und/oder Einwirkungen Dritter anzuordnen, insbesondere die

- Errichtung von baulichen Strukturen rund um das Reaktorgebäude, insbesondere Pylonen, die geeignet sind, die Auswirkungen von Flugzeugabstürzen abzumindern,

- weitergehende Sicherung des Reaktorbeckens und der Strahlrohre gegen herabstürzende Lasten und gegen die Folgen einer absichtlichen Beschädigung durch Dritte,

- Erhöhung der Kapazität des Notkühlsystems, mindestens aber Auslegung des Primärkühlkreislaufs gegen 2 F - Bruch,

- räumliche Trennung der Stränge des Notkühlsystems,

- weitergehende Sicherung des Systems der Abschaltstäbe gegen absichtliche Blockierung.

Zur Begründung führen die Kläger im Wesentlichen aus: Es sei ein gezielter Flugzeugabsturz auf den FRM-II möglich. Wenn dies mit dem neuen Großraumflugzeug Airbus A 380 - F geschehe, würden die - unstreitig hohen - Auslegungsreserven des FRM-II nicht ausreichen. Ebenso vorstellbar seien gezielte Angriffe mit panzerbrechenden Waffen von der Südseite des FRM-II, aus dem öffentlich zugänglichen Bereich heraus. Bei einem Beschuss werde zunächst mit einem ersten Schuss die Außenwand des Reaktorgebäudes und dann mit einem unmittelbar nachfolgenden zweiten Schuss die Wand des Reaktorbeckens durchdrungen. Dadurch werde ein großes Leck erzeugt, durch das der obere Teil des Brennelements trocken fallen könne. Tragbare panzerbrechende Waffen und Flugabwehrraketen seien für Terroristen relativ leicht verfügbar und ohne Weiteres einsetzbar. Mit speziellen bunkerbrechenden Gefechtsköpfen würden diese Waffen auch Stahlbeton durchschlagen. Die baulich-technischen Barrieren zum Schutz vor terroristischen Innentäteraktionen seien mangelhaft; zusätzliche baulich-technische Maßnahmen seien deshalb nötig. Sonst könne es zu einer Kernschmelze ohne Wasserabdeckung mit katastrophalen Folgen für die Kläger kommen.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen die Abweisung der Klagen.

Der Beklagte und die Beigeladene stimmen der Änderung der Klageanträge nicht zu (Schriftsätze vom 24. bzw. 19.1.2005). Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (Schriftsätze vom 23.6., vom 18.7. und vom 19.7.2005).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Verwaltungsgerichtshof kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die von den Klägern zulässigerweise geänderte Klage ist unbegründet.

A) Die Klageänderung ist zulässig, weil der Verwaltungsgerichtshof die Änderung für sachdienlich hält (§ 91 Abs. 1 VwGO). Soweit die Kläger nach dem Ergehen des Ablehnungsbescheids vom 19. November 2004 in ihrem Schriftsatz vom 20. Dezember 2004 (auf S. 4 ausdrücklich) von einer Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) auf eine Versagungsgegenklage übergegangen sind, liegt darin allerdings noch keine Klageänderung (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO). Rechtliche Bedenken gegen diesen Schritt bestehen nicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, Rdnr. 9 zu § 91). Eine Klageänderung im Sinn von § 91 VwGO ist jedoch darin zu sehen, dass nun im Hauptantrag erstmals der Widerruf der verfahrensgegenständlichen atomrechtlichen Genehmigungen gefordert wird. Insofern ist Sachdienlichkeit anzunehmen. Der Prozessstoff (vgl. zu diesem maßgeblichen Kriterium Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 19 zu § 91 m.w.N.) hat sich dadurch nicht wesentlich geändert. Dadurch wird lediglich eine verschärfte atomaufsichtliche Reaktion auf denselben Lebenssachverhalt verlangt. Die endgültige Beilegung des Rechtsstreits wird durch die Klageänderung gefördert.

B) Die geänderte Klage ist als Versagungsgegenklage zulässig (§ 42 Abs. 1 VwGO), aber sowohl im Hauptantrag, als auch im Hilfsantrag unbegründet. Als Anspruchsgrundlage für den Hauptantrag führen die Kläger § 17 Abs. 5 AtG an. Danach ist eine Genehmigung zu widerrufen, wenn dies wegen einer erheblichen Gefährdung Dritter erforderlich ist und nicht durch nachträgliche Auflagen in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen werden kann. Als Anspruchsgrundlage für die hilfsweise geforderten nachträglichen Auflagen führen die Kläger § 17 Abs. 1 Satz 3 i.V. mit § 1 Nr. 2 AtG an. Soweit es zur Erreichung der in § 1 Nr. 2 AtG bezeichneten Zwecke erforderlich ist, sind nachträgliche Auflagen zulässig. § 1 Nr. 2 AtG bezeichnet den Schutz von Leben und Gesundheit vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen als Zweckbestimmung des Atomgesetzes. Das Begehren der Kläger hat im Haupt- wie im Hilfsantrag keinen Erfolg, weil keine rechtlich erhebliche Gefährdung der Kläger festgestellt werden kann und auch der Schutz ihres Lebens und ihrer Gesundheit vor den Gefahren der Kernenergie nachträgliche Anordnungen nicht erforderlich macht. Dies liegt sowohl daran, dass eine rechtlich erhebliche Gefährdung der Kläger von vornherein nicht vorliegt, als auch daran, dass der Beklagte die erforderlichen Maßnahmen bereits getroffen hat.

Mit den Formulierungen "erhebliche Gefährdung Dritter" oder dem "Schutz von Leben und Gesundheit vor den Gefahren der Kernenergie" sind nicht etwa lediglich abstrakte und nur theoretische Möglichkeiten der Schädigung gemeint, die aus der Entwicklung des internationalen Terrorismus abgeleitet werden könnten. Wenn der Gesetzgeber eine solche Forderung aufstellen würde, dann müsste er den Betrieb von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen überhaupt untersagen (vgl. BVerwG vom 5.4.1989, NVwZ 1989, 1170/1171). Dies hat er jedoch nicht getan. Der Gesetzgeber hat vielmehr in Kenntnis der Terrorangriffe vom 11. September 2001 in den USA und der dadurch neu aufgeworfenen Sicherheitsfragen bewusst von einem Genehmigungsverbot für Forschungsreaktoren abgesehen, weil er weiterhin von deren Förderungswürdigkeit ausgeht (vgl. BayVGH vom 7.10.2004 - Az. 22 A 03.40036, S. 6 f.). Für die bei § 17 Abs. 5 und § 17 Abs. 1 Satz 3 i.V. mit § 1 Nr. 2 AtG verwendeten Gefahrenbegriffe im Hinblick auf die Risikoermittlung und Risikobewertung kann nichts anderes gelten als bei der Anwendung von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG (Vorsorge gegen Schäden) und bei § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG (Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter). Insofern nimmt der Verwaltungsgerichtshof Bezug auf seine Ausführungen im Urteil vom 7. Oktober 2004 - Az. 22 A 03.40036, Nr. 4 a bis e, S. 10 bis 13; Anlass zur Änderung der bisherigen Rechtsprechung besteht nicht. Die Kläger könnten danach im Hauptantrag oder zumindest im Hilfsantrag nur obsiegen, wenn sie einen Geschehensablauf geltend machen könnten, der nach dem Maßstab der praktischen Vernunft so wahrscheinlich ist, dass er nicht mehr dem Restrisikobereich zugeordnet werden darf, und wenn sie weiter geltend machen könnten, dass dieser Geschehensablauf durch die getroffene Schadensvorsorge nicht praktisch ausgeschlossen ist. Dass restrisikominimierende Maßnahmen nicht dem Drittschutz unterliegen, hat das Bundesverwaltungsgericht jüngst wieder hervorgehoben (BVerwG vom 9.2.2005 - Az. 7 B 160.04). Danach hat die vorliegende Versagungsgegenklage weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg. Dies gilt für alle von den Klägern thematisierten terroristischen Szenarien.

I.

Soweit die Kläger eine erhebliche Gefährdung durch gezielte terroristische Flugzeugabstürze auf den FRM-II geltend machen, kann dies ihren Klagen nicht zum Erfolg verhelfen. Das Risiko des gezielten terroristischen Flugzeugabsturzes ist bereits beim Erlass der dritten Teilgenehmigung vom 2. Mai 2003 von der Genehmigungsbehörde in Betracht gezogen worden (S. 51 der dritten Teilgenehmigung; Verfahrensunterlage Nr. 44 "gutachtliche Stellungnahme zu den Auswirkungen eines gezielten Absturzes einer vollbetankten Verkehrsmaschine auf den FRM-N" vom 5.6.2002 mit Anhang II). Das StMUGV hat im hier angefochtenen Bescheid auf die klägerischen Befürchtungen hin ergänzend auch das Risiko des gezielten terroristischen Flugzeugabsturzes mit einem Großraumflugzeug vom Typ Airbus A 380 - F auf den FRM-II behandelt (S. 3 f., S. 6 f.). Eine erhebliche Gefährdung der Kläger und ihrer Rechtsgüter besteht danach nicht. Entscheidungserhebliche Ermittlungs- und Bewertungsfehler sind insoweit nicht erkennbar.

1. Das StMUGV hat zum einen darauf abgestellt, dass bei den zuständigen Aufsichtsbehörden Einigkeit darüber bestehe, dass ein gezielter Flugzeugabsturz nicht in die verwaltungsinterne Richtlinie für den Schutz von Kernkraftwerken mit Leichtwasserreaktoren gegen Störungen oder sonstige Einwirkungen Dritter (sog. SEWD-Richtlinie) aufzunehmen sei; die Terroranschläge vom 11. September 2001 hätten insofern zu keiner anderen Beurteilung geführt (S. 3 f. des angefochtenen Bescheids). Die Rechtmäßigkeit der allgemeinen Zuordnung dieses Szenarios zum Restrisikobereich hat der Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 7. Oktober 2004 - Az. 22 A 03.40036 offen gelassen (S. 15); auch im vorliegenden Fall ist eine Klärung dieser Frage nicht erforderlich.

2. Das StMUGV hat zum andern darauf abgestellt, dass jedenfalls angesichts der speziellen Gegebenheiten beim FRM-II ein gezielter terroristischer Flugzeugabsturz nach dem Maßstab der praktischen Vernunft ausgeschlossen ist (S. 6 f.). Diese Überlegungen sind nachvollziehbar und frei von Überschreitungen des der Aufsichtsbehörde eingeräumten Beurteilungsspielraums. Das StMUGV hat darauf hingewiesen, dass der FRM-II im Vergleich zu anderen potentiellen Zielen terroristischer Angriffe eines der "unattraktivsten" überhaupt wäre (S. 7). Dafür spricht schon die Beobachtung, dass sich der internationale Terrorismus in der Regel sog. "weiche", schwer zu schützende Ziele aussucht. Dafür spricht insbesondere, dass es extrem schwierig wäre, mit einem schwerfälligen, aber gleichwohl schnellen Großraumflugzeug wie dem Airbus A 380-F einen Angriff auf den FRM-II als einem extrem bodennahen und kleinflächigen Ziel erfolgreich durchzuführen, was nur bei einem horizontalen Treffer ca. 20 m über der Erdoberfläche denkbar wäre. Zudem ist davon auszugehen, dass terroristischen Tätergruppen nicht unbekannt geblieben ist, dass der FRM-II weltweit der einzige Forschungsreaktor ist, der von seiner Konzeption her baulich gegen Flugzeugabstürze gesichert worden ist. Das StMUGV durfte mit diesen im angefochtenen Bescheid sinngemäß enthaltenen Erwägungen im konkreten Fall des FRM-II von Rechts wegen die Gefahr eines gezielten terroristischen Flugzeugabsturzes so gering einschätzen, dass es sie dem Restrisikobereich zuordnen durfte. Die Einwände der Kläger hiergegen greifen nicht durch. Sie befassen sich eher allgemein mit den Risiken für den Betrieb von Kernkraftwerken und gehen auf die speziellen Gegebenheiten beim FRM-II nicht ein. Gerade für den von den Klägern beschriebenen äußerst skrupellosen und brutalen Tätertyp, der möglichst viele "Feinde" vernichten und die größtmögliche Zahl an Opfern erzielen will und dafür sein eigenes Leben preisgibt, muss der FRM-II als sehr unattraktives Ziel erscheinen. Für eine extrem geringe Trefferwahrscheinlichkeit und daher eine extrem geringe Schadenswahrscheinlichkeit müsste er sein eigenes Leben preisgeben. Die Annahme des StMUGV, dass dies vernünftigerweise nicht zu erwarten ist, ist plausibel und von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

3. Hinzu kommt, dass das StMUGV ohne Rechtsfehler festgestellt hat, dass die baulich-technischen Maßnahmen beim FRM-II derart sind, dass eine unterstellte Gefahr eines terroristischen Angriffs durch gezielten Flugzeugabsturz abgewehrt werden kann, und zwar auch hinsichtlich des neuen Großraumflugzeugs Airbus A 380-F. Der Beklagte hat dazu in der Klageerwiderung ergänzend zum angefochtenen Bescheid ausgeführt: "Angesichts der Flügelspannweite von ca. 80 m beim Airbus A-380-F und einem Abstand der äußeren Triebwerke von ca. 55 m bzw. der inneren Triebwerke von ca. 40 m sowie einem Abstand eines inneren Triebwerks zum gegenüberliegenden äußeren Triebwerk von ca. 48 m ist bei diesem jedoch allenfalls das gleichzeitige Auftreffen von zwei der insgesamt vier Triebwerke denkbar. Wesentliche Teile der Tragflächen mit ihren Kerosinmassen von insgesamt ca. 90 t in den Flügeltanks werden jedoch am Reaktorgebäude ebenso vorbeigehen wie die beiden anderen Triebwerke. Somit wird sich die gesamte mögliche Aufprallmasse des A 380-F von den angenommenen 590 t auf Werte reduzieren, die nur wenig über den bei der Boeing 747 unterstellten 413 t liegen. Die Gebäudereserven sind auch in diesem Fall bei weitem noch nicht aufgezehrt". Hiergegen bringen die Kläger keine durchgreifenden Einwände mehr vor. Für den Verwaltungsgerichtshof sind insofern auch keine Ermittlungs- und Bewertungsfehler erkennbar.

II.

Soweit die Kläger eine erhebliche Gefährdung durch gezielte terroristische Angriffe auf den FRM-II mit handgetragenen panzerbrechenden Waffen, insbesondere solchen, die mit Flugabwehrraketen und bunkerbrechenden Gefechtsköpfen ausgestattet sind, geltend machen, und zwar von der Südseite aus dem öffentlich zugänglichen Bereich heraus, kann dies ihren Klagen ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.

Das Risiko des gezielten terroristischen Angriffs mit handgetragenen panzerbrechenden Waffen ist vom StMUGV in Betracht gezogen worden, wie der Beklagte in der Klageerwiderung dargestellt hat. Zweifel hieran sind weder von den Klägern geäußert worden, noch sonst für den Verwaltungsgerichtshof ersichtlich. In der Begründung des angefochtenen Bescheids brauchte das StMUGV auf dieses Thema deshalb nicht näher einzugehen, weil es bis dahin im Vorbringen der Kläger keine Rolle gespielt hatte. Entscheidungserhebliche Ermittlungs- und Bewertungsdefizite bestehen jedenfalls auch insofern nicht.

1. Das StMUGV hat zwar zum einen darauf abgestellt, dass sowohl der Einfach- als auch der Mehrfachbeschuss mit Panzerabwehrwaffen nach der sog. SEWD-Richtlinie zu berücksichtigen ist. Die Überarbeitung der SEWD-Richtlinie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA hat dem StMUGV zufolge zum einen dazu geführt, dass bei den potentiellen Tätern Selbstmordbereitschaft zu unterstellen ist, zum andern Erweiterungen der in Frage kommenden Tatmittel mit sich gebracht (S. 12 des angefochtenen Bescheids). Das StMUGV hat dazu in der Klageerwiderung aber weiter mitgeteilt, dass die von der Klägerseite angeführten Tatmittel der Flugabwehrrakete und des bunkerbrechenden Gefechtskopfs nicht zum nach der SEWD-Richtlinie maßgeblichen Tatmittelspektrum gehören würden. Ob diese Zuordnung von gezielten terroristischen Angriffen mit Flugabwehrraketen und mit bunkerbrechenden Gefechtsköpfen auf den FRM-II zum Restrisikobereich rechtsfehlerfrei möglich ist, lässt der Verwaltungsgerichtshof offen, weil es im vorliegenden Fall hier auf nicht ankommt.

2. Das StMUGV hat nämlich zum andern auch hier auf die speziellen Gegebenheiten beim FRM-II abgestellt. Seine diesbezüglichen Erwägungen sind nachvollziehbar und frei von Überschreitungen des der Aufsichtsbehörde eingeräumten Beurteilungsspielraums. Auszugehen ist auch nach Ansicht der Kläger davon, dass ein äußerer Angriff von der Südseite das Durchdringen der Außenwand des Reaktorgebäudes (ca. 1,80 m Stahlbeton) und der Wand des Reaktorbeckens (ca. 1,60 m Stahlbeton) auf der Höhe der Geländeoberkante voraussetzen würde (Stellungnahme des Fachbeistands der Kläger vom 18.4.2005). Der Beklagte hat dazu in der Klageerwiderung festgestellt, dass diese Auslegung des FRM-II auch gezielte terroristische Angriffe mit handgetragenen Panzerabwehrwaffen mit Flugabwehrraketen und bunkerbrechenden Gefechts köpfen abdecken würde. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Gefechtsköpfe von Flugabwehrraketen nicht auf die wirkungsvolle Schädigung von Betonstrukturen ausgelegt seien. Weiter wurde ausgeführt, dass bunkerbrechende Gefechtsköpfe von handgetragenen Panzerabwehrwaffen eine Durchschlagskraft haben, die erheblich unterhalb des für die Zerstörung der 1,80 m starken Wandstruktur des Reaktorgebäudes erforderlichen Werts liegen. Die Beigeladene hat dem zugestimmt und zusätzlich darauf hingewiesen, dass es nicht nachvollziehbar sei, wie beim zweiten Schuss genau durch das beim ersten Schuss erzeugte Loch in einer 1,80 m dicken Wand geschossen werden könne. Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Erwägungen für nachvollziehbar. Eine weitere, eventuell Probleme des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufwerfende Sachaufklärung (vgl. VGH vom 7.10.2004 - Az. 22 A 03.40036, S. 19) wurde von den Klägern nicht ausdrücklich beantragt, nicht einmal angeregt und drängt sich dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht auf (§ 86 Abs. 1 VwGO), so dass diesbezüglich keine Aufklärungs- oder Beweisbeschlüsse zu ergehen brauchen. Die Kläger haben sich nicht ausdrücklich gegen die genannten Erwägungen des Beklagten und der Beigeladenen gewandt und schon gar keine substantiierten Einwände erhoben. Eine Aufklärung, von welchen bunkerbrechenden Gefechts köpfen und welchen handgetragenen Panzerabwehrwaffen der Beklagte ausgegangen ist, wie deren genaue Durchschlagskraft wertmäßig zu beziffern ist und welcher Wert für die Durchschlagung der Wandstruktur des Reaktorgebäudes erforderlich wäre, im Sinne einer zusätzlichen Vergewisserung, drängt sich auch unabhängig vom Verhalten der Kläger im vorliegenden Fall nicht auf. Für eine grenzwertige Situation besteht kein Anhaltspunkt, weil nach den Angaben des Beklagten noch erhebliche Sicherheitsreserven vorhanden sind; Anhaltspunkte für Zweifel bestehen insofern nicht.

III.

Soweit die Kläger eine erhebliche Gefährdung durch gezielte terroristische Angriffe sog. Innentäter auf den FRM-II geltend machen, kann dies ihren Klagen ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Das Risiko der terroristischen Einwirkung durch sog. Innentäter ist bereits beim Erlass der dritten Teilgenehmigung vom 2. Mai 2003 von der Genehmigungsbehörde in Betracht gezogen worden (vgl. dazu BayVGH vom 7.10.2004-Az. 22 A 03.40036, S. 17). Ob dieses Risiko gegebenenfalls dem sog. Restrisikobereich zuzuordnen wäre, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Urteil offen gelassen (S. 17). Auch im vorliegenden Fall ist eine Klärung entbehrlich; es sind ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen worden, dass ein eventueller terroristischer Angriff sog. Innentäter die Kläger in rechtlich erheblicher Weise gefährdet.

1. Der Beklagte hat bereits im Verfahren 22 A 03.40036 ausgeführt, dass das StMUGV in dem in der dritten Teilgenehmigung vom 2. Mai 2003 enthaltenen Betriebsreglement Vorkehrungen getroffen hat, die eine Gefährdung der Kläger nach dem Maßstab der praktischen Vernunft ausschließen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu im Urteil vom 7. Oktober 2004 - Az. 22 A 03.40036 folgendes ausgeführt: "Das administrativ-organisatorische Sicherungskonzept des FRM-II dient gestaffelt auf der ersten Ebene der Erkennung und Verhinderung eines unerlaubten Zutritts und der Einbringung unerlaubter Hilfsmittel sowie auf der zweiten Ebene der Erkennung und Verhinderung unerlaubter Manipulationen. Ein erstes Element besteht darin, dass die Zugangsregelungen zum FRM-II restriktiv sind und das Reaktorpersonal sowie das am FRM-II tätige wissenschaftliche Eigenpersonal gemäß den Festlegungen der AtZÜV zuverlässigkeitsüberprüft wird. Personen, die nicht zuverlässigkeitsüberprüft sind, werden bei jedem Zutritt zum sicherheitsrelevanten inneren Sicherungsbereich kontrolliert. Hierzu werden diese Personen mit Metalldetektor und durch Abtasten überprüft sowie das von ihnen mitgeführte Gepäck auf unerlaubte Gegenstände, wie z.B. Sprengstoff oder Waffen, durchsucht. Mit Blick auf die wissenschaftliche Nutzung des Reaktors - auch durch nicht zuverlässigkeitsüberprüfte Gastwissenschaftler - wurde die Anlagensicherung vor allem durch das Konzept der Berechtigungszonen in Verbindung mit den vorgeschriebenen Kontrollen von Personen und Gepäck so ausgelegt, dass die unterschiedlich sicherheitsrelevanten Anlagenbereiche voneinander durch mechanische Barrieren, technische Überwachung und administrative Festlegungen abgegrenzt sind. Die technische Abgrenzung der Berechtigungszonen erfolgt durch versperrte Stahltüren oder Vereinzelungsanlagen, die nur mit einem entsprechend kodierten Ausweis passiert werden können. Berechtigungszonen sind insbesondere - geordnet nach zunehmender Sicherheitsrelevanz - die Neutronenleiterhalle, die Experimentierhalle und zuletzt die Reaktorhalle. Jeder Versuch einer Überwindung solcher Abgrenzungen wird detektiert und löst entsprechende Alarme aus. Im Alarmfall erfolgen im Betriebsreglement festgelegte, bewaffnete Interventionen des Objektsicherungsdienstes. Experimentatoren wird der Zutritt durch entsprechende Kodierung des zugehörigen Berechtigungsausweises nur zu derjenigen Berechtigungszone gewährt, in der sie ihre Forschungstätigkeit ausführen. Zur Reaktorhalle haben diese Personen in aller Regel keinen Zutritt. Die von dort zu beschickenden Bestrahlungseinrichtungen werden nur von zuverlässigkeitsüberprüftem Personal der Bestrahlungsgruppe des FRM-II be- und entladen. Entsprechend restriktive Zutrittsbegrenzungen, die sich strikt nach dem Erfordernis des entsprechenden Zutritts richten, gelten auch für Eigenpersonal und Mitarbeiter von Fremdfirmen, die im inneren Sicherungsbereich der Anlage Wartungsarbeiten durchzuführen haben". Ermittlungs- und Bewertungsfehler sind insoweit nicht erkennbar, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem genannten Urteil ausgeführt hat, das die Anfechtungsklagen der Kläger gegen die dritte Teilgenehmigung vom 2. Mai 2003 betrifft. Dieses Urteil bezieht sich zwar auf die Sach- und Rechtslage, wie sie am 2. Mai 2003 bestand. Anhaltspunkte dafür, dass nunmehr im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 19. November 2004 oder, falls es darauf ankommen sollte, im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs eine andere Beurteilung geboten ist, bestehen aber nicht.

2. Abgesehen davon hat das StMUGV darauf abgestellt, dass selbst geglückte Anschläge von sog. Innentätern keine Erfolge zeitigen würden, die mit rechtlich erheblichen Gefahren für die Kläger verbunden wären. Danach ist weiterhin davon auszugehen, dass die Auswirkungen der verschiedenen denkbaren Szenarien von terroristischen Angriffen sog. Innentäter für die Nachbarschaft unterhalb der Schädlichkeitsschwelle gehalten werden können. Die entscheidende Erwägung geht davon aus, dass eine sog. trockene Kernschmelze und die daraus folgenden Belastungen durch ionisierende Strahlung weder durch intelligente Eingriffe noch durch massive Gewalteinwirkung zu erreichen sind. Die hieran von den Klägern geäußerten Zweifel vermögen die diesbezüglichen Darstellungen und Erläuterungen des Beklagten nicht in Frage zu stellen. Zum einen ist nicht erkennbar, wie durch verschiedene von den Klägern genannte Sabotageakte so riesige Leckagen entstehen könnten, dass Beckenwasser in nennenswertem Umfang verloren ginge. Selbst wenn lediglich ein Restwasservorrat von 27 m3 in der massiven Beckengrube unterhalb der Strahlrohrunterkante erhalten bliebe, was auch die Kläger nicht mehr bezweifeln, käme es nicht zu einer trockenen Kernschmelze. Der Fachbeistand der Kläger hat zwar im Rahmen der Klagebegründung eingewandt, auch bei der Erhaltung dieses Restwassers könne zumindest ein erheblicher Teil des Brennelements zunächst ohne Wasserüberdeckung schmelzen, mit allen negativen Folgen für die Freisetzung von leichter flüchtigen Radionukliden (insbesondere Edelgase, Jod, Magnesium). Dem hält der Beklagte aber entgegen, dass es nicht vorstellbar sei, dass der Reaktorkern angesichts seiner filigranen Konstruktion und Abstützung selbst bei einer Kernschmelze dauerhaft in seiner ursprünglichen Position verharren und nicht sofort in die wassergefüllte Reaktorgrube abstürzen sollte. Die Kläger haben keine triftigen Gegengründe vorgebracht, die diese Einschätzung hätten erschüttern können. Daher könnten die zusätzlichen baulich-technischen Maßnahmen, die die Kläger zum Schutz vor terroristischen Innentäteraktionen fordern, allenfalls als Maßnahmen zur Restrisikominimierung verstanden werden, auf die die Kläger aber keinen Anspruch haben (s. oben S. 6).

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO im Hinblick auf die bei Klageerhebung erhebliche Betroffenheit der rechtlichen Interessen der Beigeladenen als Mitinhaberin der strittigen Genehmigungen und die Förderung des Verfahrens durch die Beigeladene.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 30.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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