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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 17.07.2009
Aktenzeichen: 22 A 09.40010
Rechtsgebiete: AEG, GG, BImSchG, 26. BImSchV


Vorschriften:

AEG § 18 Satz 2
AEG § 18 e Abs. 6
GG Art. 14 Abs. 1 Satz 1
BImSchG § 50 Satz 1
26. BImSchV § 3
26. BImSchV § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

22 A 09.40010

In der Verwaltungsstreitsache

wegen eisenbahnrechtlicher Planfeststellung (Bahnstromleitung)

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9. Juli 2009

am 17. Juli 2009

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamts, Außenstelle München (in Folge: EBA), vom 9. Februar 2009 für die Erneuerung/den Ersatzneubau der 110-kV-Bahnstromleitung Karlsfeld-Augsburg (Planfeststellungsabschnitt B, Bereich Regierungsbezirk Schwaben).

Für die für eine gesicherte Bahnstromversorgung des südbayerischen Raumes notwendig gewordene Erneuerung der 110-kV-Bahnstromleitung (Niederfrequenzanlage mit 16,7 Hz) von München/Karlsfeld nach Augsburg mit ca. 52 km Länge wurde auf Antrag der Beigeladenen vom 9. Februar 1999 ein Raumordnungsverfahren durchgeführt. In dieses Verfahren wurden für den vorliegenden Planfeststellungsabschnitt B für den Regierungsbezirk Schwaben (ca. 26 km Länge) die beiden Varianten "östliche" und "westliche" Umgehung von Wulfertshausen (mit Untervarianten) eingebracht. Grund hierfür war die Notwendigkeit der Prüfung einer neuen Trassierung vor der nördlichen Kernstadt Friedberg, da in diesem Bereich der innerhalb der Siedlung verlaufende Trassenabschnitt in östlicher Richtung aus der Siedlung herausgelegt werden sollte. Die "östliche" Variante sah dabei unter dem Gesichtspunkt der Bündelung einen Verlauf der neuen Bahnstromleitung an der Ostseite der damals noch bestehenden und am östlichen Rand der Kernstadt Friedberg und der Ortsteile Wulfertshausen und Stätzling verlaufenden 110-kV-Leitung der LEW (sog. BAWAG-Leitung) bis zur Autobahn A 8 vor. In der abschließenden landesplanerischen Beurteilung der Regierung von Oberbayern vom 27. März 2000 wurde festgestellt, dass das Vorhaben in Form beider Varianten bei Beachtung verschiedener Maßgaben den Erfordernissen der Raumordnung entspreche. Die Regierung von Schwaben kam zusätzlich zu dem Ergebnis, dass aus landesplanerischer Sicht der Variante "östliche" Umgehung Wulfertshausen der Vorzug einzuräumen sei (S. 21 der landesplanerischen Beurteilung vom 27.3.2000). Die höhere Landesplanungsbehörde der Regierung von Oberbayern äußerte sich unter dem 9. März 2006 dahingehend, dass die landesplanerische Beurteilung vom 27. März 2000 nach wie vor Gültigkeit habe. Die Regierung von Schwaben nahm mit Schreiben vom 13. April 2007 dahingehend Stellung, durch den Wegfall der sog. BAWAG-Leitung ändere sich am Ergebnis ihrer Beurteilung nichts, die Prioritätensetzung für die "östliche" Variante werde durch den Abbau der sog. BAWAG-Leitung (nur) abgeschwächt. Die zur Planfeststellung gestellte und genehmigte Planung der Beigeladenen sieht die Trassenvariante "östliche" Umgehung Wulfertshausen vor mit einem Verlauf ca. 33 m östlich der sog. BAWAG-Leitung, die im Jahre 2007 abgebaut worden ist. Die Trasse der Bahnstromleitung verläuft auf dem Gemeindegebiet der Stadt Friedberg nahe der Ortsteile Hügelshart, Wiffertshausen, östliche Kernstadt, Wulfertshausen und Stätzling.

Die Klägerin ist Eigentümerin des im Außenbereich gelegenen und landwirtschaftlich genutzten Grundstücks Fl.Nr. ******* der Gemarkung Friedberg im Bereich der östlichen Kernstadt, das von der Leitung überspannt wird. Weiterhin ist sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Eigentümerin des unmittelbar westlich anschließenden Grundstücks Fl.Nr. ****** der Gemarkung Friedberg im Siedlungsbereich der Kernstadt, das zwischenzeitlich mit einem Wohnhaus bebaut ist, das die Klägerin mit ihrer Familie bewohnt.

Nach Einleitung des Planfeststellungsverfahrens aufgrund des Antrags der Beigeladenen vom 30. November 2005 führte die Regierung von Schwaben das Anhörungsverfahren durch. Der Plan wurde in der Stadt Friedberg in der Zeit vom 8. Mai bis 9. Juni 2006 zur allgemeinen Einsicht ausgelegt. Die Klägerin erhob mit zwei getrennten Schreiben vom 20. Juni 2006 Einwendungen in Bezug auf ihre jeweiligen Grundstücke. Am 9. und 10. Januar 2007 wurde in der Stadt Friedberg ein Erörterungstermin durchgeführt. Spätere Tekturplanungen der Beigeladenen betrafen die Klägerin nicht mehr.

Mit Beschluss vom 9. Februar 2009 stellte das EBA den Plan für das Vorhaben fest.

Die Klägerin hat gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Sie beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss des EBA vom 9. Februar 2009 im Bereich zwischen den Masten 539 bis 542 aufzuheben,

hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses in diesem Bereich.

Zur Begründung führt die Klägerin aus, der Planfeststellungsbeschluss verletze sie in ihrem Eigentumsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, da ihr landwirtschaftliches Grundstück von der Leitung überspannt werde und ihr Wohngrundstück, das mit diesem räumlich und wirtschaftlich eine Einheit bilde, im Wert gemindert sei. Ziel der Klage sei es zu erreichen, dass die Trasse statt 33 m mindestens 100 m von der abgebauten sog. BAWAG-Leitung im Bereich der Kernstadt abrücke. Dieses Ziel verfolge sie gemeinsam mit der Stadt Friedberg sowie Dutzenden weiteren betroffenen Eigentümern von (Wohn)Grundstücken in diesem Bereich. Der Planfeststellungsbeschluss leide an durchgreifenden Abwägungsfehlern. Die Planfeststellungsbehörde berücksichtige insbesondere nicht in der gebotenen Weise, dass die sog. BAWAG-Leitung im Jahre 2007 abgebaut worden sei. Bei der Behandlung ihrer Einwendungen werde stellenweise auf Passagen verwiesen, die mit ihrem Anliegen eines Abrückens der Leitung von der Kernstadt nichts zu tun hätten. Es werde verkannt, dass die Klägerin auch in Bezug auf ihr Wohngrundstück enteignungsrechtlich betroffen sei. Dieses sei aufgrund der Gesundheitsgefährdung bzw. der Minderung der Wohnqualität durch die ca. 35 m an das Grundstück heranreichende Leitung in seinem Verkehrswert gemindert. Die Aussage im Planfeststellungsbeschluss, das Vorhandensein einer Bahnstromleitung werde bundesweit nicht als wertbestimmender Faktor angesehen, sei evident unrichtig. Die Planfeststellungsbehörde verweise hinsichtlich der geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch elektromagnetische Strahlung zu Unrecht auf die Einhaltung der Grenzwerte. Hier werde die zweite Stufe vor der ersten Stufe geprüft. Der Trennungsgrundsatz des § 50 Satz 1 BImSchG gebiete auf der ersten Stufe aus Vorsorgegründen ein Abrücken von einer Wohnbebauung, soweit dies - wie hier - problemlos möglich sei. Da Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG eine Bestandsgarantie sei, müsse sich die Klägerin bezogen auf ihr Wohngrundstück nicht auf eine bloße Entschädigung der Wertminderung verweisen lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die von der Klägerin gerügten Abwägungsfehler lägen nicht vor. Im Planfeststellungsbeschluss seien die unterschiedlichen Belange der Klägerin als betroffene Anliegerin einerseits und als enteignungsbetroffene Grundstückseigentümerin andererseits in gesonderten Passagen abgehandelt, was durch die beiden unterschiedlichen Einwendungsschreiben bedingt sei. Entgegen dem Vortrag der Klägerin setze sich der Planfeststellungsbeschluss intensiv mit dem Entfall der sog. BAWAG-Leitung auseinander und verkenne insoweit nicht das relevante Abwägungsmaterial. Die ursprünglich auf dem Bündelungsgebot beruhende Trassenführung sei nach wie vor gerechtfertigt und von der landesplanerischen Beurteilung gedeckt. Es sei zu berücksichtigen, dass das Gebiet, in dem die Trasse verlaufe, trotz des erfolgten Abbaus der sog. BAWAG-Leitung noch technisch vorgeprägt sei. Die von der Klägerin geforderte Verschiebung um 100 m in Richtung Osten habe sich nicht eindeutig als bessere Trassenvariante aufgedrängt, weil hier neue bzw. stärkere Grundstücksbetroffenheiten entstanden wären. Die zulässigen Grenzwerte der 26. BImSchV würden nicht nur eingehalten, sondern deutlich unterschritten. § 50 BImSchG sei daher nicht einschlägig. Bezüglich der angeblichen Wertminderung des Wohngrundstücks der Klägerin müsse berücksichtigt werden, dass sich für den Fall, dass solche Leitungen von Einfluss auf die Wertbildung von Grundstücken sein sollten, schon der (frühere) Bestand der sog. BAWAG-Leitung wertmindernd auf die Grundstücke der Klägerin ausgewirkt hätte. Soweit bezüglich des landwirtschaftlichen Grundstücks von Bauerwartungsland ausgegangen werde, spiele dies vorliegend keine Rolle. Eine wirtschaftliche Einheit der beiden Grundstücke der Klägerin sei im Einwendungsschreiben nicht dargelegt worden und liege offensichtlich auch nicht vor.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist ergänzend darauf hin, dass der Begriff "Bauerwartungsland" bei der Feststellung von Grundstückspreisen eine Rolle spielen könne, aber keine schützenswerte Rechtsposition und insbesondere kein Baurecht vermittle. Die Klägerin habe außerdem den räumlichen Umgriff des angeblichen Bauerwartungslandes nicht hinreichend genau bezeichnet. Von Seiten der Stadt Friedberg sei nie vorgetragen worden, dass im Bereich östlich der Kernstadt eine Bauleitplanung beabsichtigt sei. Letztlich habe die Klägerin keine vorzugswürdige Trassenalternative zwischen den Masten 539 und 542 benannt, sie spreche nur von einer Trasse, die mindestens 100 m nach Osten abgerückt sein solle. Damit sei nicht hinreichend deutlich dargetan, wo genau nach Meinung der Klägerin die vorzugswürdige Alternativtrasse tatsächlich geführt werden solle.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage bleibt sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag ohne Erfolg. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss des EBA vom 9. Februar 2009 leidet an keinem Rechtsfehler, der die teilweise enteignungsbetroffene Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und die - vollständige oder teilweise -Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zumindest die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit rechtfertigt.

Die Klägerin, die wegen der Überspannung ihres landwirtschaftlich genutzten Grundstücks Fl.Nr. ******* der Gemarkung Friedberg enteignungsbetroffen ist, greift die Planfeststellung nur hinsichtlich des konkreten Trassenverlaufs nahe an der östlichen Kernstadt an, in der sie auch wohnt. Sie macht - auch bezogen auf ihr nahe der Trasse liegendes Wohngrundstück Fl.Nr. ****** der Gemarkung Friedberg - allein die Abwägungsfehlerhaftigkeit der getroffenen Planungsentscheidung in dem Sinne geltend, dass die Planungsvariante eines (weiteren) Abrückens der Trasse nach Osten unzureichend geprüft worden sei bzw. der Planfeststellungsbehörde bei dieser Prüfung gravierende Fehler unterlaufen seien und insbesondere der Abbau der sog. BAWAG-Leitung sowie ihre Betroffenheit als Eigentümerin des nahegelegenen Wohngrundstücks nicht berücksichtigt bzw. verkannt worden seien.

Diese Annahmen der Klägerin treffen nicht zu. Ein rechtserheblicher Fehler bei der Trassenwahl im Bereich der östlichen Kernstadt Friedberg liegt nicht vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die zweckmäßigste Trassenvariante selbst auszuwählen. Nicht entscheidungserheblich ist daher, ob aus Sicht des Gerichts ein Abrücken von der Wohnbebauung der Kernstadt sinnvoll gewesen wäre. Aufgabe des Gerichts ist es vielmehr nur, die Alternativenabwägung der Planfeststellungsbehörde auf die Einhaltung rechtlicher Schranken hin zu überprüfen. Die Alternativenwahl wäre erst dann rechtswidrig, wenn sich die verworfene Alternative entweder als die eindeutig vorzugswürdige Lösung hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen wäre (vgl. BVerwG vom 16.3.2006 BVerwGE 125, 116 [RdNr. 98] m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist dabei der Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses (st. Rspr.; vgl. z.B. BVerwG vom 12.3.2008 BVerwGE 130, 299).

1. Die Trassenwahl ist nicht schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil das EBA von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen wäre.

Die von der Beigeladenen ausgewählte Trasse im Bereich der östlichen Kernstadt beruhte zwar ursprünglich ebenso wie die "Ostumfahrung" der Ortsteile Wulfertshausen und Stätzling (vgl. auch den Variantenvergleich der Beigeladenen, der dem Klägerbevollmächtigten mit Schreiben der Regierung von Schwaben vom 28.11.2006 zugeleitet wurde) vor allem auf dem Bündelungsgedanken im Hinblick auf die bis zum Jahre 2007 bestehende sog. BAWAG-Leitung. Insoweit ist durch den Abbau der sog. BAWAG-Leitung im Jahre 2007 noch vor dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses ein tragender Grund für die Trassenwahl ca. 33 m entfernt von der sog. BAWAG-Leitung am östlichen Ortsrand von Friedberg entfallen. Diesen Umstand hat die Planfeststellungsbehörde entgegen dem Vortrag der Klägerin aber nicht verkannt, sondern bei ihrer Entscheidung zur Kenntnis genommen und berücksichtigt. Soweit an vereinzelten Stellen im Planfeststellungsbeschluss mit dem Bestehen dieser Leitung argumentiert wird, mag dies ein Abwägungsmangel sein, der aber nur im jeweiligen Zusammenhang relevant ist. Denn bei der generellen Abwägung zur Trassenwahl wurde der Abbau der sog. BAWAG-Leitung berücksichtigt. Die Planfeststellungsbehörde geht ersichtlich davon aus, dass wegen des Abbaus der sog. BAWAG-Leitung zwar die Grundlage für die Trassenbündelung entfallen ist, aber trotzdem durchgreifende Gründe für ein weiteres Abrücken nach Osten nicht vorliegen (vgl. etwa S. 75 f., 84 f., 129 f. des Planfeststellungsbeschlusses). Der Planfeststellungsbehörde war dabei auch bewusst, dass die landesplanerische Beurteilung einem weiteren Abrücken von der Wohnbebauung nicht entgegenstand (S. 129 unten des Planfeststellungsbeschlusses [bezogen auf ein Abrücken in den nachfolgenden Ortsteilen Wulfertshausen und Stätzling]).

2. Dass das EBA nicht in die nähere Prüfung einer weiter nach Osten abgerückten Trasse eingetreten ist, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Planfeststellungsbehörde nur sich aufdrängende oder naheliegende alternative Streckenführungen in die Abwägung einzustellen. Nur solche Alternativlösungen müssen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials berücksichtigt werden und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange Eingang finden (vgl. z.B. BVerwG vom 20.12.1988 BVerwGE 81, 128 m.w.N.). Zu diesen in das Verfahren einzubeziehenden und zu untersuchenden Alternativen gehören zwar neben den von Amts wegen ermittelten auch solche, die von dritter Seite im Laufe des Verfahrens vorgeschlagen werden (vgl. BVerwG vom 12.12.1996 BVerwGE 102, 331). Die Planfeststellungsbehörde ist indes nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offen zu halten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen oder von dritter Seite vorgeschlagenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Sie braucht insoweit den Sachverhalt nur soweit zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist. Die Anforderungen an den Umfang der Sachverhaltsermittlung und -bewertung sind relativ zur jeweiligen Problemstellung und der erreichten Planungsphase; sie richten sich jeweils nach dem erreichten Planungsstand und den bereits im Laufe des Verfahrens gewonnenen Erkenntnissen (vgl. zum Ganzen BVerwG vom 24.4.2009 NuR 2009, 480 m.w.N.).

Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Verwirklichung einer Trasse, die - wie u.a. von der Klägerin gefordert - weiter von der bebauten Kernstadt Friedberg abrückt, eine vollständig neue Planung erfordert und völlig neue Betroffenheiten ausgelöst hätte, was letztlich zu einem neuen Planfeststellungsverfahren für diesen und die nachfolgenden Bereiche bis zur Autobahn A 8 führen hätte müssen. Eine so weitreichende Alternativenprüfung in dem fortgeschrittenen Planfeststellungsverfahren - von einem (sicheren) Abbau der sog. BAWAG-Leitung konnte erst nach Vorlage der Vereinbarung zwischen der Klägerin zu 3 und der Lechwerke AG vom 29. März 2007 ausgegangen werden - drängt sich nicht schon dann auf, wenn für sie Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte sprechen; vielmehr hätten mehr als nur geringfügige Belange Einzelner für die zudem längere und damit teurere Variante als ernsthafte Alternative sprechen müssen. Daran fehlt es hier. Zum Einen sind von der planfestgestellten Trasse nach den Angaben der Stadt Friedberg mehrere städtische Grundstücke betroffen, die grundsätzlich vorrangig in Anspruch zu nehmen sind (vgl. BayVGH vom 17.7.2009 Az. 22 A 09.40006); zum Anderen hat das EBA die von den Einwendern geltend gemachten Belange gesehen und gewürdigt, aber als letztlich geringfügig und nicht durchgreifend angesehen (vgl. z.B. S. 75 f., 84 f., 124 ff. des Planfeststellungsbeschlusses). Diese Wertung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

a) Die Planfeststellungsbehörde konnte ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass ein weiteres Abrücken der Trasse von der Wohnbebauung der östlichen Kernstadt nicht aus Immissions(vorsorge)gesichtspunkten oder wegen des Trennungsgrundsatzes nach § 50 Satz 1 BImSchG geboten war.

Der Klägerin ist zwar darin beizupflichten, dass allein die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte - hier vor allem nach § 3, § 4 der 26. BImSchV - insoweit nicht ausschlaggebend sein kann. Denn Immissionsschutzbelange von Bürgern können auch dann noch abwägungserheblich sein, wenn - wie hier - den durch Rechtsnormen vorgegebenen Grenzwerten in der Planung bereits umfassend Rechnung getragen wurde (vgl. z.B. BVerwG vom 5.3.1999 NVwZ-RR 1999, 556 m.w.N.; BayVGH vom 30.4.2004 Az. 22 A 03.40056). Soweit demgemäß vereinzelt in Passagen des Planfeststellungsbeschlusses ausgeführt wird, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht zu befürchten und deshalb ein Abrücken nicht geboten sei (vgl. z.B. S. 85, 124 ff. des Planfeststellungsbeschlusses), könnte dies die Entscheidung des EBA nicht rechtfertigen. Die Planfeststellungsbehörde stützt sich aber ersichtlich nicht nur auf die Einhaltung der Grenzwerte. Sie weist wiederholt darauf hin, dass die Grenzwerte hier nicht nur eingehalten, sondern weit unterschritten würden, und deshalb die Immissionsbelastungen unproblematisch seien (S. 40 f., 94 ff., 106 des Planfeststellungsbeschlusses). Die danach aufgrund einer Immissionsprognose in den Blick genommene voraussichtliche Immissionsbelastung der Wohnbevölkerung ist zutreffend ermittelt. Das darauf basierende Abwägungsergebnis, dass die in der Regel mindestens ca. 35 m von der Leitungstrasse (inclusive Schutzstreifen) entfernte Wohnbebauung in objektiver Hinsicht keinen relevanten Immissionsbelastungen ausgesetzt sei, ist nicht zu beanstanden.

Nach der - von der Klägerin nicht beanstandeten - Immissionsprognose hat die Bahnstromleitung auf die Wohnbevölkerung der Stadt Friedberg keine Auswirkungen mehr. Danach herrscht bereits in einem Abstand von 6 m unter der Bahnstromleitung nur noch eine magnetische Feldstärke von unter 10% bzw. eine elektrische Feldstärke von 10% der maßgeblichen Grenzwerte der 26. BImSchV vor. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Grenzwerte der 26. BImSchV, die nach der Begründung des Verordnungsgebers schon deutlich unterhalb der Schwelle liegen, bei der mit Gesundheitsgefahren zu rechnen ist (BR-Drs. 393/96 S. 19), aufgrund des zwischenzeitlichen Fortgangs der Forschung überholt wären, sind nicht dargetan oder sonst ersichtlich (vgl. auch BVerfG vom 24.1.2007 NVwZ 2007, 805 m.w.N.; BayVGH vom 30.4.2004 a.a.O.). Die Planfeststellungsbehörde weist darauf hin, dass in dem von einigen Einwendungsführern benannten Runderlass von Nordrhein-Westfalen vom 2. April 1994 in Anlage 3 für Hochspannungsleitungen - von wie hier 110 kV/16,7 Hz - ein Schutzabstand zur Wohnbebauung von 5 m gefordert wird und dieser auf Empfehlungen der Strahlenschutzkommission zum Schutz vor niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern unter Berücksichtigung des Vorsorgegesichtspunktes beruht (S. 75 unten des Planfeststellungsbeschlusses). Was Geräuscheinwirkungen betrifft, werden die maßgeblichen Grenzwerte der TA Lärm für reine Wohngebiete von tags 50 dB(A) und nachts 35 dB(A) bei weitem nicht erreicht (S. 106 oben des Planfeststellungsbeschlusses). Insoweit geht die Planfeststellungsbehörde im Hinblick auf Immissionsschutzbelange der Wohnbevölkerung zu Recht von einem äußerst geringen Besorgnispotenzial aus. Aufgrund dieser objektiv geringfügigen Auswirkungen der Bahnstromleitung auf die Immissionsschutzbelange der Wohnbevölkerung konnte auch der Trennungsgrundsatz des § 50 Satz 1 BImSchG keine Relevanz für die Trassenfindung haben.

b) Die Planfeststellungsbehörde ist ferner zu Recht davon ausgegangen, dass ein weiteres Abrücken der Trasse von der Wohnbebauung der östlichen Kernstadt auch nicht deshalb geboten war, um die optischen Beeinträchtigungen der Planbetroffenen zu mindern. Das Interesse an der Aufrechterhaltung einer bestimmten Aussicht ist nämlich von vornherein kein schutzwürdiger Belang (vgl. BVerwG vom 9.2.1995 NVwZ 1995, 895). Besonderheiten hat die Klägerin insofern weder in ihren Einwendungsschreiben noch später geltend gemacht.

c) Rechtsfehler sind auch nicht erkennbar, soweit die Planfeststellungsbehörde davon ausgegangen ist, dass die von Einwendern im Hinblick auf ihre Wohngrundstücke befürchteten Wertminderungen ein Abrücken der Trasse nicht erforderlich machen.

Die Planfeststellungsbehörde hat die Belange der Anwohner, also u.a. der Klägerin, nicht fehlgewichtet, insbesondere was deren Schutz durch Art. 14 GG betrifft.

Der Auffassung der Klägerin, sie sei auch in Bezug auf ihr Wohngrundstück enteignungsbetroffen, da dieses mit dem enteignungsbetroffenen landwirtschaftlichen Grundstück eine räumliche und wirtschaftliche Einheit bilde, kann nicht gefolgt werden. Denn es wurde in den verschiedenen Einwendungsschreiben der Klägerin nicht vorgetragen, dass es sich bei ihren beiden Grundstücken um eine derartige räumliche und wirtschaftliche Einheit handeln soll, zum Anderen ist dies auch offensichtlich nicht der Fall.

Das Eigentumsrecht der Klägerin aus Art. 14 Abs. 1 GG ist auch im Hinblick auf mögliche Wertminderungen des Wohngrundstücks nicht fehlgewichtet worden. Dieses schützt zwar die Nutzbarkeit des Eigentums und die diesbezügliche Verfügungsfreiheit. Hoheitlich bewirkte Minderungen des Marktwertes eines Vermögensguts berühren aber in der Regel nicht den Schutz des Eigentumsrechts. Dies gilt insbesondere auch für Wertverluste an einem Grundstück, die durch behördliche Zulassung eines Vorhabens in der Nachbarschaft eintreten (vgl. BVerfG vom 24.1.2007 a.a.O. m.w.N.). Das Eigentumsrecht schützt weder vor einer Minderung der Wirtschaftlichkeit noch bietet es eine Gewähr dafür, jede Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums ausnutzen zu können (vgl. BVerwG vom 5.3.1999 a.a.O.). Insoweit hat die Planfeststellungsbehörde die von den Einwendern vorgetragene Wertminderung ihrer Wohngrundstücke mit der richtigen Bewertung in ihre Abwägung eingestellt (vgl. bezogen auf die Klägerin S. 126, 124, 106 f. des Planfeststellungsbeschlusses).

Vorliegend kommt es nicht darauf an, ob die bisher von der Beigeladenen vertretene Ansicht, das Vorhandensein einer Bahnstromleitung werde bundesweit nicht als wertbestimmender Faktor gesehen, richtig ist. Denn jedenfalls ist der Belang der Klägerin und der anderen Einwender, von wirtschaftlichen Nachteilen verschont zu bleiben, die Folge objektiv nicht begründbarer Immissionsbefürchtungen allein aufgrund der Lage von Grundstücken in der Nähe einer Bahnstromleitung sind oder auf einer Beeinträchtigung der Aussicht beruhen, in die Abwägung nur mit einem geringen Gewicht einzustellen (vgl. BVerwG vom 10.12.2003 NVwZ 2004, 613; BayVGH vom 6.7.2004 Az. 22 A 03.40033). Hinzu kommt vorliegend, dass die am östlichen Rand der Kernstadt gelegenen Wohngrundstücke zu dem Zeitpunkt der Auslegung des Plans von Mai bis Juni 2006 noch durch die sog. BAWAG-Leitung "vorbelastet" waren. Soweit der Grundstücksmarkt auf Hochspannungsleitungen reagieren würde, wäre das Wohngrundstück der Klägerin - ebenso wie die Wohngrundstücke der anderen Anlieger - schon damals in seinem Wert gemindert gewesen. Zu dem Zeitpunkt aber, als von einem sicheren Abbau der sog. BAWAG-Leitung ausgegangen werden konnte (ca. Frühjahr 2007), war den betroffenen Kreisen schon auf Grund der öffentlichen Auslegung des Plans bekannt, dass die Bahnstromleitung in einer Entfernung von 33 m zur sog. BAWAG-Leitung geplant war. Insoweit bestand nur eine Chance auf eine Wertsteigerung durch den Abbau der sog. BAWAG-Leitung, die sich im Hinblick auf die Errichtung der Bahnstromleitung nicht verwirklicht hat. Eine solche Chance hat in der Abwägung wenig Gewicht.

d) Bezogen auf ihr enteignungsbetroffenes landwirtschaftliches Grundstück hat die Klägerin in erster Linie vorgebracht, es handele sich dabei um sog. Bauerwartungsland, das durch die Überspannung wesentlich stärker betroffen sei als die weiter von der Ortschaft abgelegenen Grundstücke. Auch dieser Einwand kann einen Abwägungsfehler bei der Entscheidung, nicht weiter von der Wohnbebauung abzurücken, nicht begründen.

Zum Einen hat die Klägerin in ihrem diesbezüglichen Einwendungsschreiben nicht dargelegt, inwieweit es sich tatsächlich um Bauerwartungsland handelt. Allein die Lage des Grundstücks im Anschluss an ein bebautes Gebiet würde eine solche Annahme nicht rechtfertigen. Denn nach § 4 Abs. 2 Wertermittlungsverordnung (WertV) sind solche Flächen Bauerwartungsland, die nach ihrer Eigenschaft, ihrer sonstigen Beschaffenheit und ihrer Lage eine bauliche Nutzung in absehbarer Zeit tatsächlich erwarten lassen, wobei sich diese Erwartung insbesondere auf eine entsprechende Darstellung der Flächen im Flächennutzungsplan, auf ein entsprechendes Verhalten der Gemeinde oder auf die allgemeine städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets gründen kann. Entsprechende Darstellungen der Flächen im Flächennutzungsplan bestehen vorliegend nicht. Im Gegensatz zu den Ortsteilen Wulfertshausen und Stätzling hat die Stadt Friedberg zudem nicht vorgetragen, dass sich die Kernstadt weiter nach Osten entwickeln solle. Zum Anderen handelt es sich bei dem Begriff "Bauerwartungsland" nicht um einen Begriff aus dem Baurecht, sondern nur um einen solchen für die Wertermittlung von Grundstücken, der zwar im Rahmen des Entschädigungsrechts zu beachten ist, aber keine konkreten Baurechte vermittelt. Nicht näher konkretisierte Erwartungen in Bezug auf solche im Außenbereich gelegenen Grundstücke sind demnach ebenso wie ansonsten unrealistische Bauwünsche Betroffener ungewisse Zukunftserwartungen, denen kein rechtliches Gewicht zukommt (vgl. BVerwG vom 23.8.1996 NVwZ 1997, 486; BayVGH vom 9.7.2004 Az. 22 A 03.40057 m.w.N.). Insoweit hat die Planfeststellungsbehörde auch die Betroffenheit der Eigentümer von der Kernstadt nahegelegenen Außenbereichsgrundstücken mit der gebührenden Gewichtung in ihre Abwägung eingestellt (S. 107 des Planfeststellungsbeschlusses).

e) Ein Abwägungsfehler ist auch nicht darin zu sehen, dass die Planfeststellungsbehörde die Belange der Klägerin getrennt nach ihren Einwendungsschreiben einerseits als Eigentümerin des enteignungsbetroffenen landwirtschaftlichen Grundstückes (S. 128, 126 f. des Planfeststellungsbeschlusses) und andererseits als Miteigentümerin des Wohngrundstücks (S. 126, 124 f. des Planfeststellungsbeschlusses) behandelt hat. Entscheidend ist nur, dass die Planfeststellungsbehörde die Belange der Klägerin in ihre Abwägung mit der richtigen Bewertung eingestellt hat, was - wie oben ausgeführt - der Fall ist. Soweit dabei - wie von der Klägerin bemängelt - fälschlicherweise (auch) auf Passagen des Planfeststellungsbeschlusses verwiesen worden ist, die mit ihrem Anliegen nichts zu tun haben (etwa auf Passagen, die die östliche Umfahrung der Ortsteile Wulfertshausen und Stätzling betreffen), handelt es sich ersichtlich um bloße Ungenauigkeiten, die auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen sind (§ 18 e Abs. 6 Satz 1 AEG).

Demnach hat sich die von der Planfeststellungsbehörde verworfene Alternative eines (weiteren) Abrückens der Trasse von der Wohnbebauung der Stadt Friedberg weder als eindeutig vorzugswürdige Variante aufgedrängt, noch sind der Behörde im Rahmen ihrer Abwägung rechtserhebliche Fehler unterlaufen (vgl. BVerwG vom 16.3.2006 BVerwGE 125, 116 [RdNr. 98]). Dies gilt auch in Bezug auf die Belange der Stadt Friedberg, die sich bezüglich der von ihr favorisierten Trasse ersichtlich nicht auf schutzwürdige eigene Belange, sondern in erster Linie auf die Immissionsschutzbelange ihrer Bürger berufen hat, was ihr verwehrt ist (vgl. hierzu eingehend BayVGH vom 17.7.2009 Az. 22 A 09.40006).

Kosten: § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 15.000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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