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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.11.2004
Aktenzeichen: 22 AS 04.40066
Rechtsgebiete: VwGO, AEG, GG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
AEG § 18 Abs. 2
GG Art. 28 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 AS 04.40066

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

eisenbahnrechtlicher Plangenehmigung (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 29. November 2004 folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die DB Energie GmbH, Pfarrer-Perabo-Platz 2, 60326 Frankfurt am Main, bevollmächtigt: Rechtsanwälte Walter Schmidt-Scharff und Dr. Heribert Fislake, Gärtnerweg 40, 60322 Frankfurt am Main, wird zum Verfahren beigeladen.

II. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 22 A 04.40063 wird abgelehnt.

III. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

IV. Der Streitwert wird auf 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit, die das Eisenbahn-Bundesamt unter dem 25. November 2004 hinsichtlich der Plangenehmigung vom 15. Oktober 2004 für die Errichtung einer TKW-Umfüllstelle im Bahnhof Lindau (Insel) erlassen hat. Diese Umfüllstelle soll der Anlieferung von Dieselkraftstoff durch Lastkraftwagen für die im Bahnhof Lindau (Insel) erforderliche Betankung von Diesellokomotiven dienen. Die kostengünstigere Anlieferung durch Lastkraftwagen soll die bisherige Anlieferung durch Eisenbahnkesselwagen ersetzen. Dies bedeutet die An- und Abfahrt von zwei bis drei Lastkraftwagen mit jeweils ca. 10.000 t Dieselkraftstoff pro Werktag. Die Antragstellerin hat gegen die Plangenehmigung Anfechtungsklage erhoben (Az. 22 A 04.40063) und beantragt die Wiederherstellung von deren aufschiebender Wirkung, hilfsweise nur hinsichtlich des Betriebs des Vorhabens ab dem 1. Januar 2005.

II.

1. Beiladung: § 65 Abs. 2 VwGO.

2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat weder im Hauptantrag noch in dem auf dem Betrieb des Vorhabens beschränkten Hilfsantrag Erfolg. Das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Plangenehmigung vom 15. Oktober 2004 überwiegt das Aufschubinteresse der Antragstellerin.

A. Dem Aufschubinteresse der Antragstellerin kommt zum einen deshalb kein besonderes Gewicht zu, weil die Erfolgsaussichten der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren (Anfechtungsklage 22 A 04.40063) nicht günstig sind. Es ist der Antragstellerin bisher nicht gelungen, darzulegen, dass ihr gegenüber dem nach § 18 Abs. 2 AEG plangenehmigten Vorhaben überhaupt eine wehrfähige Rechtsposition zusteht, die mehr als nur geringfügig beeinträchtigt wird. Es ist zudem keine tragfähige Argumentation dafür erkennbar, dass § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AEG i.V.m. § 3 c Abs. 1 Satz 1 UVPG (auch) dem Schutz der Rechte der Standortgemeinde zu dienen bestimmt sein könnte. Außerdem gehört zu den Belangen, die ein Vorhaben rechtfertigen können, auch das Interesse an einer kostengünstigen Lösung (vgl. auch BayVGH vom 8.3.2004 - Az. 22 A 03.40058).

a) Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass die Antragstellerin Belange der Allgemeinheit, die nicht speziell dem gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) zugeordnet sind, im Anfechtungsprozess nicht mit Erfolg geltend machen kann. Sie kann nicht als Sachverwalterin der Rechte von Anwohnern oder der Rechte von Trägern nicht-städtischer Einrichtungen auftreten. Sie kann sich gegenüber einem anderen Planungsträger auch nicht zum gesamtverantwortlichen "Wächter des Umweltschutzes" machen (BVerwG vom 5.11.2002, DVBl 2003, 211/213). Sie hat nicht die Aufgabe des Schutzes des Bodensees als Trinkwasserreservart für 2 Mio. Menschen, solange sie keinen Bezug zu ihrer eigenen Trinkwasserversorgung herstellen kann, woran es hier fehlt. Im übrigen haben die zuständigen Fachbehörden (Wasserwirtschaftsamt Kempten und Landratsamt Lindau) diesbezüglich bei Einhaltung bestimmter, in der Plangenehmigung enthaltener Auflagen keine Bedenken erhoben. Dass der Zufahrtsweg dabei nicht in den Blick genommen worden sein soll, wie die Antragstellerin meint, stellt eine Vermutung dar, die nicht durch entsprechende Anhaltspunkte gestützt wird.

b) Eine nachhaltige Beeinträchtigung hinreichend konkretisierter und verfestigter Planungen der Antragstellerin, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für eine wehrfähige Rechtsposition der Antragstellerin erforderlich wäre (vgl. BVerwG vom 5.11.2002, DVBl 2003, 211/212), ist bisher nicht erkennbar. Das strittige Vorhaben befindet sich außerhalb der überplanten Gebiete der Antragstellerin auf Bahnbetriebsgelände. Sollte die ersatzlose Beseitigung der einzigen Zufahrt zu diesem Bahngelände über die Dreierstraße von der Antragstellerin in ihrem Bebauungsplan Nr. 90 "Westliche Insel" festgesetzt worden sein, so könnte sich die Antragstellerin darauf wohl nicht berufen, weil eine derartige Festsetzung wohl nicht als abwägungsfehlerfrei und rechtswirksam beurteilt werden könnte, worauf die Beigeladene zu Recht hingewiesen hat (vgl. BVferwG vom 16.12.1988, Buchholz 406.11, Nr. 4 zu § 38 BBauG/BauGB).

c) Es mag zwar sein, dass die Anerkennung als Luftkurort eine schutzwürdige Rechtsposition der Antragstellerin im Rahmen eines kommunalen Selbstgestaltungsrechts darstellt, das aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG abgeleitet werden kann und den Gemeinden das Recht gibt, das Gepräge und die Struktur ihres Ortes selbst zu bestimmen. Dass aber der durch das strittige Vorhaben ausgelöste Lkw-Verkehr den Verlust der Anerkennung als Luftkurort bedeuten würde, stellt eine bloße Behauptung der Antragstellerin dar, die für den Verwaltungsgerichtshof in keiner Weise nachvollziehbar ist und daher im vorliegenden Verfahrensstadium auch keine Rolle spielen kann.

d) Es mag auch sein, dass der Antragstellerin hinsichtlich der Dreierstraße unter dem Gesichtspunkt des Schutzes kommunaler öffentlicher Einrichtungen eine schutzwürdige Rechtsposition zukommt. Eine drohende Zerstörung oder wesentliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit einer öffentlichen Einrichtung kann insoweit ausreichen (BVerwG vom 12.8.1999, UPR 2000, 182). Auch dies stellt im vorliegenden Fall aber eine bloße Behauptung der Antragstellerin dar, die der Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehen und deshalb im vorliegenden Verfahren auch nicht zugrunde legen kann. Schon bisher war die Dreierstraße die einzige Zufahrtsstraße zum Bahngelände und wurde unstreitig auch von schweren Lastkraftwagen befahren, ohne dass Beschädigungen oder besondere Unzuträglichkeiten deshalb thematisiert worden wären. Die unstreitig vorhandenen Engstellen der Dreierstraße sind - bei entsprechend vorsichtiger und langsamer Fahrweise - offenbar kein unüberwindliches Problem gewesen. Die von der Antragstellerin angedachte straßenverkehrsrechtliche Beschränkung des zulässigen Gesamtgewichts auf 7,5 Tonnen kann hier keine Rolle spielen, weil deren Rechtmäßigkeit nicht abgeklärt ist.

B) Das Aufschubinteresse der Antragstellerin überwiegt auch dann nicht, wenn man sich die Folgen einer Verwirklichung des strittigen Vorhabens und eines vorübergehenden Betriebs bis zur Entscheidung in der Hauptsache vergegenwärtigt. Die Baumaßnahme als solche beeinträchtigt unstreitig keine schutzwürdigen Belange der Antragstellerin und kann schon deshalb keine irreversiblen Tatsachen zu deren Nachteil schaffen. Sie stellt mit einem Kostenaufwand von ca. 40.000 Euro keinen Kostenfaktor von solchem Gewicht dar, dass er eine etwa gebotene Entscheidung zu Lasten der Beigeladenen faktisch erschweren könnte. Das Risiko einer Fehlinvestition in dieser Größenordnung, das die Beigeladene hier eingeht, stellt für die Antragstellerin keinen Nachteil dar. Die Inbetriebnahme der strittigen Anlage vom vorgesehenen Beginn am 1. Januar 2005 bis zur Entscheidung in der Hauptsache entbehrt schon deshalb der Relevanz für die von der Antragstellerin bezeichneten Belange, weil eine solche Entscheidung in den ersten Monaten des Jahres 2005 zu erwarten ist. Für eine Prozessverschleppungsabsicht der Beigeladenen, wie sie von der Antragstellerin vermutet worden ist, gibt es keine Anhaltspunkte. Die Beigeladene hätte demgegenüber gravierendere Nachteile zu tragen, wenn sie ihr Vorhaben nicht zeitnah verwirklichen könnte. Es mag zwar übertrieben sein, dass der Eisenbahnverkehr ohne die Inbetriebnahme der geplanten TKW-Umfüllstelle zeitweilig zusammenbrechen würde, weil die bisherige Versorgung der Tankstelle im Bahnhof Lindau (Insel) mit Eisenbahnkesselwagen nach dem 1. Januar 2005 nicht mehr zu bewerkstelligen wäre. Die Beigeladene hätte aber erhebliche Kostennachteile zu tragen, wie sie hinreichend glaubhaft gemacht hat. Diesen Kostennachteilen kann die rechtliche Relevanz nicht von vornherein abgesprochen werden. Generell zählt bei der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung zu den abwägungserheblichen öffentlichen Belangen auch das Interesse an einer kostengünstigen Lösung (vgl. z.B. BayVGH vom 8.3.2004 - Az. 22 A 03.40058).

3. Kosten: § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

4. Streitwert: § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.



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