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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.10.2009
Aktenzeichen: 22 AS 09.2362
Rechtsgebiete: VwGO, WHG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 a Abs. 3
WHG § 4
WHG § 5
WHG § 15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 AS 09.2362

In der Verwaltungsstreitsache

wegen alter Wasserrechte und wasserrechtlicher Bewilligung, Antrag nach § 80 a Abs. 3, Abs. 5 VwGO,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat, durch

den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 8. Oktober 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

IV. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, Eigentümer von verschiedenen, teils bebauten Grundstücken beidseitig des H***bachs, will erreichen, dass die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen die im Änderungsbescheid vom 31. August 2009 zum wasserrechtlichen Bescheid vom 25. Februar 2008 angeordnete und für sofort vollziehbar erklärte Bauausführung an der Mauerkrone des am H***bach gelegenen Staubeckens R********* wiederhergestellt wird.

Der Antragsteller hat Anfechtungsklage gegen den wasserrechtlichen Bescheid des Landratsamts R********* vom 25. Februar 2008 erhoben, der neben wasserrechtlichen Gestattungen für den Betrieb der H*******kraftwerke (Kraftwerke I, II, III) auch Auflagen u.a. für das bestehende Staubecken R********* enthält. Im Änderungsbescheid vom 31. August 2009 hat das Landratsamt unter Nrn. 1.1 und 1.3 verfügt, dass statt der mit Bescheid vom 25. Februar 2008 beauflagten Arretierung bzw. Blockierung der bisher beweglichen Stauklappen am Staubecken R********* eine feste Betonschwelle mit gleichbleibendem Stauziel und gleichbleibendem Abfluss über die Überlaufschwelle ausgeführt werden soll, und hat diesbezüglich die sofortige Vollziehung angeordnet.

Die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Ausgangsbescheid hatte vor dem Verwaltungsgericht Regensburg weitgehend Erfolg (Urteil vom 19.1.2009). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung gegen das Urteil vom 19. Januar 2009 zugelassen (Beschluss vom 1.9.2009 - Az. 22 ZB 09.1201). Das Verfahren wird unter dem Az. 22 B 09.2171 als Berufungsverfahren fortgesetzt.

Nach Erlass des Änderungsbescheids vom 31. August 2009 hat der Antragsteller Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich Nrn. 1.1 und 1.3 des Änderungsbescheids vom 31. August 2009 (geänderte Bauausführung an der Mauerkrone des Staubeckens R*********) gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen die Nrn. 1.1 und 1.3 des Änderungsbescheids vom 31. August 2009 zum Bescheid vom 25. Februar 2008 hat keinen Erfolg. Die im Verfahren nach § 80 a Abs. 3, Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der (geänderten) Bauausführung an der Mauerkrone des Staubeckens R********* sowie das diesbezügliche Interesse der Beigeladenen an einer schnellen Bauausführung das Aufschubinteresse des Antragstellers überwiegen.

Bei der im gegenwärtigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung lassen sich die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens nicht verlässlich beurteilen. Die hier aufgeworfenen schwierigen rechtlichen und tatsächlichen Fragen (vgl. Beschluss vom 1.9.2009 -Az. 22 ZB 09.1201) müssen einer Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Wie im Beschluss vom 1. September 2009 ausgeführt, teilt der Verwaltungsgerichtshof voraussichtlich nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Bescheid - jetzt in seiner geänderten Fassung - sei schon wegen der Unbestimmtheit der Adressierung rechtswidrig. Aufgrund der Komplexität des Streitgegenstands - umfassende Regelung des Betriebs und der Standsicherheit der teilweise auf alten Rechten beruhenden drei Kraftwerke mit fünf Absperrbauwerken - und des zeitlich begrenzten Rahmens - der Baubeginn soll wegen des nahen Winters schon nächste Woche erfolgen - kann nicht mit der erforderlichen Verlässlichkeit beurteilt werden, ob der Bescheid in seiner geänderten Fassung rechtswidrig ist und den Antragsteller in eigenen Rechten verletzt. Bei insofern offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ist für die Interessenabwägung ausschlaggebend, dass der Antragsteller durch die Änderung der Mauerkrone nicht gefährdet wird und sich auf diese Weise ein rascher Hochwasserschutz für die Unterlieger des Staubeckens R********* erreichen lässt.

Der Antragsteller begründet sein Interesse an einem Aufschub der Bauarbeiten an der Mauerkrone des bestehenden Staubeckens R********* in der durch Bescheid vom 31. August 2009 geänderten Form damit, dass aus seiner Sicht die bisherige Situation, bei der sich im Hochwasserfall die flexiblen Klappen des Speichers automatisch öffnen, für die Unterlieger eine größere Sicherheit bieten würde als eine Arretierung der Klappen oder eine feste Betonschwelle. Er geht davon aus, dass trotz der durch die streitgegenständlichen Bescheide letztlich bezweckten Vergrößerung des Speichervolumens des Staubeckens R********* bei sehr starken Niederschlagsereignissen die Dämme überlaufen, aufweichen und brechen und somit weit verheerendere Zerstörungen anrichten könnten als bei einem frühzeitigen Ablassen des Wassers durch das Fallen der Klappen. Daher dürften in Bezug auf den Bau der Betonschwelle am Speicher R********* keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, die aus seiner Sicht einem Berufungsverfahren die Grundlage entziehen würden.

Diese vom Antragsteller geäußerten Befürchtungen entbehren einer objektiven Tatsachengrundlage. Nach der fachlichen Einschätzung des zuständigen Wasserwirtschaftsamts R********* (vgl. zuletzt die Stellungnahmen vom 3.8.2009 und 30.9.2009) dient die Errichtung einer festen Betonschwelle an der Mauerkrone des Staubeckens R********* (ebenso wie die ursprünglich vorgesehene Arretierung der Klappen) einem verbesserten Hochwasserrückhalt und zusammen mit den anderen dort durchzuführenden baulichen Maßnahmen der Herstellung/Umsetzung der Gesamtstandsicherheit aller Kraftwerksanlagen am H***bach gemäß der einzuhaltenden DIN 19700. Durch die insgesamt am Staubecken R********* vorgesehenen und bereits durch Bescheid vom 3. September 2008 für sofort vollziehbar erklärten Maßnahmen (u.a. auch Dammerhöhung) ergibt sich danach durch die zusätzliche Retentionswirkung bei Hochwasserereignissen eine verbesserte Situation für die Unterlieger am gesamten H***bach. Die Abgabemenge nach Unterstrom werde gegenüber dem Ist-Zustand deutlich reduziert, nämlich bei einem 100jährlichen Hochwasser (HQ 100) um ca. 18% (Reduzierung der maximalen Abgabemenge von 28 m³/s auf 23 m³/s), bei einem HQ 1000 um 16% und bei einem HQ 10000 um 15%. Diese Reduzierung der maximalen Abgabemengen habe auch positive Auswirkungen auf die Standsicherheit der unterhalb liegenden Absperrbauwerke, da sich deren für die hydrologische Sicherheit zugrunde gelegten Bemessungsabflüsse reduzierten. Zudem erfolge durch die Arretierung bzw. Betonierung bei ansteigendem Hochwasser eine gleichmäßige Erhöhung der Abgabe bei extremen Hochwasserereignissen über die Hochwasserentlastung, wogegen es bei der bisherigen Lösung durch das automatische Umlegen der Klappen bei Hochwasser zu einer kurzfristigen "gestuften" Erhöhung der Abgabemenge ("Schwall") gekommen sei. Bezüglich des Staubeckens R********* selbst ergebe sich durch die Gewichtserhöhung mittels des aufgebrachten Betons eine zusätzliche Sicherheit bei der Gesamtstandsicherheit des Sperrenbauwerks. Dieser in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Beurteilung des zuständigen Wasserwirtschaftsamts kommt aufgrund seiner Stellung als kraft Gesetzes eingerichteter Fachbehörde (Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayWG) große Bedeutung zu (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BayVGH vom 24.3.2009 - Az. 22 ZB 07.224). Solche Sachverständigenaussagen können durch schlichtes Bestreiten oder bloße Behauptungen nicht erschüttert werden (BayVGH vom 14.2.2005 BayVBl 2005, 726). Außerdem wird durch die im Verfahren vorgelegten Prüfberichte der Landesgewerbeanstalt Bayern - zertifiziertes Prüfamt - bestätigt, dass die Standsicherheit des Staubeckens R********* für die für Talsperren dieser Größenordnung erforderlichen Bemessungsabflüsse eines 10000jährlichen sowie eines 1000jährlichen Hochwasserereignisses inklusive der erforderlichen Freibordmaße (Sicherheitszuschläge) entsprechend der DIN 19700 bei der bescheidsgemäßen Bauausführung gewährleistet ist. Mit dem Wasserwirtschaftsamt ist daher davon auszugehen, dass insoweit auch für die vom Antragsteller befürchteten Extremlastfälle ein Dammbruch durch Überlaufen oder Aufweichen nicht zu besorgen ist.

Aufgrund der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts R********* vom 30. September 2009 ist auch davon auszugehen, dass im Falle eines Obsiegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren aus technischer Sicht die Wiederherstellung der bisherigen Lösung mit beweglichen Klappen machbar wäre. Damit werden auch bei Durchführung der Maßnahme letztlich nicht vollendete Tatsachen geschaffen und dem Berufungsverfahren wird auch nicht die Grundlage entzogen, wie es der Antragsteller befürchtet.

Den insoweit nicht als besonders hoch zu bewertenden Interessen des Antragstellers stehen gegenüber das öffentliche Interesse an der möglichst schnellen Verwirklichung einer verbesserten Hochwasserrückhaltung, die - insbesondere bei Extremhochwässern - auch zur Standsicherheit der unterhalb des Staubeckens R********* liegenden Absperrbauwerke (Speicher P*********, Ausgleichsbecken Kraftwerk III, Stauweiher Kraftwerk II, Stauweiher Kraftwerk I) beiträgt und insgesamt im Interesse der Unterlieger des Staubeckens R*********, also auch des Antragstellers, liegt. Der Antragsteller selbst hat wiederholt die Standsicherheit der Bauwerke, die der Wasserkraftnutzung am H***bach dienen, bezweifelt und bezüglich des Hochwasserschutzes auch eine Berücksichtigung des Klimawandels angemahnt (vgl. etwa die Einwendungsschreiben vom 12.10.2000 und 31.1.2005 sowie die Klageschrift vom 14.5.2008). Damit ist letztlich unbestritten, dass entsprechend der fachlichen Stellungnahmen davon auszugehen ist, dass die Absperrbauwerke am H***bach derzeit nicht entsprechend der DIN 19700 standsicher ausgebaut sind. Trotz der Anordnung des Sofortvollzugs schon durch Bescheid vom 3. September 2008 für sämtliche Baumaßnahmen an den Absperrbauwerken (einschließlich der Klappenarretierung), gegen die der Antragsteller nicht vorgegangen ist, hat sich der Baubeginn wegen der noch erforderlichen und erst jetzt vorliegenden Standsicherheitsnachweise bereits erheblich verzögert. Die Baumaßnahmen sollen im Hinblick darauf, dass das Frühjahr eine besonders hochwassergefährdete Zeit darstellt, noch vor dem Wintereinbruch fertiggestellt sein. An einem alsbaldigen Baubeginn besteht damit sowohl ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit als auch ein solches der Beigeladenen. Es liegt auf der Hand, dass nicht standfeste Absperrbauwerke die konkrete Gefahr von Überschwemmungen und/oder Flutwellen, die Menschen und Sachwerte erheblich gefährden können, in sich bergen. Bei einem Bruch von Stauanlagen können, wie das Landratsamt im Bescheid vom 3. September 2008 zu Recht ausgeführt hat, Menschen zu Tode kommen, oder es kann erheblicher Sachschaden entstehen. Die beabsichtigte Baumaßnahme am Staubecken R********* soll neben den anderen vorgesehenen Maßnahmen, gegen deren sofortige Durchführung sich der Antragsteller nach wie vor nicht wendet, dazu dienen, diese erheblichen Gefahren zu verhindern. Aus all dem folgt, dass das Aufschubinteresse des Antragstellers geringeres Gewicht besitzt als die berechtigten Interessen der Allgemeinheit und der Beigeladenen.

2. Damit war auch der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen, da - unabhängig von seiner Bedürftigkeit - die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V. mit § 114 Satz 1 ZPO). Nachdem das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein besonderes Verfahren darstellt, gehört es nicht zum Rechtszug des Hauptprozesses; die Vorschrift des § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO findet für das hier vorliegende Verfahren des ersten Rechtszugs keine Anwendung (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl. 2007, RdNrn. 30, 33 zu § 119).

Kosten: § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG; aufgrund des auf einen Teil des Streitgegenstands des Hauptsacheverfahrens beschränkten Antrags im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes war der Streitwert des Hauptsacheverfahrens vorliegend um 1/3 zu mindern (vgl. Nr. II 1.5 des Streitwertkatalogs 2004).

Ende der Entscheidung

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