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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 22.10.2002
Aktenzeichen: 22 B 01.30735
Rechtsgebiete: AuslG, GG


Vorschriften:

AuslG § 53 Abs. 6
AuslG § 54
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
22 B 01.30735

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Asylrechts;

hier: Berufung des Beteiligten gegen den Gerichtsbescheid des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 20. April 2001,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2002

am 22. Oktober 2002

folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Der Gerichtsbescheid des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 20. April 2001 wird geändert, soweit den Klagen stattgegeben wurde.

II. Die Klagen werden insgesamt abgewiesen.

III. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen je zu einem Sechstel.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind jugoslawische Staatsangehörige. Sie wohnten bis auf den in Deutschland geborenen Kläger zu 4 bis 1994 in Prizren im Kosovo. Dort betrieben sie eine eigene Boutique und einen eigenen Friseursalon. Der Kläger zu 1 hatte bis 1990 als Lehrer gearbeitet. Am 1. Januar 1994 verließen sie ihre Heimat und reisten am 3. Januar 1994 auf dem Landweg ins Bundesgebiet ein.

Die Kläger stellten Asylanträge. Sie gaben an, der Bevölkerungsgruppe der Albaner und dem Islam anzugehören. Der Kläger zu 1 legte dar, dass er und seine Frau ein Plakat von Milosevic abgerissen hätten. Daher seien sie von der jugoslawischen Polizei geschlagen worden und hätten mit einer Bestrafung rechnen müssen. Dieses Vorbringen wurde teils als nicht asylrelevant, hinsichtlich der Intensität der Schläge und der drohenden Bestrafung als unglaubhaft angesehen (Ablehnungsbescheide des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - BAFl - vom 12.9.1994 und vom 3.12.1996, Urteile des VG Würzburg vom 4.8.1995 und vom 17.6.1997, bestätigt durch Beschlüsse des BayVGH vom 15.5.1997 und vom 13.10.1997).

Die Kläger verließen das Bundesgebiet nicht und stellten mit Schreiben vom 14. Januar 1998 Asylfolgeanträge. Sie behaupteten zunächst, von einer Gruppenverfolgung der ethnischen Albaner aus dem Kosovo betroffen zu sein, da sie selbst ethnische Albaner seien. Das BAFl lehnte die Anträge ab (Bescheid vom 28.1.1998). Von einer Gruppenverfolgung ethnischer Albaner aus dem Kosovo könne nicht die Rede sein.

Die Kläger erhoben Verpflichtungsklagen, um die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und ihre Anerkennung als Asylberechtigte durchzusetzen. Von einer Gruppenverfolgung der ethnischen Albaner aus dem Kosovo sei nunmehr auszugehen. Die Kläger änderten mit Schriftsatz vom 21. Dezember 1999 ihren Sachvortrag; sie machten geltend, der Bevölkerungsgruppe der ashkalischen Roma anzugehören und nunmehr von der albanischen Bevölkerungsmehrheit im Kosovo verfolgt und vertrieben zu werden. Das Verwaltungsgericht gab den Klagen teilweise statt und verpflichtete die Beklagte festzustellen, dass für die Kläger ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien bestehe. Roma aus dem Kosovo seien in ganz Jugoslawien extrem gefährdet. Dies gelte auch für die Kläger.

Die Berufung wurde auf Antrag des Beteiligten vom Verwaltungsgerichtshof zugelassen.

Der Beteiligte beantragt die Änderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils und die Abweisung der Klagen.

Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Berufung.

Die Kläger machen geltend, das Haus des Vaters des Klägers zu 1 in Prizren, P********str. **, sei im Juni 1999 im Kosovo-Krieg durch NATO-Bomben zerstört und am 10. September 2000 von nationalistischen Albanern in Brand gesetzt worden. Die Feuerwehrbrigade von Prizren habe bescheinigt, dass es am 10. September 2000 im Haus des A*** M***** zu einem Brand gekommen sei. Die Eltern des Klägers zu 1 seien schon vorher, im April 1999, nach Deutschland gekommen; die Mutter sei hier verstorben. Die nationale Gemeinschaft der Roma im Kosovo und Metohija Pristina habe dem Kläger zu 1 am 26. März 2002 bescheinigt, Angehöriger der Gemeinschaft der Roma zu sein und Jugoslawien 1994 wegen des dauerhaften Drucks und der Assimilationsversuche seitens albanischer Extremisten verlassen zu haben. Im Juni 1999 hätten albanische Extremisten das Haus P********str. ** geplündert und angezündet. Albanische Extremisten hätten einem Verwandten des Klägers zu 1 angedroht, dass der Kläger zu 1 bei seiner Rückkehr nach Prizren umgebracht werde. Die Kläger verweisen ferner auf ein Positionspapier des UNHCR vom April 2002 und ein Positionspapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 25. April 2002, denen zufolge die Schutzbedürftigkeit der ashkalischen Roma fortbestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Klagen zu Unrecht teilweise stattgegeben, nämlich hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Die diesbezügliche Verpflichtung der Beklagten ist nicht rechtmäßig.

Den Angaben der Kläger betreffend das Haus des Vaters des Klägers zu 1 in Prizren lässt sich nicht entnehmen, dass bei ihnen die Voraussetzungen einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben im Sinn des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfüllt sind. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es die angesprochenen albanischen Nationalisten speziell auf die Kläger abgesehen hätten. Was den behaupteten Brand des Hauses P********str. ** angeht, so ist weder erkennbar, dass überhaupt Brandstiftung vorlag, noch ggf., wer dadurch getroffen werden sollte; das Haus war den Angaben der Kläger zufolge bereits durch NATO-Bomben zerstört worden und war nicht mehr von Familienangehörigen der Kläger bewohnt. Zudem ließe sich ggf. eine fortwirkende Bedrohung nicht feststellen. Der Bescheinigung der nationalen Gemeinschaft der Roma aus Pristina, dass albanische Extremisten einem Verwandten des Klägers zu 1 mit der Ermordung des Klägers zu 1 gedroht hätten, schenkt der Verwaltungsgerichtshof keinen Glauben. Die Bescheinigung gibt diesbezüglich keine eigenen Feststellungen der nationalen Gemeinschaft der Roma wieder. Zudem ist die Bescheinigung offensichtlich bestrebt, den Sachverhalt zu Gunsten der Kläger zu verändern. Während die Kläger unter Schilderung eines konkreten Vorfalls angegeben haben, 1994 von den Serben vertrieben worden zu sein, sollen der Bescheinigung zufolge nun die nationalistischen Albaner die Übeltäter gewesen sein. Die Zerstörung des Hauses des Vaters des Klägers zu 1 im Juni 1999, die nach Angaben der Kläger im Kosovo-Krieg durch NATO-Bomben geschah, wird nun ebenfalls den albanischen Nationalisten angelastet. Anhaltspunkte für einen (unberechtigten) Verdacht, dass die Kläger mit den Serben kollaboriert hätten (vgl. zur Bedeutung eines solchen Verdachts das Positionspapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 25.4.2002), sind nicht ersichtlich und im Hinblick auf die schon seit 1994, nicht erst seit 1999, andauernde Abwesenheit der Kläger vom Kosovo unwahrscheinlich. Dagegen spricht schon, dass die Kläger zu 1 und 2 nach ihren ursprünglichen Angaben ein Plakat von Milosevic abgerissen haben und dabei von der jugoslawischen Polizei ertappt wurden.

Was das übrige Vorbringen der Kläger angeht, so ist die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im vorliegenden Fall durch § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG gesperrt. Allgemeine Gefahren im Sinn des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG können auch dann keine Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen, wenn sie einen bestimmten Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Verfahren eines Ausländers ist immer dann gesperrt, wenn dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl weiterer Personen im Abschiebezielstaat droht. Solche Fälle sind einer politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörden nach § 54 AuslG vorbehalten (ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. zuletzt BVerwG vom 12.7.2001, DVBl 2001, 1772/1773). Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Die Gefahren, die nach dem klägerischen Vorbringen für die Kläger bestehen sollen, bestehen unstreitig für eine Vielzahl weiterer Personen im Abschiebezielstaat, nämlich für alle Angehörigen der Bevölkerungsgruppe der Roma im Kosovo, die moslemischen Glaubens sind und albanisch sprechen. Dass die Kläger dieser Bevölkerungsgruppe angehören, kann nach dem persönlichen Eindruck, den die Kläger zu 1 und 2 in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hinterlassen haben, und nach dem insoweit plausiblen Inhalt ihres Sachvortrags angenommen werden, obwohl sie sich bis Ende 1999 als ethnische Albaner bezeichnet haben.

Im vorliegenden Fall gebieten es auch nicht die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, den Klägern Abschiebungsschutz zu gewähren. Eine verfassungswidrige Schutzlücke, aus der sich die Befugnis des BAFl und der Verwaltungsgerichte ergeben würde, auch bei allgemeinen Gefahren im Sinn des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG in entsprechender Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Einzelfall von sich aus Abschiebungsschutz zu gewähren, liegt nicht vor. Eine derartige Zuerkennung von Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG setzt stets sowohl das Nichtbestehen von anderweitigem Abschiebungsschutz aufgrund eines Erlasses als auch das Vorliegen einer sogenannten extremen Gefahrenlage voraus (vgl. zuletzt BVerwG vom 12.7.2001, DVBl 2001, 1531/1532 f.). Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an der zweiten Voraussetzung.

Im vorliegenden Fall ist zwar unklar, ob eine ausländerrechtliche Erlasslage besteht, die den Klägern einen der Feststellung gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt. Das Bayerische Staatsministerium des Innern als zuständige oberste Landesbehörde hat zwar nicht nur, wie vom Beteiligten zu 1 im Antrag auf Zulassung der Berufung ausgeführt, mit Schreiben vom 12. April 2000 Angehörige der Bevölkerungsgruppe der Roma von der geltenden Rückführungsregelung ausgenommen, sondern gemäß den zum Verfahrensgegenstand gemachten weiteren Schreiben vom 4. Dezember 2000 und vom 1. Juni 2001 (vgl. die dortige Nr.9.4) Angehörige von ethnischen Minderheiten aus dem Kosovo, zu denen auch die Roma gehören, von einer zwangsweisen Rückführung in den Kosovo generell ausgenommen. Die Duldungen von Angehörigen von Minderheiten aus dem Kosovo können danach für weitere sechs Monate verlängert werden; danach erfolgt eine erneute Prüfung (vgl. auch BayVGH vom 30.1.2002 - Az. 21 B 94.35490, S. 25 des Urteilsabdrucks). Es ist aber unsicher, ob diese Erlasslage auch auf die Kläger angewendet wird, weil ihre Zugehörigkeit zur Bevölkerungsgruppe der Roma zweifelhaft ist. Zudem ist seit der Tagung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 6. Juni 2002 unsicher, ob diese Erlasslage noch längere Zeit fortbesteht. Die Konferenz ging davon aus, dass die Voraussetzungen für eine zwangsweise Rückführung noch im Jahr 2002 gegeben sein werden (Nr. 2 des Beschlusses vom 6.6.2002).

Eine verfassungswidrige Schutzlücke liegt aber jedenfalls deshalb nicht vor, weil die Kläger bei einer Abschiebung in den Kosovo nunmehr keiner extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wären, dass sie gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schweren Verletzungen ausgeliefert wären. Nur dann gebieten es nämlich die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihnen trotz des Fehlens einer diesbezüglichen politischen Leitentscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 2 und § 54 AuslG Abschiebungsschutz entsprechend § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren (ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. zuletzt BVerwG vom 12.7.2001, DVBl 2001, 1771/1774). Eine solche extreme Gefahrenlage ist im vorliegenden Fall nicht (mehr) gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich insofern der Beurteilung an, zu der mehrere obergerichtliche Entscheidungen bereits gelangt sind (vgl. BayVGH vom 30.1.2002 - Az. 21 B 94.34590, S. 26 ff. des Urteilsabdrucks; OVG Nds vom 12.6.2001 - Az. 8 L 516/97, S. 28 ff. des Urteilsabdrucks; vgl. auch schon die im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs über die Zulassung der Berufung zitierte Entscheidung des OVG NW vom 5.5.2000 - Az. 14 A 3334/94.A, S. 23 ff.). Der Verwaltungsgerichtshof legt seiner Beurteilung die derzeitige Sachlage zugrunde (§ 77 Abs. 1 AsylVfG). Ausschlaggebend können also nicht die Verhältnisse im Sommer 1999 sein, als es nach dem Abzug des jugoslawischen Militärs und der jugoslawischen Polizei zu Gewaltexzessen ethnischer Albaner gegenüber der Bevölkerungsgruppe der Roma kam.

Gegenwärtig hat sich die allgemeine Sicherheitslage für Minderheiten im Kosovo soweit stabilisiert, dass für die Bevölkerungsgruppe der Roma moslemischen Glaubens und albanischer Sprache nicht (mehr) von einer extremen Gefahrenlage im dargelegten Sinn ausgegangen werden kann, wenn auch die Gefahr der Schikanierung und der Einschüchterung weiterhin nicht von der Hand zu weisen ist. Nach der Beurteilung der Situation ethnischer Minderheiten im Kosovo durch den UNHCR und die OSZE vom Oktober 2001 (vgl. dort den Abschnitt "Sicherheit und Polizeiaufgaben"), die der Verwaltungsgerichtshof in das Verfahren eingeführt hat, hat sich die allgemeine Sicherheitslage für Minderheiten im Kosovo merklich stabilisiert. Die Zahl der schwerwiegenden Zwischenfälle hat sich für alle Minderheiten in fast allen Regionen des Kosovo verringert. Infolgedessen konnten auch Verbesserungen bei der Bewegungsfreiheit registriert werden. Diese können dahingehend interpretiert werden, dass die Minderheiten als Reaktion auf diese relativ lange Periode, die weitgehend ohne schwerwiegende Zwischenfälle mit Todesopfern blieb, vorsichtig Vertrauen zu fassen scheinen. Wenn sich derzeit noch Angehörige von Minderheiten entschließen, den Kosovo zu verlassen, hängen ihre Motive vielfach mit der Lebensqualität und insbesondere den Beschäftigungsaussichten, jedoch weniger mit unmittelbaren Sicherheitsbedenken zusammen. Soweit einzelne gewaltsame Übergriffe in der Beurteilung des UNHCR und der OSZE vom Oktober 2001 geschildert werden, so betreffen sie vor allem die ethnischen Serben. Die Anzahl der schweren Anschläge gegen Angehörige der Bevölkerungsgruppe der Roma ist demgegenüber im Verhältnis zur Gesamtzahl der Roma gering - insgesamt ist von 65.000 Angehörigen von Roma und anderen Minderheiten im Kosovo auszugehen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 4.9.2001, der vom Verwaltungsgerichtshof in das Verfahren eingeführt wurde, Abschnitt III 3; vgl. dazu auch OVG Nds vom 12.6.2001, S. 29 des Urteilsabdrucks). Die Besserung der allgemeinen Sicherheitslage mag zwar noch nicht zwingend eine substantielle und dauerhafte Wende zum Besseren garantieren, doch stützen stabilitätsfördernde Faktoren wie die zunehmende Wirksamkeit von Polizei und Justiz entsprechende Erwartungen (vgl. die Beurteilung des UNHCR und der OSZE vom Oktober 2001, Abschnitt "Sicherheit und Polizeiaufgaben", Nrn. 5 und 7). Das von den Klägern ins Feld geführte Positionspapier des UNHCR vom April 2002 sowie das Positionspapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 25. April 2002 entkräften diese Beurteilung nicht. Hinter der Bewertung der physischen Sicherheit der ashkalischen Roma durch den UNHCR als "unbeständig" verbergen sich Differenzierungen; einige Gemeinschaften sollen einen gewissen Grad an Stabilität erreicht haben, wo gewaltsame Übergriffe selten sind, während andere regelmäßig Gewalt und Einschüchterung ausgesetzt seien. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Kläger wegen ihrer sprachlichen und religiösen Gemeinsamkeiten mit den ethnischen Albanern weniger gefährdet sind als Untergruppen von Roma-Angehörigen, für die dies nicht zutrifft (vgl. zu den verschiedenen Untergruppen der Roma den Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 4.9.2001, Nr. III 3; ferner OVG Nds vom 12.6.2001, S. 29 des Urteilsabdrucks). Nur vor diesem Hintergrund ist auch verständlich, dass sowohl der UNHCR im Positionspapier vom April 2002 als auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe in ihrem Positionspapier vom 25. April 2002 die freiwillige Rückkehr von ashkalischen Roma für möglich halten, die nach guter Vorbereitung in Absprache mit den internationalen Behörden vor Ort zu erfolgen hätte. Soweit die Kläger in Übereinstimmung mit der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Positionspapier vom 25.4.2000) eine extreme Gefahr für sich bei massenhafter gleichzeitiger Rückführung von ethnischen Minderheiten in den Kosovo annehmen, so ist dem entgegenzuhalten, dass dies eine unrealistische Annahme ist. Da Rückführungen ohnehin nur in Abstimmung mit den internationalen Behörden vor Ort möglich sind und diese ein derartiges Szenario keinesfalls zulassen würden, ist allenfalls die gestaffelte Rückführung begrenzter Kontingente denkbar (vgl. zum Ganzen OVG NW vom 4.7.2002 - Az. 14 A 891/02.A unter Hinweis auf den Erlass des Innenministeriums NRW vom 14.6.2002). Der Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 6. Juni 2002 sieht demgemäß in Nr. 3 die schrittweise Rückführung "in Absprache mit UNMIK " vor.

Diese allgemeine Lagebeurteilung ist zu ergänzen durch eine spezielle Lagebeurteilung für die Siedlungen, in denen die Roma trotz der Verringerung ihrer Zahl um mehr als 50 % seit 1999 (Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 4.9.2001, Nr. III 3) noch immer einen bedeutsamen Bevölkerungsanteil bilden. In solchen Siedlungen werden die speziellen Schutzmaßnahmen für Minderheiten durch KFOR, UNMIK, UNHCR und OSZE wirksam (vgl. Nr. II 2 des Lageberichts des Auswärtigen Amts vom 4.9.2001), wenngleich diese nicht immer zuverlässig sein mögen. Die Tatsache, dass die Kläger aus Prizren stammen, gibt Anlass zum Hinweis auf die dortige Situation. Die Kläger würden dort eine Roma-Gemeinschaft vorfinden, die ihnen die Re-Integration erleichtern würde. Prizren stellt den heutigen Hauptsiedlungsraum der Bevölkerungsgruppe der albanischen Roma dar, in dem ca. 4500 albanische Roma einschließlich des gewählten Führers der albanischen Roma leben (vgl. OVG Nds. vom 12.6.2001, S. 29 des Urteilsabdrucks). Nach den eigenen Angaben der Kläger sind darunter auch Verwandte von ihnen. In Prizren sind zudem deutsche KFOR-Soldaten stationiert, deren Schutz die dortigen Roma genießen.

Einzugehen ist schließlich noch auf die anderen Landesteile der Bundesrepublik Jugoslawien außerhalb des Kosovo. Dort wird nach dem Sturz von Diktator Milosevic nicht mehr von Repressalien gegen Ashkali berichtet (Antwort des Auswärtigen Amts vom 17.7.2001 an das Verwaltungsgericht Karlsruhe, die vom Verwaltungsgerichtshof in das Verfahren eingeführt wurde; Auskunft des Auswärtigen Amts vom 13.11.2001 an das VG Frankfurt a.M., die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde). Nach der Auskunft vom 13. November 2001 besteht auch kein Grund zu der Annahme, dass die Kläger im Notfall nicht in den Genuss von Leistungen der sozialen Fürsorge kämen. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amts vom 30. Juli 2002 an das VG Leipzig, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, ist es jugoslawischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit mit Heimatwohnsitz im Kosovo uneingeschränkt erlaubt, im übrigen Serbien Wohnsitz zu nehmen. Jugoslawische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit mit Heimatwohnsitz im Kosovo haben unter denselben Voraussetzungen und im gleichen Umfang Zugang zu staatlichen Sozialleistungen und zur Krankenversorgung wie alle anderen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien. Sie erhalten unter denselben Bedingungen staatliche Unterstützung zur Sicherung des existenziell Notwendigen an Unterkunft, Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikeln u.a.. Es gibt diesbezüglich keine Unterschiede für den genannten Personenkreis und die übrige serbische Bevölkerung in Serbien außerhalb des Kosovo. Diese Auskunft handelt zwar unmittelbar nur von den ethnischen Albanern aus dem Kosovo, betont aber die Gleichbehandlung aller Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien, so dass sie auch hinsichtlich der Ashkali herangezogen werden kann. Die Position des UNHCR und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe kann daher insofern nicht geteilt werden.

Kosten: § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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