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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 18.05.2006
Aktenzeichen: 22 BV 05.2461
Rechtsgebiete: BImSchG, BImSchV, Richtlinie 99/30/EG, StVO


Vorschriften:

BImSchG § 40 Abs. 1
BImSchG § 45 Abs. 1
BImSchG § 47 Abs. 2
BImSchV § 4 Abs. 2 der 22.
Richtlinie 99/30/EG Art. 5 Abs. 1
StVO § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
StVO § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

22 BV 05.2461

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Überschreitung der Grenzwerte der 22. BImSchV;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Juli 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11. Mai 2006

am 18. Mai 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wohnt am Mittleren Ring in München in der Landshuter Allee 112 ca. 900 m nördlich von der Luftgütemessstelle Landshuter Allee; die Wohnung liegt ca. 50 m vom Straßenrand entfernt. Die bauliche und die verkehrliche Situation ist an der Luftgütemessstelle und an der Wohnung des Klägers ähnlich. Nach den Messergebnissen dieser Station im Jahr 2005 wurde der Grenzwert des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV und des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 96/62/EG vom 27. September 1996 (ABlEG L 296, S. 55) i.V. mit Art. 5 Abs. 1 und Anhang III Abschnitt I der Richtlinie 99/30/EG vom 22. April 1999 (ABlEG L 163, S. 41) für Feinstaubpartikel PM10 von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr bereits am Ostersonntag 2005 zum 36. Mal überschritten. Bis zum 1. Oktober 2005 war dies 75 mal geschehen, bis zum 13. Dezember 2005 105 mal. Im Jahr 2006 meldete die Messstation an der Landshuter Allee bereits am 16. März die 35. Überschreitung des Grenzwerts für Feinstaubpartikel PM10. Bis zum 27. März 2006 gab es 43 Überschreitungen. Für das Jahr 2003 hat das Landesamt für Umweltschutz die Immissionsbelastung an der Luftgütemessstelle Landshuter Allee zu 43 % dem großräumigen Hintergrund, zu 30 % dem Kraftfahrzeugverkehr, zu 5 % Anlagen aus dem Emissionskataster und zu 16 % sonstigen Einflüssen zugeordnet.

Für das Gebiet der Beklagten existiert ein sog. Luftreinhalteplan im Sinn des § 47 Abs. 1 BImSchG vom September 2004, der am 28. Dezember 2004 für verbindlich erklärt wurde. Ein als Aktionsplan im Sinn des § 47 Abs. 2 BImSchG und des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG bezeichneter Plan existiert jedoch nicht.

Mit Schreiben vom 21. März 2005 und vom 23. März 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten unabhängig von der Erstellung eines Aktionsplans:

1. unverzüglich gemäß § 45 Abs. 1 BImSchG i.V. mit § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO den Kraftfahrzeugverkehr durch entsprechende Verkehrszeichen nach der Straßenverkehrsordnung (insbesondere Zeichen 250 [Verbot für Fahrzeuge aller Art], Zeichen 253 [Verbot für Lkw], Zeichen 266 [Verbot für Lkw-Züge] und/oder Zeichen 274 [Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit]) so zu beschränken, dass die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaubpartikel PM10 an der Landshuter Allee sichergestellt ist,

2. hilfsweise unverzüglich alle notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung des Immissionsgrenzwerts für Feinstaubpartikel zu ergreifen.

Am 29. März 2005 erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München wegen Unterlassung der erforderlichen Schutzmaßnahmen durch die Beklagte, zunächst noch ohne Antragstellung. Eine Antragstellung erfolgte mit Schriftsatz vom 6. Juli 2005. Der Kläger beantragte, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu Maßnahmen, die die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaubpartikel PM10 an der Landshuter Allee sicherstellen, erneut zu bescheiden, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte kurzfristig wirksame Maßnahmen zum Schutz des Klägers zu ergreifen hat, um die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaubpartikel PM10 an der Landshuter Allee zukünftig sicher zu stellen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 26. Juli 2005 beschränkte der Kläger seine Klageanträge dahingehend, dass es sich bei den begehrten Maßnahmen um "verkehrliche Maßnahmen" handeln solle. Das Verwaltungsgericht wies die Klage als unbegründet ab (Urteil vom 26.7.2005).

Der Kläger hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Er beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Juli 2005 zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu Maßnahmen, die die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaubpartikel PM10 an der Landshuter Allee sicherstellen, zu bescheiden,

hilfsweise die Beklagte unter Abänderung des genannten Urteils zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu Maßnahmen, die die Immissionen für Feinstaubpartikel PM10 an der Landshuter Allee reduzieren, zu bescheiden,

weiter hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte kurzfristig wirksame Maßnahmen zu ergreifen hat, die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaubpartikel PM10 an der Landshuter Allee zukünftig sicher zu stellen.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Während des Berufungsverfahrens lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. November 2005 die Anträge des Klägers vom 21. März 2005 ab. Der Kläger legte fristgemäß Widerspruch ein. Die Beklagte legte den Widerspruch der Regierung von Oberbayern zur Entscheidung vor. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 2. Mai 2006 als unzulässig im Hinblick auf das anhängige Klageverfahren zurückgewiesen.

Die Beklagte änderte ihre Brennstoffverordnung unter dem 26. April 2006 und halbierte den Emissionsgrenzwert für Staub bei neuen Feuerungsanlagen mit festen Brennstoffen. Die Bereiche mit Parkraumlizensierung wurden bis zur mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2006 ausgeweitet und fortentwickelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Gegenstand der zugelassenen Berufung war zunächst nur das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Juli 2005, durch das über die vom Kläger von der Beklagten begehrten verkehrlichen Maßnahmen entschieden wurde. Gegenstand des Berufungsverfahrens war demnach zunächst nur dieser vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf verkehrliche Maßnahmen, d.h. nach der nicht zu beanstandenden Auffassung des Verwaltungsgerichts auf entsprechende Verwaltungsakte nach § 45 Abs. 1 StVO, den er mit einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO verfolgt (vgl. S. 6 f. des angefochtenen Urteils). Der Kläger hat aber im Berufungsverfahren nachträglich sein Begehren im Wege einer allgemeinen Leistungsklage auf alle nur denkbaren zielführenden Maßnahmen erweitert. Die hierin liegende Klageänderung ist auch im Berufungsverfahren zulässig (§ 91 Abs. 1 und 2 VwGO). Die Einwilligung der Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, weil sie sich, ohne ihr zu widersprechen, in ihren Schriftsätzen auf die geänderte Klage eingelassen hat.

Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof vermag keinen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu erkennen, über seine Anträge auf Ergreifung von aktionsplanunabhängigen verkehrlichen und sonstigen Maßnahmen zur Einhaltung des Immissionsgrenzwerts für Feinstaubpartikel PM10 des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV, der auf Art. 5 Abs. 1 sowie Anhang III Abschnitt I der Richtlinie 99/30/EG vom 22. April 1999 (ABlEG L 163, S. 41) beruht, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Die Beklagte hat die Anträge des Klägers nämlich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt. Aus diesem Grund haben auch die Hilfsanträge des Klägers keinen Erfolg.

I.

Zuvörderst beruft sich der Kläger auf § 45 Abs. 1 BImSchG i.V. mit § 45 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 und 5 StVO. Die nach § 44 Abs. 1 StVO, Art. 2 Nr. 2, 4 Abs. 1 ZustGVerk zuständige Beklagte hat ein diesbezügliches Tätigwerden aber in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt.

1. Dahinstehen kann in diesem Rechtsstreit, ob beim Wohnhaus des Klägers dieselben oder ähnliche Immissionsgrenzwertüberschreitungen im Hinblick auf § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV vorhanden sind wie an der verfahrensgegenständlichen Luftgütemessstelle, was die Beklagte in der Berufungserwiderung bezweifelt hat. Die Berufung hat hiervon unabhängig keinen Erfolg.

2. Einzuräumen ist zwar, dass § 40 Abs. 1 BImSchG einer Anwendung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften zum Zwecke der Einhaltung des Immissionsgrenzwerts für Feinstaubpartikel PM10 des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV unabhängig von einem Luftreinhalteplan oder einem Aktionsplan nicht zwingend entgegensteht. Die Funktion der Vorschrift besteht lediglich darin, dass sie die Straßenverkehrsbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zum Handeln verpflichtet. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses verweist auf § 45 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, wonach auf Einhaltung der Immissionsgrenzwerte gerichtete Maßnahmen außerhalb der Luftreinhalteplanung nicht ausgeschlossen sind. Auch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet insofern die Freiheit der Wahl der Mittel (BVerwG vom 26.5.2004, NVwZ 2004, 1237/1238; BVerwG vom 18.11.2004, DVBl 2005, 386/390; BVerwG vom 23.2.2005 - Az. 4 A 5.04, S. 9 des Urteilsabdrucks). Ein derartiges Vorgehen ist aber nur bei weniger komplexen, klaren Sachverhalten zielführend und erfolgversprechend. Sind die tatsächlichen Verhältnisse derart komplex, dass ein Bedürfnis nach planerischer Bewältigung besteht, dass also das größere Konfliktlösungspotential benötigt wird, das einem Luftreinhalteplan oder einem Aktionsplan i.S. des § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG zukommt (vgl. dazu Stellungnahme des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 20.6.2005, Bl. 142 der VG-Akte), müssten planunabhängige Einzelmaßnahmen von vornherein als ermessensfehlerhaft ausscheiden. Sie würden dann nicht mehr dem Zweck der Ermächtigung entsprechen (Art. 40 BayVwVfG). Hierauf spielt wohl auch die Amtliche Begründung an, wenn sie formuliert: "Auch § 45 Abs. 1 gewährt den zuständigen Behörden insoweit Ermessen, als nicht ein Aktionsplan aufgrund von § 47 Abs. 2 aufzustellen ist" (BT-Drs. 14/8450, S. 12).

3. Einzuräumen ist zwar weiter, dass die Rechtsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 und 5 i.V. mit Abs. 9 StVO bei der hier vorliegenden konkreten Verkehrssituation im Bereich des klägerischen Wohnhauses grundsätzlich gegeben sind.

a) So können - anders als bei der Ozonproblematik - bei Feinstaub örtlich begrenzte Einzelmaßnahmen erfolgversprechend sein (Sparwasser, NvwZ 2006; 369/372, Willand/Buchholz, NJW 2005, 2641/2643). Nach § 40 Abs. 1 sowie § 47 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 6 BImSchG geht auch der Gesetzgeber davon aus, dass straßenverkehrsrechtliche Befugnisse zur Durchsetzung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaubpartikel PM10 des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV auch unabhängig von einem Luftreinhalteplan oder einem Aktionsplan auf der Grundlage der Straßenverkehrsordnung existieren können (Sparwasser, NvwZ 2006; 369/372; Willand/Buchholz, NJW 2005, 2641/2643; Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, RdNr. 3 zu § 40). Dass häufig eine Hintergrundbelastung zwischen 20 und 30 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft besteht, die durch örtliche Maßnahmen kaum beeinflusst werden kann (Stüer, Tagungsbericht über die 29. Umweltrechtliche Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht vom 3. bis 5.11.2005 in Berlin, DVBl 2005, 1566/1568), steht dem nicht entgegen, weil auch von einem relevanten Kausalbeitrag lokaler Faktoren auszugehen ist (Schwerlastverkehr, Omnibusse, Schwerindustrie, vgl. Stüer, a.a.O., S. 1568). So liegen die Verhältnisse auch hier. Nach einem Aktenvermerk des Landesamts für Umweltschutz ist die Feinstaubbelastung am verfahrensgegenständlichen Messpunkt immerhin zu einem guten Drittel durch den lokalen Verkehr verursacht (Berufungserwiderung S. 2), mit steigender Tendenz seit der Einführung der LKW-Maut am 1. Januar 2005 (Berufungserwiderung S. 3).

b) Auch können Abgase i.S. von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO, also luftverunreinigende Stoffe, die vom Motor über die Auspuffanlage in die Atmosphäre abgegeben werden (vgl. BVerwG vom 15.4.1999, BVerwGE 109, 29/34), auch Feinstäube PM10 enthalten, z.B. Dieselruß und Aschenstäube. Allerdings könnten Feinstaubbelastungen, die aufgrund des Abriebs von Reifen, Bremsen oder auch der Fahrbahn entstehen, nicht unter diesen Begriff subsumiert werden, wie die Beklagte auf S. 6 der Berufungserwiderung zutreffend angemerkt hat.

c) Der Anspruch nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 und 5 i.V. mit Abs. 9 StVO ist aber lediglich auf eine i.S. von Art. 40 BayVwVfG ermessensfehlerfreie Entscheidung gerichtet. Soweit der Gesetzgeber eine strikte Bindung auch im Ermessensbereich gewollt hat, hat er diese Bindung besonders angeordnet (§ 40 Abs. 1 BImSchG).

4. Die Beklagte hat die vom Kläger begehrten verkehrlichen Maßnahmen in verwaltungsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise ermessensfehlerfrei abgelehnt (§ 114 VwGO).

a) Der Verwaltungsgerichtshof hält an seiner im Eilverfahren geäußerten Auffassung fest, dass die Geeignetheit von Verkehrsbeschränkungen zur Verhinderung bzw. Reduzierung von Überschreitungen von Immissionsgrenzwerten nicht vorhanden ist, wenn derartige Beschränkungen zu einer Verlagerung der Überschreitung auf andere Gebiete führen. So liegt der Fall hier. Lokale Verkehrsbeschränkungen an der Landshuter Allee würden offensichtlich dazu führen, dass sich der Verkehr von der Landshuter Allee als einer Bundesfernstraße auf weniger geeignete Ortsstraßen verlagern würde, was dort erst recht zu nicht hinnehmbaren Immissionen führen würde. Angesichts einer Verkehrsbelastung von ca. 140.000 Kraftfahrzeugen pro 24 Stunden (vgl. S. 3 des Bescheids der Beklagten vom 7.11.2005) wird deutlich, dass hier nur Lösungen außerhalb des räumlichen Zuständigkeitsbereichs der Beklagten weiter führen können. Dass lokale Verkehrsbeschränkungen unter solchen Gegebenheiten abgelehnt werden dürfen, ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 4.6.1996, NJW 1986, 2655/2656). Diese Rechtsprechung beruht nicht entscheidend darauf, dass die Grenze des billigerweise zumutbaren Verkehrslärms fließend ist und insofern ein Spielraum bestehen mag. Diese Rechtsprechung beruht vielmehr entscheidend auf der Ungeeignetheit der zu betrachtenden Verkehrsbeschränkung. Aus europarechtlicher Sicht ergibt sich dasselbe. Die Freiheit des Warenverkehrs (Art. 28, Art. 29 EG), aus der sich ein allgemeiner Grundsatz der Freiheit der Warendurchfuhr ergibt (EuGH vom 15.11.2005, DVBl 2006, 103), darf nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur eingeschränkt werden, wenn die Einschränkung zur Luftreinhaltung geeignet und erforderlich ist sowie in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel steht. "Radikale Maßnahmen wie die eines völligen Fahrverbots dürfen nur durchgeführt werden, wenn hinreichend feststeht, dass tatsächlich eine realistische Ausweichmöglichkeit besteht" (EuGH vom 15.11.2005, DVBl 2006, 103, 104 f.).

b) Abgesehen davon hat sich die Beklagte im vorliegenden Fall zu Recht darauf berufen, dass sich wegen der hohen Komplexität der Verkehrssituation in der Landshuter Allee und wegen der Notwendigkeit der Einbindung weiterer Gebietskörperschaften, über deren Gebiet denkbare Umleitungsstrecken wie insbesondere der Autobahnring A 99 verlaufen, sowie wegen der Notwendigkeit der Beteiligung verschiedenster Interessengruppen und der Öffentlichkeit, eine planerische Bewältigung des Konflikts mit Hilfe eines Aktionsplans i.S. von § 47 Abs. 2 BImSchG und von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG geradezu aufdrängt. Im vorliegenden Fall ist also von einem Bedürfnis nach planerischer Bewältigung auszugehen. Isolierte lokale Verkehrsbeschränkungen der Beklagten entsprächen unter solchen Bedingungen nicht dem Sinn der gesetzlichen Regelungen einschließlich der europarechtlichen Vorgaben. Hieran hat sich die Beklagte orientiert. Ihre Strategie besteht nicht im Erlass planunabhängiger Maßnahmen, sondern in einer Fortschreibung des Luftreinhalteplans, insbesondere durch Aufnahme eines LKW-Durchfahrtsverbots für das gesamte Stadtgebiet und nach dem Erlass der erforderlichen Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG durch die Bundesregierung in der Schaffung einer sog. Umweltzone in der Innenstadt. Dies kann von Rechts wegen nicht als ermessensfehlerhaft beanstandet werden.

5. Soweit die Beklagte auch die vom Kläger ebenfalls begehrte Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h für die Landshuter Allee abgelehnt hat, ist dies rechtlich ebenfalls nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden. Dass die Beklagte diese Maßnahme als ungeeignet angesehen hat, begegnet keinen Bedenken. Die Beklagte stützt sich insofern auf ein Gutachten der Bundesanstalt für Straßenwesen. Entscheidend ist danach, dass Hauptverkehrsstraßen mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h ihre Bündelungsfunktion für den Verkehr, mit der sie die umliegenden Wohngebiete vom Verkehr entlasten sollen, im bisherigen Umfang nicht mehr leisten können. Eine daraus folgende energieverbrauchende und umweltbelastende Zähflüssigkeit des Verkehrs mit Stau und Stillstand wäre dem Ziel der Luftreinhaltung abträglich. Abgesehen davon würde auch der öffentliche Personennahverkehr beeinträchtigt werden, was ebenfalls nicht zielführend wäre, weil im Gegenteil dessen Stärkung anzustreben ist (S. 4 des Bescheids der Beklagten vom 7.11.2005; Berufungserwiderung S. 10; vgl. auch Nr. 6.2.2.3 des Luftreinhalteplans für das Gebiet der Beklagten. Auch auf der 29. Umweltrechtlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht vom 3. bis 5. November 2005 in Berlin wurde Gedigkeitsbegrenzungen allenfalls eine untergeordnete Bedeutung beigemessen. Hierdurch können die Schadstoffbelastungen zumeist nur um weniger als ein Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel verringert werden (Stüer, Tagungsbericht, DVBl 2005, 1566/1568).

II.

Soweit die Beklagte die vom Kläger begehrten Maßnahmen, die nicht straßenverkehrsrechtlicher Natur sind, abgelehnt hat, ist dies ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Es fehlt bereits an einer Anspruchsgrundlage für derartige Forderungen des Klägers. § 45 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, durch den Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 96/62/EG vom 27. September 1996 (ABlEG L 296, S. 55) umgesetzt wird, scheidet als Anspruchsgrundlage aus. Nach dieser Vorschrift ergreifen die zuständigen Behörden die zur Einhaltung der Grenzwerte erforderlichen Maßnahmen, nach deren Satz 2 insbesondere durch den Erlass von Luftreinhalteplänen. Diese Vorschrift schließt zwar neben dem Erlass von Luftreinhalteplänen auch andere Maßnahmen ein. Zu denken ist an Tätigkeiten, die keine Eingriffsmaßnahmen darstellen, z.B. Maßnahmen zur Reduktion verwaltungseigener Emissionsbeiträge wie Fuhrparkmodernisierung und Straßenreinigung (Sparwasser, NVwZ 2006, 369/372, Fußnote 41). Die Vorschrift scheidet allerdings gleichwohl als Anspruchsgrundlage aus, weil es sich um eine bloße Aufgabenzuweisungsnorm und nicht um eine Befugnisnorm handelt. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang mit § 40 und § 47 Abs. 6 BImSchG und aus der Entstehungsgeschichte (Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, RdNr. 3 zu § 45; Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. I RdNr. 7 zu § 45). Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz und dessen europarechtliche Vorgaben den betroffenen Anwohnern ein völlig unbestimmter Anspruch auf Aufgabenerfüllung gegen Behörden aller Art ohne jede nähere Konkretisierung eingeräumt werden sollte. Die rechtlichen Bestimmungen deuten vielmehr darauf hin, dass, soweit nicht anderweitig hinreichend bestimmte Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten vorhanden sind, grundsätzlich die Bewältigung der komplexen tatsächlichen Verhältnisse mit planerischen Mitteln der Begründung von Ansprüchen auf konkrete Maßnahmen vorgeschaltet werden sollte.

2. Selbst wenn den betroffenen Anwohnern ein Anspruch auf Aufgabenerfüllung im Hinblick auf § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV und Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 96/62/EG i.V. mit Art. 5 Abs. 1 sowie Anhang III Abschnitt I der Richtlinie 99/30/EG zustehen würde, müsste den solchermaßen in die Pflicht genommenen Behörden aller Art ein erheblicher Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zugebilligt werden (Sparwasser, NVwZ 2006, 369/372; Rehbinder, NuR 2005, 493/497), namentlich was die Wahl der Mittel angeht. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 96/60/EG überlässt es den zuständigen Behörden, die erforderlichen Maßnahmen zu bestimmen. Dem trägt § 45 Abs. 1 BImSchG Rechnung (Amtliche Begründung, BT-Drs. 14/8450, S. 12). Die Verpflichtung gemäß § 45 Abs. 1 BImSchG kann keinesfalls weiter gehen als die Verpflichtung der für die Aufstellung eines Aktionsplans zuständigen Behörde, die die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 2 BImSchG und des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG nicht einmal mit Hilfe des Aktionsplans zwingend herbeiführen muss. Die Vorschrift des § 45 Abs. 1 BImSchG hat vielmehr eine geringere Bedeutung. Sie kann nicht so verstanden werden, dass nun jegliche Behörde für sich gleichsam eine Art Aktionsplan erstellen müsste. Dem steht die gesetzliche Bestimmung entgegen, dass eine ganz bestimmte Behörde für die Aufstellung des Aktionsplans zuständig sein soll. Diese Verpflichtung trifft nur die Behörde, die dafür kraft Gesetzes zuständig und verpflichtet ist. Im vorliegenden Fall stellt das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (jetzt: für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz) die Luftreinhaltepläne nach § 47 BlmSchG auf (Art. 8 BayImSchG). Dies ist im weiteren Sinn zu verstehen, so dass Aktionspläne nach § 47 Abs. 2 BImSchG enthalten sind, die nach § 47 Abs. 2 Satz 3 BImSchG Teil eines Luftreinhalteplans (im engeren Sinn) nach Absatz 1 sein können. 3. Jedenfalls hat die Beklagte auch insofern in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ermessensfehlerfreie Entscheidungen getroffen (§ 114 VwGO).

a) Die von dem Kläger immer wieder angemahnte Nassreinigung hat die Beklagte rechtsfehlerfrei abgelehnt. Die Beklagte hat sich dabei auf einen Berliner Großversuch aus dem Frühjahr 2005 gestützt, aus dem sich ergeben hat, dass nennenswerte Feinstaubreduktionen mit dieser Maßnahme nicht erreichbar sind. Die Beklagte hat sich dabei weiter auf eigene Versuche im Bereich der Luftgütemessstelle Landshuter Allee bezogen, die vom 31. März bis zum 14. April 2005 stattfanden und ebenfalls erfolglos verlaufen sind. Auch auf der 29. Umweltrechtlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht vom 3. bis 5. November 2005 in Berlin wurde einer verbesserten Straßenreinigung allenfalls eine untergeordnete Bedeutung beigemessen. Hierdurch können die Schadstoffbelastungen zumeist nur um weniger als ein Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel verringert werden (Stüer, Tagungsbericht, DVBl 2005, 1566/1568).

b) Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte die Durchführung von kostspieligen Maßnahmen ablehnt, deren Eignung noch nicht erwiesen ist. Die Ablehnung des Einsatzes von Staubbindern an Lichtsignalanlagen, d.h. von Wänden, an denen breitflächig Wasser herabströmt, mit mangelnder technischer Bewährung (Berufungserwiderung S. 12) ist nachvollziehbar. Dasselbe gilt für die Ablehnung von Bepflanzungsmaßnahmen.

c) Teilweise handelt es sich bei den vom Kläger geforderten Maßnahmen auch um solche, deren Berechtigung von der Beklagten ohnehin bereits anerkannt und deren Umsetzung von der Beklagten bereits durchgeführt bzw. vorgesehen ist. Dies gilt beispielsweise für die Verschärfung der städtischen Brennstoffverordnung durch die Änderungsverordnung vom 26. April 2006 durch Halbierung des Grenzwerts für Staubemissionen für neue Feuerungsanlagen für feste Brennstoffe sowie für die städtische Praxis der Vergabe von Dauerparkberechtigungen an Bedienstete sowie für das System von Parkraumlizensierungen. Dies gilt auch für die Verbesserung des Verkehrsflusses durch die verbesserte Schaltung von Ampelanlagen. Nach Angaben der Beklagten ist es ihr Ziel, mit größter technischer Effizienz die Verkehrsströme auf möglichst leistungsfähigen Hauptverkehrsachsen zu bündeln, dort so flüssig wie möglich zu führen und somit den Schadstoffausstoß so gut wie möglich zu reduzieren (Berufungserwiderung S. 11). Die Klage kann insofern allenfalls darauf gerichtet sein, dass diese Maßnahmen noch schneller verwirklicht werden. Dass der Zeitplan der Beklagten insofern rechtlich nicht vertretbar sein sollte, lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch sonst nicht erkennbar.

III.

Auch die Hilfsanträge des Klägers haben keinen Erfolg, weil die Beklagte die Begehren des Klägers nicht rechtswidrig abgelehnt hat.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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