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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.10.2005
Aktenzeichen: 22 C 05.2553
Rechtsgebiete: VwGO, VwVfG, GG


Vorschriften:

VwGO § 167 Abs. 1
VwGO § 168 Abs. 1 Nr. 3
VwGO § 171
VwGO § 172
VwVfG § 61 Abs. 2 Satz 3
GG Art. 19 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 C 05.2553

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Vollstreckung aus einem Vergleich;

hier: Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. August 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 19. Oktober 2005

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. August 2005 in Nr. I, wie folgt, gefasst wird:

"Der Antragsgegnerin wird für den Fall einer oder mehrerer Zuwiderhandlungen gegen den Prozessvergleich vom 17. Juni 1997 ein Zwangsgeld bis zu 10.000 Euro angedroht."

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Die Beteiligten schlossen vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Verfahren Az. 22 B 96.3384 am 17. Juni 1997 folgenden Vergleich: "Unter Zugrundelegung der Sportanlagenlärmschutzverordnung in der derzeit geltenden Fassung und unter Berücksichtigung der derzeitigen Nutzung der Bezirkssportanlage O********** einigen sich die Beteiligten wie folgt:

I. Für das Basketballfeld wird die Beklagte die Nutzungszeiten wie folgt beschränken: Sonntag und Montag kein Betrieb (außer Montag: Schulsport); Dienstag bis Freitag jeweils bis 19.00 Uhr; Samstag bis 17.00 Uhr. Die Beklagte wird eine Benutzung außerhalb der genannten Zeiten dadurch verhindern, dass die demnächst anzubringenden mobilen Basketballkörbe spätestens zu den angegebenen Zeiten abgenommen werden.

II. Für das Hauptspielfeld wird die Beklagte in den Ruhezeiten der Sportanlagenlärmschutzverordnung eine planmäßige Nutzung künftig nicht mehr zulassen..."

In der Folgezeit beschwerte sich der Antragsteller immer wieder über Verstöße der Antragsgegnerin gegen die im genannten Vergleich eingegangenen Verpflichtungen. Ein Vollstreckungsverfahren beim Bayerischen Verwaltungsgericht München wurde in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Antragsgegnerin zugesagt hatte, sich künftig an den Vergleich zu halten (Az. M 1 V 03.4943).

Am 28. Juli 2005 beantragte der Antragsteller beim Bayer. Verwaltungsgericht München: "Gegen den Schuldner wird wegen Verstoßes gegen den Vergleich, geschlossen vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 17. Juni 1997 (Az. 22 B 96.3384), ein Ordnungsgeld angedroht." Der Antragsteller machte geltend, es werde entgegen dem Vergleich täglich, außer an Regentagen, gespielt. So habe am Samstag, dem 9. Juli 2005, auf dem Basketballfeld ein Fußballspiel stattgefunden, das um 17.00 Uhr begonnen habe. Am Montag, dem 11. Juli 2005, sei zwischen 19.30 und 21.00 Uhr auf dem Basketballfeld gespielt worden. Am Donnerstag, dem 14. Juli 2005, sei zwischen 20.30 Uhr und 21.00 Uhr Fußball und Basketball gespielt worden. Dasselbe sei am Freitag, dem 15. Juli 2005, zwischen 19.30 Uhr und 22.45 Uhr geschehen. Am Donnerstag, dem 21. Juli 2005, habe zwischen 19.00 Uhr und 20.10 Uhr ein Fußballspiel mit zehn Erwachsenen auf dem Basketballfeld stattgefunden. Der Basketballkorb werde im Übrigen nicht, wie vereinbart, am Ende der Nutzungszeiten abgehängt.

Die Antragsgegnerin widersetzte sich mit folgendem Vortrag: Am Samstag, dem 9. Juli 2005, hätten Kinder nach Abschluss eines Turniers noch bis ca. 17.30 Uhr auf dem Basketballfeld Fußball gespielt. Montags könne die Anlage nicht mit einem Platzwart besetzt werden. Die Anlage sei einem Sportverein überlassen worden. Von der Nutzung sei das Basketballfeld ausgenommen worden. Es sei die Aufgabe des Vereins, für die Einhaltung der Nutzungszeiten zu sorgen. Am Donnerstag, dem 14. Juni 2005, habe das Sportfest einer nahe gelegenen Grundschule stattgefunden. Das Fest sei bis 20.00 Uhr genehmigt worden, habe jedoch tatsächlich bis ca. 20.30 Uhr gedauert. Bis alle anwesenden Kinder die Anlage verlassen hätten, hätten einige auf dem Basketballfeld Fußball gespielt. Es handle sich hierbei um eine singuläre schulische Sondernutzung, die durch den Vergleich nicht ausgeschlossen werde. Am Freitag, dem 15. Juli 2005, habe der Platzwart gegen 20.30 Uhr eine Räumung des Basketballfelds vorgenommen.

Mit Beschluss vom 26. August 2005 entschied das Verwaltungsgericht folgendes: Der Antragsgegnerin wird für jeden Verstoß gegen die in Nrn. I und II des Vergleichs vom 17. Juni 1997 eingegangenen Verpflichtungen ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro angedroht.

Die Antragsgegnerin hat Beschwerde eingelegt.

Sie macht im wesentlichen folgendes geltend: Unwesentliche Verstöße müssten außer Betracht bleiben. Die Sondersituation, dass derzeit in der Bezirkssportanlage O********** kein Platzwart wohne, müsse berücksichtigt werden. Die Antragsgegnerin müsse die Chance bekommen, sich auf Beschwerden der Anwohner hin verstärkt um eine Einhaltung des Vergleichs zu bemühen; Anwohner müssten sich zunächst bei der Antragsgegnerin beschweren. Bei der Überlassung der Anlage an Sportvereine seien die Verpflichtungen der Antragsgegnerin in der Weise eingeschränkt, dass sie lediglich auf diese einzuwirken brauche, dass diese die Verpflichtungen aus dem Vergleich vom 17. Juni 1997 einhalten würden.

Der Antragsteller beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist im Wesentlichen unbegründet.

1. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zutreffend als einen solchen nach § 172 VwGO ausgelegt (§ 88 VwGO). Ein Fall der Vollstreckung gegen die öffentliche Hand wegen einer Geldforderung, wie sie in § 170 VwGO geregelt ist, liegt offenkundig nicht vor, so dass § 172 VwGO zu prüfen ist. Nach dieser Bestimmung kann gegen eine Behörde, die in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 sowie des § 123 VwGO einer ihr auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt, vom Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis 10.000 Euro durch Beschluss angedroht, nach fruchtlosem Fristablauf festgesetzt und von Amts wegen vollstreckt werden. Zwar gilt diese Bestimmung dem Wortlaut nach nicht für die Vollstreckung aus Verpflichtungen, die in einem gerichtlichen Vergleich eingegangen wurden. Dies kann schon im Hinblick auf § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO, aber auch im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht bedeuten, dass Prozessvergleiche zu Lasten der öffentlichen Hand nicht vollstreckbar sind (OVG NW vom 24.1.1992, NVwZ 1992, 897; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, RdNr. 21 zu § 172; anders noch BayVGH vom 17.3.1977, BayVBl 1977, 668). Zwar könnte das Regelungskonzept des Gesetzgebers so verstanden werden, dass die Verwaltungsgerichtsordnung für die in § 170 und § 172 VwGO nicht genannten Fälle von Vollstreckungen gegen Behörden keine besonderen Vollstreckungsbestimmungen enthält und somit nach § 167 Abs. 1 VwGO das 8. Buch der Zivilprozessordnung (z.B. § 890 ZPO) entsprechend gilt. Jedenfalls für Prozessvergleiche vermag diese Lösung nicht zu überzeugen (a.A. OVG NW vom 24.1.1992, NVwZ 1992, 897; BayVGH vom 20.1.1981, BayVBl 1982, 627). Dies ergibt sich aus § 61 Abs. 2 Satz 3 VwVfG und der entsprechenden Bestimmung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes. Die Vorschrift sieht, soweit es um Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen einer Behörde geht, für die Vollstreckung aus subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Verträgen i.S. des § 54 Satz 2 VwVfG im Falle der Unterwerfung unter die sofortige Vollstreckung im Verwaltungsverfahren die entsprechende Anwendung des § 172 VwGO vor. Zu diesen subordinationsrechtlichen Verträgen gehören auch Vereinbarungen, wie sie hier vorliegen. Gemeint sind alle Verträge zwischen einer Privatperson und einem Träger der öffentlichen Verwaltung auf einem Gebiet, auf dem ein hoheitliches Verhältnis der Über- und Unterordnung besteht, ohne Rücksicht darauf, ob der konkrete Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung sonst durch Verwaltungsakt geregelt werden könnte (BVerwG vom 16.5.2000, NVwZ 2000, 1285/1286). Nach § 55 VwVfG kann dies auch bei Vergleichsverträgen anzunehmen sein. § 61 Abs. 2 Satz 3 VwVfG hat Bedeutung über den eigentlichen Regelungsgegenstand hinaus. Für die gerichtliche Vollstreckung aus einem Prozessvergleich, einem Vergleichsvertrag im gerichtlichen Verfahren, kann bei gleicher Interessenlage nichts anderes gelten. Deshalb sind Prozessvergleichsverpflichtungen von Behörden auf Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen nach § 172 VwGO zu vollstrecken (OVG NW vom 13.2.1997, NvwZ 1998, 534; Eyermann/P. Schmidt, VwGO, 11. Aufl. 2000, RdNr. 7 zu § 172; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, RdNr. 2 zu § 172; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, RdNr. 21 zu § 172; Redeker/ v. Oertzen, VwGO, 12. Aufl. 1997, RdNr. 3 zu § 172).

2. Die Vollstreckungsvoraussetzungen sind gegeben, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat. Eine mit der Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung des Prozessvergleichs vom 17. Juni 1997 liegt der VG-Akte M 16 K 93.915 bei; sie wurde offenbar bereits im Verfahren Az. 1 V 03.4943 vorgelegt. Abgesehen davon bedarf es nach § 171 VwGO in bestimmten Fällen keiner Vollstreckungsklausel. Zwar erwähnt § 171 VwGO den Fall des § 172 VwGO nicht, weshalb es rechtslogisch auch bei der Grundregel des § 167 Abs. 1 VwGO i.V. mit § 724 ZPO bleiben könnte (so VGH BW vom 20.5.1992, NVwZ-RR 1993, 520). § 171 VwGO ist hier jedoch entsprechend anzuwenden. Der Vollstreckungsklauselausschluss betrifft Fälle, in denen das Gericht des ersten Rechtszugs oder dessen Vorsitzender Vollstreckungsbehörde sind. Es wäre sinnlos, dem Gericht eine vollstreckbare Ausfertigung vorzulegen, die von ihm zuvor selbst oder allenfalls von der Rechtsmittelinstanz (§ 724 Abs. 2 ZPO) erteilt worden ist. Dies rechtfertigt die Analogie, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat (vgl. auch Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, RdNr. 12 zu § 171).

3. Das Verwaltungsgericht hat dem Vollstreckungsantrag zu Recht stattgegeben, weil die Antragsgegnerin den von ihr in Nr. I des Prozessvergleichs vom 17. Juni 1997 eingegangenen Verpflichtungen nur unzureichend nachgekommen ist, was einer Nichterfüllung gleichsteht (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, RdNr. 34 zu § 172). Die Antragsgegnerin hat entgegen dem Prozessvergleich vom 17. Juni 1997 jedenfalls am Montag, dem 11. Juli 2005, und am Freitag, dem 15. Juli 2005, die mobilen Basketballkörbe nicht spätestens zu den im Prozessvergleich vom 17. Juni 1997 angegebenen Zeiten abgenommen. Dies gilt unstreitig am 11. Juli 2005 für die Zeit von 19.30 Uhr bis 21 Uhr und am 15. Juli 2005 für die Zeit von 19.30 Uhr bis 22.45 Uhr.

Die Antragsgegnerin darf nach der Nr. I des Prozessvergleichs vom 17. Juni 1997 die Erfüllung ihrer Verpflichtungen nicht davon abhängig machen, dass auf der Anlage ein Platzwart wohnt. Diesbezügliche Personalprobleme fallen in ihre Risikosphäre; deren Lösung ist allein ihre Angelegenheit. Die Antragsgegnerin bleibt ferner nach dem Wortlaut und dem Sinn des Prozessvergleichs auch dann uneingeschränkt zu dessen Erfüllung verpflichtet, wenn sie Dritte, z.B. Sportvereine, auf das Hauptspielfeld, nicht aber auf das Basketballfeld lässt. Wenn sie in Wahrnehmung ihrer kommunalpolitischen Verantwortung diese Förderung der Sportvereine betreibt, muss sie gleichwohl das im Einzelfall Erforderliche tun, um die im Prozessvergleich vom 17. Juni 1997 festgelegten Verpflichtungen einhalten zu können, gegebenenfalls mit Hilfe eines Platzwarts.

4. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin setzt die Anwendung des § 172 VwGO nicht eine weitere vorherige Abmahnung voraus. Eine solche Vorschrift besteht nicht. Durch die bloße Androhung eines Zwangsgelds bleibt der Antragsgegnerin ohnehin die Möglichkeit, dessen Festsetzung durch künftige Erfüllung der Vergleichspflichten abzuwenden. Abgesehen davon handelt es sich vorliegend nicht um den ersten Versuch des Antragstellers, die Antragsgegnerin zur Einhaltung der Vergleichspflichten zu bewegen (vgl. Verfahren M 1 V 03.3949).

5. Gegen die Bemessung des angedrohten Zwangsgelds und gegen das Unterbleiben einer Fristsetzung hat die Antragsgegnerin keine Bedenken erhoben. Dem Verwaltungsgerichtshof erscheint es sachgerecht, für etwaige Zuwiderhandlungen entsprechend dem Wortlaut des § 172 VwGO ein Zwangsgeld bis zu einer bestimmten Obergrenze anzudrohen. In welcher Höhe es gegebenenfalls festzusetzen wäre, muss gegebenenfalls nach Würdigung der konkreten Zuwiderhandlung(en) entschieden werden. Dem Sinn der Vollziehungspflicht entsprechend braucht in aller Regel und so auch hier bei Unterlassungspflichten eine Frist nicht gesetzt zu werden; denn diese können - von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen abgesehen - sofort erfüllt werden (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, RdNr. 43 zu § 172). Dies gilt auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall die Verpflichtung sich nicht im bloßen Nichtstun erschöpft, sondern auch die Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor eingetretenen Störungszustands umfasst, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, RdNr. 35 zu § 172, m.w.N.).

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung eines Streitwerts ist im Hinblick auf Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nicht erforderlich, da eine streitwertunabhängige Festgebühr anfällt.

Ende der Entscheidung

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