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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.11.2004
Aktenzeichen: 22 CS 04.2701
Rechtsgebiete: BBodSchG, HGB, LStVG, KG


Vorschriften:

BBodSchG § 4 Abs. 3 Satz 1
BBodSchG § 4 Abs. 3 Satz 4
BBodSchG § 4 Abs. 6
HGB § 128
HGB § 130
HGB § 159
HGB § 160
BGB § 31
BGB § 138
LStVG Art. 9 Abs. 1 Satz 4
KG Art. 2 Abs. 2
KG Art. 15
Der nach § 128 HGB haftende Gesellschafter einer OHG, die eine Altlast verursacht hat, kann wegen der insoweit abschließenden Regelung im Bundes-Bodenschutzgesetz nicht unmittelbar zu Sanierungsmaßnahmen herangezogen werden.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 CS 04.2701

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

bodenschutzrechtlicher Anordnung (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 1. September 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 29. November 2004 folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 1. September 2004 wird in seinen Nrn. 2 und 3 abgeändert.

II. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts Kronach vom 5. Juli 2004 wird wiederhergestellt.

III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

IV. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.250 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte bodenschutzrechtliche Anordnung, durch die er verpflichtet wird, im Bereich einer behördlich festgestellten Altlast durch geeignete Sachverständige (§ 18 BBodSchG) bestimmte Maßnahmen zur Detailuntersuchung der bestehenden Boden- und Grundwasserverunreinigungen durchführen zu lassen.

Nach bisherigem Ermittlungsstand wurden auf der betroffenen Außenbereichsfläche, dem sog. Ölteich, aufgrund eines Pachtvertrags zwischen den damaligen Grundstückseigentümern und einem örtlichen Mineralölwerk von etwa 1950 bis 1961 Säureharzrückstände aus einer Altölaufbereitung abgelagert. Betrieben wurde das Unternehmen zunächst von der ***** ********** OHG, seit 1957 von der neu gegründeten ***** ********** GmbH. Die OHG änderte im Jahr 1957 ihren Namen in "Gebr. ********** OHG" und beschränkte sich von da an auf die Verpachtung des Betriebs an die GmbH.

Der Antragsteller trat nach eigenen Angaben 1961 als (nicht geschäftsführender) Gesellschafter in die OHG ein. Zu Anfang des Jahres 2000 übertrug er alle seine Gesellschaftsanteile im Umfang von 52,16 % zum Preis von 150.000 DM an den damaligen Geschäftsführer und einzig verbliebenen Mitgesellschafter, wobei dieser sich vertraglich verpflichtete, den Antragsteller von sämtlichen Verbindlichkeiten der Gesellschaft, insbesondere im Zusammenhang mit eventuell vorhandenen Altlasten, im Innenverhältnis freizustellen.

Durch das Ausscheiden des Antragstellers wurde die Gebr. ********** OHG als Personengesellschaft kraft Gesetzes aufgelöst. Das zunächst einzelkaufmännisch weitergeführte Unternehmen der OHG wurde von dem früheren Geschäftsführer und Mitgesellschafter in der Folgezeit zusammen mit der neu gegründeten ********** Verwaltungs-GmbH in die heute noch bestehende ******** GmbH & Co. KG eingebracht. Diese hat aufgrund einer vereinbarten Unternehmensverschmelzung auch das gesamte Vermögen der früheren **** ******** GmbH übernommen, die damit nicht mehr als eigenständige Gesellschaft existiert.

Nachdem fachgutachtlichen Äußerungen vom 21. und 27. März 2000 erhöhte Schadstoffkonzentrationen im Grundwasser festgestellt hatten, verpflichtete die Bodenschutzbehörde mit Bescheid vom 5. Juli 2004 die ******** GmbH & Co. KG sowie den Antragsteller und seinen früheren Mitgesellschafter zu näher bestimmten Detailuntersuchungen im Bereich des Ölteichs. Zur Begründung wurde ausgeführt, neben der GmbH & Co. KG als Rechtsnachfolgerin der für die Ablagerungen verantwortlichen Firmen **** ******** OHG und **** ******** GmbH seien auch die beiden persönlich haftenden Gesellschafter der ehemaligen Gebr. ******** OHG mit zu verpflichten gewesen, da sie gemäß den §§ 28 Abs. 3, 26, 128, 159 f. HGB für die Verbindlichkeiten der OHG auf die Dauer von fünf Jahren nach ihrem Ausscheiden bzw. dem Erlöschen der Firmen einstehen müssten.

Über den dagegen gerichteten Widerspruch des Antragstellers und der weiteren Betroffenen wurde bisher nicht entschieden. Einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 1. September 2004 im Wesentlichen ab. Zur Verpflichtung des Antragstellers wurde dabei ausgeführt, grundsätzlich könne der persönlich haftende Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft zwar nur in Anspruch genommen werden, wenn er selbst die Voraussetzungen einer Störerhaftung erfülle. Hier seien die ehemaligen Gesellschafter aber nicht als Störer, sondern im Wege einer Nachhaftung für die Verbindlichkeiten der aufgelösten Gesellschaft nach § 159 HGB in Anspruch genommen worden. Zu den entsprechenden Altschulden gehörten auch solche Verbindlichkeiten, deren Rechtsgrund noch vor dem Ausscheiden gelegt sei, selbst wenn weitere Voraussetzungen ihres Entstehens erst später erfüllt würden. Die Verpflichtung zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands bzw. die Aufklärungspflicht sei schon aufgrund des Gesetzes zu erfüllen und bestehe damit unabhängig von einem sie konkretisierenden Verwaltungsakt.

Zur Begründung seiner Beschwerde gegen diesen Beschluss trägt der Antragsteller u.a. vor, einen Durchgriff auf die hinter einer Personengesellschaft stehenden Gesellschafter sehe das Bundes-Bodenschutzgesetz nicht vor.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die gemäß § 146 Abs. 4 VwGO zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 1. September 2004 ist begründet. Nach gegenwärtiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage wird der Antragsteller mit seinem Rechtsschutzbegehren im anhängigen Hauptsacheverfahren voraussichtlich Erfolg haben, so dass sein Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den bodenschutzrechtlichen Bescheid des Landratsamts Kronach vom 5. Juli 2004 das öffentliche Interesse am Vollzug der darin getroffenen Anordnungen überwiegt.

1. Ob der Antragsteller, der auch nach Auffassung der Behörde nicht durch eigenes Verhalten zur Entstehung der Altlast im Bereich des sog. Ölteichs beigetragen hat und somit keinesfalls als "Verursacher" im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG anzusehen ist, nach den geltenden bodenschutzrechtlichen Bestimmungen für die Sanierung bzw. für sanierungsvorbereitende Maßnahmen in Anspruch genommen werden kann, erscheint derzeit höchst zweifelhaft. Die bloße Bezugnahme auf die im Handelsgesetzbuch normierten Grundsätze über die Haftung des (früheren) OHG-Gesellschafters für Gesellschaftsverbindlichkeiten dürfte nicht ausreichen, um eine spezifisch ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit des Antragstellers nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz zu begründen.

1.1. Aus allgemeiner Sicht ist allerdings davon auszugehen, dass der Antragsteller als (ehemaliger) Gesellschafter der Gebr. ******** OHG, die bis 1957 als **** ******** OHG firmierte und durch die damalige Namensänderung sowie den Gesellschafterwechsel in ihrer Identität als Rechtsträger nicht berührt wurde (vgl. OVG Schleswig vom 14. 10. 1997, 2 L 95/97), auch für die bereits vor seinem Eintritt im Jahre 1961 begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten persönlich haftete (§§ 128, 130 HGB) und daher die heute noch bestehenden Ansprüche der Gläubiger auch nach seinem Ausscheiden und der damit verbundenen Auflösung der Gesellschaft mindestens bis zum Ablauf von fünf Jahren nach diesem Zeitpunkt erfüllen muss (§§ 159, 160 HGB). Zu solchen Verbindlichkeiten können grundsätzlich auch öffentlich-rechtliche Forderungen gegenüber der Gesellschaft gehören, wie sich bereits aus § 160 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 HGB ergibt (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl. 2000, RdNr. 2 zu § 128, RdNr. 4 zu § 160). Dementsprechend können z.B. alle Arten steuerrechtlicher Zahlungsansprüche auf der Grundlage des § 191 Abs. 4 AO i.V.m. § 128 HGB durch Haftungsbescheide gegenüber OHG-Gesellschaftern geltend gemacht werden (vgl. BFH vom 6. 3. 1985, BStBl II 1985, 541; vom 24. 2. 1987, BStBl II 1987, 363; zu sonstigen Geldschulden Wochner, BB 1980, 1757 ff.).

1.2. Ob auch die aus der Verursachung einer Altlast erwachsende, mit dem In-Kraft-Treten des Bundes-Bodenschutzgesetzes (1. 3. 1999) erstmals bundesrechtlich normierte Sanierungsverpflichtung (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG) bzw. die ihr vorgelagerte Verpflichtung zur Durchführung von Detailuntersuchungen (§ 9 Abs. 2 BBodSchG) als eine derartige "Verbindlichkeit" der OHG anzusehen ist, für die ein Gesellschafter nach § 128 HGB mit seinem privaten Vermögen haften muss, ist indes fraglich. Sofern es wie hier um keine höchstpersönliche Leistung geht, steht zwar nicht schon der Inhalt des Geforderten einer Haftung des Gesellschafters entgegen (vgl. BGHZ 73, 217/221 f.; OLG Karlsruhe vom 25. 2. 1998, WRP 1998, 898 ff.). Zum Begriff der "Verbindlichkeit" dürfte jedoch gehören, dass die Verpflichtung gegenüber einem ganz bestimmten, zur Forderung berechtigten Gläubiger besteht, so dass darin die Kehrseite eines obligatorischen Anspruchs im Sinne des § 194 BGB liegt. Daran fehlt es möglicherweise, wenn die OHG zwar wie hier eine Umweltgefahr verursacht bzw. gegen bodenschutzrechtliche Verhaltensnormen verstößt, ihr gegenüber aber keine zu konkreten Maßnahmen verpflichtende ordnungsbehördliche Verfügung ergeht. Die bloß "abstrakte" Polizeipflichtigkeit eines Verhaltensstörers nach allgemeinem Sicherheitsrecht oder nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz stellt, wie in der Diskussion um eine mögliche Verjährung ganz überwiegend vertreten wird, noch keinen Anspruch des Staates gegenüber dem Bürger dar (VGH BW vom 4. 3. 1996, UPR 1996, 239/240; Martensen, NVwZ 1997, 442/444; Schink, DÖV 1999, 797/804; Erbguth/Stollmann, DVBl 2001, 601/607; Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2000, RdNr. 106 zu § 4; vgl. auch Papier, DVBl 1985, 873/879; JZ 1994, 810/817). Es liegt zumindest nahe, dass dann auch noch keine Verbindlichkeit im Sinne des § 128 HGB angenommen werden kann, für die ein OHG-Gesellschafter haften müsste (so zu § 25 HGB nach früherem hessischen Altlastenrecht HessVGH vom 9. 9. 1999, DVBl 2000, 210/212).

1.3. Dieses Problem bedarf hier aber keiner weiteren Vertiefung, da sich schon aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszusammenhang des Bundes-Bodenschutzgesetzes ergibt, dass der Kreis der als sanierungspflichtig bezeichneten Personen (§ 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG) nicht durch einen Rückgriff auf § 128 HGB erweitert werden kann.

Die während des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommenen Änderungen am ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung für ein Bodenschutzgesetz (BT-Dr 13/6701 S. 9) lassen hinsichtlich der Adressaten bodenschutzrechtlicher Pflichten den Willen erkennen, die bisher nach allgemeinem Sicherheitsrecht bestehenden Unklarheiten aufzulösen und verbleibende Regelungslücken bei der Heranziehung der Verantwortlichen zu schließen. Auf Vorschlag des Bundesrats (BT-Dr 13/6701 S. 51 f.) wurden daher zusätzlich zum Verursacher und zum Eigentümer bzw. Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück noch der Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers, der bösgläubige frühere Eigentümer, der nach Handels- oder Gesellschaftsrecht für bestimmte juristische Personen Einstandspflichtige sowie derjenige, der das Eigentum an einem belasteten Grundstück aufgibt, in den Kreis der pflichtigen Personen aufgenommen. Schon aus dieser gesonderten Erfassung sehr verschiedener Fallkonstellationen muss der Schluss gezogen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für Altlasten im Bundes-Bodenschutzgesetz abschließend geregelt werden sollte (BVerwG vom 16.5.2000, DVBl 2000, 1353/1355 f.; HessVGH a.a.O., 211 f.; VG Sigmaringen vom 3.7.2003, 5 K 848/03 [zu § 28 HGB]). Die "katalogartige" Aufzählung der sanierungspflichtigen Personen in § 4 Abs. 3 BBodSchG und das differenzierte System von Voraussetzungen, unter denen sie jeweils in Anspruch genommen werden können, bestätigen diesen Grundsatz (BVerwG vom 23. 9. 2004, 7 C 22/03).

Insbesondere die Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 4 BBodSchG, die an bestimmte handels- oder gesellschaftsrechtliche Einstandsverpflichtungen bei juristischen Personen anknüpft (näher Becker, DVBl. 1999, 134 ff.), schließt im vorliegenden Fall den unvermittelten Rückgriff auf § 128 HGB als Grundlage einer Sanierungspflicht aus (vgl. BVerwG vom 16. 5. 2000, DVBl 2000, 1353/1356 zum ähnlich gelagerten Fall einer Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB). Die genannte Bestimmung gilt nach ihrem klaren Wortlaut von vornherein nur für solche Fälle, in denen eine juristische Person (AG, GmbH etc.) als Inhaberin eines belasteten Grundstücks und damit in der Rolle als Zustandsstörerin sanierungspflichtig ist. Bei einer Personengesellschaft (OHG, KG etc.), die wie hier als Verursacherin einer Altlast und damit als Verhaltensstörerin sanierungspflichtig ist, scheidet die in § 4 Abs. 3 Satz 4 BBodSchG vorgesehene Haftungserweiterung auf einstandspflichtige Gesellschafter damit von vornherein aus (vgl. Giesberts in: Fluck, BBodSchG, RdNr. 277 u. 278 m.w.N.). Zudem bezieht sich die Vorschrift nach den Gesetzesmaterialien (BT-Dr 13/6701 S. 51 f.) nur auf ganz spezielle Fallgruppen einer gesellschaftsrechtlichen Durchgriffshaftung (Unterkapitalisierung; qualifizierte Konzernabhängigkeit). Sie kann daher schwerlich als gesetzlicher Ausdruck eines ungeschriebenen allgemeinen Grundsatzes der bodenschutzrechtlichen Heranziehung zivilrechtlich haftender Personen verstanden werden (a. A. offenbar Bickel, BBodSchG, 2. Aufl. 2000, RdNr. 28 zu § 4). Gegen eine solche Deutung des § 4 Abs. 3 Satz 4 BBodSchG spricht nicht zuletzt die Tatsache, dass die anfangs vorgeschlagene, ersichtlich überschießende Textfassung ("... wer aus handelsrechtlichem, gesellschaftsrechtlichem oder sonstigem Rechtsgrund ... einzustehen hat"; BT-Dr 13/6701 S. 51 - Hervorhebung nur hier) im späteren Vermittlungsverfahren entsprechend der nunmehr geltenden Fassung eingeschränkt worden ist (BT-Dr 13/9637 S. 2); danach lassen sich auch aus dem Gesetzeswortlaut keine Zweifel am Ausnahmecharakter der Vorschrift mehr ableiten.

Unabhängig von diesem Auslegungsergebnis hätte eine eventuelle Absicht des Gesetzgebers, die Haftung von OHG- oder KG-Gesellschaftern nach § 128 HGB als Grundlage für bodenschutzrechtliche Anordnungen ausreichen zu lassen, schon aufgrund allgemeiner rechtsstaatlicher Erfordernisse im Gesetz sehr viel deutlicher zum Ausdruck kommen müssen. Die Inanspruchnahme des Bürgers durch die Verwaltung bedarf wegen ihres Eingriffscharakters grundsätzlich einer hinreichend bestimmten öffentlich-rechtlichen Gesetzesgrundlage (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl. 1997, RdNr. 30 f. zu Art. 20 m.w.N.). Ordnet eine sicherheitsrechtliche Befugnisnorm den Durchgriff auf eine hinter dem (Verhaltens- oder Zustands-) Störer stehende Person nicht ausdrücklich an, so vermag die bloße Existenz zivilrechtlicher Haftungsnormen den Eingriff nicht zu legitimieren (vgl. Giesberts, a.a.O., RdNr. 268). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Behörden im Unterschied zu privaten Gläubigern grundsätzlich die Möglichkeit haben, durch eigene (u. U. sofort vollziehbare) Hoheitsakte ihre Ansprüche gegenüber dem Bürger durchzusetzen.

Angesichts der daraus resultierenden (Bestimmtheits-) Anforderungen wäre eine stillschweigende Ermächtigung der Bodenschutzbehörden zur Heranziehung von Gesellschaftern nach § 128 HGB allenfalls hinnehmbar, wenn dies der schon vor Erlass des Bundes-Bodenschutzgesetzes geltenden Gesetzeslage entspräche oder bisher zumindest gewohnheitsrechtlich anerkannt gewesen wäre. Eine derartige Feststellung lässt sich aber weder allgemein für das Sicherheits- und Ordnungsrecht noch speziell für den Bereich der Altlastensanierung treffen. Die vor Erlass der bundeseinheitlichen Regelung angewandten Vorschriften über die möglichen Adressaten einer Sanierungsanordnung (z.B. Art. 68 Abs. 1 Satz 2 und 3 BayWG i.V.m. Art. 9 LStVG) sahen über die Aufzählung im heutigen § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG hinaus zwar einzelne Erweiterungen der Störerhaftung vor, etwa in Form der sog. Zusatzverantwortlichkeit des Geschäftsherrn für seinen Verrichtungsgehilfen (Art. 9 Abs. 1 Satz 4 LStVG; zu dieser Haftungslücke im BBodSchG Schlabach/Heck, VBlBW 2001, 46/51 f.; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 2000, RdNr. 265 ff.). Für eine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit von OHG- oder KG-Gesellschaftern finden sich aber in den allgemeinen Vorschriften keine speziellen Anhaltspunkte. Während die analoge Anwendung der ebenfalls zivilrechtlichen Zurechnungsnorm des § 31 BGB auf handelsrechtliche Personengesellschaften im Sicherheitsrecht grundsätzlich anerkannt ist (vgl. OVG NRW vom 6. 9. 1993, NVwZ-RR 1994, 386/387; VGH BW vom 6.10.1995, UPR 1996, 196/197 m.w.N.; Giesberts, a.a.O., RdNr. 220 zu § 4), lässt sich für eine Anwendbarkeit des § 128 HGB auch für die Zeit vor Erlass des Bundes-Bodenschutzgesetzes kein vergleichbarer Konsens feststellen. Verschiedene Äußerungen in Rechtsprechung und Schrifttum betonen vielmehr den allgemeinen Grundsatz, dass es bei der Bestimmung der polizeipflichtigen Personen auf eine mögliche zivilrechtliche Verantwortlichkeit nicht ankomme (HessVGH vom 24.8.1994, UPR 1995, 198; Kothe, UPR 1999, 96/97 m.w.N.; Antweiler/Probst, UPR 2002, 206/207; a. A. Schlabach/Simon, NVwZ 1992, 143/146; Landel/Vogg/Wüterich, BBodSchG, RdNr. 109 zu § 4).

1.4. Die hier vertretene Rechtsauffassung hat nicht zur Folge, dass die persönlich haftenden Gesellschafter nach gegenwärtiger Gesetzeslage von den Kosten der Beseitigung einer durch die OHG oder KG verursachten Altlast in jedem Falle verschont blieben. Eine Transformation der zivilrechtlichen Gesellschafterhaftung in eine öffentlich-rechtliche (vgl. BVerwG vom 7. 7. 1989, NJW 1990, 590; OVG Frankfurt/O. vom 12.8.1998, NJW 1998, 3513/3514) ist zwar bisher nicht auf der Primärebene des Bodenschutzrechts, wohl aber auf der Ebene des Verwaltungskostenrechts erfolgt. Nach Art. 2 Abs. 2 KG ist Kostenschuldner auch derjenige, der für die Kostenschuld einer anderen Person kraft Gesetzes haftet. Hierzu zählen u.a. die nach § 128 HGB einstandspflichtigen Mitglieder einer Personengesellschaft (Rott/Birkner, Verwaltungskostenrecht, KG, RdNr. 7 zu Art. 2). Ihre Inanspruchnahme setzt freilich voraus, dass zuvor gegenüber der Gesellschaft eine konkrete Kostenforderung - z.B. aufgrund behördlicher Ersatzvornahme (Art. 32 BayVwZVG) - entstanden und durch Bekanntgabe eines entsprechenden Kostenbescheids fällig geworden ist (Art. 15 KG, vgl. Rott/Birkner, a.a.O.). Dieser Weg entfällt daher, wenn sich die Gesellschaft auflöst, ehe ein solcher Bescheid ergeht. Dient die Auflösung jedoch nur dazu, sich einer behördlichen Anordnung oder einer zu erwartenden Kostenforderung zu entziehen, so kann sie gemäß § 138 BGB unwirksam sein mit der Folge, dass auch der kostenrechtliche Rückgriff auf die Gesellschafter weiterhin möglich bleibt.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG.



Ende der Entscheidung

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