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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.10.2007
Aktenzeichen: 22 CS 07.2073
Rechtsgebiete: VwGO, BImSchG, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 80a Abs. 3
BImSchG § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 CS 07.2073

In der Verwaltungsstreitsache

wegen immissionsschutzrechtlicher Genehmigung (Antrag nach § 80a Abs. 3 VwGO);

hier: Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 31. Juli 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 5. Oktober 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Beigeladene zu 1 zur Hälfte und die Beigeladenen zu 2 und 3 jeweils zu einem Viertel.

III. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 31. Juli 2007 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die sofortige Vollziehung des Bescheids des Landratsamts B******* vom 25. Mai 2007, mit dem der Antragstellerin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windkraftanlagen des Typs Enercon E-70 E 4 auf den Grundstücken Fl.Nrn. 43 und 256 der Gemarkung L********** als gemeinsamer Anlage erteilt wurde. Die Nennleistung je Windkraftanlage beträgt 2.000 kW. Die Windkraftanlagen weisen jeweils eine Nabenhöhe von 113,5 m und einen Rotordurchmesser von 71 m auf.

Die Beigeladenen sind Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. 183/5 und 183/6 der Gemarkung L********* , die jeweils mit Wohnhäusern bebaut und ca. 740 m von der ersten Windkraftanlage bzw. ca. 560 m von der zweiten Windkraftanlage entfernt sind. Die Grundstücke der Beigeladenen liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 7 "********" der Stadt G****** vom 24. April 1975, der als Gebietsart ein allgemeines Wohngebiet (WA) festsetzt. Die Beigeladenen haben jeweils Klage gegen den Bescheid vom 25. Mai 2007 zum Verwaltungsgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Auf Antrag der Antragstellerin ordnete das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 31. Juli 2007 die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 25. Mai 2007 an.

Die Beigeladenen haben Beschwerde eingelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von den Beigeladenen dargelegten Gründe, auf die die Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

1. Die von den Beschwerdeführern gegen die Zulässigkeit des von der Antragstellerin beim Verwaltungsgericht gestellten Antrags auf Anordnung der sofortigen Vollziehung vorgebrachten Bedenken greifen nicht. Für einen solchen Antrag ist weder erforderlich, dass ein Genehmigungsverfahren aus Gründen, die die Behörde zu vertreten hat, übermäßig lange gedauert hat, noch, dass von Seiten der Antragstellerin in jedem Fall vorweg eine behördliche Entscheidung über die Anordnung des Sofortvollzugs herbeigeführt wird. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 30.5.2005 Az. 22 CS 05.602 -juris-) zu Recht darauf abgestellt, dass das Landratsamt der Antragstellerin gegenüber zu erkennen gegeben hat, es sei mit der Anhängigkeit der Hauptsacheklage nicht mehr für die Anordnung der sofortigen Vollziehung zuständig, und dass es angesichts dieser behördlichen Reaktion und ihres Interesses an alsbaldigem Rechtsschutz der Antragstellerin nicht angesonnen werden konnte, auf einer behördlichen Entscheidung zu beharren. Soweit die Beschwerdeführer darauf abstellen, die Gründe für einen Sofortvollzug seien auf Seiten der Antragstellerin nicht sehr gewichtig, nachdem sie selbst die Dauer des Genehmigungsverfahrens zu vertreten habe, handelt es sich um eine die Frage der Bewertung der jeweiligen Interessen an der Anordnung des Sofortvollzugs und damit um eine Begründetheitsfrage.

2. Die im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Gesichtspunkte rechtfertigen es nicht, von der Einschätzung des Verwaltungsgerichts abzuweichen, dass ein Erfolg der Beigeladenen in ihren Hauptsacheverfahren nicht hinreichend wahrscheinlich ist.

a) Soweit die Beigeladenen geltend machen, die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei wegen Nichtigkeit des Regionalplans "***********-***" (bzw. wegen eines Verstoßes dagegen), wegen Verstoßes gegen die Landschaftsschutzgebietsverordnung "**************", wegen Verunstaltung des Landschaftsbildes, wegen mangelnder wegemäßiger Erschließung oder wegen ihrer ungenügenden Standsicherheit und des zu geringen Sicherheitsabstands zu einer Hochspannungsleitung rechtswidrig, sind ihre Ausführungen schon deshalb unbeachtlich, weil sie sich auf diese Gesichtspunkte nicht berufen können. Ein Erfolg der erhobenen (Nachbar-)Klagen der Beigeladenen könnte nur dann in Betracht kommen, wenn die der Antragstellerin erteilte Genehmigung gegen Rechtsvorschriften verstoßen würde, die zumindest auch dem Schutz der Beigeladenen dienen. Ein Verstoß gegen ausschließlich im öffentlichen Interesse erlassene Vorschriften wäre demgegenüber unbeachtlich. Die oben genannten Rügen betreffen sämtlich Normen, die nicht drittschützend sind, so dass die Beigeladenen bei etwaigen Verstößen hiergegen nicht in eigenen Rechten verletzt sein könnten (vgl. S. 15 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts; vgl. allgemein Happ in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNrn. 86 ff. zu § 42 und RdNr. 18 zu § 113, m.w.N.). Dies gilt auch für die "Abstandsregelung" im Regionalplan "***********-***", auf die die Beigeladenen wiederholt Bezug nehmen, und zwar schon deshalb, weil es sich hier um keine verbindliche Regelung handelt. Abgesehen davon streiten die Gesichtspunkte der Regionalplanung vorliegend eher für als gegen die Zulässigkeit der Windkraftanlagen, nachdem ihr Standort ausweislich des Regionalplans in einem Vorbehaltsgebiet für Windenergie liegt. Soweit diese Ausweisung unter Verkennung des Umstands erfolgt sein sollte, dass es sich bei dem Baugebiet "********" um ein Wohngebiet handelt, mag diese Ausweisung womöglich nichtig sein. Dies würde aber nicht dazu führen, dass die in der Begründung des Regionalplans als bloßes "Abwägungskriterium" bezeichnete "Abstandsregelung von 800 m" selbst zum verbindlichen Ziel werden und eventuell Drittschutz vermitteln könnte. Bei einer (Teil-)Nichtigkeit des Regionalplans würde sich die Reichweite des Drittschutzes ebenso wie bei der Gültigkeit des Plans aus den einschlägigen Bestimmungen der § 5 BImSchG, § 35 BauGB ergeben.

Soweit die Beigeladenen Wertminderungen ihrer Grundstücke geltend machen, kommt eine Verletzung eigener Rechte und damit die Aufhebung der erteilten Genehmigung gleichfalls unter keinem Gesichtspunkt in Betracht. Gerügt sein könnte damit allenfalls das Eigentumsrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG. Dieses schützt die Nutzbarkeit des Eigentums und die diesbezügliche Verfügungsfreiheit. Hoheitlich bewirkte Minderungen des Marktwertes eines Vermögensgutes berühren aber in der Regel nicht den Schutzbereich des Eigentumsrechts. Dies gilt insbesondere auch für Wertverluste an einem Grundstück, die durch die behördliche Zulassung eines Vorhabens in der Nachbarschaft eintreten (vgl. BVerfG vom 24.1.2007 NVwZ 2007, 805 m.w.N.). Abgesehen davon ist es fraglich, ob die geltend gemachten Wertminderungen tatsächlich eintreten (vgl. S. 15 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts).

b) Die Rüge der Beigeladenen, durch den Betrieb der streitgegenständlichen Windkraftanlagen werde das Maß der ihnen zumutbaren Lärmimmissionen überschritten, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Wie das Verwaltungsgericht richtigerweise ausgeführt hat, stellt die der Antragstellerin erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung in einer den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG entsprechenden Weise sicher, dass durch die Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Beigeladenen nicht hervorgerufen werden können. In der Genehmigung ist bestimmt, dass - ermittelt nach den Bestimmungen des TA Lärm - der Gesamtbeurteilungspegel der von den Windkraftanlagen verursachten Geräusche einschließlich der Vorbelastung durch den Windpark W*********** auf dem Grundstück Fl.Nr. 183/15 der Gemarkung L********** die Immissionsrichtwerte für allgemeine Wohngebiete von 55 dB(A) am Tag und 40 dB(A) in der Nacht nicht überschreiten darf (Ziffer 3.2). Zusätzlich darf nach Ziffer 3.3 des Bescheids der immissionswirksame Schallleistungspegel jeder einzelnen Anlage einen Tageswert von 103 dB(A) und einen Nachtwert von 97,5 dB(A) nicht überschreiten. Das unbebaute Grundstück Fl.Nr. 183/15 liegt im selben Baugebiet wie die Grundstücke der Beigeladenen an dessen nördlichem Rand und - nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts - ca. 120 m näher am Standort der Windkraftanlagen als die Grundstücke Fl.Nrn. 183/5 und 183/6 der Beigeladenen.

Ohne Erfolg beanstanden die Beigeladenen in diesem Zusammenhang zunächst, sie hätten aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse Anspruch auf das Schutzniveau eines reinen Wohngebiets. Maßgebend für die Zuordnung zu den Gebietsarten im Sinne von Nr. 6.1 der TA Lärm sind die Festlegungen in Bebauungsplänen (Nr. 6.6 Satz 1 der TA Lärm). Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass im Rahmen eines Eilverfahrens regelmäßig von der Gültigkeit eines Bebauungsplans auszugehen ist, jedenfalls soweit - wie vorliegend - konkrete Nichtigkeitsgründe nicht dargelegt sind. Selbst wenn der Vortrag der Beigeladenen, im Baugebiet gebe es bisher ausschließlich Wohnhäuser, stimmen sollte, würde dies allein nicht dazu führen, dass die Festsetzung der Gebietsart im Bebauungsplan funktionslos geworden wäre. Dies wäre nur dann der Fall, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die die Festsetzung sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht hätten, der ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließe und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hätte, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nähme (BVerwG vom 29.5.2001 NVwZ 2001, 1055). Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil im Baugebiet noch nicht alle Grundstücke bebaut sind, worauf die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 7. September 2007 unwidersprochen hingewiesen hat.

Entgegen der Ansicht der Beigeladenen sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die beauflagten Werte bei ihnen tatsächlich nicht eingehalten werden könnten. Die Beigeladenen machen in diesem Zusammenhang geltend, die Werte seien ohne nähere Überprüfung durch sachverständige Stellen einfach vorgegeben worden. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Möglichkeit der Einhaltung der Immissionsrichtwerte wurde durch Prognoseberechnungen der Antragstellerin belegt, die vom zuständigen Umweltschutzingenieur des Landratsamts für die wesentlichen Immissionsorte stichprobenartig fachlich überprüft wurden; als Ergebnis hat dieser festgehalten, dass die vorgelegten Lärmprognoseberechnungen in sich schlüssig und korrekt durchgeführt worden seien und keine Bedenken gegen die Anlagen bestünden, wenn die von ihm vorgeschlagenen Auflagen angeordnet würden. Der Vorwurf der Beigeladenen, die Behörde und das Verwaltungsgericht hätten sich ausschließlich auf bloße Angaben und Berechnungen der Antragstellerin bzw. des Herstellers verlassen und diese ungeprüft übernommen, ohne eine Einzelfallprüfung durchzuführen, entbehrt daher der Grundlage. Gleiches gilt für den Vorwurf, das Gericht habe einen Verfahrensfehler begangen, indem es entgegen der Forderung der Beigeladenen kein Sachverständigengutachten eingeholt habe. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass im Rahmen eines summarischen Verfahrens die Einholung eines Sachverständigengutachtens in der Regel ausscheidet. Angesichts der gerade von den Beigeladenen betonten Eilbedürftigkeit des Verfahrens sieht auch der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung, ihren Anträgen auf Anordnung einer Beweisaufnahme zu entsprechen. Im Übrigen bieten die vorliegenden fachlichen Beurteilungen, insbesondere des Umweltingenieurs, eine hinreichende Beurteilungsgrundlage dafür, von einer Erfolglosigkeit der Nachbarklagen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszugehen.

Substantiierte Einwände gegen die Richtigkeit der Prognoseberechnungen und der fachlichen Einschätzung des Umweltingenieurs haben die Beigeladenen nicht vorgebracht; der Verweis auf nicht nachvollziehbare eigene Erfahrungen aus anderen Verfahren oder auf den im Regionalplan verlangten Abstand von 800 m zu Wohngebieten reicht hierzu nicht aus. Insbesondere entbehrt die Annahme der Beigeladenen, die berechneten Beurteilungspegel müssten immer mit Sicherheitszuschlägen, insbesondere Impuls- oder Tonhaltigkeitszuschlägen, versehen werden, einer hinreichenden Grundlage. Der Umweltingenieur des Landratsamts hat aufgrund der ihm vorliegenden Messberichte und aufgrund von Aussagen entsprechender Fachleute vom Landesamt für Umweltschutz dargelegt, dass das Anlagengeräusch vorliegend weder tonhaltig sei noch nennenswerte tieffrequente Anteile (sog. Infraschall) besitze. Die Richtigkeit dieser Annahme wird durch das von den Beigeladenen in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 2007 (Az. 4 C 2.07) nicht infrage gestellt. Zum einen war das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht an die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, ein Gutachter habe in dem dort zu entscheidenden Fall zu Recht den Impulszuschlag berücksichtigt, gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO); zum anderen gibt es verschiedene Arten von Windkraftanlagen, und es kann sich im dortigen Streitfall nicht - wie vorliegend - um Windkraftanlagen mit "pitch"-Steuerung, sondern mit sogenannter "stall"-Steuerung gehandelt haben, worauf zu Recht der Antragsgegner hinweist (vgl. Schreiben vom 5.9.2004 S. 4). Auch der in diesem Urteil angesprochene Messabschlag ist vorliegend nicht von Bedeutung, da der immissionsschutzfachlichen Beurteilung der Windkraftanlagen keine Messungen, sondern eine Prognoseberechnung zugrunde liegt. Soweit diese Berechnung auf Vergleichsmessungen an einer vergleichbaren Anlage beruht (Schallleistungspegel in reduzierter Betriebsweise), handelt es sich nicht um (Überwachungs-)Messungen, und es wurde zur Bildung eines Vertrauensbereichs im Gegenteil kein Abschlag, sondern ein Zuschlag in Höhe von 2 dB(A) auf den vermessenen Wert berücksichtigt (vgl. Schreiben des Antragsgegners vom 5.9.2007 S. 4). Ein bloßes Bestreiten der Wirksamkeit der im Bescheid angeordneten Leistungsreduktion genügt nicht, um die fachlich fundierten Annahmen des Umweltingenieurs infrage zu stellen.

Hinzu kommt, dass sich die Lärmprognosen auf das ca. 120 m näher am Standort der Windkraftanlagen befindliche Grundstück Fl.Nr. 183/15 beziehen; schon der hierfür prognostizierte nächtliche Beurteilungspegel von 37 dB(A) erscheint, wie es die Beigeladenen fordern, als auf der sicheren Seite liegend. Aufgrund des größeren Abstands verringert sich der Wert an den maßgeblichen Immissionsorten der Grundstücke der Beigeladenen nach den Berechnungen des Umweltingenieurs auf 36,3 dB(A) (vgl. Schreiben des Antragsgegners vom 5.9.2007 S. 4 f.). Entgegen der Ansicht der Beigeladenen kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die beauflagten Immissionswerte am Rande des Wohngebiets (Abstand zu den Windkraftanlagen ca. 430 m) eingehalten werden können, sondern ausschließlich darauf, ob dies an den Grundstücken der Beigeladenen (Abstand ca. 560 m) der Fall ist. Soweit die Beigeladenen zu 2 und 3 mit Schreiben vom 1. Oktober 2007 erstmals vortragen, sie seien noch Eigentümer eines weiteren unbebauten Grundstücks, das sich näher am Standort der Windkraftanlagen befinde, ist dieser Vortrag schon deshalb nicht berücksichtigungsfähig, weil er nicht innerhalb der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erfolgt ist.

c) Den Beigeladenen kann auch nicht darin gefolgt werden, dass von dem Vorhaben eine "erdrückende Wirkung" ausgeht und deshalb das bauplanungsrechtliche drittschützende Gebot der Rücksichtnahme verletzt sei. Das Verwaltungsgericht durfte bei dieser Beurteilung die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster (Urteil vom 9.8.2006 DVBl 06, 1532) heranziehen, die vom Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 11.12.2006 NVwZ 2007, 336) bestätigt wurde. Danach kann von Windkraftanlagen durch die Drehbewegungen ihrer Rotoren eine optisch bedrängende Wirkung auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen, die in Einzelfällen zu einer Verletzung des in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB verankerten Gebots der Rücksichtnahme führen kann. Soweit die Beigeladenen meinen, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster sei nicht übertragbar, weil es sich dort um einen anderen Typ einer Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von nur 99,5 m sowie ein benachbartes Wohnhaus im Außenbereich gehandelt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Das Verwaltungsgericht hat diese Unterschiede nicht verkannt, sondern anhand der konkreten Fallgestaltung eine genaue Einzelfallprüfung des streitgegenständlichen Vorhabens durchgeführt. Seine Einschätzung, das Gebot der Rücksichtnahme sei vorliegend nicht verletzt, ist durch die Beschwerdebegründung nicht infrage gestellt und wird vom Verwaltungsgerichtshof geteilt.

Den Beigeladenen kann bereits in ihrem Ansatz nicht gefolgt werden, dass vorliegend von einem maßgeblichen Abstand zu den Windkraftanlagen von unter dem Dreifachen der Gesamthöhe der Anlagen (Nabenhöhe und 1/2 Rotordurchmesser = 149 m) auszugehen sei, was nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster eine besonders intensive Einzelfallprüfung erforderlich mache. Die Beigeladenen legen bei dieser Beurteilung zu Unrecht den Abstand der Anlagen zum Ortsrand des Wohngebiets zugrunde, der 430 m beträgt. Abzustellen ist demgegenüber ausschließlich auf den Abstand zwischen den Wohnhäusern der Beigeladenen und der nächstgelegenen Windkraftanlage, also auf einen Abstand von ca. 560 m. Der Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts, dass vorliegend von einem Abstand von weit mehr als dem Dreifachen der Gesamthöhe der Windkraftanlagen (447 m) auszugehen ist, für den die zugrunde gelegte Rechtsprechung tendenziell von keiner optisch bedrängenden Wirkung von Anlagen ausgeht, ist somit richtig.

Aufgrund der zutreffenden Einordnung dieses Kriteriums als bloßen "groben Anhaltswert" hat das Verwaltungsgericht die gebotene Einzelfallprüfung durchgeführt und dabei als Besonderheit berücksichtigt, dass die Standorte der Windkraftanlagen etwa 50 m höher liegen als die Grundstücke der Beigeladenen. Diesen Höhenunterschied hat es aufgrund der Bewertung der weiteren konkreten örtlichen Gegebenheiten als nicht so bedeutend angesehen, dass er zu einer Unzumutbarkeit der Anlagen für die benachbarten Wohngrundstücke führen müsste. Es hat dabei berücksichtigt, dass die optischen Einwirkungen der Windkraftanlagen dadurch abgemildert werden, dass die Grundstücke der Beigeladenen von eingeschossiger Wohnbebauung umgeben sind, dass die gesamte Bebauung im Wohngebiet seiner Firstrichtung nach nach Nordosten hin ausgerichtet ist und - bezogen auf die Firstachse der Hauptgebäude auf den Grundstücken - die Windkraftanlagen um etwa 35° bis 45° versetzt liegen. Weiterhin hat es berücksichtigt, dass die (wesentlichen) Nutzungen auf den Grundstücken dem Sonnenlauf entsprechend nach Südosten hin ausgerichtet sind und nach den genehmigten Bauplänen sowohl die Räumlichkeiten in den Gebäuden als auch deren Außenwohnbereiche klar nach Südosten und Süden und damit genau entgegengesetzt zum Standort der Windkraftanlagen orientiert sind. Als weitere Gesichtspunkte hat es herangezogen, dass die Windkraftanlagen am Horizont nur begrenzt sichtbar sein werden, und zwar im Norden, also in der am wenigsten attraktiven Himmelsrichtung, und zudem die Rotordrehflächen aufgrund wechselnder Windrichtungen nicht ständig mit ihrer vollen Fläche dem Wohngebiet zugewendet sein werden. Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts werden in ihrem maßgeblichen Gehalt durch die Beschwerdebegründung nicht in durchgreifender Weise infrage gestellt. Soweit dort angeführt wird, es hätten zwischenzeitlich Umbauten bzw. Umnutzungen in den Wohngebäuden der Beigeladenen stattgefunden, erscheint dies kaum von Relevanz, da diese in ihrem Ausmaß nicht besonders gravierend sind und ggf. im Wege der architektonischen Selbsthilfe jedenfalls teilweise wieder rückgängig gemacht werden könnten. Sie ändern auch nichts an der grundsätzlich günstigen Stellung der Gebäude und der Orientierung der wesentlichen Nutzungen nach Süden bzw. Südosten. Hinzu kommt, dass aufgrund der Hauptwindrichtung bzw. wechselnder Windrichtungen die volle Rotorfläche nur ganz selten zu sehen sein wird, und dies in der wenig attraktiven Nordrichtung.

3. Bei der Bewertung der maßgeblichen Interessen in Bezug auf die Anordnung des Sofortvollzugs sind die Interessen der Antragstellerin höher zu bewerten als die der Beigeladenen. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Interessen der Beigeladenen nicht besonders schwer wiegen, nachdem ihre Hauptsacheklagen mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben werden. Demgegenüber ist neben den vom Verwaltungsgericht genannten, für die Antragstellerin streitenden privaten Interessen, die die Wirtschaftlichkeit ihres Vorhabens betreffen, auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin ein Vorhaben zur Erzeugung erneuerbarer Energien mittels Nutzung der Windkraft verwirklichen will, an deren alsbaldiger Erschließung ein hohes öffentliches Interesse besteht, das auch in der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 2 EEG Ausdruck gefunden hat; danach soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2010 auf mindestens 12,5% und bis zum Jahr 2020 auf mindestens 20% erhöht werden (vgl. BayVGH vom 4.5.2007 Az. 22 CS 07.381 bezogen auf die Wasserkraft).

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 63 Abs. 3 GKG.

Das für die Antragstellerin maßgebliche Interesse an dem vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren, das für den Streitwert bestimmend ist, ist ihr wirtschaftliches Interesse an einer raschen Ausführung ihres genehmigten Vorhabens. Dieses Beschleunigungsinteresse ist nur insoweit beachtlich, als die Verwirklichung ihres Vorhabens durch die Einlegung von Rechtsmitteln mit aufschiebender Wirkung verhindert wird. Dies ist nur in Bezug auf die Anfechtungsklagen der Beigeladenen der Fall, nur in Bezug auf diese Nachbarklagen ist eine Überwindung der aufschiebenden Wirkung von Nöten. Demgemäß erscheint es sachgerecht, den Streitwert der diesbezüglichen Hauptsacheklagen im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu berücksichtigen, jedenfalls soweit genaue Anhaltspunkte für den konkreten Verzögerungsschaden nicht ersichtlich sind. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich deshalb insoweit dem Verwaltungsgericht an, als er sich an Ziffern 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Klage eines drittbetroffenen Privaten) orientiert. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist jedoch für die Hauptsache nicht ein Streitwert von 15.000 Euro, sondern, nachdem zwei Nachbargrundstücke verschiedener Eigentümer betroffen sind, von 30.000 Euro anzunehmen (Ziffer 1.3.3 des Streitwertkatalogs); eine Rechtsgemeinschaft im Sinne dieser Ziffer liegt entgegen der Annahme des Antragsgegners nicht vor. Ausgehend von diesem Hauptsachestreitwert war für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs eine Halbierung vorzunehmen und ein Streitwert für beide Rechtszüge von jeweils 15.000 Euro anzusetzen; insoweit war der Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern. Eine Orientierung an Ziffer 19.1.1 des Streitwertkatalogs (2,5% der Investitionssumme bei Klage des Betreibers auf Genehmigung), wie von der Antragstellerin angeregt, erschien demgegenüber nicht sachgerecht; die Antragstellerin hat nur noch ein Interesse auf Beschleunigung und nicht mehr ein weit höher zu bewertendes Interesse auf Erteilung der Genehmigung für ihr Vorhaben.

Ende der Entscheidung

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