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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.03.2008
Aktenzeichen: 22 CS 08.56
Rechtsgebiete: VwGO, BImSchG, DIN 45691


Vorschriften:

VwGO § 80 a
VwGO § 80 Abs. 5
BImSchG § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
DIN 45691 Abschnitt 5 Absatz 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 CS 08.56

In der Verwaltungsstreitsache

wegen immissionsschutzrechtlicher Genehmigung;

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. Dezember 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

ohne mündliche Verhandlung am 19. März 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 13. Dezember 2007 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz in Bezug auf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, die der Antragsgegner der Beigeladenen, einem Holzverarbeitungsbetrieb, unter dem 9. August 2007 zur Errichtung und zum Betrieb eines Biomasse-Heizwerks auf dem Grundstück FlNr. 1278 Gemarkung A*** erteilt hat.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 543/15 Gemarkung A***. Das unbebaute Grundstück liegt am östlichen Ortsrand von A*** im Geltungsbereich des am 22. Dezember 2000 bekannt gemachten Bebauungsplans "A***-An der Römerkesselstraße", der ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Südöstlich davon, in einem Abstand von ca. 800 m, befinden sich die Grundstücke der Beigeladenen. Das genehmigte Biomasse-Heizwerk ist Teil einer geplanten Betriebserweiterung östlich des bestehenden Holzverarbeitungsbetriebs der Beigeladenen, die u.a. auch eine Pelletieranlage beinhaltet, die mit bestandskräftigem Bescheid vom 5. Juli 2007 baurechtlich genehmigt wurde. Die Erweiterungsflächen liegen im Geltungsbereich eines am 17. August 2007 öffentlich bekannt gemachten vorhabenbezogenen Bebauungsplans "?Sondergebiet Holzverarbeitung' mit Grünordnungsplan, 1. Änderung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans 'Biomasseheizkraftwerk'" der Gemeinde F*******.

Der immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid vom 9. August 2007, der u.a. zahlreiche Auflagen zum Lärmschutz enthält, wurde mit Bescheid vom 15. November 2007 für sofort vollziehbar erklärt. Den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner rechtzeitig gegen den Bescheid erhobenen Anfechtungsklage lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. Dezember 2007 ab.

Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.

Der Antragsgegner und die Beigeladene treten der Beschwerde entgegen.

Mit Beschluss vom 28. Februar 2008 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Anträge u.a. des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO auf vorläufige Außervollzugsetzung des am 17. August 2007 öffentlich bekannt gemachten vorhabenbezogenen Bebauungsplans abgelehnt (Az. 1 NE 07.2946 und 1 NE 07.2981).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die vom Antragsteller rechtzeitig dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

Die vom Antragsteller vorgebrachten Einwendungen, die ausschließlich die Frage der schalltechnischen Lärmeinwirkungen der genehmigten Anlage auf sein Grundstück betreffen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG), lassen den Verwaltungsgerichtshof nicht zu der Einschätzung gelangen, sein Rechtsbehelf werde aller Voraussicht nach Erfolg haben. Seine diesbezüglichen Einwände sind nicht durchgreifend.

Dies gilt zunächst insoweit, als der Antragsteller vorträgt, er habe einen weitergehenden Anspruch als auf das Lärmschutzniveau eines allgemeinen Wohngebiets, das im Bebauungsplanverfahren und in dessen Folge dem Genehmigungsbescheid vom 9. August 2007 zu Grunde gelegt worden sei. Er meint, er hätte Anspruch auf das Schutzniveau eines reinen Wohngebiets und leitet dies daraus ab, dass der Bebauungsplan "A***-An der Römerkesselstraße" mangels Ausfertigung nicht in Kraft getreten sei. Unabhängig davon, ob sein diesbezüglicher Vortrag dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entspricht, ist er jedenfalls in der Sache nicht durchgreifend. Zum einen ist davon auszugehen, dass der Bebauungsplan, in dessen Bereich sein Grundstück gelegen ist, ordnungsgemäß ausgefertigt ist. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2008 (Az. 1 NE 07.2946 u.a. - Beschlussabdruck S. 27 f.) an, dass der Bebauungsplan durch Unterschrift des ersten Bürgermeisters am 18. Dezember 2000 unmittelbar unter dem Satzungstext rechtzeitig vor der Bekanntmachung (22.12.2000) ausgefertigt und die fehlende Unterschrift auf der Planzeichnung unschädlich ist. Zum anderen hätte der Antragsteller selbst bei einer Unwirksamkeit des Bebauungsplans keinen höheren Schutzanspruch. Denn in diesem Fall läge sein am äußersten Ortsrand gelegenes unbebautes Grundstück nach Aktenlage im Außenbereich (§ 35 BauGB). Auch insoweit folgt der Verwaltungsgerichtshof der Einschätzung im Beschluss vom 28. Februar 2008 (a.a.O. - Beschlussabdruck S. 28); substantiierte Einwendungen hiergegen hat der Antragsteller nicht vorgebracht.

Auch soweit der Antragsteller meint, der vorhabenbezogene Bebauungsplan für die Erweiterungsflächen hätte ihm durch die Festlegung der Lärm-Emissionskontingente in Nrn. 7.1 und 7.2 der Satzung im Hinblick auf Lärmimmissionen im Vergleich zu den Anforderungen der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) einen höheren Schutzanspruch eingeräumt, kann ihm nicht gefolgt werden. Es ist weder hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich, dass der Normgeber der Nachbarschaft einen über den Schutz des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG i.V. mit den diesen konkretisierenden Festlegungen in der TA Lärm hinausgehenden Schutzanspruch einräumen wollte. Der Verwaltungsgerichtshof folgt auch insoweit den Ausführungen im Beschluss vom 28. Februar 2008 (a.a.O. - Beschlussabdruck S. 26), wonach den dem Plangebiet benachbarten Gebieten nach dem Willen des Gemeinderats jeweils ein Schutzanspruch entsprechend den Immissionsrichtwerten eingeräumt werden sollte, die in Nr. 6.1 der TA Lärm für diese Baugebiete vorgesehen sind. Dieser nachvollziehbaren, aus der Begründung des Bebauungsplans abgeleiteten Auslegung hat der Antragsteller nicht substantiiert widersprochen.

Gleichfalls nicht durchdringen kann der Antragsteller mit seiner Rüge, das genehmigte Biomasse-Heizwerk verursache deshalb schädliche Lärmeinwirkungen auf seinem Grundstück, weil das zulässige nächtliche Immissionskontingent von 27,1 dB (A) bereits durch die genehmigte Pelletieranlage ausgeschöpft sei. Mit dieser Rüge verkennt der Antragsteller, dass durch die Auflagen zum Lärmschutz (Nr. 3.3) im Genehmigungsbescheid vom 9. August 2007 sichergestellt ist, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 Buchst. d der TA Lärm auf seinem Grundstück durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht überschritten werden können. Denn in Nr. 3.3.4 der Auflagen zum Lärmschutz ist geregelt, dass die Beurteilungspegel sämtlicher vom Heizwerk ausgehenden Lärmimmissionen am nächstgelegenen Immissionsort im Wohngebiet des Antragstellers die Immissionsrichtwertanteile von 40 dB(A) tags und 25 dB(A) nachts nicht überschreiten dürfen. Durch diese Auflage ist sichergestellt, dass das genehmigte Heizwerk die maßgeblichen Immissionsrichtwerte von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts am Grundstück des Antragstellers um mindestens 15 dB(A) unterschreitet und daher unterhalb der Relevanzgrenze nach Abschnitt 5 Absatz 5 der den Berechnungen der Geräuschkontingentierung des Bebauungsplans zu Grunde gelegten DIN 45691 bleibt. Bei der Einhaltung der Relevanzgrenze ist aber sichergestellt, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte durch den Immissionsbeitrag des Heizwerks nicht überschritten werden (vgl. auch Beschluss vom 28.2.2008 a.a.O. - Beschlussabdruck S. 31). Wie bei Nr. 2.2 Buchst. a der TA Lärm, nach der eine Fläche dann außerhalb des Einwirkungsbereichs einer Anlage liegt, wenn die Anlage dort einen Beurteilungspegel von weniger als 10 dB(A) unter dem für die Fläche maßgebenden Immissionsrichtwert verursacht, kann bei Einhaltung der o.g. Relevanzgrenze durch eine Anlage davon ausgegangen werden, dass deren Immissionsbeitrag unabhängig von einer etwa bestehenden Vorbelastung irrelevant ist (vgl. Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band II, RdNrn. 14 f. zu Nr. 3 der TA Lärm). Dafür, dass die in Nr. 3.3.4 des Genehmigungsbescheids beauflagten Immissionsrichtwertanteile durch das genehmigte Heizwerk tatsächlich nicht eingehalten werden könnten, liegen keine Anhaltspunkte vor. In dem im Genehmigungsverfahren erstellten schalltechnischen Gutachten vom 29. Juni 2007 wird nur ein tatsächlicher Beurteilungspegel des Heizwerks am maßgeblichen Immissionsort im Wohngebiet des Antragstellers von 20,5 dB(A) tags und 16,9 dB(A) nachts errechnet (vgl. Tabelle 11, S. 23 des Gutachtens). Substantiierte Einwendungen gegen die Richtigkeit dieses Gutachtens sind insoweit nicht vorgebracht oder sonst ersichtlich. Soweit der Antragsteller rügt, im Schallgutachten vom 29. Juni 2007 seien zahlreiche Schallquellen nicht berücksichtigt worden bzw. Verstöße gegen Vorgaben des Anhangs zur TA Lärm festzustellen, ist dies vorliegend nicht von maßgeblicher Bedeutung. Denn bei einer verbindlichen Sicherstellung der Einhaltung der Relevanzgrenze ist garantiert, dass durch die Zusatzbelastung der genehmigten Anlage eine Überschreitung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte nicht stattfindet, ohne dass es auf die (ordnungsgemäße) Ermittlung der anderen Lärmquellen ankäme; im Übrigen konnte der Verwaltungsgerichtshof bezogen auf die im Bebauungsplanverfahren vom gleichen schalltechnischen Büro erstellten Gutachten die vom Antragsteller gerügten Fehler weitgehend nicht feststellen (BayVGH vom 28.2.2008 a.a.O. - Beschlussabdruck S. 28 ff.).

Aufgrund der aus obigen Ausführungen resultierenden Schlussfolgerung, dass die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers nur als gering zu beurteilen sind, kommt es auf die Einwendungen des Antragstellers gegen die vom Verwaltungsgericht durchgeführte Interessenabwägung nicht mehr an. Denn die vom Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Eilverfahren anzustellende Interessenabwägung im dreipoligen Rechtsverhältnis zwischen Genehmigungsbehörde, Anlagenbetreiberin und Drittanfechtungskläger wird vorrangig bestimmt von der Prüfung der Verletzung drittschützender Normen durch die streitgegenständliche Genehmigung und den danach zu beurteilenden Erfolgsaussichten der Nachbarklage (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und fällt schon deshalb zulasten des Antragstellers aus.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 63 Abs. 3 GKG i.V. mit Nrn. 1.5, 19.2, 2.2.2 des Streitwertkatalogs 2004; entgegen dem Beschluss des Verwaltungsgerichts wird wie üblich der Streitwert des Hauptsacheverfahrens halbiert.

Ende der Entscheidung

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