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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.11.2009
Aktenzeichen: 22 CS 09.2360
Rechtsgebiete: GG, BayVwVfG, GastG, GewO, BayVwZVG


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1
BayVwVfG Art. 46
GastG § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
GastG § 15 Abs. 2
GewO § 15 Abs. 2 Satz 1
BayVwZVG Art. 34
BayVwZVG Art. 36 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 CS 09.2360

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Widerrufs der Gaststättenerlaubnis (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. September 2009,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat, durch

den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung

am 25. November 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. In Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. September 2009 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Bescheid vom 6. August 2009 widerrief das Landratsamt N******* **** ******** die der Antragstellerin unter dem 21. März 2006 erteilte Erlaubnis zum Betrieb der Schankwirtschaft "Tanzlokal ***** *****" und untersagte die Fortsetzung des Betriebs der Gaststätte. Diese Anordnungen wurden für sofort vollziehbar erklärt. Für den Fall der Nichtbeachtung der Untersagung der Fortsetzung des Betriebs wurde die Schließung im Wege des unmittelbaren Zwangs angedroht. Die Klägerin erhob hiergegen Anfechtungsklage und beantragte die Wiederherstellung bzw. Anordnung von deren aufschiebender Wirkung. Das Verwaltungsgericht lehnte den zuletzt genannten Antrag mit Beschluss vom 4. September 2009 ab. Die Antragstellerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Darlegungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheids überwiegt das Aufschubinteresse der Antragstellerin.

1) Hierfür spricht zum einen, dass das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nichts an der Prognose zu ändern vermag, dass die von ihr erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich erfolglos bleiben wird.

Der Verwaltungsgerichtshof kann zwar derzeit nicht ausschließen, dass die gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG gebotene vorherige Anhörung der Antragstellerin wegen eines Postversehens gescheitert sein könnte. Die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts kann deshalb aber wohl nicht beansprucht werden, weil offensichtlich ist, dass die eventuelle Verletzung dieser Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (Art. 46 BayVwVfG). Der Widerruf der Gaststättenerlaubnis war nach § 15 Abs. 2 GastG wegen gaststättenrechtlicher Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zwingend geboten. Für die Untersagung der Fortsetzung des Betriebs gilt im Ergebnis nichts anderes; das nach § 31 GastG i.V. mit § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO der Gaststättenbehörde eingeräumte Ermessen kann im Regelfall und so auch hier nur so ausgeübt werden, dass von der eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht wird, wenn wie hier vom Fehlen der gaststättenrechtlichen Zuverlässigkeit auszugehen ist (vgl. Pielow, GewO, 1. Aufl. 2009, Rdnr. 42 zu § 15; Friauf, GewO, Rdnr. 30 zu § 15; Landmann/Rohmer, GewO, Rdnr. 30 zu § 15). Auf die Bemessung der Abwicklungsfrist ist in diesem Zusammenhang nicht einzugehen, weil die Antragstellerin diese Frage in ihrem Beschwerdevorbirngen nicht thematisiert hat.

Die gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG ergibt sich aus ihren beharrlichen Verstößen gegen steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Pflichten. Dass die Antragstellerin vor dem Juli 2009 gewillt gewesen sein soll, ihren steuerlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten nachzukommen und ihre Steuerrückstände zu begleichen, ist nicht nachvollziehbar, weil keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte hierfür bestehen, wie sich aus dem Schreiben des Finanzamts W***** vom 22. Juli 2009 und der Mitteilung des Finanzamts K******* vom 28. Juli 2009 ergibt. Für die gewerbe- und gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit kommt es dabei nicht auf die materielle Rechtmäßigkeit der fälligen und nicht entrichteten Steuern an (BVerwG vom 22.6.1994, GewArch 1995, 111). Dass auch Steuerschulden, die auf Schätzungen beruhen, bei der Beurteilung der Unzuverlässigkeit berücksichtigt werden können, ist in der Rechtsprechung geklärt (BVerwG vom 1.2.1994, GewArch 1995, 116). Dass die Antragstellerin nach der Überprüfung ihres Betriebs durch das Hauptzollamt R********* im März 2009 ihre Beschäftigten zur Sozialversicherung angemeldet haben soll, trifft zwar zu; aus dem Schlussbericht des Hauptzollamts R********* vom 22. Oktober 2009 im Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin (s. dort S. 5, Bl. 57 der VGH-Akte) ergibt sich aber folgendes: "Auf den Rat hin, ihre Beschäftigten umgehend anzumelden, meldete die Beschuldigte Anfang April 2009 zwölf Personen nachträglich zur Sozialversicherung. Allerdings wurden die Meldungen von neun Personen bereits am 29. April 2009 wieder storniert. Meldungen zu Sozialversicherungen werden nur storniert, wenn Eingabefehler vorlagen oder wenn das betreffende Arbeitsverhältnis tatsächlich nicht zustande kam. Die weiteren drei Personen wurden nach zehn bzw. 34 Tagen wieder abgemeldet und waren die einzigen Personen, die die Beschuldigte über einen kurzen Zeitraum angemeldet hatte". Die Antragstellerin hat dies nicht bestritten; sie hat sich lediglich gegen die vom Hauptzollamt angegebene Schadenshöhe gewandt. Der Vorwurf beharrlicher Verstöße gegen sozialversicherungsrechtliche Pflichten ist demnach nicht als entkräftet anzusehen. In Anbetracht der bisher gezeigten mangelnden Gesetzestreue der Antragstellerin bestand auch kein Anlass, von einem Vorgehen nach § 31 GastG i.V. mit § 15 Abs. 2 GewO ausnahmsweise abzusehen. In Anbetracht der erheblichen Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Antragstellerin, die auf die unstreitig vorliegenden Vollstreckungsaufträge an den Obergerichtsvollzieher ********** (vgl. dessen Schreiben vom 15.9.2009, Bl. 45 der VGH-Akte) gestützt werden können, dürfte auch die Androhung des unmittelbaren Zwangs nach Art. 36 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 BayVwZVG rechtmäßig sein. Die Androhung eines Zwangsgelds würde wohl nicht zum Ziel führen.

2) Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis nach § 15 Abs. 2 GastG sowie der Untersagung gemäß § 31 GastG i.Vm. § 15 Abs. 2 GewO setzt im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG weiter voraus, dass eine weitere Berufstätigkeit während der Dauer des Rechtsstreits konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl. BVerfG vom 12.8.2003 NJW 2003, 3617 und BVerfG vom 24.10.2003 NJW 2003, 3618/3619). Hierzu ist auch die Erfüllung wesentlicher steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Pflichten zu rechnen. Insofern ist die negative Prognose des Finanzamts W***** im Schreiben vom 22. Juli 2009 beachtlich: "Weitere Erhöhung des Rückstands wahrscheinlich". In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht lässt der bereits erwähnte Schlussbericht des Hauptzollamts Regensburg den Schluss zu, dass die Antragstellerin ihre sozialversicherungsrechtlichen Pflichten auch in Zukunft verletzen würde.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 63 Abs. 3, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG; Nr. 1.5 und Nr. 54.1 Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327).

Ende der Entscheidung

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