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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.01.2006
Aktenzeichen: 22 ZB 05.2865
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 60 Abs. 1
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 05.2865

In der Verwaltungsstreitsache

wegen alten Rechts auf Wasserentnahme;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 12. September 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 23. Januar 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig, weil er nicht rechtzeitig begründet wurde (1.) und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann (2.).

1. Die Begründung des Zulassungsantrags ist nicht innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO beim zuständigen Verwaltungsgerichtshof eingegangen.

Nach der auf Art. 6 Nr. 2 a des Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz) vom 24. August 2004 (BGBl I S. 2198) beruhenden neuen Fassung des § 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO ist die Begründung, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht einzureichen. Vorliegend wurde das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil des Verwaltungsgerichts am 23. September 2005 zugestellt, so dass die Zweimonatsfrist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit Ablauf des 23. November 2005 geendet hat. Die am 22. November 2005 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangene Begründung wahrt diese Frist nicht, weil sie nicht beim zuständigen Gericht eingereicht worden ist. Beim Verwaltungsgerichtshof ist sie erst am 29. November 2005, also nach Ablauf der Frist, eingegangen.

2. Dem Kläger kann wegen Versäumung der Frist für die Begründung des Zulassungsantrags keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Die Versäumung der Frist beruht auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten (§ 60 Abs. 1 VwGO), das sich der Kläger zurechnen lassen muss (§ 173 VwGO, § 85 Abs. 2 ZPO).

Ein Rechtsanwalt hat eine Fristversäumung verschuldet, wenn diese auf einer Verletzung der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten beruht. Jeder Prozessbeteiligte muss dafür sorgen, dass seine fristgebundenen Schriftsätze rechtzeitig beim zuständigen Gericht eingehen. Für Rechtsanwälte gilt diese Sorgfaltspflicht im besonderen Maße. Ein Rechtsanwalt muss bei der Unterzeichnung seiner Rechtsmittelschrift oder seiner Rechtsmittelbegründungsschrift persönlich prüfen, ob sie an das zuständige Gericht adressiert ist (vgl. BayVGH vom 7.10.2004 - Az.: 1 ZB 04.1811 m.w.N.). Diese Prüfung kann nicht dem Büropersonal oder einem anderen Rechtsanwalt überlassen werden.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat diese Prüfungspflicht verletzt, indem er die Begründungsschrift am vorletzten Tag der Frist unterschrieben hat, ohne darauf zu achten, ob der Schriftsatz an den zuständigen, in der Rechtsbehelfsbelehrung genannten Verwaltungsgerichtshof adressiert ist. Durch die geltend gemachte Arbeitsüberlastung infolge krankheitsbedingter Ausfälle bzw. wegen Vorbereitungen für einen bevorstehenden Krankenhausaufenthalt erscheint dieses Fehlverhalten zwar nachvollziehbar, dies kann aber den Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht ausräumen. Wenn sich unter Terminsdruck und sonstigen Belastungen bei der Erledigung von Aufgaben Flüchtigkeitsfehler einschleichen, ist dies für einen Rechtsanwalt im allgemeinen keine unvorhersehbare Entwicklung. Deshalb muss sich der Rechtsanwalt in einer derartigen Situation den mit der Wahrung prozessualer Fristen zusammenhängenden Geschäften mit gesteigerter Aufmerksamkeit widmen, um derartige Fehler zu vermeiden (vgl. BVerwG vom 10.6.1997 Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 89; hier bezogen auf einen Beamten einer Behörde). Dass dies im vorliegenden Fall geschehen wäre, ist nicht glaubhaft gemacht. Die Übertragung der Ausarbeitung des Begründungsschriftsatzes an eine sonst zuverlässige, seit Jahren für die Kanzlei tätige Rechtsanwältin reicht hierfür nicht aus.

Das Anwaltsverschulden war für die Fristversäumung auch ursächlich. Vorliegend kann offen bleiben, ob und unter welchen Umständen im Verwaltungsprozess ein an ein unzuständiges Gericht adressierter fristgebundener Schriftsatz von diesem an das zuständige Gericht weiter zu leiten ist (vgl. BVerfG vom 20.6.1995 BVerfGE 93, 99). Ebenso kann offen bleiben, ob die Ursächlichkeit eines Anwaltsverschuldens für die Fristversäumnis entfällt, wenn das Gericht eine Weiterleitungspflicht verletzt (vgl. hierzu z.B. BayVGH vom 23.5.2005 BauR 2005, 1515). Denn vorliegend war eine rechtzeitige Weiterleitung der Begründungsschrift im ordnungsgemäßen Geschäftsgang nicht zu erwarten. Der Schriftsatz ist erst am vorletzten Tag der Frist gegen 16.17 Uhr beim Verwaltungsgericht eingegangen, so dass seine Weiterleitung an den Verwaltungsgerichtshof frühestens am 23. November 2005, also am letzten Tag der Frist, zu erwarten war. Dass der Schriftsatz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang noch am selben Tag beim Verwaltungsgerichtshof eingehen würde, konnte demnach nicht vorausgesetzt werden. Nachdem der Schriftsatz an das Verwaltungsgericht adressiert und nicht als besonders dringlich bezeichnet war, brauchte eine vordringliche Behandlung durch das Gericht nicht erfolgen.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG; mangels weiterer Anhaltspunkte wie Vorinstanz.

Ende der Entscheidung

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