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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.12.2008
Aktenzeichen: 22 ZB 07.654
Rechtsgebiete: WHG, BayWG


Vorschriften:

WHG § 15
BayWG Art. 14 Abs. 2
BayWG Art. 59 Abs. 8
BayWG Art. 68 Abs. 3
BayWG Art. 96
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 07.654

In der Verwaltungsstreitsache

wegen wasserrechtlicher Anordnung;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 1. Februar 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

ohne mündliche Verhandlung am 30. Dezember 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die insofern maßgeblichen Darlegungen des Klägers (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) rechtfertigen keine Zulassung der Berufung. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO) liegen nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

1.1 Zunächst ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der auf Befugnisnormen des öffentlichen Rechts gestützte Bescheid das private Eigentum des Klägers überwinden kann und es entgegen der Auffassung des Klägers insofern keiner zivilgerichtlichen Auseinandersetzung bedarf. Die Voraussetzungen für das Betreten eines Anlieger- oder Hinterliegergrundstücks für bestimmte Gewässerbenutzungen sind in Art. 14 BayWG geregelt.

1.2 Die grundlegenden Einwendungen des Klägers, die Rechte des beigeladenen Triebwerksbetreibers seien wegen langjähriger Nichtausübung erloschen, jedenfalls sei die gegenwärtige Stromerzeugung vom alten Recht, das eine Mühlennutzung vorsah, nicht gedeckt, hat das Verwaltungsgericht als unbegründet angesehen. Das Vorbringen des Klägers vermag diese Beurteilung nicht zu erschüttern.

a) Das Verwaltungsgericht ist anhand der Wasserbuchauszüge (Eintragungen vom 12.12.1930, Nr. 43 für die Triebswerksanlage der K*****mühle, Nr. 54 für die Stauanlage der K*****mühle) vom ursprünglichen Vorliegen eines alten Wasserrechts ausgegangen. Dies wird vom Kläger auch nicht bestritten, vielmehr ist er der Auffassung, diese eingetragenen Rechte seien später untergegangen, da sie seit mehr als 30 Jahren nicht mehr ausgeübt worden seien. Hierzu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die eingetragenen alten Rechte aus diesem Grund weder untergegangen noch erloschen sind. Für das geltende Recht (Wasserhaushaltsgesetz und Bayerisches Wassergesetz) hat es zutreffend gesetzliche Erlöschenstatbestände verneint. Ein Erlöschen nach Art. 61 BayWG 1907 i.V.m. § 49 Abs. 3 Reichsgewerbeordnung kommt bei dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt ebenfalls nicht in Betracht. Die Voraussetzung des § 49 Abs. 3 Reichsgewerbeordnung (Fassung vom 21.6.1869, Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes S. 245), dass der Genehmigungsinhaber seinen Gewerbebetrieb während eines Zeitraums von drei Jahren eingestellt hat, ohne eine Fristung nachgesucht und erhalten zu haben, war im vorliegenden Fall bis zum Inkrafttreten des Art. 96 BayWG am 1. März 1960 (vgl. Art. 104 BayWG i.d.F. vom 26.7.1962, GVBl S. 143) auch nach dem Vorbringen des Klägers nicht erfüllt.

Hierzu wiederholt der Kläger lediglich seinen bisherigen Klagevortrag, die Anlagen befänden sich (zum Zeitpunkt des Bescheids vom 21.3.2003) seit mehr als 30 Jahren in desolatem Zustand. Selbst die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, läge der Beginn des Nichtgebrauchs des Wassernutzungsrechts bzw. des Verfalls der Stauanlage erst nach Inkrafttreten des neuen Wasserrechts. Nach der Regelung von § 15 Abs. 1 WHG i.V. mit Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayWG gelten alte, nach den (früheren) Landeswassergesetzen erworbene Wassernutzungsrechte weiter - d.h. eine Erlaubnis oder eine Bewilligung ist für diese Wassernutzung nach neuem Recht nicht erforderlich - , wenn sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bayerischen Wassergesetzes am 1. März 1960 bestanden und in dem Zeitraum vom 12. August 1957 bis 1. März 1965 für die Ausübung der Wassernutzungsrechte rechtmäßige Anlagen vorhanden waren (Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG und AbwAG, Stand September 2007, RdNr. 14 zu § 15 WHG; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, BayWG, Stand Juli 2007, RdNr. 8 zu Art. 96 BayWG). Hiervon ist das Verwaltungsgericht ausgegangen, der Kläger trägt nicht vor, dass schon vor dem 1. März 1960 keine Benutzung der Anlagen mehr erfolgt sei oder nicht mehr möglich gewesen sei. Damit begründet er auch keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts, die alten Rechte seien nach früherem Wasserrecht nicht erloschen. Eine erst später erfolgte Aufgabe der Nutzung wäre, wie ausgeführt, ohne Folgen für das Weiterbestehen des alten Rechts.

Im Übrigen ist fraglich, ob das Stauwehr tatsächlich vollständig verfallen war. Wie der Kläger selbst ausführt, bestanden mindestens noch "drei Eisenschienen" als Führung für die Schützen. Tatsächlich hatte das Stauwehr auch nach den vom Beigeladenen vorgelegten Fotos zum Zustand vor der vorgenommenen Erneuerung noch Staufunktion; der M***bach führte weiterhin Wasser von der A***** ab.

b) Eine Änderung der Benutzung lag und liegt nach dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt ebenfalls nicht vor. Nach dem Wasserbuch für Stauanlagen ist Benutzungszweck die Zuleitung des Wassers zum Betrieb eines Wasserrades, die weiterhin erfolgt. Die Stromgewinnung entspricht dem im Wasserbuch für Triebwerke eingetragenen Benutzungszweck der Gewinnung von "elektrischem Licht". Auch nach dem Vortrag des Klägers diente das Kraftwerk früher der Gewinnung von "elektrischem Licht" (S. 5 der Klagebegründung vom 21.5.2004). Dies entspricht in der Sache der Stromgewinnung. Dass mit einem modernisierten Generator mehr Strom erzeugt wird, der über die Eigennutzung hinaus auch weiter veräußert werden kann, ändert den ursprünglichen Nutzungszweck nicht. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat bereits entschieden, dass ein Altrecht durch die Umstellung des Mühlenbetriebs auf andere Nutzungsarten nicht untergeht, und auch ein Mindergebrauch des zustehenden Wassernutzungsrechts unschädlich ist (Urteil vom 19.2.1965 VGH n.F.18, 33 = BayVBl 1965, 425; so auch BayObLG, Urteil vom 8.7.1971 BayVBl 1972, 246; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, a.a.O., RdNr. 48 zu Art. 96 BayWG). Der Kläger hat keine Gesichtspunkte dargelegt, die diese Rechtsprechung in Fage stellen könnten.

1.3 Das Verwaltungsgericht hat den angegriffenen Bescheid hinsichtlich seiner an den Beigeladenen gerichteten Grundverfügung als hinreichend bestimmt angesehen. Die Einwände des Klägers greifen insofern nicht durch. Der Bescheid gibt unter Bezugnahme auf die altrechtlichen Vorgaben die im Einzelnen baulich in Stand zu setzenden Einrichtungen (Wehrmauer, Schützen sowie Führungen für die Schützen) ebenso wie die anzubringenden Kontrolleinrichtungen (Eichpfahl mit dazugehörigen Rückmarken) konkret genug an. Dies wird in der Antragsbegründung ebenfalls nicht substantiiert angegriffen. Auch die Stauhöhe steht entgegen der Ansicht des Klägers fest. Im Wasserbuch für die Stauanlage ist in Spalte 5 unter Ziff. 4 die "zuständige Stauhöhe am Triebwerk...auf 109,366 bezogen auf die Rückmarke No. I, die auf Höhe 110,411 liegt, festgesetzt." Einer weiteren Festlegung im angegriffenen Bescheid bedurfte es deshalb nicht. Nach einem Schreiben des Landratsamts vom 25. Juni 2004 an das Verwaltungsgericht Bayreuth wurde auch bereits festgelegt, an welchen Stellen nach Vermessung die Rückmarken anzubringen seien, die zur Sicherstellung der Einhaltung der altrechtlichen Stauhöhe erforderlich seien; aufgrund vorliegendem Rechtsstreits wurde dies jedoch nicht abgeschlossen. Insoweit ist auch unerheblich, ob der Beigeladene Auffüllungen des Mühlengrundstücks vorgenommen hat, denn die altrechtlich festgelegte Stauhöhe bleibt hiervon unberührt.

1.4 Weitere Einwände des Klägers (Versumpfung seiner angrenzenden Wiese durch Überstauung, Beeinträchtigung seines Fischereirechtes, privatrechtliche Rechtsverhältnisse an den Gewässern) hat das Verwaltungsgericht als nicht auf den Streitgegenstand - Instandsetzen des Wehrs, hierauf gerichtete Duldungspflicht des Klägers - bezogen angesehen. Hierzu trägt der Kläger in der Antragsbegründung nichts weiter vor.

1.5 Soweit er nunmehr ergänzend Rechte einer "Wiesenbewässerungsgenossen- schaft" anführt, die möglicherweise durch die Instandsetzung des Stauwehrs betroffen sein könnten, fehlt es an der Darlegung der Verletzung in seinen eigenen Rechten (§ 42 Abs. 2 VwGO).

1.6 Das Vorbringen, der beigeladene Kraftwerksbetreiber könne mangels privatrechtlichen Betretungsrechts am Grundstück des Klägers das Stauwehr nicht erreichen und damit nicht bedienen, ist nicht Gegenstand vorliegenden Rechtsstreits. Grundsätzlich haben Anlieger und Hinterlieger nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayWG zu dulden, dass die zur Benutzung eines Gewässers Berechtigten die Ufergrundstücke betreten. Bei einem Streit über die Grundlagen und den Umfang eines Betretungsrechts des Beigeladenen zur Bedienung des Stauwehrs wäre erneut von der zuständigen Wasserrechtsbehörde zu entscheiden.

2. Damit ist zugleich das Vorliegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zu verneinen.

3. Auch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die dargelegte Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (Eyermann, a.a.O., RdNr. 36 zu § 124).

3.1 Die aufgeworfene Frage, ob hinsichtlich eines abtrennbaren Teils des streitgegenständlichen Bescheids eine Erledigung eingetreten ist, lässt in keiner Weise erkennen, dass sie über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam sein könnte.

3.2 Die Frage, ob alte Rechte an Stauanlagen obsolet werden können, wenn sich im Laufe der Jahrzehnte sowohl die Geländeverhältnisse als auch der Zweck der Anlage geändert haben und eine Wehranlage vollständig durch Nichtgebrauch verfallen ist und kein öffentliches Interesse an der Erhaltung besteht, lässt sich so nicht beantworten. Es kommt vielmehr darauf an, welches Rechtsregime für die beschriebenen Vorgänge maßgeblich war, welche Regeln hierfür galten. Im vorliegenden Fall erfolgte, wie ausgeführt, keine relevante Veränderung der Anlage unter der Geltung früheren Rechts bis 1. März 1960, eine Veränderung unter der Geltung des nach diesem Zeitpunkt geltenden Rechts bleibt ohne Auswirkung auf den Bestand des Altrechts. Der Kläger legt nicht dar, dass die vom Gesetzgeber geschaffenen Regelungen unvollständig seien.

3.3 Ebenso bleibt die Frage, ob die wasserrechtliche der baurechtlichen Duldungsanordnung ähnlich ist, für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung. Die Rechtmäßigkeit der angegriffenen wasserrechtlichen Anordnung ist vorliegend ausschließlich anhand wasserrechtlicher Vorschriften zu beurteilen, ohne dass es eines Rückgriffs auf baurechtliche Vorschriften oder Befugnisnormen bedürfte.

3.4 Auch die vom Kläger vorgetragene unterschiedliche Sicht von Verwaltungsgericht und der Regierung (im Widerspruchsbescheid) betreffend die für die Duldungsverpflichtung heranzuziehende Befugnisnorm begründet keine Grundsatzfrage. Sowohl die Regierung als auch das Verwaltungsgericht kommen zum Ergebnis, dass eine Duldungspflicht des Klägers besteht. Dass die Regierung ihrer Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Duldungsanordnung Art. 51 Abs. 1 BayWG zu Grunde legte, war für die verwaltungsgerichtliche Entscheidung unerheblich. Der Kläger legt nicht dar, weshalb dies im Berufungsverfahren anders sein sollte.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2, § 72 Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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