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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 26.04.2007
Aktenzeichen: 24 BV 06.324
Rechtsgebiete: LStVG, FTG, GG, BV


Vorschriften:

LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
FTG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 140 i.V.m. Art. 139 WRV
BV Art. 147
Der Betrieb einer Automatenvideothek an Sonn- und Feiertagen verstößt nicht gegen das Feiertagsgesetz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

24 BV 06.324

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Vollzugs des Feiertagsrechts;

hier: Berufung der Beklagten und der Beteiligten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 09. November 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner

ohne mündliche Verhandlung am 26. April 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufungen werden zurückgewiesen.

II. Die Beklagte und die Beteiligte tragen die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte und die Beteiligte können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Am 1. Juni 2004 eröffnete die Klägerin in der Innenstadt von Kempten zwei Automatenvideotheken. Dort können registrierte Kunden jederzeit an einem Automaten Videokassetten und DVDs ausleihen. Personal war von Diestag, dem 1. Juni 2004 bis Samstag, dem 5. Juni 2004 von 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr anwesend, seither werktags von 17.00 Uhr bis 21.00 Uhr.

Die Beklagte untersagte der Klägerin nach vorheriger Anhörung mit Bescheid vom 5. Oktober 2004 den Betrieb dieser Automatenvideotheken an Sonn- und Feiertagen. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet und für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Betrieb an Sonn- und Feiertagen verstoße gegen die Vorschriften des Bayerischen Feiertagsgesetzes. Die Klägerin legte hiergegen mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2004 Widerspruch ein.

Der gleichzeitig gestellte Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hatte erst in der Beschwerdeinstanz, nachdem die Regierung von Schwaben den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2005 zurückgewiesen hatte, Erfolg (Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. Februar 2005 Az. Au 8 S 04.1504; Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Juni 2005 Az. 24 CS 05.493).

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 9. November 2005 stattgegeben. Auf dessen Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Hiergegen richten sich die vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufungen der Beteiligten und der Beklagten.

Die Beteiligte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Eine Entscheidung über die Öffnung von Automatenvideotheken an Sonn- und Feiertagen sei dem Landesgesetzgeber vorbehalten und dieser halte in Bayern (ebenso wie in jüngster Zeit auch Hessen im Oktober 2005 und Nordrhein-Westfalen im Januar 2006) aus guten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Gründen bislang am Verbot der Öffnung von Videotheken (einschließlich Videoautomaten) an Sonn- und Feiertagen fest.

Art. 2 Abs. 1 FTG sei Ausfluss des sowohl in Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV als auch in Art. 147 BV verankerten Schutzes von Sonn- und Feiertagen. Wegen dieser verfassungsrechtlichen Garantie des Sonn- und Feiertagsschutzes müsse es dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben, die entsprechenden Regelungen zu treffen und insbesondere zu bestimmen, in welchen Fallgestaltungen Ausnahmen gerechtfertigt seien und zugelassen werden könnten. Denn nach dem aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip herzuleitenden Vorbehalt des Gesetzes obliege es dem formellen Gesetzgeber, wesentliche Grundentscheidungen, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich der Bürger beträfen, selbst zu regeln (sog. Parlamentsvorbehalt und Wesentlichkeitstheorie). Dies gelte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in allen grundsätzlichen Fragen, die den Bürger unmittelbar beträfen. Ob (automatisierte) Videotheken an Sonn- und Feiertagen geöffnet werden dürften, sei nicht nur im Hinblick auf den verfassungsrechtlich geregelten Feiertagsschutz, sondern auch für die Rechte der betroffenen potentiellen Betreiber von Videotheken sowie der betroffenen Nachbarn oder Dritter, die sich durch die Öffnung in ihrer Sonntagsruhe gestört fühlen könnten, "wesentlich". Nach Einschätzung des Marktführers von Videoautomaten, Cinebank, bestehe bundesweit ein Marktpotential von 4.300 Automaten. Automatenvideotheken machten dabei ein Viertel ihres Umsatzes an Sonn- und Feiertagen. Die Zulassung der Öffnung von Videotheken an Sonn- und Feiertagen bedürfe einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, wie sie in Art. 2 Abs. 3 FTG für andere Tätigkeiten vorgesehen sei. Ein Kernbestand an Sonn- und Feiertagsruhe sei nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Juni 2004 (BVerfGE 111, 10) unantastbar. Außerhalb dieses Kernbereichs könne der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit den Freizeitbedürfnissen der Bevölkerung durch Ausnahmeregelungen Rechnung tragen. Deshalb könne dahinstehen, ob in anderen Bundesländern abweichende Regelungen für die Öffnung von Videotheken erlassen worden seien. Die Existenz solcher Vorschriften belege allerdings die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung, die in Bayern nicht bestehe.

Selbst wenn man eine ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht für erforderlich und die allgemeine Regelung in Art. 2 Abs. 1 FTG für ausreichend hielte, sei von einer Störung der Feiertagsruhe und damit von der Unzulässigkeit der beabsichtigten Tätigkeit auszugehen.

Auch der automatisierte Ausleihvorgang beeinträchtige als öffentlich bemerkbare Arbeit die Sonn- und Feiertagsruhe. Videotheken fielen nicht allein deswegen aus dem Verbot heraus, weil sie vollautomatisch betrieben würden und ohne menschliche Arbeitskraft auskämen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass das zweifelsohne für personell betriebene Videotheken bestehende Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung durch den Einsatz von Automatenvideotheken faktisch unterlaufen würde. Letztere würden sich dann verstärkt ausbreiten, weil gerade die Möglichkeit der Öffnung an Sonn- und Feiertagen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil darstelle.

Beim Besuch einer Videothek handele es sich auch nicht um eine sonntägliche Freizeitgestaltung, sondern um ein typisch werktägliches Erwerbsgeschäft. Schon durch die an- und abfahrenden Autos komme es zu einer Beinträchtigung der Feiertagsruhe. Bei der am Sonntag, dem 9. Oktober 2005 durchgeführten Zählung des Kundenverkehrs sei vor allem in den Abendstunden eine nicht unerhebliche und somit für die Anwohner deutlich wahrnehmbare Frequentierung durch motorisierte Kunden festzustellen gewesen. Hätte das erstgerichtliche Urteil Bestand, ließe sich auch nicht verhindern, dass andere Betreiber ähnliche Betriebe eröffneten. Spätestens dadurch werde deutlich, dass das Aufsuchen einer Vielzahl von Videoautomaten durch zahlreiche Kunden zumal in einer kleineren Stadt werktägliches Gepräge hätte. Außerdem müsse im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot berücksichtigt werden, welche Auswirkungen eine Zulassung für andere vergleichbare Gewerbezweige hätte, die der Befriedigung angeblicher sonntäglicher Spontanbedürfnisse dienen sollten. Zu denken sei hier etwa an Buchhandlungen oder Musikgeschäfte oder andere Ladengeschäfte bis hin zu "vollautomatischen Warenhäusern". Dies würde zu einer schleichenden Aushöhlung der gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Sonn- und Feiertagen führen.

Der Betrieb von Automatenvideotheken an Sonn- und Feiertagen könne auch nicht als unaufschiebbar zur Deckung einer notwendigen Grundversorgung und damit als zulässige "Arbeit für den Sonntag" angesehen werden. Im Unterschied zu zeitgebundenen Dienstleistungen wie z.B. in Kinos oder Theatern setze das Anschauen eines Videos als Freizeitbedüfnis am Sonntag nicht zwingend voraus, dass die Videothek auch am Sonntag geöffnet sei. Vielmehr könne das Video auch bereits am Tag zuvor ausgeliehen werden, so dass die Öffnung der Videothek zur Befriedigung des sonntäglichen Bedürfnisses nicht erforderlich sei.

Die Beklagte beantragt ebenfalls,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nahm sie vollinhaltlich Bezug auf die Ausführungen der Beteiligten und machte sich deren Vortrag zu Eigen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie verwies zunächst auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. August 1992 (BVerwGE 90, 337). Bei einer Auslegung des Art. 2 FTG im Lichte der Verfassung bedürfe es keiner besonderen Regelungen durch den Gesetzgeber. Eine Aufzählung aller zulässigen oder unzulässigen Aktivitäten sei schlichtweg nicht möglich, geschweige denn könne ein derartiger Katalog dem dynamischen Charakter des Sonn- und Feiertagsschutzes und dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG gerecht werden. Es sei davon auszugehen, dass der Automatenbetrieb, der sich erst in den letzten Jahren entwickelt habe, bei Abfassung des Gesetzes nicht bekannt gewesen sei, und der Gesetzgeber nun eine Notwendigkeit für eine explizite Regelung nicht gesehen habe. Andernfalls hätte der Gesetzgeber - vor dem Hintergrund der Gesetzesänderung bezüglich Autowaschanlagen - die Möglichkeit (gehabt), eine derartige Regelung in das Feiertagsgesetz mit aufzunehmen.

Das Merkmal der "Geeignetheit zur Beeinträchtigung der sonn- und feiertäglichen Ruhe" habe sich an dem Empfinden der Allgemeinheit zu orientieren. Der Gesetzgeber habe keine Veranlassung gesehen, den Betrieb von Automaten explizit zu verbieten, zumal der Automatenbetrieb allgemein als zulässig erachtet werde (Parkuhren, Getränkeautomaten, Geldautomaten, Bräunungsautomaten, Postautomaten etc.). Der Betrieb von Videoverleihautomaten sei zulässig und strikt zu trennen von der Frage der Zulässigkeit von personalbetriebenen Videotheken. Die explizite Regelung von diesbezüglichen Ausnahmetatbeständen durch andere Landesgesetzgeber habe daher keinerlei Indizwirkung auf das Feiertagsgesetz.

Das von der Beteiligten zitierte Marktpotential von 4.300 Automaten in Deutschland stehe außerhalb jeder Relation, bedenke man, dass Cinebank derzeit in 21 Ländern mit 8.000 Automaten präsent sei. In Bayern sei mit einem nennenswerten Zuwachs über die bestehenden Automatenbetriebe hinaus nicht zu rechnen.

Die Automatentätigkeit sei nicht öffentlich bemerkbare Arbeit im Sinn des Art. 2 Abs. 1 FTG, da der Begriff "Arbeit" stets menschliche Arbeit voraussetze. Es sei kein Organisationsaufwand erforderlich, der sonntagsspezifisch erbracht werden müsste. Der Begriff "Ladengeschäft" spiele bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Automatenbetriebs entgegen der Auffassung der Beteiligten keine Rolle, sondern nur bei der Frage des Jugendschutzes. Da ein vollautomatischer Betrieb ohne jeglichen Personaleinsatz bei Baumärkten und Kaufhäusern selbst bei Pilotprojekten mit automatischen Kassen schlechthin unmöglich sei, könne es auch nicht zu der von der Beteiligten befürchteten Kettenreaktion kommen, wenn Videoverleihautomaten flächendeckend sonntäglich betrieben würden. Die Abgrenzung der Beteiligten zwischen Kino und Theater einerseits und dem Entleihen von Videokassetten andererseits könne nicht überzeugen und führte - übertrage man die künstliche Aufspaltung von Ausleihvorgang und Betrachten des Videos auf andere Fälle, in denen die Miete als immanente Voraussetzung zur Ausübung der Freizeitaktivität gesehen werde - zu skurillen Ergebnissen.

Die Beteiligte wies im weiteren Schriftwechsel darauf hin, dass der Gesetzgeber neben Autowaschanlagen keine weiteren Automaten an Sonn- und Feiertagen zulassen habe wollen und bezog sich hierzu auf die Rede des Bayerischen Staatsministers des Innern bei der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung zur Änderung des Feiertagsgesetzes und der Bedürfnisgewerbeverordnung (Plenarprotokoll 15/66 des Bayerischen Landtags). Die Klägerin entgegnete hierauf, dass Autowaschanlagen aus dem allgemeinen Verbot des Art. 2 Abs. 1 FTG herausgenommen worden seien, weil deren Betrieb typisch werktägliche Arbeit sei, die zudem nach Außen deutlich - optisch wie akustisch - wahrnehmbar sei und die Ruhe des Tages beeinträchtige. Die Feststellung, dass weitere Ausnahmetatbestände nicht geschaffen werden sollten, habe keine Auswirkung auf den Betrieb von Videoverleihautomaten, die nach Art. 2 Abs. 1 FTG uneingeschränkt zulässig seien. Auch Staatsminister Dr. Beckstein habe den bestehenden zulässigen Betrieb nicht in Frage gestellt, sondern lediglich die Weitung der Ausnahmetatbestände abgelehnt. Auf den Beschluss des OLG Bamberg vom 8. September 2006 (3 Ss OWi 800/2005 - JURIS) wurde hingewiesen. Die Beteiligte verwies auf die Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 15/4588) sowie auf Urteile des OLG Dresden (vom 11.4.2006 WRP 2006, 1539) und des VG Stuttgart (vom 18.5.2006 Az. 4 K 3175/05), die Klägerin auf Entscheidungen des LG Düsseldorf (Az. 38 O 81/06), des LG München I (Az. 1 HK O 23997/04) und des OLG Bamberg (Az. 2 Ss OWi 1022/05). Das Urteil des VG Stuttgart sei unzutreffend und nur rechtskräftig geworden, weil der Antrag auf Zulassung der Berufung wegen Verfristung verworfen worden sei. Die Landeshauptstadt Stuttgart habe diverse Bußgeldverfahren zwischenzeitlich eingestellt. Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen habe am 27. Februar 2007 dahin Stellung genommen, dass der Automatenbetrieb nicht geeignet sei, die Ruhe der Sonn- und Feiertage zu stören. Das Betrachten und das Mieten eines Filmes sei nicht zuletzt persönliche Freizeitgestaltung, die in der Gesellschaft anerkannt und akzeptiert sei. Der Betrieb eines Automaten zum Verleih von DVDs sei mit der Nutzung von Geldautomaten oder Warenautomaten in Gebäuden vergleichbar und widerspreche - länderübergreifend - weder dem sozialpolitischen Zweck der Arbeitsruhe noch dem religiösen Zweck der Gewährleistung eines kirchlichen Feiertags.

Die Klägerin hat sich mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2006 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Die Beteiligte und die Beklagte haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mit Schriftsätzen vom 24. und 30. Oktober 2006 erklärt.

Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs.

Entscheidungsgründe:

Über die Berufungen konnte gemäß § 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

Die Berufungen sind zulässig - die Bezugnahme der Beklagten auf die Berufungsbegründung der Beteiligten ist als Darlegung der Berufungsgründe ausreichend, weil beide dasselbe Prozessziel verfolgen und dieselben Anträge stellen (Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage 2006, RdNr. 123 zu § 124a; BSG vom 20.3.1996 BSGE 78, 98) -, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage zu Recht stattgegeben; der Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2004 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Schwaben vom 9. Mai 2005 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine sicherheitsbehördliche Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG zur Unterbindung einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 7 Nr. 1 FTG durfte nicht ergehen, da der Betrieb einer Automatenvideothek an Sonn- und Feiertagen nicht gegen Art. 2 Abs. 1 FTG verstößt.

Nach Art. 2 Abs. 1 FTG sind an den Sonntagen und den gesetzlichen Feiertagen öffentlich bemerkbare Arbeiten, die geeignet sind, die Feiertagsruhe zu beeinträchtigen, verboten, soweit auf Grund Gesetzes nichts anderes bestimmt ist.

Zwar stellt der Betrieb einer Automatenvideothek in einem Ladengeschäft öffentlich bemerkbare Arbeit dar. Denn das Tatbestandsmerkmal öffentlich bemerkbarer Arbeit wird durch die Automatisierung und die Selbstbedienung der Kunden sowie durch die Abwesenheit von Verkaufs- oder Bedienpersonal nicht ausgeschlossen. Es reicht aus, dass die ohne weiteres erkennbaren Umstände den Schluss nahelegen, dass Arbeit ausgeführt wird (vgl. VGH BW vom 17.7.1990 NVwZ-RR 1990, 559; HessVGH vom 24.11.1993 GewArch 1994, 160; BayObLG vom 5.3.2004 BayObLGSt 2004, 27; OLG Bamberg vom 8.9.2006 Az. 3 Ss OWi 800/2005). Der Betrieb solcher Anlagen ist - selbst wenn der eigentliche Arbeitsvorgang von Außenstehenden nicht wahrgenommen werden kann - wegen des damit zwangsläufig verbundenen Kundenverkehrs öffentlich bemerkbar.

Der Betrieb der Automatenvideothek der Klägerin ist jedoch nicht geeignet, die Feiertagsruhe zu beeinträchtigen.

Die Auslegung dieses Tatbetandsmerkmals hat unter Berücksichtigung des Umstands zu erfolgen, dass das Sonntagsarbeitsverbot des Art. 2 Abs. 1 FTG die gesetzliche Ausgestaltung des Schutzes der Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung im Sinn des Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV und Art. 147 BV ist. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in seinem Urteil zum Ladenschlussgesetz (vom 9.6.2004 BVerfGE 111, 10/51 ff. m.w.N.) ausgeführt:

"Der Schutz des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV ist nicht auf einen religiösen oder weltanschaulichen Sinngehalt der Sonn- und Feiertage beschränkt. Umfasst ist zwar die Möglichkeit der Religionsausübung an Sonn- und Feiertagen. Die Regelung zielt in der säkularisierten Gesellschafts- und Staatsordnung aber auch auf die Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung. An den Sonn- und Feiertagen soll grundsätzlich die Geschäftstätigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen kann. Von Bedeutung ist auch die Möglichkeit zur zeitlichen Verzahnung des sozialen Lebens der Bürger und insbesondere zur gemeinsamen Freizeit und gemeinsamen Gestaltung des Familienlebens. Besonders wichtig ist, dass die Bürger sich an Sonn- und Feiertagen von der beruflichen Tätigkeit erholen und das tun können, was sie je individuell für die Verwirklichung ihrer persönlichen Ziele und als Ausgleich für den Alltag als wichtig ansehen. Die von Art. 139 WRV ebenfalls erfasste seelische Erhebung soll allen Menschen unbeschadet einer religiösen Bindung zuteil werden können.

Der Gesetzgeber kann im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auf eine geänderte soziale Wirklichkeit, und zwar insbesondere auf Änderungen im Freizeitverhalten, Rücksicht nehmen. Allerdings führt der Schutz der Verwirklichung von Freizeitwünschen der Bürger insoweit zu einem Konflikt, als diese auf die Bereitstellung von Leistungen angewiesen sind, die ihrerseits Arbeitseinsatz der Anbieter solcher Leistungen erfordern. Die Arbeit in Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen kann insoweit der Freizeitgestaltung der nicht arbeitenden Bevölkerung dienen. Dies beeinträchtigt aber die dort Beschäftigten in ihrer Gestaltung des Sonn- und Feiertags.

Schon seit jeher werden an Sonn- und Feiertagen nicht nur Arbeiten gestattet, die aus gesellschaftlichen oder technischen Gründen notwendig sind, sondern auch Arbeiten, welche den Freizeitbedürfnissen der Bevölkerung zugute kommen. Sonntägliche Vergnügungen werden nicht unterdrückt, selbst dann nicht, wenn die Veranstalter gewerblich handeln. Insbesondere ist Arbeit für den Sonn- und Feiertag, aber zum Teil auch trotz des Sonn- und Feiertags seit jeher zulässig. Im Falle der Arbeit für den Sonn- und Feiertag kann die Abwägung zwischen den Freizeitbelangen der Bevölkerung und der Belastung der Arbeitnehmer durch Arbeit eher zum Zurücktreten des Sonn- und Feiertagsschutzes der betreffenden Arbeitnehmer führen als bei der Arbeit trotz Sonn- und Feiertag. Stets aber muss ein hinreichendes Niveau des Sonn- und Feiertagsschutzes gewahrt bleiben."

Die Grenzen gesetzgeberischen Ermessens hat das Bundesverwaltungsgericht dahin umschrieben, dass einerseits die durch das Grundgesetz festgelegte besondere Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage hinreichend gewährleistet und insoweit diese Tage als Institution geschützt sein müssen, andererseits die zum Schutz der Sonn- und Feiertage getroffenen Regelungen nicht unverhältnismäßig sein dürfen (BVerwG vom 25.8.1992 BVerwGE 90, 337/341 m.w.N.). Für die Inhaltsbestimmung des gesetzlich bestehenden Sonn- und Feiertagsschutzes gilt indes nichts anderes.

Für die Abgrenzung zwischen Beschäftigungen, die die Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage verwirklichen und die dieser Zweckbestimmung zuwiderlaufen, ist hier folgendes festzustellen:

Für den Betreiber der Automatenvideothek liegt eine auf Gelderwerb gerichtete gewerbliche Tätigkeit vor, deren werktäglicher Charakter für sich genommen auf der Hand liegt. Andererseits ist ebenso unzweifelhaft, dass das Betrachten von Videokassetten und DVDŽS zur Sonn- und Feiertagsgestaltung in Aktivität oder Muße gehören kann, die durch die Öffnung der Automatenvideothek an Sonn- und Feiertagen jedenfalls dann ermöglicht wird, wenn der Entschluss hierzu erst spontan getroffen wird. Werktägliche Geschäftigkeit, einschließlich gewerblicher Tätigkeiten, kann zulässig sein, sofern sie als "Arbeit für den Sonntag" gerade der Befriedigung sonn- und feiertäglicher Bedürfnisse dient. Dies ist bislang für Videotheken vom Bundesverwaltungsgericht mit der Begründung in Abrede gestellt worden, die gewerbliche Vermietung von Videokassetten an Sonn- und Feiertagen sei nicht durch die Eigenart der angebotenen Gegenstände oder Dienstleistungen gerechtfertigt. Videokassetten könnten werktags zum Gebrauch an Sonn- oder Feiertagen gemietet werden. Die Vermietung von Video-Filmen zur Mitnahme nach Hause diene auch nicht der Deckung eines an Sonn- und Feiertagen bestehenden Publikumsbedarfs an Ort und Stelle. Dadurch unterscheide sie sich z.B. von den Darbietungen eines Kinos, das zur Befriedigung eines an Sonn- und Feiertagen bestehenden Bedürfnisses an einer Filmvorführung geöffnet sein müsse (BVerwG vom 19.4.1988 BVerwGE 79, 236/242, ebenso BVerwG vom 16.5.1995 NVwZ-RR 1995, 516). Indes ließen sich auch bei den Vergnügungen an Ort und Stelle Teilleistungen als rein werktägliche Erwerbsgeschäfte abspalten, es käme aber niemand auf den Gedanken, den sonn- und feiertäglichen Kinobesuch vom werktäglichen Kartenerwerb abhängig zu machen oder bei einem Eissportstadion den Schlittschuhausleih nur werktags zuzulassen. Persönliche Bedürfnisse verlieren ihren sonn- und feiertäglichen Charakter nicht schon dadurch, dass sie auch an Werktagen befriedigt werden können (BVerwG a.a.O. BVerwGE 90, 337/346 unter Verweis auf OLG Hamm vom 16.2.1989 NJW 1989, 2478/2479). Dass ein erhebliches Bedürfnis für eine Ausleihmöglichkeit von Videokassetten und DVDŽS an Sonn- und Feiertagen und eine entsprechende Akzeptanz in weiten Teilen der Bevölkerung bestehen, ergibt sich schon daraus, dass nach der Empfehlung des Deutschen Bundestags vom 29. April 1998 im Rahmen der Novellierung des Filmförderungsgesetzes (BTDrs. 13/10509) einige Länder den sonn- und feiertäglichen Betrieb von Videotheken ausdrücklich gesetzlich zugelassen haben (Brandenburg ab 13 Uhr, § 4 Abs. 2 FTG; Hamburg ab 13 Uhr, § 2a Feiertagsgesetz; Rheinland-Pfalz sonntags [ohne Oster- und Pfingstsonntag] ab 13 Uhr, § 4 Abs. 2 LFtG; Mecklenburg-Vorpommern ab 12 Uhr mit Ausnahme Karfreitag, Ostersonntag, Pfingssonntag, Volkstrauertag und Totensonntag, § 4 Abs. 1 Nr. 9 FTG M-V; Niedersachsen ab 13 Uhr, § 4 Abs. 3 NFeiertagsG; Sachsen-Anhalt sonntags ohne sonntägliche Feiertage ab 13 Uhr, § 3 Abs. 4 FeiertG LSA; Schleswig-Holstein, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 4 SFTG). Dass der bayerische Landesgesetzgeber im Gegensatz zu diesen Ländern den Betrieb von Videotheken nicht zugelassen hat, ist nicht zu beanstanden, weil die Länder keine bundeseinheitlichen Vorschriften zum Schutz des Sonntags erlassen müssen (BVerwG vom 15.3.1988 BVerwGE 79, 118/123 f.). Nach Auffassung des Senats ist indes eine Zurückdrängung spontaner Bedürfnisbefriedigung in Bezug auf die Ausleihmöglichkeit von Videokassetten und DVDs an Sonn- und Feiertagen nur insoweit geboten und verhältnismäßig, als dies zu Lasten Dritter geht. Auch wenn die Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage über den Arbeitnehmerschutz und die Abwehr von Störungen der Religionsausübung hinausreicht (vgl. BVerwG aaO. BVerwGE 79, 236/239; 90, 337/344), kommt es in Bezug auf die Erforderlichkeit zulässiger "Arbeit für den Sonntag" entscheidend darauf an, ob eine Videothek mit oder ohne Personaleinsatz an Sonn- und Feiertagen betrieben werden soll. Der Betrieb einer Automatenvideothek an Sonn- und Feiertagen beeinträchtigt nicht das Gefühl des einzelnen, dass es sich um einen für alle verbindlichen Ruhetag handelt, belastet keinen Arbeitnehmer mit sonntäglicher Arbeit und löst auch keinen auf menschliche Sonntagsarbeit abzielenden Konkurrenzkampf aus. Auch ist nicht erkennbar, inwieweit von einer Automatenvideothek qualitativ oder quantitativ andere Beeinträchtigungen ausgehen sollen als von anderen Automaten, die an Sonn- und Feiertagen betrieben werden dürfen. Warenautomaten, die den dem Ladenschlussrecht zugrunde liegenden Arbeitsschutz und den damit verbundenen Wettbewerbsschutz nicht tangieren, sofern nicht Ladenpersonal oder andere Arbeitnehmer außerhalb der Geschäftszeiten mit dem Auffüllen der Warenautomaten befasst sind (Müller in Stober [Hrsg.], LSchlG, 4. Auflage 2000, RdNr. 5 zu § 7), sind mit dem Gesetz zur Verlängerung der Ladenöffnung an Samstagen vom 15. Mai 2003 (BGBl I S. 658) aus dem Anwendungsbereich des Ladenschlussgesetzes herausgenommen worden, mit der Begründung, dass ihre Einbeziehung nicht mehr zeitgemäß sei (BTDrs. 15/396 S. 8). Da die urprüngliche Intention des § 7 LSchlG a. F. durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 1962 (BVerfGE 14, 19) weitgehend aufgehoben worden war (vgl. Müller a.a.O. RdNr. 2 ff. zu § 7), erscheint es nicht vertretbar, den Warenautomatenbetrieb nach 45 Jahren als geeignet, die Feiertagsruhe zu beeinträchtigen, anzusehen (a.A. Möstl GewArch 2006, 9/15 Fn. 65, der eine feiertagsrechtliche Regelung durch den Landesgesetzgeber für notwendig hält, die bislang fehle). Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen ging in Abstimmung mit dem für das Feiertagsrecht zuständigen Bayerischen Staatsministerium des Innern mit Schreiben vom 7. Oktober 2004 betreffs "Jugendschutz und Schutz der Sonn- und Feiertage; Betrieb von Automatenvideotheken" (VG-Akte Bl. 275 f.) - sieht man von den jugendschutzrechtlichen Ausführungen zum Thema ab - davon aus, dass Videoautomaten auf öffentlich zugänglichen Verkehrsflächen an Sonn- und Feiertagen zulässig und nicht anders zu beurteilen seien als Warenautomaten, in denen z.B. Zigaretten, Süßwaren, Getränke oder sonstige Waren zum Verkauf abgegeben würden, während Automatenvideoverleih in Ladengeschäften wie das Offenhalten herkömmlicher Videotheken, die durch Personal überwacht werden, nach Art. 2 Abs. 1 FTG verboten sein soll. Eine solch unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Einrichtungen wahrt indes den Gleichheitssatz nicht mehr. Bankautomaten als Dienstleistungsautomaten unterliegen insoweit keinen Einschränkungen (vgl. LG Düsseldorf vom 2.2.2007 Az. 38 O 81/06); gleiches gilt für die Paketabholstationen der Post. Diese Inhaltsbestimmung des gesetzlich bestehenden Feiertagsschutzes lässt sich auch nicht aus systematischen Gründen damit in Zweifel ziehen, dass der Betrieb von Autowaschanlagen mit Gesetz vom 9. Mai 2006 (GVBl S. 190), falls die Gemeinde eine entsprechende Verordnung erlässt, unabhängig von der Frage der Automatisierung (vgl. LT-Drs. 15/4588) zugelassen worden ist. Denn der Betrieb von Autowaschanlagen hat ausschließlich werktäglichen Charakter (vgl. zuletzt BayObLG vom 5.3.2004 BayObLGSt 2004, 27) und bedarf daher jedenfalls ausdrücklicher gesetzlicher Zulassung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 Abs. 2 i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen teilweiser Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. April 1988 (BVerwGE 79, 236) zuzulassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG; siehe hierzu auch den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit unter Nr. 35.1).

Ende der Entscheidung

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