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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: 24 CS 05.3385
Rechtsgebiete: AufenthG, StGB


Vorschriften:

AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2
StGB § 57 Abs. 1
Der Erlass des letzten Drittels einer Freiheitsstrafe begründet für sich allein gesehen keine Ausnahme vom Regelfall, wonach eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden darf, wenn kein Ausweisungsgrund vorliegt.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

24 CS 05.3385

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Aufenthaltserlaubnis und Abschiebungsandrohung (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 09. Dezember 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Müller

ohne mündliche Verhandlung am 26. Januar 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Ablehnung seines Antrags auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis bzw. gegen eine drohende Abschiebung aus der Bundesrepublik.

Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro. Er kam 1995 im Alter von 15 Jahren zu seinen in Deutschland lebenden Eltern. Seitdem erhielt er immer wieder befristete Aufenthaltserlaubnisse, zuletzt mit Gültigkeit bis zum 16. Mai 2004. Mit Antrag vom 25. Mai 2004 beantragte er die erneute Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.

Der Antragsteller ist seit seinem 16. Lebensjahr mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Auf die Darstellung der vier Strafurteile auf der Seite 3 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. Dezember 2005 kann Bezug genommen werden. Zuletzt war der Antragsteller von Januar bis November 2005 inhaftiert.

Das Landratsamt Unterallgäu lehnte mit Bescheid vom 15. September 2005 die beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers ab und ordnete dessen Abschiebung aus der Strafhaft heraus an. Für den Fall der vorherigen Entlassung aus der Strafhaft wurde der Antragsteller aufgefordert, das Gebiet der Bundesrepublik innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Zur Begründung ist ausgeführt, eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis komme nicht in Betracht, da ein Ausweisungsgrund vorliege. Bei Abwägung aller Umstände könne ein weiterer Verbleib des Antragstellers in der Bundesrepublik nicht hingenommen werden.

Hiergegen erhob der Kläger am 14. Oktober 2005 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg mit dem Antrag, den Bescheid aufzuheben (Verfahren 1 K 05.1121). Er trug vor, er lebe seit seinem 15. Lebensjahr in Deutschland. Er sei verlobt, die Eheschließung stehe bevor. Weiter habe sich die Situation in seinem Heimatland gravierend verändert. Er habe dort auch keine familiären oder sonstigen sozialen Bindungen mehr. Zudem könne er ein festes Arbeitsangebot nachweisen. Diese Belange habe das Landratsamt nicht in seine Ermessensabwägung eingestellt. Das Landratsamt Unterallgäu beantragte die Abweisung der Klage.

Unter dem 8. Dezember 2005 beantragte der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Hierzu trug er vor, die Anordnung des Sofortvollzugs sei nicht gerechtfertigt, da ein überwiegendes Vollzugsinteresse der Öffentlichkeit nicht bestehe. Eine schlechte Sozialprognose könne ihm nicht attestiert werden. Zu diesem Ergebnis sei auch das Landgericht Kempten gekommen, welches das letzte Drittel seiner Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt habe. Auch komme Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte zur Anwendung. Das Landratsamt Unterallgäu beantragte, auch den Antrag abzulehnen.

Mit Beschluss vom 9. Dezember 2005 lehnte das Verwaltungsgericht Augsburg den Antrag ab. Es meinte, ein Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, sei nicht zulässig. Dem Antrag käme keine Fiktionswirkung zu. Nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel sei der unzulässige Antrag umzudeuten in einen Antrag mit dem Ziel, dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, den Antragsteller abzuschieben. Ein solcher Antrag sei zulässig, allerdings nicht begründet. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf eine vorläufige Bleibemöglichkeit aus einem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Auf Grund der strafrechtlichen Verurteilungen sei ein Ausweisungsgrund gegeben. Es liege auch ein Regelfall vor. Die Umstände zur Tatbegehung der den Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten vermögen einen Ausnahmefall nicht zu begründen. Auch in der Person des Antragstellers liegende Umstände würden einen atypischen Ausnahmefall nicht begründen. Der Antragsteller habe sich nicht in einem solchen Umfang und so erfolgreich in die deutsche Gesellschaft integriert, dass eine Rückkehr in das Land seiner Staatsangehörigkeit als unzumutbar erscheine. Auch eine Berufung auf Art. 8 EMRK könne dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 21. Dezember 2005. Der Antragsteller meint, es sei zu berücksichtigen, dass er erstmals eine Strafhaft verbüßt habe und von dieser so beeindruckt sei, dass nicht zu erwarten sei, dass von ihm erneut Straftaten ausgingen. Dies bestätige auch der Beschluss des Landgerichts Kempten, in welchem ihm auf Grund einer günstigen Sozialprognose das letzte Drittel der zu verbüßenden Haftstrafe erlassen worden sei. Dieser Umstand werde vom Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg an keiner Stelle gewürdigt. Weiterhin legte er die Bestätigung einer Firma vor, die ihn als Hilfsarbeiter einstellen möchte. Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Er meint, eine Ausnahme vom Regelfall liege nicht vor.

Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Gegenstand der Beschwerde ist der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. Dezember 2005, mit welchem der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt wurde. Gegenstand dieses Antrags war nach sachgerechter Auslegung durch das Verwaltungsgericht der Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit welcher dem Antragsgegner untersagt werden sollte, den Antragsteller abzuschieben.

2. Die Beschwerde ist nicht begründet. Ausgehend vom Beschwerdevorbringen des Antragstellers, welches den Gegenstand der Prüfung durch den Senat bestimmt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

a) Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend festgestellt, dass der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers grundsätzlich die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 8 Abs. 1 AufenthG entgegensteht, wonach die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraussetzt, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Ein solcher Ausweisungsgrund ist beim Antragsteller nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG gegeben. Dies wird von ihm auch nicht bestritten.

b) Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus auch das Vorliegen einer Ausnahme vom Regelfall - was allein Gegenstand des Beschwerdevorbringens ist - zu Recht abgelehnt.

Von der Regelvoraussetzung darf nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn von der Regel abweichende Umstände vorliegen und der Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels nicht entgegenstehen. Der Sachverhalt muss so atypisch gelagert sein, dass eine Versagung des Aufenthaltstitels mit dem gesetzgeberischen Anliegen nicht zu vereinbaren und als ungerecht und insbesondere unverhältnismäßig anzusehen ist (Renner, Kommentar zum Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, RdNr. 36 zu § 5 AufenthG).

Von einer solchen Konstellation kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

(1) Auf die Ausführungen im Beschluss vom 9. Dezember 2005 hierzu (Seiten 6 bis 11) kann zunächst Bezug genommen werden.

(2) Auch die Strafaussetzung zur Bewährung mit Beschluss des Landgerichts Kempten vom 10. November 2005 kann einen solchen atypischen Sonderfall nicht begründen. Durch diesen Beschluss wurde das letzte Drittel der Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten aus dem Urteil vom November 2004 gemäß § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt. Dabei ging das Landgericht von einer günstigen Prognose aus. Es handelt sich gleichwohl um keine besonders gelagerte Atypik, die hier festzustellen ist. Die Aussetzung des letzten Drittels einer Freiheitsstrafe zur Bewährung stellt vielmehr eine häufig festzustellende Vorgehensweise dar. Sie findet in einer Vielzahl von Fällen Anwendung. Auch der Wortlaut des Gesetzes ("setzt aus") belegt, dass es eher den Regelfall darstellt, die Bewährung des letzten Drittels einer Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn dies unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Auch ein Vergleich mit § 57 Abs. 2 StGB zeigt, dass bei einer Drittelaussetzung kein besonders atypischer Fall gegeben sein muss. Dies wäre - ohne dass dies im vorliegenden Verfahren abschließend geklärt werden muss - allenfalls dann denkbar, wenn gemäß § 57 Abs. 2 StGB die Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, weil besondere Umstände vorliegen. Im Falle des § 57 Abs. 1 StGB, auf welchen der Antragsteller sich beruft, ist dies nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht der Fall. Der Erlass des letzten Drittels einer Freiheitsstrafe stellt einen häufigen Fall dar, der nicht geeignet ist, eine besondere Atypik im ausländerrechtlichen Sinne zu begründen.

(3) Auch der Vortrag des Antragstellers, ihm sei eine Arbeitsstelle zugesichert worden, ist nicht geeignet, einen atypischen Sonderfall zu begründen. Vielmehr stellt es den Regel- oder Normalfall dar, dass ein Ausländer, der aus der Strafhaft entlassen wird, sich wieder bemüht, einer Arbeit nachzugehen.

(4) Im Übrigen hat der Antragsteller nichts vorgetragen, was die Annahme eines Ausnahmefalls rechtfertigen würde.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Danach hat der Antragsteller die Kosten seines erfolglos eingelegten Rechtsbehelfs zu tragen.

4. Der Streitwert war nach §§ 47, 52 Abs. 2 und 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG zu bestimmen (siehe hierzu auch den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit unter Nrn. 1.5 sowie 8.1).

5. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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