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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.01.2006
Aktenzeichen: 24 CS 06.16
Rechtsgebiete: VwGO, AufenthG, VwZVG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2
AufenthG § 55 Abs. 3
AufenthG § 56 Abs. 1 Satz 2
AufenthG § 81 Abs. 4
AufenthG § 84 Abs. 1
VwZVG Art. 21 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

24 CS 06.16

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Ausweisung und Niederlassungserlaubnis (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. Dezember 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Müller

ohne mündliche Verhandlung am 30. Januar 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. Dezember 2005 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Ziffer II. bis IV. des Bescheides des Antragsgegners vom 13. Oktober 2005 angeordnet.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Antragsteller und Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.

III. Unter Abänderung von Ziffer III. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. Dezember 2005 wird der Streitwert in beiden Rechtszügen auf jeweils 5.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 1984 geborene Antragsteller ist Staatsangehöriger Serbien-Montenegros. Er reiste im März 1997 im Wege der Familienzusammenführung mit einem Visum in das Bundesgebiet ein und erhielt in der Folgezeit jeweils befristete Aufenthaltserlaubnisse, zuletzt gültig bis 26. Juni 2005. Der Antragsteller wurde viermal vom Amtsgericht Kelheim (Jugendgericht bzw. Jugendschöffengericht) wegen Körperverletzungsdelikten verurteilt. Mit Urteil vom 30. April 2001 legte ihm das Gericht eine Geldauflage in Höhe von 200 DM auf; mit Urteil vom 1. Oktober 2001 verhängte das Gericht zwei Freizeitarreste sowie eine Geldauflage in Höhe von 450 DM; mit Urteil vom 26. Juni 2003 verhängte das Gericht einen Jugendarrest von drei Wochen; mit Urteil vom 31. März 2005 wurde der Antragsteller zu einer Jugendstrafe von acht Monaten ohne Bewährung verurteilt.

Mit Schreiben des Landratsamts Kelheim vom 2. August 2001 und 31. Juli 2003 wurde der Antragsteller ausländerrechtlich belehrt und verwarnt. Nach dem Besuch der Hauptschule absolvierte er eine Lehre als Kfz-Mechaniker, die er im schriftlichen Teil nicht erfolgreich abschließen konnte. Er ist seit Anfang 2004 arbeitslos.

Am 11. Mai 2005 beantragte er die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Nach entsprechender Anhörung wies das Landratsamt Kelheim den Antragsteller mit Bescheid vom 13. Oktober 2005 aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer I.), lehnte den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer II.), forderte ihn zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheides auf (Ziffer III.) und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Serbien und Montenegro an (Ziffer IV.). Da der Antragsteller einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen habe, sei nach dem Ermessen der Behörde aus spezialpräventiven Gründen die Ausweisung des Antragstellers geboten, auch wenn er besonderen Ausweisungsschutz genieße; da ein Ausweisungsgrund vorliege, sei auch der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abzulehnen gewesen.

Gegen diesen Bescheid wandte sich der Antragsteller mit Klage vom 17. November 2005, über die das Verwaltungsgericht Regensburg noch nicht entschieden hat. Ferner ließ der Antragsteller am 17. November 2005 beim Verwaltungsgericht Regensburg beantragen, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.

Das Verwaltungsgericht Regensburg wies den Antrag mit Beschluss vom 14. Dezember 2005 ab. Der Antrag sei unzulässig, soweit er sich auf die Ausweisung des Antragstellers beziehe, da die Ausweisung ausdrücklich nicht für sofort vollziehbar erklärt worden sei. Im übrigen sei der Antrag unbegründet. Der Antragsgegner habe den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu Recht abgelehnt, da die Ausweisung rechtmäßig sei. Die Delikte des Antragstellers seien nicht nur harmlose Jugendsünden und seine kriminelle Energie habe sich von Fall zu Fall gesteigert. Daher sei die Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde nicht zu beanstanden. Die familiären Bindungen des volljährigen Antragstellers zu seinen Eltern und Geschwistern im Bundesgebiet stünden der Ausweisung nicht entgegen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Mit Blick auf die Ausweisung des Antragstellers mangele es bereits an schwerwiegenden Gründen im Sinne des Gesetzes. Die ersten drei Verurteilungen des Antragstellers könnten zur Begründung der Ausweisung nicht herangezogen werden, da die Ausländerbehörde in Kenntnis dieser Verurteilungen Aufenthaltstitel erteilt bzw. verlängert habe. Zudem habe das Amtsgericht auch bei der dritten und vierten Straftat für den Heranwachsenden noch Jugendstrafrecht angewandt, so dass es sich bei den Straftaten des Antragstellers um Jugendsünden handle. Es fehle an Anhaltspunkten dafür, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Verfehlungen des Antragstellers ernsthaft drohe. Auch sei die familiäre Situation des Antragstellers zu berücksichtigen, der seit nunmehr über neun Jahren im Bundesgebiet mit seiner Familie zusammen lebe und hier seine Schulausbildung und Berufsausbildung genossen habe. Es liege deshalb ein Ermessensfehler der Ausländerbehörde vor.

Der Antragsteller beantragt,

Ziffer I. und II. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. Dezember 2005 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. Oktober 2005 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Da beim Antragsteller zu den bereits bekannten drei Körperverletzungsdelikten noch ein weiteres hinzugekommen sei, habe die Behörde nun wiederum den gesamten Sachverhalt würdigen müssen. Die Ausländerbehörde habe auch nicht dadurch gegen das Vertrauensschutzprinzip verstoßen, dass sie zwischen der Kenntnis des Ausweisungsgrundes und der Ausweisung einen längeren Zeitraum habe verstreichen lassen. Die letzte Straftat sei am 31. März 2005 abgeurteilt worden; am 11. Mai 2005 habe der Antragsteller die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis beantragt. Die daraufhin eingeleitete Überprüfung habe zum Anhörungsschreiben vom 14. Juni 2005 geführt, in dem eine Ausweisung angekündigt worden sei. Von einer überlangen Verfahrensdauer könne keine Rede sein. Der Ablegung eines Geständnisses könne entgegen der Auffassung des Antragstellers kein großes Gewicht beigemessen werden, da seine Beteiligung an den Schlägereien evident gewesen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, soweit sie sich auf die Abschiebungsandrohung und die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bezieht; im Hinblick auf die verfügte Ausweisung ist die Beschwerde unbegründet.

1. Der Antragsteller begehrt auch im Beschwerdeverfahren uneingeschränkt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 13. Oktober 2005 anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig ist, soweit er sich auch auf Ziffer I. des Bescheides vom 13. Oktober 2005 bezieht. Die dort verfügte Ausweisung des Antragstellers wurde nicht für sofort vollziehbar erklärt und ist auch nicht kraft Gesetzes sofort vollziehbar (vgl. § 84 AufenthG). Vielmehr kommt der Klage des Antragstellers insoweit gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu. Die Antragstellerseite hat diesem Umstand auch im Beschwerdeverfahren nicht durch eine entsprechende Antragstellung Rechnung getragen. Daher muss die Beschwerde insoweit ohne Erfolg bleiben.

2. Im übrigen ist die Beschwerde begründet.

Nach den von der Antragstellerseite dargelegten und vom Senat geprüften Beschwerdegründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis und die Androhung der Abschiebung das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides.

a) Die gegen die Versagung und auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage des Antragstellers hat gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung. Allerdings hat der Antragsteller rechtzeitig vor Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis deren Verlängerung beantragt, so dass der Antrag die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG auslöste; danach gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Gegen den Verlust der mit der Antragsablehnung vom 13. Oktober 2005 endenden verfahrensrechtlichen Fiktion kann der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO in Anspruch nehmen (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, RdNr. 33 zu § 81 AufenthG). Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist insoweit auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage und auf die Aussetzung der Vollziehung der Ausreisepflicht gerichtet.

Soweit sich die Klage gegen die Androhung der Abschiebung richtet, hat sie gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. Art. 21 a Satz 1 VwZVG keine aufschiebende Wirkung; gemäß Art. 21 a Satz 2 VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist dagegen ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zulässig.

b) Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen, aber auch allein möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers in der Hauptsache offen sind und sein Interesse an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der angefochtenen Maßnahmen überwiegt. Die Aussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage sind offen. Die Klage richtet sich auf die Verpflichtung des Antragsgegners, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen bzw. dessen Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. In Betracht kommt hier insbesondere ein Anspruch des Antragstellers auf fehlerfreie Ermessensentscheidung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 AufenthG bzw. § 34 Abs. 3 AufenthG. Da die Ausweisung des Antragstellers gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG unbeschadet ihrer Vollziehbarkeit wirksam ist, war nach Auffassung des Landratsamts im angefochtenen Bescheid der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abzulehnen, da beim Betroffenen ein Ausweisungsgrund vorliege (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG); das Verwaltungsgericht hat sich insoweit auf § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG gestützt, wonach einem ausgewiesenen Ausländer kein Aufenthaltstitel erteilt wird. Eine Ermessensentscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde daher nicht getroffen.

Diese Auffassung stellt sich jedoch als zweifelhaft dar, da die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Antragstellers nach summarischer Prüfung noch ungeklärt ist.

Der Antragsgegner stützt die Ausweisung des Antragstellers auf § 55 Abs. 1 AufenthG; danach kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG kann ein Ausländer insbesondere ausgewiesen werden, wenn er einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Der Antragsgegner geht zu Recht davon aus, dass die Körperverletzungsdelikte des Antragstellers derartige Verstöße gegen Rechtsvorschriften darstellen. Insoweit ist festzustellen, dass entgegen der Auffassung der Antragstellerseite die ersten drei Straftaten des Antragstellers nicht dergestalt "verbraucht" sind, dass sie der Ausländerbehörde nicht mehr als Argument für die Ausweisung dienen könnten. Vielmehr ist es der Behörde möglich, im Lichte der vierten Straftat eine neue Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung aller bisherigen bekannten Straftaten anzustellen und eine Gesamtwürdigung des Verhaltens des Antragstellers vorzunehmen. Im übrigen war dem Landratsamt zum Zeitpunkt der ausländerrechtlichen Belehrung und Verwarnung des Antragstellers im Schreiben vom 31. Juli 2003 die dritte Verurteilung des Antragstellers noch gar nicht bekannt. In dem Schreiben wird zwar darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft den Antragsteller nun am 14. Mai 2003 erneut wegen vorsätzlicher Körperverletzung angeklagt habe; es wird aber auch angemerkt, dass in dieser Sache noch kein Urteil vorliege. Das Urteil vom 26. Juni 2003 ging laut Eingangsstempel dem Landratsamt erst am 28. August 2003 zu.

Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht gingen auch zu Recht davon aus, dass hier kein Fall einer zwingenden Ausweisung (§ 53 AufenthG) oder einer Ausweisung im Regelfall (§ 54 AufenthG) vorliegt, da dem Antragsteller besonderer Ausweisungsschutz gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zusteht. Er wird deshalb gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Ein gesetzlicher Regelfall für das Vorliegen schwerwiegender Gründe gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegt beim Antragsteller nicht vor.

Anders als das Verwaltungsgericht hat der Senat nach summarischer Prüfung Zweifel, ob hier schwerwiegende Gründe vorliegen. Dies ist zwar nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass kein Regelfall des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gegeben ist. Jedoch setzt die spezialpräventiv motivierte Ausweisung einer Person mit besonderem Ausweisungsschutz voraus, dass dem Ausweisungsanlass ein besonderes Gewicht zukommt und zudem Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerfG vom 1.3.2000 DVBl 2000, 697/698; BVerwG vom 28.1.1997, NVwZ 1997, 1119/1120; BayVGH vom 26.7.1994 InfAuslR 1994, 396/397).

Zwar können die Körperverletzungsdelikte des Antragstellers insbesondere im Lichte der letzten und schwerwiegendsten Straftat, die sich im November 2004 zutrug, nicht als bloße Jugendsünden abgetan werden; insoweit ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt bereits weit über 20 Jahre alt war, aber auch seine niedrige Hemmschwelle für Gewaltausübung, seine erhebliche Gewaltbereitschaft und die massiven Tatfolgen (2 abgebrochene Zähne des Geschädigten) sowie die Tatsache, dass das Jugendgericht dem Angeklagten schädliche Neigungen bescheinigte. Andererseits ist zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass wegen nicht auszuschließender Reifeverzögerungen Jugendstrafrecht angewandt wurde, dass er alkoholbedingt enthemmt war und sich vor allem die verhängte Jugendstrafe von acht Monaten (so der Tenor des amtsgerichtlichen Urteils vom 31.3.2005, in den Gründen unter IV. ist von der Jugendstrafe in Höhe von 10 Monaten als tat- und schuldangemessen die Rede) sich am unteren Rande des Strafrahmens für eine Jugendstrafe in § 18 Abs. 1 JGG bewegt. In der Rechtsprechung wurde das besondere Gewicht des Ausweisungsanlasses, d.h. einer Straftat, etwa bejaht bei der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten wegen eines Rauschgiftdelikts (BVerwG vom 1.3.2000 a.a.O.), wegen eines Rauschgiftdelikts mit Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung (BVerwG vom 28.1.1997 a.a.O.), bei Verurteilung wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten (VGH Baden-Württemberg vom 12.11.1996 InfAuslR 1997, 108), oder bei Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren (VGH Baden-Württemberg vom 9.7.2003 Az. 11 S 420/03). Demgegenüber wurde eine Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten zur Bewährung wegen illegaler Abgabe von Haschisch an Minderjährige in Tatmehrheit mit einem Vergehen der gefährlichen Körperverletzung nicht als Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht angesehen (BayVGH vom 26.7.1994 a.a.O.). Vor diesem Hintergrund und angesichts dieser Vergleichsfälle wird im Fall des Antragstellers im Hauptsacheverfahren noch näher zu prüfen und zu würdigen sein, ob seinen Straftaten, insbesondere dem vierten Körperverletzungsdelikt, tatsächlich das erforderliche besondere Gewicht zukommt.

Darüber hinaus wird auch noch näher zu prüfen sein, welche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Antragstellers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht. Insoweit könnte zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen sein, dass er das Tatgeschehen vom 14. November 2004 bei der polizeilichen Vernehmung ohne weiteres einräumte und dass er gegenüber der Ausländerbehörde am 8. September 2005 persönlich erklärte, dass er seine Straftaten sehr bereue, sich ändern und ein neues Leben beginnen wolle. Soweit das Verwaltungsgericht zum Nachteil des Antragstellers von dessen eingeschränkter Therapiewilligkeit ausgeht, ist dem entgegenzuhalten, dass der Antragsteller selbst bei seiner Vorsprache bei der Ausländerbehörde am 8. September 2005 die Möglichkeit einer Therapie ins Gespräch gebracht hat.

Mit Blick auf all diese Gesichtspunkte und die bei der Entscheidung über die Ausweisung gemäß § 55 Abs. 3 AufenthG weiter zu berücksichtigenden Aspekte - insbesondere die familiäre Situation des Antragstellers - sind die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers gegen seine Ausweisung nach summarischer Prüfung derzeit noch offen. Auch bei Abwägung der sonstigen Interessen aller Beteiligten ist ein Übergewicht des öffentlichen Interesses an der baldigen Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers gegenüber dem Interesse des Antragstellers, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage in der Bundesrepublik und bei seiner Familie bleiben zu können, nicht zu erkennen. Den Interessen des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage ist deshalb der Vorrang einzuräumen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG; da in der Hauptsache sowohl die Erteilung eines Aufenthaltstitels als auch die Ausweisung des Antragstellers im Streit stehen, ist unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall der Auffangstreitwert von 5.000 € zweimal anzusetzen und im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (vgl. Nr. II.8.1 und 8.2 i.V.m. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Ende der Entscheidung

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