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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.08.2006
Aktenzeichen: 25 CS 06.1951
Rechtsgebiete: BtMG, BtMVV


Vorschriften:

BtMG § 22
BtMVV § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

25 CS 06.1951

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Betäubungsmittelgesetz/Substitution (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Juli 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 25. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schechinger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dachlauer, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 1. August 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde (§§ 146, 147 VwGO) ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts Weilheim/Schongau vom 3. Juli 2006, mit dem ihm die weitere Behandlung opiatabhängiger Patienten in Anwendung eines ärztlich verschriebenen Betäubungsmittels (sog. Substitution) untersagt wurde, für nicht erfolgversprechend erachtet und im öffentlichen Interesse der Vermeidung von Gesundheitsgefahren die angeordnete sofortige Vollziehung gebilligt. Der Senat stimmt der - im Einklang mit seiner Rechtsprechung stehenden (vgl. BayVGH vom 14.4.2005 Az. 25 CS 05.102) - Erfolgsprognose und Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts zu und weist das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Weder aus der Beschwerdebegründung (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) noch nach Aktenlage ergeben sich Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. § 22 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl I S. 358), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juni 2005 (BGBl I S. 1818), bilden eine tragfähige Rechtsgrundlage für die behördlichen Maßnahmen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass auch ohne eine gleichlautende vorläufige Anordnung die Entscheidung getroffen werden kann, dass die weitere Teilnahme am Betäubungsmittelverkehr teilweise untersagt wird und die Betäubungsmittelbestände unter amtlichen Verschluss genommen werden. Die vorläufigen Anordnungen nach § 22 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 BtMG, die von der zuständigen Behörde innerhalb eines Monats durch endgültige Entscheidungen ersetzt werden müssen, stellen nach dem Zweck des Gesetzes ein zusätzliches Instrument dar, welches ein sofortiges Einschreiten beispielsweise bei einer Praxiskontrolle ermöglichen soll. Der sofortige Erlass eines Verwaltungsakts ohne Vorläufigkeitscharakter wird dadurch nicht versperrt.

Die Behörde hat auch mit Recht angenommen, dass das Verhalten des Antragstellers bei der Behandlung von Substitutionspatienten eine dringende Gefahr für die Sicherheit und die Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs i.S.v. § 22 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 BtMG darstellte. Weder bei der nach § 5 Abs. 8 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) vom 20. Januar 1998 (BGBl I S. 74), zuletzt geändert durch Verordnung vom 10. März 2005 (BGBl I S. 757), nur ausnahmsweise zulässigen Aushändigung einer Verschreibung des Substitutionsmittels an den Patienten (sog. Take-Home-Verordnungen) noch den entsprechenden Dokumentationspflichten (§ 5 Abs. 10 BtMVV) hat er die im Interesse der Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs sehr strikten Vorschriften der Verordnung und der aufgrund § 5 Abs. 11 BtMVV ergangenen Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger vom 22. März 2002 ausreichend beachtet. Auch nach dem Tod eines Patienten, der entgegen § 5 Abs. 8 Satz 3 trotz Beikonsums anderer Betäubungsmittel eine größere Menge des Substitutionsmittels erhalten und sich injiziert hatte, trotz staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen, trotz mehrfacher Beanstandung durch Behörden, trotz konkreter Anordnungen zur Verschreibungspraxis und zur Dokumentation mit Bescheid vom 14. Februar 2006 und der auf die Dokumentationspflicht bezogenen Einleitung der Zwangsvollstreckung war der Antragsteller nicht bereit, seine Behandlungspraxis zu verändern. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Behörde aus der Nichtbeachtung der von ihr erlassenen sofort vollziehbaren Anordnungen und dem großzügigen Umgang des Antragstellers mit den Vorschriften des Betäubungsmittelrechts den Schluss zieht, dass der Antragsteller uneinsichtig und deshalb als Substitutionsarzt ungeeignet ist. Soweit in der Beschwerdebegründung den strikten behördlichen Vorgaben das "verantwortungsbewusst ausgeübte ärztliche Ermessen" gegenüber gestellt wird, wird verkannt, dass die Vorschriften zur Regelung der Substitutionsbehandlung in besonderem Maße der Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs dienen, welche nicht zur Disposition eines ärztlichen Ermessensspielraums steht. Diese Vorschriften bilden zugleich eine nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich unbedenkliche Schranke der ärztlichen Berufsfreiheit, auf die sich die Beschwerdebegründung beruft.

Kostenentscheidung: § 154 Abs. 2 VwGO; Streitwert: §§ 47, 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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