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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.12.2003
Aktenzeichen: 3 CE 03.2098
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 123
VwGO § 161
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 CE 03.2098

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Unterlassung von Äußerungen

(Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Juli 2003, erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 3. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Thomas, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Burger-Veigl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Weber

ohne mündliche Verhandlung am 1. Dezember 2003

folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 16. Juli 2003 wird festgestellt, dass sich die Hauptsache erledigt hat.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Begehren des Antragstellers war ursprünglich auch in zweiter Instanz auf die (Weiter-)verfolgung des Ziels gerichtet, im Weg einer einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin verpflichten zu lassen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache gewisse öffentliche Äußerungen zu unterlassen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 16. Juli 2003 abgewiesen. Ob ein Anordnungsanspruch gegeben sei, könne offen bleiben. Jedenfalls habe der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft machen können, da die Angelegenheit nicht dringlich sei. Es fehle an der materiell-rechtlichen Voraussetzung der Wiederholungsgefahr, da die Antragsgegnerin durch ihre Rechtsvertreterin zugesichert habe, die vom Antragsteller als ehrverletzend empfundenen Äußerungen nicht zu wiederholen.

Gegen diesen, seinem Bevollmächtigten am 30. Juli 2003 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit am 12. August 2003 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde einlegen und sie gleichzeitig begründen lassen. Er stellte den Antrag:

"I. Unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 16. Juli 2003 wird die Antragsgegnerin verpflichtet, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache öffentliche Äußerungen des Inhalts zu unterlassen, der Antragsteller habe im Zusammenhang mit den Umbaumaßnahmen für die K. seine dienstlichen Verpflichtungen nicht erfüllt.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens."

Der Antragsteller begründet seine Beschwerde im wesentlichen damit, ein Anordnungsgrund sei insbesondere darin zu sehen, dass es an einer hinreichenden Zusicherung der Antragsgegnerin fehle, die inkriminierten Äußerungen nicht zu wiederholen. Außerdem begründe ein bereits stattgefundener Eingriff in der Regel die Wiederholungsgefahr, sofern nicht das Verhalten des Verletzers eine sichere Gewähr gegen weitere Eingriffe biete.

Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 29. August 2003 die Ablehnung des Antrags; der Antragsteller habe die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Sie führt dazu unter näherem Eingehen auf ihre Antragserwiderung in 1. Instanz vom 10. April 2003 aus, weshalb das Verwaltungsgericht ihrer Auffassung nach das Bestehen eines Anordnungsgrundes zutreffend verneint habe.

Der Antragsteller bat die Antragsgegnerin unter dem Datum vom 6. Oktober 2003 um eine eindeutige Klarstellung durch die Antragsgegnerin dahin, ob deren Äußerung im Schriftsatz vom 29. August 2003 (Seite 2, 2. Absatz - "Zusicherung") dahin zu verstehen sei, dass die Erklärung im Schriftsatz vom 10. April 2003 (Seite 10) eine Zusicherung darstellen solle, jedenfalls bis zum Abschluss des (inzwischen anhängigen) Hauptsacheverfahrens die streitgegenständliche Äußerung nicht zu wiederholen.

Auf die Erwiderung der Antragsgegnerin vom 21. Oktober 2003 hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2003 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Zur Begründung führt er namentlich aus, der - soweit ersichtlich erstmals in dem Schriftsatz vom 21. Oktober 2003 gegebene - Hinweis der Antragsgegnerin auf eine ohne die bisherigen Vorbehalte erfolgte Erklärung des berufsmäßigen Stadtrats H., "dass er die streitgegenständlichen Äußerungen nicht wiederholen werde", sei jedenfalls dahin zu verstehen, dass sie (sc. mit diesem unzweideutigen Inhalt) zumindest vom jetzigen Zeitpunkt an Geltung haben solle (argumentum a maiore ad minus).

Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 11. November 2003 mitgeteilt,

sie stimme der Erledigungserklärung nicht zu.

Mit ihrem Schriftsatz vom 21. Oktober 2003 habe sich nämlich die Sach- und Rechtslage nicht geändert. Es liege kein erledigendes Ereignis vor; vielmehr beabsichtige Herr H. nach wie vor nicht, die als ehrverletzend empfundenen Äußerungen in der Öffentlichkeit zu wiederholen. Auch mit Hilfe eines Analogieschlusses bzw. Subalternationsschlusses (argumentum a maiore ad mimus) vermöge der Antragsteller kein erledigendes Ereignis zu begründen. Dieser sei nur dann als Mittel der Erkenntnis brauchbar, wenn die Konklusion aus wahren Prämissen folgerichtig abgeleitet worden sei. Nur wenn die Erklärungen von Herrn H. bereits im Vorfeld des Prozesses zeitlich und inhaltlich uneingeschränkt abgegeben worden seien, könne im Rückschluss "ad minus" auf ihre "Geltung vom jetzigen Zeitpunkt an" geschlossen werden. Indem der Antragsteller aber genau diese vorprozessualen Erklärungen bestreite, entziehe er seiner Schlussfolgerung die Grundlage. Außerdem fordere der Antragsteller neben der künftigen Unterlassung der Wiederholung der streitgegenständlichen Äußerungen, gleichzeitig die getätigten Äußerungen zu widerrufen und den Antragsteller zu rehabilitieren. Diese umfangreichen Forderungen hätten sich auch bei "jetziger Geltung" der Erklärungen von Herrn H. "ohne die bisher geäußerten Vorbehalte" nicht erledigt, da sich die in Rede stehenden Erklärungen nur auf die Unterlassung künftiger streitgegenständlicher Äußerungen bezögen.

Im Übrigen wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Im Hinblick auf die einseitig gebliebene Erledigterklärung des Antragstellers war durch Beschluss festzustellen, ob sich die Hauptsache erledigt hat. Dies ist der Fall.

Gegenstand des Antragsverfahrens ist aufgrund der einseitigen Erledigterklärung des Antragstellers nur noch die Frage, ob sich die Hauptsache erledigt hat, nicht jedoch, ob der ursprünglich gestellte Antrag begründet war (vgl. hierzu BVerwG v. 31.10.1990, DVBl 1991, 214; zur Anwendbarkeit des Rechtsinstituts der Erledigungserklärung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 oder 7 oder § 123 VwGO vgl. zutreffend Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 123 RdNr. 33 und § 161 RdNrn. 7 und 8). Erledigung ist immer dann anzunehmen, wenn ein nach Antragstellung eingetretenes außerprozessuales Ereignis dazu führt, dass dem Antragsbegehren die Grundlage entzogen wird, insbesondere - aus welchen Gründen auch immer - die gerichtliche Entscheidung dem Kläger keinen rechtlichen Vorteil mehr bringen kann. Liegt die Erledigterklärung des Antragstellers vor, der der Antragsgegner nicht zustimmt, so ist diese Erklärung ohne ausdrückliche Umstellung des ursprünglichen Antrags als - zulässiger - Antrag auf Feststellung des Eintritts der Erledigung auszulegen (vgl. für das Klageverfahren zutreffend etwa Kopp/Schenke, § 161 RdNr. 20; BayVGH v. 22.9.1994 Az. 3 B 93.3193, sowie v. 24.9.1984, BayVBl 1986, 86/87; die Grundsätze gelten für das Antragsverfahren nach § 123 VwGO entsprechend).

Der Antragsteller hat vorliegend zu Recht die Hauptsache für erledigt erklärt.

Gegenstand des "Hauptsacheverfahrens" - das bei vorliegender Konstellation im "Antragsverfahren nach § 123 VwGO" zu sehen ist - war das Begehren des Antragstellers, die Antragsgegnerin zu verpflichten, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache öffentliche Äußerungen des Inhalts zu unterlassen, der Antragsteller habe im Zusammenhang mit den Umbaumaßnahmen für die K. seine dienstlichen Verpflichtungen nicht erfüllt.

Für dieses Begehren - auf dessen materiellrechtliche Berechtigung als Grundlage für einen Anordnungsanspruch es nach der Erledigterklärung durch den Antragsteller nicht mehr ankommt - lag entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein Anordnungsgrund vor. Der zuständige Baureferent und berufsmäßige Stadtrat H. hatte nämlich in dieser Eigenschaft als Organ der Antragsgegnerin und somit ihr zurechenbar in der Vollversammlung des Stadtrats am 27. November 2002 die im angefochtenen Beschluss wörtlich zitierten Äußerungen auch hinsichtlich des Antragstellers abgegeben und damit u.a. ein erhebliches Presseecho hervorgerufen. Angesichts der gesamten Umstände, insbesondere auch im Hinblick darauf, dass diese Äußerungen des Stadtrats H auch als Argumente zu dessen eigener Rechtfertigung verstanden werden konnten, und namentlich auch vor dem Hintergrund der in der Öffentlichkeit erfolgten Thematisierung unter Einschluss der Person des Antragstellers durfte der Antragsteller von einer konkreten Wiederholungsgefahr in dem Sinn ausgehen, wie sie einen Anordnungsgrund i.S.d. § 123 VwGO bildet. Für diese besteht nämlich nach einer tatsächlich erfolgten Rechtsbeeinträchtigung - die bei der hier zu beurteilenden Frage des Anordnungsgrunds zu unterstellen ist - eine Vermutung (vgl. Palandt, BGB, 62. Aufl. 2003, § 1004 RdNr. 32 m.w.N.). Es kann dahingestellt bleiben, ob das bloße Versprechen, die störende Handlung nicht mehr vorzunehmen, die Wiederholungsgefahr in der Regel nicht ausräumen würde. Ein solches Versprechen hat nämlich die Antragsgegnerin trotz Aufforderung durch den Antragsteller innerhalb der gesetzten und zumutbar bemessenen Frist nicht abgegeben. Nach der - von der Antragsgegnerin unwidersprochen gebliebenen - Darstellung des Bevollmächtigten des Antragstellers in dessen Antragsschreiben vom 24. März 2003 (dort Seite 3) hat der berufsmäßige Stadtrat H. diesem gegenüber sogar am 20. März 2003 fernmündlich nachdrücklich erklärt, er werde eine Erklärung der erbetenen Art nicht abgeben. Unter diesen Umständen gehen auch die Ausführungen der Antragsgegnerin zur Frage der Zulässigkeit des Schlusses "a maiore ad minus" in dem von ihr dargelegten Zusammenhang ins Leere.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin - vertreten durch die mit der Prozessvertretung beauftragte Beamtin - keine Äußerung abgegeben, die für sich alleine genommen vom Empfängerhorizont des Antragstellers aus gesehen hinreichend klar eine tragfähige Unterlassungserklärung dargestellt hätte. Erst in der Beschwerdeerwiderung vom 29. August 2003 hat die Antragsgegnerin gegenüber dem Senat klar geäußert, dass aufgrund der (in der ersten Instanz erfolgten) Zusicherung der Antragsgegnerin, die vom Antragsteller als ehrverletzend empfundenen Äußerungen nicht zu wiederholen, keine Wiederholungsgefahr bestehe. Diese - nunmehr die vorangegangene Äußerung authentisch und eindeutig interpretierende sowie auch aus sich selbst heraus zu verstehende - Erklärung der Antragsgegnerin hat der Antragsteller zum Anlass genommen, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Diese Erklärung stellte in der Tat den Eintritt eines erledigenden Ereignisses dar. Sie erfolgte nämlich in der Beschwerdeinstanz - womit der für die gerichtliche Entscheidung maßgebliche Zeitpunkt (vgl. Kopp/Schenke § 123 RdNr. 27) markiert ist - und erst sie hat einer vor der ursprünglichen Antragstellung überhaupt nicht erfolgten und sodann einer im Verfahren in der 1. Instanz vom Antragsteller abgegebenen, jedoch als eher sibyllinisch gefasst verstehbaren Äußerung der Antragsgegnerin nunmehr in der 2. Instanz zur Eindeutigkeit verholfen. Diese Erklärung wurde zwar im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Antragsverfahrens abgegeben, entfaltet ihre verbindliche Wirkung aber in erster Linie im materiellrechtlichen Bereich und stellt somit auch ein "außerprozessuales Ereignis" dar, das als ein den Rechtsstreit erledigendes Geschehen angesehen werden kann. Für den Antragsteller entfallen nämlich ab diesem Zeitpunkt die Wiederholungsgefahr, damit die Grundlage des Anordnungsgrunds und somit die Zulässigkeit seines ursprünglich gestellten Antrags.

Der von der Antragsgegnerin im Schreiben vom 11. November 2003 eingeführte Gesichtspunkt, der Antragsteller fordere von Herrn H. (gemeint wohl: von der Antragsgegnerin) "gleichzeitig, die getätigten Äußerungen zu widerrufen und den Antragsteller zu rehabilitieren", ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden und kann somit mangels entsprechenden ursprünglichen Antrags an das Gericht auch nicht Gegenstand der Prüfung sein, ob auch insofern ein erledigendes Ereignis eingetreten sei.

Der Antragsteller hat die Erledigungserklärung auch ausdrücklich als solche abgegeben und damit in legitimer Weise von einem ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Mittel Gebrauch gemacht. Für eine darin etwa zu sehende missbräuchliche Umgehung der Kostenfolgen aus § 155 Abs. 2 VwGO besteht (unabhängig von der bedeutungslos gewordenen Frage des Bestehens eines Anordnungsanspruchs) kein Anhaltspunkt. Die Antragsgegnerin hatte die Wahl: Stimmte sie der Erledigterklärung zu, so hatte das Gericht im Rahmen der Kostenentscheidung derjenigen Partei die Kosten aufzuerlegen, die voraussichtlich unterlegen wäre. Hielt sie dagegen die Erklärung für mit der prozessualen Entwicklung nicht im Einklang stehend, weil nach ihrer Auffassung gar keine Erledigung eingetreten ist, so war sie rechtlich dadurch geschützt, dass sie der Erklärung ausdrücklich widersprechen konnte. Sie hat den letzteren Weg gewählt mit der Folge, dass der Senat nurmehr über die Frage des Eintritts eines erledigenden Ereignisses zu entscheiden hat. Diese Entscheidung fällt, wie dargelegt, zu Lasten der Antragsgegnerin aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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