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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 07.10.2004
Aktenzeichen: 4 B 01.1883
Rechtsgebiete: BGB, BayNatSchG


Vorschriften:

BGB § 1004
BGB § 242
BayNatSchG Art. 13d Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache

4 B 01.1883

wegen Entfernung eines Abwasserkanals;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 31. Mai 2001,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dillmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 6. Oktober 2004 am 7.Oktober 2004 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 31. Mai 2001 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, die in dem Grundstück Fl.-Nr. 873/17 der Gemarkung S*** verlaufende Abwasserleitung zwischen den Schachtanlagen Nr. 3067 und Nr. 3069 einschließlich der Schachtanlage Nr. 3068 zu beseitigen. Diese Verurteilung steht unter dem Vorbehalt, dass die für die Beseitigung erforderlichen naturschutzrechtlichen Gestattungen bestandskräftig erteilt werden. Die Beklagte wird verurteilt, die erforderlichen naturschutzrechtlichen Gestattungen bei der zuständigen Behörde binnen eines Monats nach Rechtskraft dieses Urteils formgerecht zu beantragen.

Für den Fall, dass eine für die Beseitigung der Abwasserleitung erforderliche naturschutzrechtliche Gestattung von der zuständigen Behörde bestandskräftig versagt wird, wird die Beklagte verurteilt, die in dem Grundstück Fl.-Nr. 873/17 der Gemarkung S*** verlaufende Abwasserleitung stillzulegen; im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Entfernung eines in seinem Grundstück verlegten Abwasserkanals.

1. Der Kläger ist seit 1993 Eigentümer des im Außenbereich gelegenen, unbebauten Flurstücks Nr. 873/17 der Gemarkung S. Das mit Wiese und Bäumen bewachsene Grundstück ist als Biotop geschützt und liegt in einem als Naturpark und Landschaftsschutzgebiet festgesetzten Bereich. In seinem nördlichen Teil verläuft ein Bach, südlich grenzt ein im Eigentum der beklagten Stadt stehender Gehweg (Fl.-Nr. 873/12) an. Seit etwa 1970 ist in dem Grundstück über eine Länge von etwa 90 m parallel zum Gehweg ein Kanal verlegt, der zur öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten gehört und den Ortsteil St. erschließt. Der damalige Grundstückseigentümer hatte der Leitungsverlegung zugestimmt, jedoch die Eintragung einer Grunddienstbarkeit abgelehnt. Im Mai 2000 trat aus dem Kanal im Bereich des klägerischen Grundstücks Abwasser aus. Daraufhin wandte sich der Kläger an die Beklagte und begehrte die Verlegung der Leitung aus seinem Grundstück in das Wegegrundstück. Die Beklagte hielt dem entgegen, dass der Kanal nach § 19 ihrer Entwässerungssatzung (EWS) geduldet werden müsse, dass er zudem lange vor dem Grundstückserwerb durch den Kläger verlegt worden sei und dass von ihm nach der Schadensbehebung keine Gefahren mehr ausgingen. Sie beabsichtige im Übrigen mittelfristig eine Sanierung der betroffenen Kanäle und sei bereit, im Rahmen dieser Maßnahmen die Leitung bis spätestens 2005 wunschgemäß zu verlegen. Zu einer früheren Verlegung sehe sie jedoch keinen Anlass, weil einerseits die Grundstücksnutzung durch den Kanal nicht beeinträchtigt werde und andererseits eine Kanalverlegung vor der beabsichtigten Generalsanierung zu unzumutbaren Kosten führen würde.

2. Der Kläger hat am 19. September 2000 Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und geltend gemacht: Er habe bis zu dem Wasseraustritt angenommen, dass der Kanal sich im benachbarten Wegegrundstück der Beklagten befinde. Es gebe keinerlei Rechtsgrundlage, die ihn zur Duldung des Kanals in seinem Grundstück verpflichten würde. Sein Verlegungsverlangen sei auch nicht missbräuchlich. Der Kanal sei offensichtlich schadhaft und könne ohne Schwierigkeiten bereits jetzt verlegt werden, zumal der konkrete Zeitpunkt der Generalsanierung ungewiss sei und er nicht der Gefahr von Grundstücksverschmutzungen und etwaigen Regressforderungen ausgesetzt sein wolle.

Der Kläger hat (zuletzt) beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die aus 30 cm starken Steinzeugrohren auf einer Länge von ca. 90 m über das Grundstück Fl.Nr. 873/17 zwischen den Schachtanlagen Nr. 3069 und Nr. 3067 sowie das dazugehörende, auf dem Grundstück befindliche Schachtbauwerk Nr. 3068 zu beseitigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, dass der Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Kläger habe beim Kauf des Grundstücks mit Blick auf mindestens einen sichtbaren Abwasserschacht zumindest Kenntnis von dem Kanal erlangen können. Die begehrte Beseitigung sei von ihr, der Beklagten, zu keinem Zeitpunkt abgelehnt, sondern für spätestens 2004/2005 im Rahmen der geplanten Generalsanierung des Kanalnetzes zugesagt worden. Eine frühere Verlegung führe zu keiner Verbesserung der Abwassersituation oder spürbaren Entlastung des klägerischen Grundstücks und sei wegen des Aufwands für eine solche vorgezogene Teilmaßnahme unverhältnismäßig. Bis zur Generalsanierung müsse der Kläger die seit Jahrzehnten im Grundstück liegende Leitung dulden.

Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten blieben ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 31. Mai 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe zwar grundsätzlich einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung der von dem Kanal ausgehenden Beeinträchtigung seines Eigentums. Dieser Anspruch sei auch nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Duldung verpflichtet sei. Die schuldrechtliche Vereinbarung zwischen seinem Rechtsvorgänger und der Beklagten über die Kanalführung entfalte ihm gegenüber keine Wirkung; eine dingliche Absicherung des Kanalleitungsrechts sei nicht erfolgt. Eine Duldungspflicht ergebe sich auch nicht aus § 19 EWS, weil die Kanalverlegung für das im Außenbereich gelegene, unbebaute und auch nicht bebaubare Grundstück des Klägers keinerlei wirtschaftliche Vorteile biete. Dem mithin grundsätzlich bestehenden Anspruch auf Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung stehe jedoch der in § 242 BGB verankerte Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Die Kanalverlegung über eine Länge von 600 m würde nach den unbestrittenen und auch realistischen Angaben der Beklagten Kosten von etwa 51.000 Euro (100.000 DM) verursachen. Selbst wenn der zu verlegende neue Kanal im Rahmen der geplanten Generalsanierung des Kanalnetzes verwendbar wäre, so bliebe bei der Beklagten dennoch ein Schaden in Gestalt erhöhter Kosten für eine isolierte Baumaßnahme und eines Zinsnachteils. Angesichts des Umstandes, dass die Beklagte unstreitig bereit sei, den Kanal im Zuge der Gesamtsanierung bis spätestens 2005 stillzulegen und zu verfüllen, sei ein Eigeninteresse des Klägers an einer gegenwärtigen Beseitigung nicht erkennbar. Die Nutzung des Grundstücks zu Freizeitzwecken werde nicht beeinträchtigt. Die Befürchtung des Klägers, er könne bei Austritt von Abwasser aus dem Kanal als Grundstückseigentümer in Anspruch genommen werde, erscheine unerheblich, zumal die Beklagte angeboten habe, den Kläger von der Haftung freizustellen. Insgesamt sei ihm die Hinnahme des Kanals bis spätestens 2005 zumutbar.

3. Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter und trägt zur Begründung vor: Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die begehrte Leitungsverlegung würde Kosten von 51.000 Euro verursachen, sei nicht richtig, weil der Kanal nicht auf einer Länge von 600 m, sondern nur über 90 m verlegt werden müsse. Zudem könne nicht nachvollzogen werden, warum das bloße zeitliche "Vorziehen" der sowieso beabsichtigten Maßnahme mit unzumutbaren Kosten verbunden sein solle. Unzutreffend sei auch die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, es bestehe kein schützenswertes Interesse für eine frühere Beseitigung des Kanals. Denn zum einen müsse er als Eigentümer nicht im Einzelnen rechtfertigen, warum er den Kanal nicht dulden wolle, zum anderen sei die Möglichkeit eines erneuten Austritts von Abwasser nicht auszuschließen. Das gelte umso mehr, als im September 2004 erneut Fäkalien aus dem Kanal ausgetreten und über das Grundstück in den Bach geflossen seien. Auch wenn man von der Argumentation des Verwaltungsgerichts ausgehe, wonach dem grundsätzlich bestehenden Beseitigungsanspruch bis Ende 2004 der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen stehe, so hätte die Beklagte jedenfalls zur Beseitigung bis zu diesem Zeitpunkt verurteilt werden müssen; denn diese habe eine Verlegung nur unverbindlich in Aussicht gestellt, nicht aber verbindlich zugesagt. Es bestehe auch ein Anspruch auf Beseitigung der Leitung, nicht nur auf deren Stilllegung. Eine Beseitigung begegne keinen naturschutzrechtlichen Problemen; das habe ein Mitarbeiter der unteren Naturschutzbehörde nach einer Besichtigung des Grundstücks bestätigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die aus 30 cm starken Steinzeugrohren auf einer Länge von ca. 90 m über das Grundstück Fl.Nr. 873/17 zwischen den Schachtanlagen Nr. 3069 und Nr. 3067 sowie das dazugehörende, auf dem Grundstück befindliche Schachtbauwerk Nr. 3068 zu beseitigen sowie einen Antrag auf auf erforderliche naturschutzrechtliche Gestattungsakte unverzüglich in formgerechter Weise zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ihrer Auffassung nach geht es alleine um die Frage, ob der Kanal gleich beseitigt werden müsse oder vom Kläger noch drei Jahre zu dulden sei. Der bestehende Beseitigungsanspruch des Klägers könne zwar nicht als solcher unter Verweis auf § 242 BGB in Frage gestellt werden. Ihr, der Beklagten, müsse aber aus Gründen der Billigkeit und Zumutbarkeit bei der Durchsetzung des Anspruchs eine Auslauffrist zugesprochen werden. Auf Seiten des Klägers sei kein stichhaltiges Interesse an einer sofortigen Beseitigung zu erkennen. Auf ihrer Seite hingegen falle ins Gewicht, dass ein Vorziehen der Kanalverlegung im Bereich des klägerischen Grundstücks zu einer Kostensteigerung der Gesamtmaßnahme von mindestens 25% und zu weiteren Unterhaltungskosten wegen regelmäßig erforderlicher Spülvorgänge führe. Zudem habe der Kläger keinen Anspruch auf Beseitigung des Kanals, sondern nur auf dessen Stilllegung und Verfüllung. Eine Beseitigung sei nicht nur mit erheblichen Mehrkosten verbunden, sondern zudem rechtlich problematisch, weil das Grundstück ein gesetzlich geschütztes Biotop sei und einem absoluten Veränderungsverbot unterliege.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat der Vertreter der Beklagten erklärt, dass die Kanalsanierung einschließlich der Stilllegung des Kanals im Grundstück des Klägers alsbald in Angriff genommen werde und spätestens im Dezember 2005 abgeschlossen sein solle. Einer einvernehmlichen Lösung sind die Beteiligten dennoch nicht näher getreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts einen Anspruch gegen die Beklagte auf Beseitigung der strittigen Abwasserleitung aus seinem Grundstück. Dieser Anspruch steht - lediglich - unter dem Vorbehalt, dass die für die Beseitigung erforderlichen naturschutzrechtlichen Gestattungen bestandskräftig erteilt werden. Für den Fall, dass eine erforderliche Gestattung unanfechtbar versagt wird, kann der Kläger statt der Entfernung die Stilllegung des Kanals verlangen. Eine Auslauffrist ist der Beklagten in beiden Fällen nicht zuzubilligen.

1. Der Kläger kann nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, der bei Eigentumsstörungen durch (schlicht) hoheitliche Tätigkeit entsprechend anzuwenden ist (vgl. etwa BayVGH, U.v. 10.7.2001 - 4 B 99.1199 - BayVBl. 2002, 20), von der Beklagten die Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung beanspruchen, die in der unberechtigten Inanspruchnahme seines Grundstücks durch den Abwasserkanal zu sehen ist. Der Kläger ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Duldung der Rohrleitung (§ 1004 Abs. 2 BGB) verpflichtet. Er ist an die vom Voreigentümer erteilte Gestattung mangels dinglicher Belastung des Grundstücks nicht gebunden. Er muss den Abwasserkanal schon deshalb nicht nach § 19 EWS dulden, weil dieser seinem unbebauten und unbebaubaren Grundstück keinen wirtschaftlichen Vorteil vermittelt (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 EWS). Der Anspruch ist schließlich weder verjährt noch verwirkt. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte für ein Verhalten des Klägers zu erkennen, das die Beklagte zum Anlass hätte nehmen können, sich darauf einzurichten, der Kläger werde sein Recht (innerhalb der Verjährungsfrist) nicht mehr geltend machen; dieser hat im Gegenteil die aufgetretenen Belästigungen nicht widerspruchslos hingenommen. Das alles ist zwischen den Beteiligten mittlerweile auch unstrittig.

Der damit dem Grunde nach bestehende Beseitigungsanspruch richtet sich nicht nur auf die Stilllegung des Abwasserkanals, sondern auf die Entfernung der Rohrleitung aus dem Grundstück. Denn die Eigentumsstörung liegt nicht (allein) in der Durchleitung von Abwasser, sondern in der unberechtigten Kanalführung durch das klägerische Grundstück. Der Eigentümer kann nach § 903 Satz 1 BGB mit seinem Grundstück nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Dementsprechend kann er die Entfernung einer unberechtigt verlegten Rohrleitung verlangen (BayVGH, U.v. 23.3.1999 - 4 B 97.720 - BayVBl. 1999, 567, ständige Rechtsprechung).

2. Dem Beseitigungsanspruch stehen - unter dem Vorbehalt, dass die zur Beseitigung erforderlichen naturschutzrechtlichen Gestattungen erteilt werden - weder dauerhafte noch vorübergehende rechtliche Hindernisse entgegen.

a) Ein Anspruch auf Beseitigung würde entfallen, wenn für die beseitigungspflichtige Körperschaft damit ein unverhältnismäßig hoher (auch finanzieller) Aufwand verbunden wäre, der zu dem erreichbaren Erfolg bei allem Respekt für das Verlangen nach rechtmäßigen Zuständen in keinem vernünftigen Ergebnis mehr stehen würde (vgl. BVerwG, U.v. 26.8.1993 - 4 C 24.91 - BVerwGE 94, 100/117). Das ist nicht der Fall.

Der Abwasserkanal kann ohne weiteres statt durch das klägerische Grundstück über das benachbarte, im Eigentum der Beklagten stehende Wegegrundstück geführt werden. Die Verlegung des etwa 90 m langen Kanalabschnitts auf eine nur unwesentlich längere Trasse in öffentlichem Grund ist zumutbar. Ein besonderer technischer Aufwand von erheblichem Gewicht wird nicht geltend gemacht. Die Verlegungskosten, die das Verwaltungsgericht der Beklagten folgend auf ca. 50.000 Euro geschätzt hat, und auch etwaige vermehrte Unterhaltungskosten für Durchspülungen stehen ebenfalls nicht außer Verhältnis. Das gilt umso mehr, als die Beklagte im fraglichen Bereich eine (öffentlich bezuschusste) Generalsanierung ihrer Entwässerungseinrichtung durchführen will, in deren Gefolge die vom Kläger begehrte Maßnahme "in einem Zug" Kosten sparend mitabgewickelt werden kann.

Dem entscheidungstragenden Argument des Verwaltungsgerichts, der Kanal sei dem Kläger mangels aktueller Beeinträchtigungen bei der Nutzung des Grundstücks bis zum Abschluss der Generalsanierung mit der Folge zumutbar, dass seinem derzeitigen Beseitigungsverlangen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehe, vermag der Senat nicht zu folgen. Diese Erwägung geht zum Einen im Ansatz fehl, weil der Kläger gerade nicht zur Duldung verpflichtet ist und deshalb nicht er rechtfertigen muss, warum er die Beseitigung der rechtswidrigen Eigentumsbeeinträchtigung verlangt, sondern die Beklagte zu begründen hat, warum der Kläger den rechtswidrigen Zustand trotz seines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz weiter hinnehmen soll; zu fragen ist - mit anderen Worten - nicht nach der Zumutbarkeit des bisherigen Zustands für den Kläger, sondern nach der Zumutbarkeit der Herbeiführung rechtmäßiger Zustände für die Beklagte. Zum anderen hätte das Verwaltungsgericht in Konsequenz seiner Auffassung die Beklagte zur Beseitigung des Kanals unter Einräumung einer Auslauffrist verurteilen müssen (vgl. BayVGH, U.v. 3.3.1997 - 4 B 95.548 - VerwRR By 1997, 196/197); das war auch mit Blick auf die Verteidigung der Beklagten keineswegs entbehrlich, weil diese den Beseitigungsanspruch des Klägers vor der Klageerhebung nicht vorbehaltlos anerkannt hatte und im übrigen auch bis heute kein - dann zu einer Verurteilung nach § 173 VwGO in Verbindung mit § 307 ZPO führendes - Anerkenntnis abgegeben, sondern allenfalls eine Kanalstilllegung unverbindlich in Aussicht gestellt hat.

Ob der Beklagten ursprünglich eine Auslauffrist bis zur Generalsanierung einzuräumen gewesen wäre, kann dahinstehen. Im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung ist eine solche Frist jedenfalls nicht mehr geboten, um eine - unterstellte - vorübergehende Unzumutbarkeit von der Beklagten abzuwenden. Nach den Ausführungen des Beklagtenvertreters soll die Kanalsanierung einschließlich der Verlegung einer neuen Rohrleitung im Gehweg als Ersatz für das im klägerischen Grundstück liegende Kanalstück alsbald in Angriff genommen werden. Die Ausschreibung der Maßnahmen ist bereits vorbereitet und soll bis Mitte November 2004 abgeschlossen sein. Anschließend sollen die Arbeiten beginnen und bis spätestens Ende 2005 abgeschlossen sein. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Frist mehr, um der Beklagten (weitere) Zeit für eine Planung der Kanalführung und der konkreten Baumaßnahmen zu verschaffen. Die Frage, bis wann das Leistungsurteil befolgt werden muss, ist im Vollstreckungsverfahren zu beurteilen (BayVGH, U.v. 23.7.1993 - 4 B 92.2832, in KommP 1994, 104 insoweit nicht abgedruckt), wobei der Senat davon ausgeht, dass die Beklagte bei einer plangemäßen Durchführung der Maßnahmen ihrer Verpflichtung genügt.

b) Der Beseitigungsanspruch des Klägers steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die für die Entfernung der Rohrleitung aus dem klägerischen Grundstück erforderlichen naturschutzrechtlichen Gestattungen erteilt werden (vgl. BGH, U.v. 20.11.1992 - V ZR 82/91 - NJW 1993, 925/926 f.).

Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass die vom Kläger begehrte Beseitigung naturschutzrechtlich (formell) verboten ist: Das Grundstück liegt im räumlichen Geltungsbereich der Verordnung über den "Naturpark Fichtelgebirge" vom 26. Juli 1990 (GVBl S. 309 - Naturpark-VO) und der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Fichtelgebirge" im Gebiet des Regierungsbezirks Oberfranken vom 21. November 2000 (Oberfränkisches Amtsblatt S. 208 - Landschaftsschutz-VO). Nach beiden Verordnungen bedarf der Erlaubnis, wer (u.a.) beabsichtigt im geschützten Gebiet unterirdisch geführte Rohrleitungen zu verlegen (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 Naturpark-VO und § 6 Abs. 1 Nr. 4 Landschaftsschutz-VO). Auch bei der - hier in Streit stehenden - Beseitigung einer vorhandenen Rohrleitung handelt es sich nach Wortlaut wie Sinn und Zweck der Vorschriften um ein erlaubnispflichtiges "Verlegen". Die Erlaubnisse sind zu erteilen, wenn die Maßnahme nicht den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen kann oder diese Wirkungen durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Naturpark-VO und § 6 Abs. 2 Landschaftsschutz-VO). Auf dem klägerischen Grundstück befindet sich ferner ein gesetzlich geschütztes Biotop. Dort sind gemäß Art. 13d Abs. 1 BayNatSchG Maßnahmen unzulässig, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen des Biotops führen können. Für solche Maßnahme kann allerdings nach Art. 13d Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG auf Antrag eine Ausnahme zugelassen werden, wenn die Beeinträchtigung der jeweiligen Standorteigenschaften für wildwachsende Pflanzen und wildlebende Tiere ausgeglichen werden können oder wenn die Maßnahme aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls notwendig ist.

Diese naturschutzrechtlichen Verbote stehen dem Beseitigungsanspruch nicht zwingend entgegen. Zwar kann die Beklagte nicht zu Maßnahmen verurteilt werden, die ihr gesetzlich untersagt sind. Sie kann sich aber nicht hinter dem Verbot verschanzen, wenn gesetzlich Ausnahmen eröffnet sind, die mit Aussicht auf Erfolg beantragt werden können. In diesem Fall ist von ihr zu verlangen, dass sie sich um die Beseitigung des Verbots bemüht und insbesondere die notwendigen Anträge stellt (vgl. BGH, U.v. 20.11.1992 a.a.O.). Diese Anträge haben Aussicht auf Erfolg. Denn der mit der Entfernung der Rohrleitung verbundene Eingriff in die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes ist gering. Der Kläger hat plausibel und ohne substanziierten Widerspruch seitens der Beklagten vorgetragen, dass im fraglichen Grundstückbereich keine besonders schützenswerten Pflanzen wachsen und ein Mitarbeiter der unteren Naturschutzbehörde bei einem Augenschein vor Ort geäußert hat, dass die Maßnahme ohne weiteres gestattet werden könne. Ob ein Anspruch auf die genannten naturschutzrechtlichen Erlaubnisse und Ausnahmen besteht, kann freilich nicht abschließend in diesem Verfahren entschieden werden; darüber haben vielmehr die zuständigen Naturschutzbehörden zu befinden. Da aber in jedem Fall die Möglichkeit einer Gestattung (Erlaubnis, Ausnahme) besteht, ist die Beklagte zur Beseitigung des Kanals unter dem Vorbehalt zu verurteilen, dass diese erforderlichen Gestattungen erteilt werden. Als Annex zu diesem Anspruch kann der Kläger ferner verlangen, dass die Beklagte dazu verurteilt wird, die entsprechenden Anträge formgerecht zu stellen. Für den Fall, dass eine erforderliche Gestattung unanfechtbar versagt wird und die Beseitigung der Rohrleitung damit naturschutzrechtlich verboten bleibt, ist die Beklagte (nur) zur Stilllegung des Kanals verpflichtet. Diese Maßnahme ist naturschutzrechtlich nicht verboten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.225 Euro (entspricht 20.000 DM) festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 und § 73 Abs. 1 GKG a.F.).



Ende der Entscheidung

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